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Hans Litten – Anwalt gegen Hitler: Eine Biographie
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eBook461 Seiten5 Stunden

Hans Litten – Anwalt gegen Hitler: Eine Biographie

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Über dieses E-Book

Das kurze Leben des streitbaren Rechtsanwalts Hans Litten, der 1938 im KZ Dachau in den Selbstmord getrieben wurde.

In einem spektakulären Prozess vor dem Berliner Kriminalgericht in Moabit stellte der junge Rechtsanwalt Hans Litten 1931 den »Schriftsteller« Adolf Hitler als Zeugen für die Gewaltbereitschaft von SA und NSDAP zur Rede. Litten verteidigte in zahlreichen Prozessen straffällige Jugendliche, trat als Nebenkläger für die von faschistischen Rollkommandos attackierten Kommunisten auf und legte sich mit der rechtslastigen Justiz der Weimarer Republik an.
Seine Biografie ist eine deutsche Lebensgeschichte, die mit der jüdischen Jugendbewegung in Ostpreußen begann und im Konzentrationslager Dachau endete. Im geteilten Deutschland wurde sie in unterschiedlichen Versionen überliefert. Die einen würdigten den antifaschistischen Bündnispartner der Arbeiterklasse, die anderen – mit jahrzehntelanger Verspätung – den Verteidiger des republikanischen Rechtswesens. Heute ist Hans Litten – nicht zuletzt durch die TV-Serie »Babylon Berlin« – weit über Deutschland hinaus als politischer Anwalt bekannt, der sich kompromisslos und mutig für seine Mandanten eingesetzt hat.
SpracheDeutsch
HerausgeberWallstein Verlag
Erscheinungsdatum9. März 2022
ISBN9783835348356
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    Buchvorschau

    Hans Litten – Anwalt gegen Hitler - Knut Bergbauer

    Eine Straße in Berlin-Mitte

    Nicht weit vom Alexanderplatz führt eine schmale Straße von der Grunerstraße zur Spree. Sie ist geprägt von Bauten aus verschiedenen Zeiten: an das Jugendstilgebäude des Amtsgerichts Berlin-Mitte – zu DDR-Zeiten die Zentrale Justizbehörde – grenzt der Neubau der Bundesrechtsanwaltskammer und anderer Juristenverbände. Schräg gegenüber, an einem Reststück der alten Berliner Stadtmauer, liegt das traditionsreiche Lokal »Zur letzten Instanz«, ein paar Meter weiter die Ruine der Klosterkirche.

    Seit dem späten 18. Jahrhundert hieß die Straße »Neue Friedrichstraße«. Im Mai 1951 wurde sie in »Littenstraße« umbenannt, und am Gerichtsgebäude montierte man zur gleichen Zeit eine Gedenktafel mit den Worten »Hans Litten, unerschrockener Kämpfer für Menschlichkeit und Frieden, Anwalt und Verteidiger der Unterdrückten, ermordet 1938 im KZ-Lager Dachau«. Für die älteren Vertreter der »neuen deutschen demokratischen Justiz«, so schrieb ein Reporter anlässlich der Ehrenfeier, war Hans Litten der Inbegriff des »›proletarischen Anwalts vom proletarischen Angeklagten‹«.[1]

    Als zum Jahreswechsel 2000/2001 die Bundesrechtsanwaltskammer ihr Berliner Büro bezog, wurde auch der angrenzende Neubau nach Hans Litten benannt, so dass nun die Adresse der BRAK »untrennbar mit dem Namen Hans Litten verbunden« ist: »Vor dem Hintergrund des Erstarkens der Nationalsozialisten und deren brutaler Vorgehensweise stand im Mittelpunkt seiner anwaltlichen Tätigkeit die Vertretung von Mandanten, die Opfer nationalsozialistischer Gewaltakte geworden waren«, heißt es auf der Webseite der BRAK.[2]

    Beide Benennungen, von Haus und Straße, waren in den Jahren zuvor keineswegs unumstritten gewesen. So verhinderte Anfang der neunziger Jahre erst eine größere öffentliche Protestaktion, dass die Littenstraße dem nach dem Ende der DDR einsetzenden Umbenennungsaktivismus zum Opfer fiel. Ein Berliner CDU-Stadtrat hatte 1992 vorgeschlagen, die Straße in »An der Klosterkirche« umzutaufen, um jedwede Spur von lokaler kommunistischer Vergangenheit auszulöschen. Nachdem der Name Littens für die Straße erfolgreich verteidigt worden war, kam es wenige Jahre später zu einer neuen Auseinandersetzung, unter umgekehrten oder zumindest ungewöhnlichen Vorzeichen: Nun ging es um die Benennung des Neubaus der Rechtsanwaltskammer, und gerade jene Rechtsanwälte, die sich seit Jahren für die Erinnerung an Hans Litten eingesetzt hatten, argumentierten jetzt gegen den nochmaligen Gebrauch des Namens Litten. Sie vermuteten, wohl nicht ganz zu Unrecht, dass man sich mit dieser Namensgebung gewissermaßen ›auf der sicheren Seite‹ wähnte, zumal ja schon die Straße so hieße. Genau dies, so plädierten die Vertreter des »Arbeitskreises historisch interessierter Rechtsanwälte und Rechtsanwältinnen«, eröffne jedoch die Chance, »noch einer anderen Anwaltspersönlichkeit zu gedenken«, die die liberalen und demokratischen Traditionen der Weimarer Anwaltschaft ebenso und weniger polarisierend verkörpere. Ohne die Verdienste Littens schmälern zu wollen, wiesen Gerhard Jungfer und Tillmann Krach, der wohl beste Kenner der Anwaltsszene der Weimarer Republik, darauf hin, dass weder Littens Persönlichkeit noch sein professionelles Vorgehen unter den Kollegen damals allgemein akzeptiert gewesen seien.[3] Dass man dennoch Litten wählte und nicht z. B. Julius Magnus, den Herausgeber der Juristischen Wochenschrift, der 1944 in Theresienstadt verhungerte, mag neben bequemen auch erinnerungspolitische Gründe gehabt haben: Der Aufstieg Hans Littens zur Ikone linker Juristen in Westdeutschland begann in den späten achtziger Jahren. Im Jahre 1988 erschienen gleich zwei Aufsätze über Litten, und die Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen e.V. verlieh in einer zusammen mit dem Republikanischen Anwältinnen- und Anwälteverein veranstalteten eindrucksvollen Feierstunde zum 50. Todestag Littens in der KZ-Gedenkstätte Dachau zum ersten Mal den Hans-Litten-Preis, gestiftet zur Ehrung von »Juristinnen und Juristen, die in besonders hohem Maße demokratisches Engagement bewiesen haben«.[4]

    Die Umbenennung der »Neuen Friedrichsstraße« in »Littenstraße« 1951

    Dass man auf der Suche nach einer, wie Norman Paech formulierte, »Tradition deutscher Juristen …, die in den Justizklassenkämpfen nicht auf jener Seite gestanden haben oder zu ihr übergelaufen sind, die wir viel eher mit dem Begriff Tradition assoziieren und die in der Bezeichnung ›furchtbarer Jurist‹ (Rolf Hochhuth) ihren Ausdruck gefunden hat«[5], dass man auf der Suche also nach einer ›eigenen‹, nicht vom Nationalsozialismus kontaminierten juristischen Tradition so schnell auf Hans Litten gestoßen war, hat zunächst vermutlich banale Ursachen: Über sein Leben, seine Tätigkeit als Rechtsanwalt und seinen Leidensweg durch die faschistischen Lager lagen bereits mehrere Veröffentlichungen vor, von denen zwei in der DDR, zwei in der Bundesrepublik erschienen waren. Aus ihnen ließ sich die Geschichte eines freiheitlichen linken Anwalts rekonstruieren, der sich in den letzten Jahren der Weimarer Republik mehrere spektakuläre Gerichtsduelle mit den Nationalsozialisten geliefert hatte und der, sofort nach dem Reichstagsbrand im Februar 1933 verhaftet, dafür mit fünfjähriger Lagerhaft und schließlich mit dem Leben bezahlte. Zwar hatte sich Litten immer bewusst als »proletarischer Anwalt« gefühlt und häufig im Auftrag der Roten Hilfe Kommunisten vertreten, er war jedoch nie ein treuer Parteigänger der KPD gewesen und hatte wohl auch mindestens einmal – so betonte er zumindest in einem Schreiben aus der Haft – Anarchisten und oppositionelle Kommunisten in Prozessen gegen KP-Stadt- bzw. Bezirksräte verteidigt – er repräsentierte also, wenn man dies so sehen wollte, trotz der vereinnahmenden Erinnerung in der DDR den nicht-stalinistischen Flügel der deutschen Linken in der Weimarer Republik.

    Und schließlich, auch dies mag eine Rolle spielen, war Litten Protagonist einer der eindrücklichsten Gerichtsszenen vor der »Machtergreifung«, die in allen Bearbeitungen seiner Lebensgeschichte immer und immer wieder geschildert wird: Hitlers Vernehmung als Zeuge im sogenannten Edenpalast-Prozess: Im November 1930 hatte ein Rollkommando des berüchtigten SA-Sturms 33 ein Tanzlokal überfallen und dort anwesende Mitglieder eines Arbeitervereines zusammengeschlagen. Als Anwalt der Nebenklage war Hans Litten bestrebt, die planmäßige Anwendung terroristischer Methoden seitens der NSDAP nachzuweisen. Er ließ zu diesem Zweck Hitler als Zeugen laden und versuchte ihn mit einer Fülle von Zitaten derart in die Enge zu treiben, dass Hitler sich von den eigenen Parteipublikationen und von seinem Propagandastrategen Goebbels öffentlich distanzieren musste, um den Anschein der Legalität und Verfassungstreue seiner Partei vor Gericht zu wahren. Zwar fielen die Urteile gegen die SA-Täter trotz dieses spektakulären Auftritts recht milde aus, sie trugen Litten jedoch, so wurde immer wieder kolportiert, die persönliche Feindschaft Hitlers ein, was sich bei allen späteren Gnadengesuchen fatal auswirken sollte.

    Der in Halle geborene und in Königsberg aufgewachsene Berliner Rechtsanwalt wurde nur 34 Jahre alt. Die vielen Facetten seiner Persönlichkeit jedoch – der jugendbewegte Aktivist, der engagierte Rechtsanwalt, der aufrechte KZ-Häftling – haben seit seinem Tod immer wieder aufs Neue Beachtung gefunden, wenngleich aus sehr unterschiedlichen Motiven. Insofern lässt sich die Rezeptionsgeschichte seiner Biographie auch als Beispiel lesen: für die Interessengebundenheit der Erinnerung, für ihre politische Instrumentalisierung und für die Identifikationsbedürfnisse der Erinnernden über mittlerweile mehrere Generationen von Nachgeborenen hinweg.

    Gleichzeitig wirft gerade der Edenpalast-Prozess ein Schlaglicht auf die Art und Weise der Litten’schen Prozessführung, in deren Tradition sich linke Anwälte in der BRD der achtziger Jahre gerne verorten wollten. Zutiefst überzeugt davon, dass die Justiz im kapitalistischen System den Interessen der herrschenden Klassen dient, war Hans Litten immer bestrebt, den politischen Charakter der Strafverfahren und die Verantwortung bis in die höchsten staatlichen Sphären nachzuweisen. Dies galt für Prozesse gegen SA-Leute ebenso wie für seine Versuche, die letzten politischen Gefangenen der Plättner-Bewegung freizubekommen, oder seine Klage gegen den Polizeipräsidenten Zörgiebel als Verantwortlichen für die Toten bei der als »Blutmai« in die Geschichte eingegangenen Maidemonstration 1929. Und bei der Verteidigung des Pazifisten Ernst Friedrich gegen eine Beleidigungsklage Gustav Noskes bemühte er sich in einem mehrseitigen Beweisantrag um den politischen Nachweis, dass jener eben tatsächlich »eine Anzahl von Handlungen begangen hat, die seine Kennzeichnung durch den Ausdruck ›Lump‹ und ›Schurke‹ rechtfertigen«.[6] Auch wusste Litten um die Macht der Öffentlichkeit, wenn er z. B. publikumswirksam öffentliche Zeugenvernehmungen veranstaltete oder in der Presse über noch laufende Verfahren berichtete, was, zusammen mit seinen unorthodoxen Ermittlungsmethoden, bei vielen zeitgenössischen Kollegen standesrechtlich mindestens als bedenklich galt.

    Heutige Juristen jedoch, die sich intensiv mit seiner Prozessführung auseinandergesetzt haben, fasziniert vor allem seine profunde Kenntnis und virtuose Handhabung der Strafprozessordnung und sein unermüdlicher, bis an die Grenzen der Belastbarkeit gehender persönlicher Einsatz für seine Mandanten. Dass Litten dafür vermutlich privat einen hohen Preis zahlte und auch seine engsten Freundschaften oftmals auf eine harte Probe stellte, wird in den Darstellungen des »herausragenden Kämpfers gegen den Nationalsozialismus« meist ausgeblendet. Sein bester Freund Max Fürst erinnert diese Zeit, in der seine Frau Margot als Littens Sekretärin arbeitete, aus einer anderen Perspektive: »Er war fanatisch wie einer ist, der die letzte Schlacht schlägt. Er hatte den Atem, diesen Kampf drei Jahre durchzuhalten. Ich war wohl in der letzten Zeit ein schlechter Freund, zog mich mehr und mehr von ihm zurück … Natürlich wusste ich, um was es ging, aber es ist zweierlei, das Richtige zu erkennen und es gegen seine eigensten Interessen zu dulden. Ich sah nicht nur eine politische, sondern auch eine menschliche Katastrophe voraus.«[7]

    Max Fürsts Erinnerungen an seine Jugend in Ostpreußen und seine Zeit in der Jugendbewegung, die ein einfühlsames Portrait seiner Freundschaft mit Hans Litten enthalten, waren schon in den siebziger Jahren in der Bundesrepublik erschienen. Umso erstaunlicher ist es, dass Marion Gräfin Dönhoff die Litten-Geschichte erst 1986 »entdeckt« haben will – womit sie vielleicht die »demokratischen Juristinnen und Juristen« auf die Spur brachte – und die Fürst’sche Darstellung, die nicht nur ausführlich auf die gemeinsame Jugend in Königsberg, sondern auch auf das Schicksal anderer, kommunistischer Jugendfreunde einging, nicht zur Kenntnis nahm. Stattdessen bezog sie sich auf jenes Buch, das zwei Jahre zuvor erstmals in Westdeutschland erschienen war, aber bereits seit 1947 in einer DDR-Ausgabe vorlag, die 1984 noch einmal nachgedruckt wurde: Irmgard Littens im englischen Exil verfasster Bericht über ihren Kampf um den inhaftierten Sohn, der 1940 erstmals unter dem Titel »Die Hölle sieht Dich an« in Paris erschien. Niedergeschrieben kurz nach dem Tod ihres ältesten Sohnes, hat Irmgard Littens Darstellung das Bild von Hans Litten bis heute nachhaltig, ja fast ausschließlich geprägt. Dies gilt schon für das »Bild« im eigentlichen Sinne des Wortes: Die Zeichnung eines Mithäftlings aus dem KZ Lichtenburg, die seit der 1940er Ausgabe für alle Veröffentlichungen und Veranstaltungen bis hin zu den diversen Webseiten genutzt wird. Sie zeigte einen abgemagerten und kahlköpfigen, einen durchgeistigten Hans Litten, einen »franziskanischen Menschen« (so Rudolf Olden in seinem Vorwort zu Irmgard Littens Buch), der nur noch entfernte Ähnlichkeit hat mit dem eher rundlichen und schüchternen jungen Mann auf den Fotos vor seiner Verhaftung. Betont wird darüber hinaus sein zutiefst bürgerliches Kunstinteresse und die christlichen, ja katholischen Neigungen des KZ-Häftlings Litten. Nur undeutlich erwähnt sie dagegen die jüdische Herkunft ihres Sohns und sein phasenweise großes Interesse für das Judentum. Das Gleiche gilt für seine Beziehung zu Sulamith (Charlotte) Siliava, die 1933 mit dem Fotografen Walter Reuter nach Spanien emigrierte und die Litten, liest man seine Briefe aus dem Gefängnis, sehr geliebt zu haben scheint. Zwar lässt sich angesichts dieser Auslassungen – und der damit einhergehenden Entsexualisierung – trefflich über das Mutter-Sohn-Verhältnis psychologisieren, aber die Zeichnung als bürgerlich-christlicher Märtyrer war vor allem dem Appellcharakter des Buches geschuldet, das sich ja in erster Linie an die alliierte Öffentlichkeit richtete. Dies gilt einmal mehr für die Fokussierung auf den Kampf einer Mutter um ihren Sohn. Denn auch der Bruder und die Freunde setzten sich unermüdlich für Littens Freilassung ein (was Irmgard Litten nicht unerwähnt lässt), aber nur das publikumswirksame Bild der Mutter Courage versprach die nötige Aufmerksamkeit – ein Effekt, der noch Jahrzehnte später funktionierte, wie der Dönhoff-Artikel oder das Interesse eines englischen Filmemachers an dem Stoff belegen.

    In dem mittlerweile auch als gesamtdeutsche Auflage vorliegenden Buch schildert Irmgard Litten ihre sofort nach der Verhaftung des Sohnes in der Nacht des Reichstagsbrandes einsetzenden Bemühungen um seine Freilassung, ihre Auseinandersetzungen mit kleinen und mittleren Schergen des Regimes und ihre Bittgänge zu hohen und höchsten Würdenträgern des Dritten Reiches, mit denen die deutschnational gesinnte Familie Litten in früheren Zeiten befreundet gewesen war. Daneben rekonstruiert sie so minutiös, wie es ihr damals möglich war, Hans Littens Leidensweg durch die Gefängnisse und Konzentrationslager Spandau, Sonnenburg, Moabit, Brandenburg, Esterwegen, Lichtenburg, Buchenwald und schließlich Dachau. Eindringlich schildert sie die dauernden psychischen und physischen Qualen, Folterungen und Scheinhinrichtungen, denen Hans Litten vor allem zu Beginn seiner Haftzeit ausgesetzt war und die ihn schon im April 1933 einen ersten Selbstmordversuch unternehmen ließen. Als er schließlich im KZ Lichtenburg, wo er über drei Jahre blieb, eine gewisse Ruhe in der Arbeit in der Lagerbuchbinderei und -bibliothek fand, war er ein schwer gezeichneter, zum Invaliden geprügelter halbblinder und halbtauber Mann, der nur noch am Stock gehen konnte und unter Ohnmachtsanfällen und Herzkrämpfen litt. Dennoch nahm er in den Jahren in Lichtenburg seine sprachwissenschaftlichen und kunsttheoretischen Betrachtungen wieder auf, und die zahlreichen Schilderungen von Mitgefangenen über Littens Vorträge und sein Bemühen um andere stammen meist aus dieser für KZ-Verhältnisse vergleichsweise »ruhigen« Zeit. Erst jetzt – und auch nur bei längerem Verbleib an einem Ort – konnten sich unter den Häftlingen solidarische Strukturen verfestigen, die Litten psychischen und physischen Halt gaben. Als diese Beziehungen im Sommer 1937 mit der Verlegung nach Buchenwald und dann nach Dachau auseinandergerissen wurden und gleichzeitig die Brutalitäten wieder zunahmen, scheinen Littens Lebenshoffnungen rasch geschwunden zu sein. Zwar versuchten Mitgefangene ihn – zu diesem Zeitpunkt wohl einer der letzten noch in Haft Überlebenden der ersten Verfolgungswelle – auch in den neuen Lagern nach Kräften zu schützen. Aber nach dem Foltertod eines Freundes und entsprechenden Drohungen der Wachmannschaften scheint er sich entschlossen zu haben, seinen Mördern zuvorzukommen. In der Nacht vom 4. auf den 5. Februar 1938 wurde Hans Litten in der Latrine des KZ Dachau erhängt aufgefunden.

    Der »franziskanische Mensch«

    Hans Litten im KZ Lichtenburg;

    Zeichnung des Mithäftlings Gustav Hammermann

    Schaut man heute aus dem Fenster der ehemaligen Wohnung in der Zola-Straße 1a, wo Hans Litten vom Sommer 1930 bis zu seiner Verhaftung Ende Februar 1933 mit Max und Margot Fürst zusammenlebte, so reicht der Blick nur bis zu den Anbauten neben der »Volksbühne«. Das war Anfang der 1930er Jahre anders, als die Straße noch Koblanck-Straße hieß. Damals konnte man bis auf den Bülowplatz schauen, also bis zum Platz vor der »Volksbühne«, der heute den Namen Rosa Luxemburgs trägt. Und so lag auch das 1929 eröffnete Kino »Babylon« an der Ecke Hirten-Straße immer im Blickfeld der Littenschen Wohnung: es war nur ein kurzer Fußweg dorthin. Heute verbinden allerdings die meisten Menschen hierzulande mit der Wort-Kombination »Babylon Berlin« nicht das legendäre Kino, sondern eine äußerst erfolgreiche deutsche TV-Serie. Durch sie ist auch die Person Hans Litten nun einer breiten Öffentlichkeit, also weit über Historiker- und Juristinnenkreise hinaus bekannt geworden. Und obgleich für den Plot der Serie gesicherte Fakten mit fiktiven Ereignissen frei verbunden wurden, hilft dieses prominente Schlaglicht zugleich, die zeithistorische Bedeutung Littens noch einmal hervorzuheben.

    Das Leben von Hans Litten ist in groben Zügen bekannt. Aber es sind gerade die noch unbekannten Details, die es möglich machen, Geschichten neu zu erzählen, bisher unbeachtete Akzente zu betonen. Hebt man, entlang des Wegs der biographischen Erzählung den einen oder anderen Stein hoch, gräbt man etwas tiefer, fragt man etwas genauer, so wird das Bild von Littens Leben jedoch meist widersprüchlicher als zuvor.

    Für die Neuauflage der Biographie haben wir uns zugleich für einen neuen, prägnanten Titel entschieden: Die Auseinandersetzung zwischen Adolf Hitler und dem jungen Anwalt vor dem Kriminalgericht Moabit im Jahre 1931 hat nicht nur das kurze Leben Littens beeinflusst und vermutlich seinen gewaltsamen Tod mitverantwortet, sondern sie prägt bis heute sein Bild in der Öffentlichkeit. Dennoch bleibt der Begriff der »Denkmalsfigur« aus dem alten Titel für dieses Buch weiter passend: »Denkmalsfigur« war der Code, den sich Irmgard Litten für die Korrespondenz mit ihrem inhaftierten Sohn Hans ausgedacht hatte.[8] Die Buchstaben eines Wortes mussten verschoben werden, um zu den eigentlichen Inhalten zu gelangen. Als AutorInnen der vorliegenden Biographie versuchen auch wir, scheinbar Feststehendes in Bewegung zu setzen, um Hans Litten in all seiner Widersprüchlichkeit gerecht zu werden.

    Orte / Verortungen

    Die Stadt Berlin, in der heute Straßen und Gebäude an Hans Litten erinnern, war der Schauplatz seiner politischen und juristischen Kämpfe, sie war der Ort einer nicht mehr sehr deutlich auszumachenden Liebe, aber auch von Verhaftung und ersten Qualen. Verstanden hat er sich selbst als »östlicher« Mensch, geliebt hat er die ostpreußische und litauische Landschaft, zu Hause war er in Königsberg. Geboren wurde Hans Litten in Halle, aber während sich an seinem Geburtsdatum, dem 19. Juni 1903, nur schwerlich heruminterpretieren lässt, erlaubte der Geburtsort schon frühe Traditionsbildungen: Nicht in Halle an der Saale sei er geboren, gab der junge Hans Litten an, sondern in Burg Giebichenstein, was insofern nicht falsch ist, als dass er tatsächlich unweit der Burg in der elterlichen Wohnung zur Welt kam, im drei Jahre zuvor nach Halle eingemeindeten gleichnamigen Ortsteil. Vielleicht war ihm die dort in den frühen zwanziger Jahren eingerichtete Kunstgewerbeschule sympathisch, vielleicht war »Halle« zu sehr mit der väterlichen und großväterlichen Professorenwelt verknüpft, vielleicht aber klang der Burgname einfach besser, romantischer – zumindest in den Ohren eines Jugendlichen, der gerade mit Enthusiasmus zur Jugendbewegung gestoßen war.

    Irmgard Wüst und Fritz Litten in Halle, 1899

    Allen romantischen Verortungswünschen zum Trotz war es eine ordentliche deutsche Professorenfamilie, in die Hans Litten hineingeboren wurde, was geradezu typisch war für jene jungen Menschen, die in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts als »Jugendbewegung« gegen ebendiese bürgerlichen Elternhäuser rebellierten. Aus dieser Phase, dem Aufbegehren und Dagegen-Sein, gibt es viele mündlich wie schriftlich überlieferte Äußerungen von Litten selbst – aus der Zeit davor dagegen wenig. Und da fast alles, was über seine familiäre Herkunft bekannt ist, aus durchaus interessierter Feder stammt, aus der der Mutter und der des besten Freundes, so ist hier natürlich Vorsicht geboten. Dennoch evoziert das Aufwachsen in einer bürgerlichen Familie der Vorkriegszeit auch ohne große Phantasie sofort klare Bilder: Matrosenanzüge, überladen möblierte Wohnzimmer und Lehrer mit Rohrstöcken. So ähnlich wird es gewesen sein bei den Littens, die sich irgendwann zwischen 1895 und der Jahrhundertwende in Halle kennengelernt hatten: Dorthin hatte es den aus einer angesehenen Elbinger Kaufmannsfamilie stammenden Jurastudenten Fritz Litten im Alter von 22 Jahren verschlagen, dort promovierte er, dort leistete er seinen Militärdienst und anschließend einen Teil seiner Referendarszeit ab. Wann und wie er die sechs Jahre jüngere Irmgard Wüst traf, deren Vater in Halle landwirtschaftliche Ingenieurswissenschaft lehrte, ist nicht bekannt, es mag eine der vielen studentischen Vergnügungen gewesen sein, zu denen standesgemäße Professorentöchter gerne geladen wurden. Geheiratet wurde gleich nach dem Assessorexamen, und während sich der junge Jurist mit einigen Schwierigkeiten zu habilitieren versuchte, gründete man in der Burgstraße 43 einen Hausstand und bald darauf auch eine Familie: Der erstgeborene Sohn erhielt die Namen Hans Achim Albert, den letzteren nach dem zwei Jahre zuvor verstorbenen Großvater Wüst. Fünf Tage später absolviert der frisch habilitierte Privatdozent Litten seine Antrittsvorlesung an der Universität Halle über »die Haftung des Tierhalters im Bürgerlichen Recht«.

    Irmgard Litten mit Hans Achim, Halle 1904

    Die Litten-Kinder Hans, Rainer und Heinz

    (v. l. n. r.) in Königsberg, um 1910

    Nach dem bürgerlichen Familienmodell scheint es zunächst auch weitergegangen zu sein: Irmgard Litten kümmerte sich um Haus und Kinder – 1905 und 1909 kamen die Brüder Heinz und Rainer zur Welt –, während Fritz Litten seine Karriere vorantrieb: 1906 wurde der Spezialist für Römisches Recht zum außerordentlichen Professor ernannt, zwei Jahre später erfolgte der lang ersehnte Ruf ausgerechnet in jene Stadt, in der er seit seinem 12. Lebensjahr aufgewachsen war und in der noch seine Mutter lebte, ins ostpreußische Königsberg. Dort bezog man eine standesgemäße Wohnung in der Kastanienallee, im gutbürgerlichen Villenvorort »auf den Hufen« gelegen. Später, nach dem Weltkrieg, erfolgte noch einmal ein Umzug ins noch ein wenig grünere und vornehmere Julchental. Die Söhne besuchten das beste Gymnasium der Stadt, das Haus entwickelte sich zu einem beliebten Treffpunkt der lokalen Honoratioren.

    Das Königsberg der Vorkriegszeit war ein kleines, wenn auch weit abgelegenes bürgerlich-liberales Idyll. Mehr als die Garnison prägten die Universität und eine weltgewandte Kaufmannschaft, zu der auch der 1906 verstorbene Großvater Litten gezählt hatte, die ostpreußische Hauptstadt. Hier war man liberal, was in erster Linie linksliberal hieß, man wähnte sich in Kant’scher Tradition in der »Stadt der reinen Vernunft« und pflegte ein behagliches Avantgarde-Gefühl gegenüber dem »Reich«. Umso erstaunlicher also, dass sich die Familie Litten nicht dort verortete, im dominanten linksliberalen Milieu, sondern viel stärker nach rechts tendierte, als man es von einem jungen Rechtsprofessor an der Albertina hätte erwarten können. Spätestens nach dem Ersten Weltkrieg, den Fritz Litten als Hauptmann sowohl an der Front wie auch im Kriegsgerichtswesen absolvierte, suchte man im Hause Litten den gesellschaftlichen Kontakt zur anderen, zur deutschnationalen Königsberger »Fraktion« und hier vor allem zu den adligen Militärs und zur hohen Beamtenschaft. Fritz Litten, bald Dekan und später Rektor der Universität, trat der DVP bei und schrieb regelmäßig für die konservative Königsberger Allgemeine. Dies tat seiner Beliebtheit unter den Studenten keinen Abbruch, die ihn durchweg als faszinierenden Redner und brillanten Lehrer schilderten, der jovial und witzig sein konnte, aber auch von großer intellektueller Schärfe.

    Fritz Litten, in Uniform, mit seinen drei Söhnen, ca. 1914/15

    Zu Hause scheint es dagegen zu einer ganz anderen Fraktionsbildung gekommen zu sein: Die allseits als warmherzig und aufgeschlossen beschriebene Mutter mit den von ihr erzogenen Söhnen gegen den autoritären Vater – ein geradezu klassisches bürgerliches Setting. Von einer Königsberger Freundin der Litten-Söhne wird diese Konstellation in der Rückschau eindrücklich skizziert: »Mit Irmgard Litten waren wir alle ganz innig. So nahe sie uns war, er war Äonen entfernt. Da war immer eine Distanz. Er wollte. Ob andere wollten, war nicht so wichtig. Er war gescheit, logisch-souverän, bar jeden Vorurteils, aber schwierig. Was auch geschah, nie war er dabei oder aktiv beteiligt. Er war immer irgendwo in seinem Arbeitszimmer. Aber nicht da.«[9]

    Unter gänzlich anderen Umständen, als er um Gnade für seinen mittlerweile seit zwei Jahren inhaftierten Sohn bitten musste, hat Fritz Litten dies selbst in einem Brief an Hitler bestätigt und dabei gleichzeitig auch den Zeitpunkt markiert, an dem sich das Vater-Sohn-Verhältnis rapide zu verschlechtern begann: »Ich war während seiner wichtigsten Entwicklungsjahre im Felde, also auch ohne Einfluss auf seine Erziehung und hatte ihn daher aus der Hand verloren.«[10] Vieles spricht für diese Deutung, denn der Weltkrieg, der für Hans Litten mit der beginnenden Pubertät zusammenfiel, scheint tatsächlich den bald auch politischen Bruch zwischen Vater und Sohn zu markieren. Hatte der Siebenjährige »dem Papa zu Weihnachten 1910« noch herzige Gedichte von »Englein« und »Silberglöcklein« verehrt, wenige Jahre später Hindenburg als »Befreier Ostpreußens« gefeiert und im patriotischen Überschwang den »Russen und Kosaken« und überhaupt allen Feinden Deutschlands wortgewaltig Prügel angedroht (»haut sie gleich in lauter Scherben!«), so muss sich dies irgendwann auf dem Gymnasium geändert haben.[11]

    Über den Schulbesuch Hans Littens, immerhin von 1909 bis 1921, sind eigentlich nur drei Dinge überliefert: er sei nach der Grundschule auf das Wilhelms-Gymnasium gekommen; er habe zwei Primen seiner Schule »gesprengt«, und er habe einen Witz über Hindenburg gemacht. Hier mischen sich Übertreibungen mit falschen Erinnerungen, zumal so gut wie keine schriftlichen Quellen erhalten sind. Hans-Joachim Litten wurde ab 1915 im Collegium Fridericianum – dem Friedrichs-Kolleg – als Schüler geführt, seine Brüder folgten 1916 und 1918. Vielleicht war Hans zuvor wirklich am vornehmeren Wilhelms-Gymnasium gewesen und hatte dann gewechselt, vielleicht aber ist dies nur eine Legende, da das »Wilhelms« als »vornehmer« galt, und Littens sich ja gerne »nach oben« orientierten. Wie auch immer, Hans Litten ging auf das Friedrichs-Kolleg, das einen hervorragenden Ruf besaß und die höhere Bildungsanstalt des gehobenen christlichen wie jüdischen Königsberger Bürgertums war: »Die Schule prägte sie alle zu waschechten Ostpreußen, gleich ob sie mit Pregelwasser getauft waren oder nicht.«[12] An patriotischem Geist scheint es tatsächlich nicht gemangelt zu haben: Zu Beginn des Weltkrieges meldeten sich 20 Lehrer und 193 Schüler freiwillig an die Front, aber wenige Jahre später gärte es dann wohl auch am Friedrichs-Kolleg, und es kam zu Konflikten zwischen den konservativen Lehrern und revolutionär gestimmten, aufmüpfigen Schülern. Heinz Litten, der jüngere Bruder, erinnerte sich später »nur mit Abscheu« an seine alte Schule: »Es war eine der reaktionärsten Schulen Deutschlands, und der Geist, in dem diese Schule geleitet wurde, hat stark dazu beigetragen, Deutschland den Nazis in die Arme zu treiben und schließlich unsere ostpreußische Heimat zu verscherzen.«[13] Liest man die Erinnerungen anderer Schüler, so scheinen spätere Kommunisten wie Heinz Litten jedoch eher in der Minderheit gewesen zu sein. Werner Pilaski, der mit Hans Litten einem Lesezirkel angehörte, hat die damalige Stimmung unter den Jungen so beschrieben: »Dieser Lesezirkel spiegelt recht gut den Geist der damaligen Schülergeneration des Friedrichs-Kollegs wider. Unter uns waren zwei bewusste Katholiken und ein fanatischer Kommunist [Litten]. Die übrigen neigten zu den National-Liberalen … Der Bauernsohn Erwin Gehrmann war deutsch-national, also rechts eingestellt. Im übrigen traten die politischen Dinge in unserem engeren Kreis sehr stark zurück, da wir uns vornehmlich mit geistigen Dingen beschäftigten.«[14] Immerhin gründeten einige Schüler im revolutionären Winter 1918/19 einen Schülerrat, und später, als Hans Litten in der Oberprima war, kam es dort zu einem »Streik«, der in Königsberg großes Aufsehen erregte und vermutlich den wahren Kern der Geschichte von der »Sprengung« der Prima bildete: Als es im Hochsommer im Klassenzimmer zu warm geworden war und kein Verantwortlicher für ein Ende des Unterrichts gewonnen werden konnte, verließ die Klasse geschlossen die Schule. In den Zeugnissen stand dann bei allen Schülern die Notiz, ihr Betragen wäre nicht einwandfrei gewesen, weil sie sich gegen das Schulgesetz aufgelehnt hätten. Obgleich dies aus heutiger Sicht relativ harmlos erscheinen mag, war es für eine im wilhelminischen Geist geführte Schule natürlich ein Skandal, nicht minder ungehörig wie Hans Littens angebliche Bemerkung über Hindenburg (den man, wie sein Bild, am besten »aufhängen sollte«[15]) oder der von Pilaski kolportierte Streich: »Hans-Joachim Litten und ich kletterten an einem pechschwarzen Winterabend über das Gittertor auf den Schulhof und hefteten am schwarzen Brett eine gefälschte Bekanntmachung unseres Studienrates Noske an. In dieser gab Herr Noske, der ja mit dem Wehrminister namensgleich war, bekannt, er hätte seinen Namen nunmehr in den Namen ›Nauke‹ umgeändert, den er ja offiziell (es war sein Spitzname) schon längst geführt hätte … Der Erfolg dieses Anschlages war großartig. Bei Schulbeginn stauten sich die Jungen vor dem schwarzen Brett. Unser Anschlag wurde mit lauter Stimme vorgelesen, und ganz Königsberg hat darüber gelacht.«[16]

    Hans Litten in der Prima des Fridericianums (vorn, 2. v. r.), um 1920

    Nur sein Vater vermutlich nicht, der auch in der Republik stramm konservativ blieb und dem nun erst sein Ältester und bald auch die anderen beiden Söhne rasch entglitten. Angesichts der klar vorgeschriebenen bürgerlichen Vaterrolle, die zwischen Distanz und Strenge oszillierte, war es ein Leichtes für die Mutter, nicht nur die Herzen und Seelen ihrer Söhne zu gewinnen, sondern sie auch für ihre Lieblingsthemen zu begeistern – und die lagen vor allem, in Übereinstimmung mit ihrer Mutter Wilhelmine, im Bereich von Kunstgeschichte und Theater. Denn letztlich war Irmgard Litten bis 1933 eine zutiefst unpolitische Frau, die treusorgend ihren Aufgaben als Professorengattin nachkam, den konservativ-reaktionären Freundeskreis ihres Gatten »am Littenschen Hofe« freundlich bewirtete und sich

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