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Sandwege. Wasserwege: Meditationen über eine Wanderung in Mecklenburg
Sandwege. Wasserwege: Meditationen über eine Wanderung in Mecklenburg
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eBook77 Seiten1 Stunde

Sandwege. Wasserwege: Meditationen über eine Wanderung in Mecklenburg

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Über dieses E-Book

Im Juni 1994 gingen drei Menschen aus dem Rheinland – zwei Frauen und ein Mann – von Schwerin aus nach Osten: 14 Tage zu Fuß bis nach Feldberg, nördlich von Berlin.

Wir waren gewohnt zu wandern, mit Rucksack über mehrere Tage, meist in Landschaften mit Wäldern, mit Bergen und Tälern, Mittelgebirge, auch Hochgebirge. Nun aber lockte uns ein Land, das wir nicht kannten, nicht kennen konnten, Mecklenburg war uns verschlossen gewesen, wir hatten keine Verwandten dort, die man besuchen konnte; eine individuelle Streckenwanderung über mehrere Tage mit ungeplanten Übernachtungen – dafür hätten wir schwerlich eine Genehmigung bekommen. Aber nun, nach der Wiedervereinigung, war es möglich, wenn auch nicht immer einfach. Es gab ein paar kleinere Strecken, die wir fahren mussten – mit dem Bus, der Bahn und dem Schiff, anders wäre der Tag zu lang und nicht zu bewältigen gewesen. Abgesehen davon sind wir gegangen, durch einige der schönsten Landschaften Norddeutschlands.

Und das war es, was uns interessierte: die Landschaft. Über die DDR, über das, was in ihr passierte oder nicht passierte, haben wir nur selten mit den Menschen gesprochen, denen wir begegneten. Das war nicht Desinteresse, sondern eher die Scheu, zu fragen und über Dinge zu reden, von denen wir nichts verstanden. Und auf gar keinen Fall wollten wir mit Vorurteilen durch dieses Land gehen – wir ließen alles auf uns zukommen.

Der Text "Sandwege. Wasserwege" entstand unmittelbar nach unserer Heimkehr und lag 20 Jahre lang in einer Mappe. Ich habe ihn wieder hervorgeholt und nur unwesentliche Änderungen daran vorgenommen.
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum20. Dez. 2014
ISBN9783738012712
Sandwege. Wasserwege: Meditationen über eine Wanderung in Mecklenburg

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    Buchvorschau

    Sandwege. Wasserwege - Bärbel Gudelius

    Vorwort

    Meditationen über eine Wanderung durch Mecklenburg

    für E. und P.

    Im Juni 1994 gingen drei Menschen aus dem Rheinland – zwei Frauen und ein Mann – von Schwerin aus nach Osten: 14 Tage zu Fuß bis nach Feldberg, nördlich von Berlin.

    Wir waren gewohnt zu wandern, mit Rucksack über mehrere Tage, meist in Landschaften mit Wäldern, mit Bergen und Tälern, Mittelgebirge, auch Hochgebirge. Nun aber lockte uns ein Land, das wir nicht kannten, nicht kennen konnten, Mecklenburg war uns verschlossen gewesen, wir hatten keine Verwandten dort, die man besuchen konnte; eine individuelle Streckenwanderung über mehrere Tage mit ungeplanten Übernachtungen – dafür hätten wir schwerlich eine Genehmigung bekommen. Aber nun, nach der Wiedervereinigung, war es möglich, wenn auch nicht immer einfach. Es gab ein paar kleinere Strecken, die wir fahren mussten – mit dem Bus, der Bahn und dem Schiff, anders wäre der Tag zu lang und nicht zu bewältigen gewesen. Abgesehen davon sind wir gegangen, durch einige der schönsten Landschaften Norddeutschlands.

    Und das war es, was uns interessierte: die Landschaft. Über die DDR, über das, was in ihr passierte oder nicht passierte, haben wir nur selten mit den Menschen gesprochen, denen wir begegneten. Das war nicht Desinteresse, sondern eher die Scheu, zu fragen und über Dinge zu reden, von denen wir nichts verstanden. Und auf gar keinen Fall wollten wir mit Vorurteilen durch dieses Land gehen – wir ließen alles auf uns zukommen.

    Der Text „Sandwege. Wasserwege" entstand unmittelbar nach unserer Heimkehr und lag 20 Jahre lang in einer Mappe. Ich habe ihn wieder hervorgeholt und nur unwesentliche Änderungen daran vorgenommen.

    Der Streckenverlauf findet sich im Anhang.

    November 2014

    Jede Bewegung über eine ebene Fläche,

    die nicht von physischer Notwendigkeit

    diktiert wird, ist eine räumliche Form

    der Selbstvergewisserung –

    Joseph Brodsky

    Flucht aus Byzanz

    erfahren: mhd. ervarn, ahd. irfaran bedeutete ursprüngl. „Reisen; durchfahren, durchziehen; erreichen, wurde aber schon früh im heutigen Sinne gebraucht als „erforschen, kennenlernen, durchmachen. Besonders wird das zweite

    Part. erfahren seit dem 15. Jh. als Adjektiv für „klug, bewandert" gebraucht.

    Dazu gehört Erfahrenheit w (15. Jh.), während Erfahrung w (mhd. ervarunge) als Verbalsubstantiv im Sinne von „Wahrnehmung, Kenntnis verwendet wird (mhd. auch „Durchwanderung, Erforschung)

    Soweit der DUDEN, das Herkunftswörterbuch

    Dagegen der BROCKHAUS, Ausgabe 1988:

    Erfahrung, Inbegriff von Erlebnissen in einem geordneten Zusammenhang, ebenso die in ihnen gegebenen Gegenstände und die durch sie erworbenen Kenntnisse und

    Fähigkeiten. Der Begriff der inneren E. betont das Erlebnis, der der äußeren E. den Gegenstand, insofern er wahrgenommen wird (sinnliche E.), durch planvolles Vorgehen wiederholt wahrgenommen werden kann (experimentelle E.) oder insofern durch Kenntnis (Lernen) und Übung (Kunstfertigkeit) die Fähigkeit des Umgangs mit dem Gegenstand oder mit gleichartigen Lebenssituationen(Praxis, i.w.S. Lebens-E.) erworben wurde. Auf die Gegenstände der sinnlich wahrnehmbaren Welt (Empirie) gründet v.a. die Naturwissenschaft ihre Erkenntnis. E. setzt einerseits Beobachtung und andererseits Begriffe und Kategorien der Einordnung voraus…

    … so erfahre ich etwas über das Erfahren, Definitionen also und Verweise, auch Ursprünge, die aber auf Anderes verweisen, auf das Fahren nämlich, das nicht verwechselt sein will mit dem Fahren, das wir gewöhnt sind, das kaum noch mit Erfahrung zusammen zu bringen ist, das Fahren in einem Auto schließt einen ja gänzlich aus von jeder Erfahrung -

    - das Fahren in jenem mittelalterlichen Sinne hingegen, das Fahren also als Gehen, einen Weg, eine Strecke gehen, ein Fahrender zu sein, Geselle oder Scholar, oder einfach ein Wanderer, ein Pilger; diesen Weg, diese Straße gehen und dabei spüren und erfahren, wie das ist unter den Füßen, den Sohlen, wie sich das anfühlt: der weiche Waldboden, der am angenehmsten zu begehen ist; der unsichere Sand, der bei jedem Schritt wegrutscht; der harte Asphalt, auf dem einem sofort die Füße weh tun; der Feldweg, dicht zugewachsen mit hohem Gras, mit Brombeerranken, Disteln; der steinige Hohlweg mit tief eingefahrenen Wagenspuren – das Gehen also reiht Punkte aneinander, Fahrenspunkte, Erfahrungspunkte, jeder Schritt ein Punkt, und dennoch wird die Erfahrung fließend, das Abrupte der Abfahrt und der Ankunft entfällt -

    - und das entspricht dieser Landschaft, einer flutenden, fließenden, strömenden Landschaft, alles Wörter, die besser passen würden auf Flüsse und hereinkommende See, Wellen der Weizenfelder, der Mohnfelder, gelbe Wellen, rote Wellen, ich gehe, das heisst, ich fahre, ich erfahre etwas, ich erfahre diese Landschaft, indem ich in ihr bin, in ihr gehe, eine der intensivsten Formen des Reisens, das Reisen überhaupt sollte ja etwas sein, womit man eine Erfahrung machen kann ––

    - dabei ist die zu erfahrende Landschaft in Wahrheit nicht erfahrbar, sie ist, so oft ich durch sie hindurch- und über sie hingehe, in allen vielfältigen Erscheinungen etwas außerhalb meiner selbst, manchmal eine intensive Erfahrung von Fremdheit; oder sie ist erfahrbar auf eine besondere Weise, die ich mir versuche anzueignen, die ich mir noch aneignen muss, es hat etwas mit Erinnerung zu tun, womit ich die Dinge, die Ereignisse, die Erfahrung des Gehens in mich hineinnehme, sie mir anverwandle, sodass sie ein Teil meiner selbst werden –

    - dagegen, allerdings, sträubt sich die Landschaft,

    - nein, nicht die Landschaft sträubt sich, wie sollte sie, nein, es ist keine Übereinstimmung da, sie kommt nicht auf mich zu, sie kommt auf mich zu in anderer Weise

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