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Der Weg nach Roseworthy
Der Weg nach Roseworthy
Der Weg nach Roseworthy
eBook287 Seiten4 Stunden

Der Weg nach Roseworthy

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Über dieses E-Book

Zoe, Lehrerin an einer Grundschule in Luxemburg, wandert nach dem plötzlichen Tod ihres Mannes und ihres kleinen Sohnes aus. Und zwar auf die andere Seite der Erde, in das abenteuerliche Land Australien. Sie will die Zeit der Trauer hinter sich lassen und noch einmal ganz neu beginnen.
Der Ranchbesitzer Riley, wo Zoe nun wohnt, merkt, dass sie ängstlich und traurig wirkt und will mit ihr sprechen und für sie da sein.
Doch Zoe will niemanden beunruhigen und behält alles für sich. Aber kaum ist sie in ihrem neuen Zuhause angekommen, wird sie bei einem Country Fest entführt…

Eine Geschichte über das Leben, zwischen Trauer und Angst, über Freundschaft und über die wahre Liebe.
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum22. Apr. 2014
ISBN9783847685050
Der Weg nach Roseworthy

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    Buchvorschau

    Der Weg nach Roseworthy - Samina Haye

    Samina Haye

    Der Weg nach Roseworthy

    Roman

    Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung der Autorin.

    Danksagung

    Ich möchte an dieser Stelle meinen Dank an alle aussprechen, die mir bei der Entstehung dieses Buches geholfen haben.

    Meiner Lektorin verdankt das Buch wichtige Anregungen, Ecken und Kanten.

    Für den letzten Feinschliff an meinem Roman, danke ich meinen großartigen Testlesern. Sie brachten mich auf verschiedene Ideen und halfen mir bei der Kapitelgestaltung.

    Natürlich danke ich meinem Freund, meiner Familie und Tatjana, die einige Abende und viele Stunden mit einer gewissen geistigen Abwesenheit meinerseits leben mussten.

    Danke für eure tolle Hilfe und Unterstützung.

    Samina Haye

    Widmung

    Für meine Familie, die ich über alles Liebe!

    Prolog

    Samstag, 18. September 2010

    Es war ein warmer Septembermorgen, an dem Zoe Clemens auf der Terrasse stand, um die Morgensonne zu genießen. Ihr langes, braunes Haar wehte im Wind, als sie gedankenverloren die letzten Jahre Revue passieren ließ.

    Zoe war mit Julian Clemens nun seit über sechs Jahren verheiratet, doch als eine glückliche harmonische Ehe, konnte man dies leider nicht bezeichnen. Aber nach außen hin spielten sie die heile, perfekte Welt.

    Eigentlich hatten beide nur eine heiße Affäre gewollt, doch dann war etwas geschehen, mit dem die zwei nicht gerechnet hatten. Zoe wurde mit ihrem bezaubernden Sohn Nick schwanger. Damals waren sie noch jung gewesen, doch Julian hatte sowieso nur zwei Dinge im Kopf gehabt: Das Fliegen und die Frauen.

    Doch obwohl Zoe anfangs so erschreckt über die Schwangerschaft gewesen war, wollte sie das Baby unbedingt bekommen. Julian dagegen hatte sich gesträubt und versucht mit allen möglichen Tricks Zoe das Kind auszureden, doch ohne Erfolg.

    Als sie wochenlang gestritten hatten, kamen sie nach einem langen Kampf zu dem Entschluss, zu heiraten.

    Julians Eltern waren in dieser Hinsicht noch ziemlich altmodisch, da wäre es niemals infrage gekommen, ein uneheliches Kind in die Welt zu setzen.

    Die ersten Monate ihrer Ehe waren für ihre Verhältnisse dennoch ziemlich gut verlaufen. Aber da Zoes schlanke Figur etwas rundlicher und ihr Bauch immer voller geworden war, hatte Julian Panik bekommen und war unausstehlich geworden.

    Er liebte schlanke, attraktive Frauen und verlangte täglich seine Zärtlichkeiten. So war es passiert, dass er sich in den letzten Schwangerschaftswochen wenig Zuhause hatte blicken lassen.

    Da Julian als Pilot viel Geld verdiente, hatte er es sich einfach gemacht und eine kleine noble Wohnung in der Nähe des Flughafens, wo er arbeitete, gekauft. Dorthin verkroch er sich mit seinen Affären, die er in den ganzen Jahren kennengelernt hatte.

    Die Zeiten hatten sich etwas gebessert, als ihr gemeinsamer Sohn Nick auf die Welt gekommen war. Für einige Monate hatte sich Zoe gedacht, doch noch das Glück zu haben, eine wundervolle kleine Familie zu werden. Aber der Schein hatte getrogen. Zu Nicks drittem Geburtstag hatte sie Julian gegenüber den Wunsch geäußert, gerne noch ein zweites Kind bekommen zu wollen. Damit hatte sie das Fass zum Überlaufen gebracht.

    Julian war außer sich geraten und hatte gab ihr eine Ohrfeige gegeben. Zoe wusste seine Worte noch, als wäre es erst gestern gewesen: „Zoe, es tut mir leid. Ich bin zu weit gegangen, ich wollte dich nicht schlagen, aber spinnst du? Ein zweites Kind? Du weißt doch, warum wir verheiratet sind. Es wird sich nichts daran ändern und auch ich werde mich nicht ändern. Ich möchte mich weiterhin mit anderen Frauen treffen. Das gehört, wie du und Nick, zu meinem Leben." Das waren seine Worte gewesen, bevor er kurz danach das Haus verlassen hatte und das ganze Wochenende nicht nach Hause gekommen war.

    Nun war das alles über sechs Jahre her und bis heute noch spielten sie ihren Familien eine glückliche Ehe vor. Anfangs war es für Zoe unerträglich und sehr kompliziert gewesen, das alles durchzustehen. Ihre Schwester hatte oft nachgefragt, ob denn auch alles in Ordnung sei, doch Zoe fand immer irgendwelche Ausreden. Nach so vielen Jahren wusste sie mit dem Ganzen richtig umzugehen. Zoe weinte nicht mehr ganz so viel, aber sie führte immer noch ein trauriges und unvollkommenes Leben.

    Das einzig Positive in ihrem Leben war ihr wunderbarer Sohn Nick. Er brachte sie zum Lachen und machte sie jeden Tag glücklich.

    Heute, an diesem Samstag war es soweit. Der kleine Nick feierte seinen sechsten Geburtstag.

    Als sich Zoe nun wieder fasste, ging sie schnell in die Küche, um das leckere Frühstück zu holen und draußen auf dem Terrassentisch aufzudecken.

    Wenige Minuten später gesellte sich auch Julian zu ihr und nahm sich frischen Kaffee, aber sie sprachen nicht miteinander, sondern jeder las eine Zeitung.

    Nick wünschte sich schon seit seinem dritten Lebensjahr einen Flugtag zusammen mit seinem Vater, einem erfahrenen Hubschrauberpiloten.

    Wäre es nach Julian gegangen, hätte Nick schon viel früher mitfliegen dürfen, denn für ihn war Fliegen das Schönste und Normalste auf der Welt.

    Doch für Zoe war das viel zu früh. Sie hatte auch immer ein ängstliches Gefühl, wenn ihr Mann seinen Beruf ausübte. Sie konnte sich einfach nicht daran gewöhnen, dass sich Nicks Vater, ihrer Meinung nach, immer wieder großer Gefahr aussetzte.

    Darum hatten sie sich darauf geeinigt, dass Nick erst zu seinem sechsten Geburtstag das ersehnte Geschenk bekommen sollte. Zusätzlich bekam er ein kleines Modellflugzeug, mit dem er spielen, aber auch lernen sollte, vorsichtig und verantwortungsvoll umzugehen.

    Es dauerte an diesem Morgen nicht lange, schon hörten sie laute Geräusche aus Nicks Zimmer.

    Er rannte schnell und gut gelaunt raus auf die Terrasse und schrie:

    „Guten Morgen, Mama, Papa! Ich war heute schon total brav, bin frisch gewaschen und habe mir auch schon die guten Sachen angezogen. Bekomme ich jetzt bitte schon mein Geschenk?"

    Zoe streckte mit einem Lächeln im Gesicht die Arme nach ihrem Sohn aus und Nick hüpfte voller Begeisterung auf den Schoß. Sie war so stolz auf ihren kleinen Sohnemann.

    Nick lachte und sah seine Mutter an.

    „Jetzt bin ich nicht mehr so leicht aufzufangen, denn ab heute bin ich schon ein ganz Großer."

    Alle drei brachen in lautes Gelächter aus.

    „Da hast du recht. Guten Morgen, mein Großer. Hast du denn gut schlafen können?"

    „Ja, Mami, sehr gut. Bin doch jetzt schon groß. Oma sagt doch immer, dass Vorfreude die schönste Freude sei auf das, was bald kommt. Tja, daran hab ich einfach gedacht."

    Nick sah seinen Dad voller Erwartung an, der endlich Anstalten machte, ihm sein Geschenk zu überreichen.

    Julian merkte schon, dass Nick ungeduldig hin und her rutschte und musste lächeln.

    Nick ging es einfach nicht schnell genug. Nach einer gefühlten Ewigkeit machte er einen spontanen Seitenwechsel auf Julians Schoß. Der große Augenblick war gekommen: Das Öffnen des Geschenkes.

    Als er das Modelflugzeug sah, war es um ihn geschehen. Die Freude war so groß, dass er nicht bemerkte, dass sich noch etwas in dem Paket befand.

    Zoe und Julian waren glücklich und zufrieden, dass sie ihrem Sohn diese Freude bereiten konnten.

    „Jetzt hab ich auch einen Flieger", jubelte Nick.

    „Sieh doch noch mal in dem Paket nach. Ich glaube, da könnte noch eine Überraschung versteckt sein", gab Zoe ihm den Tipp.

    Sofort schaute er nochmals in die Schachtel und fand unter dem ganzen Geschenkpapier noch ein Foto.

    „Toll, ein Bild von Papas neuem Hubschrauber, das muss ich gleich in meinem Zimmer aufhängen", grinste er bis über beide Ohren. Zoe und Julian sahen sich glücklich an.

    „Deine Mutter und ich haben entschieden, dass du jetzt alt genug dafür bist, um einen Flugtag mit mir zu verbringen!"

    Nick sprang auf und jubelte vor lauter Freude.

    „Papa, fliegen wir bitte heute noch? Bitte, bitte, es ist doch mein Geburtstag und so tolles Wetter noch dazu!"

    Mit einem Lächeln im Gesicht sahen sich Zoe und Julian an und antworteten gleichzeitig:

    „Aber natürlich. Heute ist doch dein Geburtstag!"

    Der Junge war jetzt so aufgeregt, dass er nicht mehr wusste, was er als erstes tun sollte.

    Nick rannte ins Haus, holte das Telefon und rief seine Großeltern an.

    Voller Stolz berichtete er, welch „gigantisches" Geschenk er bekommen hätte und dass es besser wäre, wenn sie erst am späten Nachmittag vorbeikämen. Denn dann könne er ihnen von dem tollen Flug erzählen.

    Die Großeltern freuten sich mit ihm und mussten über ihren nervösen Enkel herzlich lachen. Sie wünschten ihm viel Spaß, er solle aber auf sich aufpassen und vorsichtig sein.

    Nick ging wieder zu seinen Eltern, frühstückte mit ihnen und hörte einfach nicht mehr auf zu quasseln.

    Kurz vor Mittag brachen Julian und Nick auf zum Flugplatz.

    Zoe umarmte ihren Sohn noch einmal.

    „Mein Spatz, ich wünsche dir ganz viel Spaß heute. Pass auf, was dein Vater dir alles erklärt."

    „Oh ja, danke schön, Mum, das werde ich machen!"

    Er gab ihr noch einen dicken Kuss und sprang ins Auto.

    Julian ging zu seiner Frau und drückte ihren Arm.

    „Hab keine Angst, in ein paar Stunden sind wir wieder heil zurück und du hast deinen glücklichen Sohn vor dir stehen."

    Sie nickte schwach, doch Zoes Angst war deutlich zu spüren. Julian gab ihr einen Kuss auf die Wange.

    „Viel Spaß, euch beiden!"

    „Danke, den werden wir haben."

    Sie fuhren davon. Zoe winkte ihnen nach, bis sie nicht mehr zu sehen waren und flüsterte leise.

    „Ich liebe dich, Nick."

    Spät am Nachmittag trafen Zoes Eltern und auch ihre Schwiegereltern ein. Sie war froh, nicht mehr alleine sein zu müssen und etwas Ablenkung tat ihr gut. Irgendwie hatte sie ein komisches Gefühl, aber wahrscheinlich war es nur Einbildung. Sie führte ihren Besuch auf die Sonnenterrasse und servierte Kaffee und Kuchen. Sie sprachen über Nick und darüber, wie schnell doch die Zeit vergangen sei, nun sei er schon sechs Jahre alt geworden.

    Nach einiger Zeit fiel Zoes Mutter Sophie auf, dass Zoe ständig auf die Uhr schaute.

    „Schätzchen, was ist denn los, du wirkst so bedrückt?"

    Traurig, schon fast mit Tränen in den Augen sah diese ihre Mutter an.

    „Mama, ich weiß nicht was los ist, aber ich habe schon seit einiger Zeit ein ungutes Gefühl, eigentlich sollten die zwei schon längst wieder hier sein."

    Man merkte, wie es auf einmal still wurde und niemand mehr etwas sagte. Alle sahen zu Zoe, bis Adam, Julians Vater, das Schweigen brach.

    „Zoe, mach dich nicht fertig, deine Gefühle irren sich bestimmt. Hat denn mein Sohn sein Handy nicht dabei?"

    Überrascht sah sie ihn an und fragte sich gerade, warum sie denn nicht selber darauf gekommen war.

    „Ähm, ehrlich gesagt, ich weiß es nicht. Normalerweise verlässt Julian nie das Haus ohne sein Handy. Aber ich sehe sofort nach und ruf ihn an."

    Luise, ihre Schwiegermutter, bot ihr an, sie zu begleiten um bei der Suche behilflich zu sein. Zoe lächelte schwach, bedankte sich und meinte, sie schaffe das schon alleine, sie sollten noch in Ruhe die letzten Sonnenstrahlen genießen.

    Nach kurzem Innehalten verschwand sie rasch im Haus und eilte ins Obergeschoss, wo sich Julians Büro befand.

    Wie versteinert blieb sie stehen, denn ihr erster Blick war seltsamerweise sofort auf sein Handy gefallen. Sie verstand nichts mehr, das war noch nie geschehen, aber warum denn genau heute? War das ein schlechtes Omen?

    Zoe ging zum Schreibtisch und nahm das Handy. Danach verließ sie wie in Trance das Zimmer und ging wieder nach unten.

    Alle standen beisammen auf der Terrasse und genossen die Wärme des Abends.

    Sie unterhielten sich über Nick, seinen Geburtstag und das wunderbare Geschenk, das er sich schon so lange gewünscht hatte. Alle mussten lächeln bei der Vorstellung, wie er später nach Hause kommen würde, voller Freude über das Erlebte.

    Sie ahnten jetzt schon, was sein nächster Wunsch sein würde - nämlich, dass er so schnell wie möglich wieder mit seinem Dad fliegen dürfte.

    Als sie Zoe mit dem Handy in den verkrampften Händen bemerkten fiel ihnen sofort auf, dass etwas nicht in Ordnung war.

    Sie war blass im Gesicht und ging zu ihren Eltern hinüber.

    „Ich verstehe das nicht, Julian hat das Handy doch immer bei sich, warum vergisst er es ausgerechnet heute?"

    Bevor sie ihr eine Antwort darauf geben konnten, läutete es an der Haustüre.

    Zoe eilte hin und hoffte, das Julian auch seinen Schlüssel daheim vergessen hätte und deshalb klingelte.

    Doch dem war leider nicht so.

    Vor ihrer Tür standen zwei Polizisten.

    „Guten Tag. Entschuldigen Sie die Störung, sind Sie Frau Clemens?", fragte der Polizist freundlich. Zoe sah die beiden an und wurde blass im Gesicht.

    „Guten Tag, ja, ich bin Frau Clemens. Aber was wollen Sie denn von mir?", fragte sie ängstlich.

    „Dürfen wir reinkommen? Wir würden gerne mit Ihnen sprechen."

    Adam sah, dass Zoe mit der Fassung rang und kam ihr zur Seite.

    „Guten Tag, ich bin Adam Clemens. Bitte kommen Sie herein." Er führte die Polizisten ins Wohnzimmer und bot ihnen an, sich zu setzen.

    Zoe folgte ihnen wortlos.

    Als alle Platz genommen hatten, sah der Polizist in die Runde und ergriff das Wort.

    „Sind Sie der Vater von Julian Clemens?"

    „Ja, das stimmt. Aber jetzt sagen Sie uns doch bitte, weshalb Sie gekommen sind.

    Zoe war blass. Sie hatte große Angst vor der Antwort, weil sie doch schon seit Stunden ein ungutes Gefühl hatte. Noch hoffte sie, sich zu irren.

    Der Blick des Polizisten ruhte auf Zoe. Voller Ungewissheit sah sie ihn an und wartete auf seine Antwort.

    „Familie Clemens, es ist leider etwas Schreckliches passiert. Es tut uns von ganzem Herzen leid, Ihnen diese schlimme Nachricht überbringen zu müssen. Wir können noch nicht erklären, was geschehen ist. Der Hubschrauber von Herrn Clemens ist kurz vor der geplanten Landung abgestürzt. Herr Clemens und das Kind, das er bei sich hatte, sind an ihren schweren inneren Verletzungen noch am Unfallort verstorben."

    Zoe saß wie versteinert da, alle Farbe wich ihr aus dem Gesicht.

    Sie wusste nicht ob sie gerade richtig hörte, doch dann sprang sie auf, rannte hinaus in den Garten und schrie.

    Sie weinte heftig, ließ sich auf den Boden fallen und konnte sich nicht mehr beruhigen.

    Ihre Eltern, Sophie und Paul, liefen zu ihr, nahmen sie in die Arme und weinten mit ihr.

    Auch Adam und Luise, Julians Eltern, schwiegen erschüttert.

    Julian, ihr älterer Sohn, und Nick, ihr einziges Enkelkind, waren tot.

    Über die Familie senkte sich tiefe Trauer. Innerhalb weniger Augenblicke war für alle eine Welt zusammengebrochen.

    1

    Samstag, 28. November 2010

    Zwei Monate waren seit der Beerdigung von Julian und Nick vergangen. Die ersten Wochen davon verbrachte Zoe wie in Trance.

    Sie redete kaum und wenn man mit ihr ein Gespräch führte, wirkte sie abwesend und nahm nicht wirklich daran teil.

    Lina, ihre jüngere Schwester, beendete ihre Beziehung zu Pete, denn er konnte nicht verstehen, warum Zoe noch immer trauerte und bezeichnete sie als psychisch krank. Deshalb packte Lina ihre Sachen und zog zu Zoe. Für Außenstehende war das unvorstellbar, wie traurig und erschütternd die Ereignisse in den letzten Wochen gewesen waren. Deswegen wollte Lina ihrer Schwester voll und ganz zur Seite stehen, und ihr einen starken Rückhalt geben. Doch Lina merkte, dass Zoes Zustand sich nicht besserte, sondern immer schlechter wurde. Jede Nacht musste sie ihre Schwester wecken, denn Zoe schrie sich die Seele aus dem Leib.

    „Nick! Nick, komm zurück. Nick! Nick, wo bist du? Ich brauche dich, Nick." Danach begann Zoe heftig zu weinen.

    Lina sprach oft mit ihren Eltern darüber und alle dachten sich, es sei die ersten Wochen normal, Alpträume zu haben. Doch nun waren schon über zwei Monate vergangen und dennoch hat sich nichts gebessert, im Gegenteil, die Träume wurden immer mehr und intensiver. Darum war es für Lina heute ein heikles Thema, das sie mit Zoe am Frühstückstisch besprechen musste.

    Die Geschwister saßen gemütlich im Esszimmer und Zoe merkte, dass Lina angespannt war.

    „Was ist denn los, du wirkst so bedrückt?", fragte sie sie.

    Lina starrte sie an und überlegte kurz, doch es musste sein.

    „Süße, ich muss dir was sagen." Zoe sah sie erschrocken an und wartete gespannt auf das, was ihre Schwester zu sagen hatte.

    „Ich weiß, die letzten Wochen waren nicht einfach, sondern das Traurigste, das einem im Leben nur widerfahren kann. Doch, hm, wie soll ich es dir erklären, ohne dich damit zu verletzten? Ich habe nun lange abgewartet und wollte dir auch die Zeit geben, es zu verarbeiten, um besser damit umgehen zu lernen. Mittlerweile befürchte ich aber, dass es dir psychisch immer schlechter geht und das Geschehene dir immer mehr zur Last fällt." Lina machte eine kurze Pause, um das Gesagte etwas wirken zu lassen, denn Zoe war kreidebleich im Gesicht. Aber nach ein paar Sekunden fuhr sie fort.

    „Deine Träume und Ausbrüche häufen sich, du weinst wieder viel mehr und verschließt dich uns komplett. Anfangs traute ich mir zu, ich könnte es alleine hinbekommen, dich wieder aufzupäppeln und ins Leben zurück zu bringen, aber enttäuscht muss ich feststellen, dass ich es nicht schaffe." Zoe war bedrückt und Tränen kullerten ihr über die Wangen. Lina rückte mit dem Stuhl heran und nahm ihre große Schwester in die Arme.

    „Unsere Eltern und ich wollen nur das beste für dich, wir möchten dich wieder lächeln sehen und möchten, dass du wieder am Leben teil nimmst", sagte sie feinfühlig und Zoe seufzte.

    „Deswegen möchten wir gerne, dass du in eine Therapie gehst, damit du bei der ganzen Verarbeitung der letzten erschütternden Wochen psychologische Unterstützung bekommst. Ich denke, dass es dir einfacher fällt mit außenstehenden Personen darüber zu sprechen und du dir dort deine ganze Last von der Seele reden kannst," erklärte sie ihrer Schwester und wartete angespannt auf eine Antwort.

    Zoe hob den Kopf und sah ihre kleine Schwester verweint in die Augen und nickte.

    „Was soll ich darauf jetzt sagen? Ich will nicht in eine Therapie gehen, aber ich merke ja selber, dass es schlimmer geworden ist und finde mein Leben unerträglich", flüsterte sie erschöpft.

    „Ich möchte versuchen, in psychologische Behandlung zu gehen, aber darf ich dich darum bitten, bei den ersten Sitzungen mitzukommen?", fragte Zoe ängstlich. Nun konnte man spüren und sehen, dass Lina ein Stein vom Herzen fiel. Sie küsste ihre Schwester auf die Stirn.

    „Was für eine Frage, natürlich komme ich mit, du wirst sehen, dass es dir dadurch bald besser gehen wird." Das waren die letzten Worte, bevor sie nun gemeinsam das Frühstück genossen.

    Sie diskutierten darüber, wie wohl so eine Therapie verlaufen würde und nun platzte Lina mit einer weiteren Frage heraus.

    „Weißt du, in ein paar Wochen ist Weihnachten. Mama und ich wollten heute noch die Einkäufe erledigen, weil jetzt in den Geschäften noch nicht ganz so viel los ist. Was hältst du davon, wenn du uns begleitest? Unseren Eltern würdest du damit eine große Freude machen und mir sowieso", fragte sie vorsichtig und Zoe überlegte lange. Doch ihr kam ein kleines Lächeln über die Lippen.

    „Hm, naja, vielleicht wäre das der richtige Start in meine Therapie und falls es mir zu viel wird, fahr ich einfach wieder nach Hause", gab sie Lina als Antwort, die jetzt bis über beide Ohren grinste.

    „Super, dann werde ich kurz zuhause anrufen und Papa fragen, ob er heute Abend was für uns kocht, wenn wir vom Weihnachtsbummel zurückkommen." Zoe nickte und war zufrieden. Nach dem Telefonat machten sich die Schwestern fertig und begaben sich zum Haus ihrer Eltern.

    Sie fühlte sich etwas eigenartig, denn seit Julian und Nick beerdigt worden waren hatte sie das Haus nicht mehr verlassen.

    Als sie am Haus ihrer Eltern vorfuhren, stand Sophie bereits in der Einfahrt. Sie strahlte über das ganze Gesicht.

    Zoe wollte kurz aussteigen, um ihren Vater zu begrüßen, doch Sophie stieg sofort ins Auto.

    „Hey, meine Lieben, ich habe schon auf euch gewartet, wir können gleich losstarten."

    Ihre Mutter hörte nicht mehr auf zu plaudern, bis Lina sie unterbrach.

    „Mama, du weißt noch gar nicht, was Zoe und ich heute besprochen haben, das wird dich genauso beruhigen wie mich." Nun war Sophie still und wartete auf das, was sie zu hören bekommen sollte.

    „Also, Zoe hat sich dazu entschlossen, ab nächster Woche in eine Therapie zu gehen. Denn sie möchte selber nicht mehr so weiter machen wie bisher", erzählte sie ruhig. So ein Strahlen hatte man auf Sophies Gesicht schon lange nicht mehr gesehen.

    „Oh, Schatz, ich freue mich so für dich. Es wird dir guttun, da kannst du dir deine ganzen Sorgen von der Seele reden und die Therapeuten werden dir dabei helfen, bald wieder glücklicher sein zu können."

    „Danke, Mama, ich bin auch wirklich froh darüber, mich dazu entschieden zu haben. Das habe ich ausschließlich Lina zu verdanken."

    Die drei plauderten noch ein wenig über die geplante Therapie, bis sie im großen weihnachtlich geschmückten Einkaufscenter ankamen. Da überkam Zoe plötzlich wieder ein unbehagliches Gefühl und alles kam wieder in ihr hoch.

    Sie dachte an das

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