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"... dass einmal dem Juden das Land auf diese Weise abgenommen wird ...": Die jüdischen Einwohner von Enkirch vor und während der Zeit des Nationalsozialismus
"... dass einmal dem Juden das Land auf diese Weise abgenommen wird ...": Die jüdischen Einwohner von Enkirch vor und während der Zeit des Nationalsozialismus
"... dass einmal dem Juden das Land auf diese Weise abgenommen wird ...": Die jüdischen Einwohner von Enkirch vor und während der Zeit des Nationalsozialismus
eBook907 Seiten8 Stunden

"... dass einmal dem Juden das Land auf diese Weise abgenommen wird ...": Die jüdischen Einwohner von Enkirch vor und während der Zeit des Nationalsozialismus

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Über dieses E-Book

Die Geschichte der jüdischen Einwohner von Enkirch und der jüdischen Gemeinde von der napoleonischen Zeit bis zur Auflösung der Gemeinde durch die Nationalsozialisten und der Verfolgung der Mitglieder, die in Vertreibung und Exil oder Deportation und Ermordung während des Holocaust mündete.


Aktualisierte und ergänzte Auflage
SpracheDeutsch
HerausgeberBooks on Demand
Erscheinungsdatum11. Jan. 2022
ISBN9783755789932
"... dass einmal dem Juden das Land auf diese Weise abgenommen wird ...": Die jüdischen Einwohner von Enkirch vor und während der Zeit des Nationalsozialismus
Autor

Thomas Hüttmann

geboren und aufgewachsen in Enkirch lebt in Berlin

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    Buchvorschau

    "... dass einmal dem Juden das Land auf diese Weise abgenommen wird ..." - Thomas Hüttmann

    Danksagung

    Mein herzlicher Dank gilt den Familienangehörigen der jüdischen Enkircher, die mich mit Fotos, mit Dokumenten, Informationen und persönlichen Erinnerungen unterstützt haben, insbesondere Doris Deutsch, Susan Freinkel, Judith Katz, Myriam Israël-Meyer, Ruth und Steven Miller, Erna von der Walde, Barbara Kraemer, Steven Henley, Dennis Aron, Lester Joseph und Shirley Asher sowie deren Familienmitglieder.

    Bedanken möchte ich mich daneben bei den Forschern zur NS-Zeit, die mir mit Unterlagen, Informationen und Ratschlägen zu meinem Text geholfen haben, namentlich bei Ulrich Conrath (†), bei Klaus Flick, bei Wolfgang Frieske, bei Willi Körtels, bei Christof Krieger vom Mittelmosel-Museum in Traben-Trarbach, bei Monika Metzler vom Arbeitskreis Trier im Nationalsozialismus der AG Frieden, bei Franz-Josef Schmit, bei Wolfgang Schmitt-Kölzer, bei Hans Schneiß, bei Peter Schößler, und bei Eberhard Wagner vom Verein „Wider das Vergessen und gegen Rassismus" e.V. Marpingen.

    Mein Dank geht im weiteren an die zahlreichen Mitarbeiter in den Behörden, dem Bundesarchiv sowie den kontaktierten Landes- und Stadtarchiven, insbesondere dem Landeshauptarchiv Koblenz, sowie dem ITS Bad Arolsen, die mich freundlich und hilfsbereit bei meinen Recherchen unterstützt haben.

    Für die Genehmigung zur Verwendung von Abbildungen und von Unterlagen sowie Daten zu den Familien der jüdischen Enkircherinnen und Enkircher bedanke ich mich ausdrücklich bei den entsprechenden Leihgebern.

    Ein herzlicher Dank sei auch den Zeitzeugen ausgesprochen, die mir Informationen und ihre Erinnerungen zu einzelnen Personen mitgeteilt haben.

    Ohne all diese Unterstützung hätte meine Recherche nicht zustandekommen können.

    Hinweis zur Buchausgabe

    Der Autor verzichtet zugunsten der Alex-Deutsch-Stiftung auf jeglichen Erlös aus der Buchveröffentlichung. Sämtliche vom Verlag ausgezahlten Gewinnbeteiligungen (Autorenmarge) fließen direkt und vollumfänglich an die gemeinnützige Stiftung zur Unterstützung der von ihr geförderten Projekte.

    Inhaltsverzeichnis

    Vorwort zur 1. Auflage

    Vorwort zur 2. Auflage

    1. Jüdisches Leben in Enkirch 1794-1932

    1.1. Die Region nach der Französischen Revolution

    1.1.1. Beginn jüdischen Lebens in Enkirch

    1.1.2. Die ersten Familien

    1.1.3. Die Familien von 1822 bis 1851

    1.1.4. Die Entwicklung bis 1870

    1.2. jüdisches Leben in Enkirch 1871 bis 1932

    1.2.1. Die jüdische Gemeinde in Enkirch bis 1932

    1.2.2. Jüdische Familien von 1871 bis 1894

    1.2.3. Jüdische Familien von 1895 bis 1932

    1.3. Die Situation vor 1933

    1.3.1. Liste der auf den jüdischen Friedhöfen Bestatteten

    1.3.2. Die Wohnhäuser der jüdischen Enkircher

    1.3.3. Übersicht der „20 Seelen in 7 Haushalten" von 1928 bis 1933

    2. Der Faschismus in Enkirch

    2.1. Faschistische Agitation vor 1933 und antisemitische Ausschreitungen

    Enkirch im Jahr 1928

    Enkirch im Jahr 1929

    Enkirch im Jahr 1930

    Enkirch im Jahr 1931

    Enkirch im Jahr 1932

    2.2. Etablierung der Macht und die Vertreibung der jüdischen Einwohner (1933-1939)

    Enkirch im Jahr 1933

    Enkirch im Jahr 1934

    Enkirch im Jahr 1935

    Enkirch im Jahr 1936

    Enkirch im Jahr 1937

    Enkirch im Jahr 1938

    Enkirch im Jahr 1939

    2.3. Der Faschismus in Enkirch nach Beginn des Krieges und der Eliminierung jüdischen Lebens

    Enkirch im Jahr 1940

    Enkirch im Jahr 1941

    Enkirch im Jahr 1942

    Enkirch im Jahr 1943 bis 1945

    1945-1950 Kriegsende, Nachkrieg und junge BRD

    3. Biografische Skizzen / die Synagogengemeinde

    3.1. Jüdische Enkircher, die vor 1933 aus Enkirch verzogen sind, und deren Familien

    3.1.1. Familie Isidor Löb

    3.1.1.1. Adelheid Löb geb. Schlachter

    3.1.1.2. Hermann Löb

    3.1.1.3. Helene Moseler geb. Löb

    3.1.1.4. Albert Löb, seine Frau Barbara geb. Höffel, die Kinder Walter, Adelheid, Hannelore, Marlies, Hilda und Albert

    3.1.1.5 Karl Löb und seine Frau in erster Ehe Martha Margarethe geb. Nelson

    3.1.1.6. Hilda geb. Löb und Sohn Horst Obermann

    3.1.1.7. Erna Hoffmann geb. Löb

    3.1.1.8. Helmut Löb

    3.1.2. Familie Isaac Loeb: Emma, Albert, Otto und Hermann Loeb

    3.1.2.1. Emma Bermann geb. Loeb, Sohn Julius mit Familie

    3.1.2.2. Familie Albert Löb, Ehefrau Clémentine geb. Levy

    3.1.2.3. Familie Otto Löb, Ehefrau Berta, Kinder Ida, Blondine, Emil, Siegfried, und Adolf

    3.1.2.4. Hermann Löb

    3.1.3. Familie Simon Isaak, Töchter Sophie und Bertha

    3.1.3.1. Sophie Levy geb. Isaack, Tochter Eva und Sohn Kurt

    3.1.3.2. Familie von Bertha geb. Isaak, ihr Mann Josef Kahn, Kinder Veronika, Isaak, Hedwig und Fred Kahn

    3.1.4. Familie Leo Isaak; Söhne Max und Carl

    3.1.4.1. Max Isaak, Greta Isaak geb. Goldschmidt, Söhne Hans Herbert und Helmut Isaak

    3.1.4.2. Carl (Isaak) Loeb und Frau Edith

    3.1.5. Familie Isaak Loeb, Kinder Raphael Felix und Johanna

    3.1.5.1. Raphael Felix Löb, seine Frau Johanna, Kinder Emil, Clara, Hedwig, Julius und Frieda

    3.1.5.2. Familie von Johanna geb. Loeb und Sigmund Klinger

    3.1.6. Familie von Emil Simon; Frau Mina geb. Kahn, Kinder Friederike und Erna

    3.1.6.1. Mina Simon

    3.1.6.2. Friederike Schmitz geb. Simon, Leopold Schmitz, Töchter Margot, Lilli und Sohn Emil

    3.6.1.3. Erna von der Walde, geb. Simon, ihr Mann Josef (José) von der Walde, Kinder Erwin, Alice und Herbert

    3.1.7. Familie Moritz Simon; Töchter Paula, Martha und Hedwig

    3.1.7.1. Paula Wirth geb. Simon und Hermann Wirth

    3.1.7.2. Martha Mayer geb. Simon und Sohn Hans

    3.1.7.3. Hedwig Frank geb. Simon, Meyer Frank, Töchter Henriette Henny und Gertrud

    3.1.8. Familie Markus Simon, Kinder Clara und Siegmund

    3.1.8.1. Clara Schärf geb. Simon und Sohn Siegbert

    3.1.8.2. Si(e)gbert Simon

    3.1.9. Die Töchter von Heinrich Simon: Franziska und Meta Simon

    3.1.9.1. Franziska Simon

    3.1.9.2. Meta Simon

    3.1.10. Familie von Max Daniel: Jenny Daniel und Töchter Erika und Hella, Enkeltochter Irmgard

    3.1.10.1. Jenny Daniel

    3.1.10.2. Erika Senta Daniel

    3.1.10.3. Hella Daniel

    3.1.11. Der Sohn von Paulina Allmeier geb. Simon: Alfred Allmeier, dessen Ehefrau Johanna geb. Kahn, Kinder Ruth und Edgar

    3.1.12. Familie von Goldina Simon

    3.1.12.1. Robert Klee

    3.1.12.2. Familie von Sarah Dorothea Klee

    3.1.13. Familie von Rosetha Winter geb. Simon: Simon, Ottilie und Karl Winter.

    3.1.13.1. Rosetha und Simon Winter

    3.1.13.2. Ottilie Winter

    3.1.13.3. Dr. Karl Winter

    3.1.13.4. Die Kinder aus erster Ehe von Simon Winter

    3.1.14. Familie von Eva Joseph geb. Loeb, Kinder Max, Amalie, Isaak und Karl.

    3.1.14.1. Max Joseph und Familie

    3.1.14.2. Amalie Joseph und Familie

    3.1.14.3. Isaak Joseph

    3.1.14.4. Karl Joseph

    3.1.15. Nachfahren von Maria Anna Simon, Familie Barbara Bach und Familie Isaak Gottschalk

    3.1.15.1. Familie Salomon Bach

    3.1.15.2. Familie Abraham Bach

    3.1.15.3. Familie Isidor Bach

    3.1.15.4. Familie Charlotte Kahn geb. Bach

    3.1.16. Die weiteren Nachfahren von Regina Simon

    3.1.16.1. Familie von Jeanette Haas

    3.1.16.2. Familie von Henriette Johanna Haas

    3.1.16.3. Familie von Salomon Haas

    3.1.16.4. Familie von Rosina Haas

    3.1.17. Die Nachfahren von Philippina Simon

    3.1.17.1. Familie von Sigmund Hirsch

    3.1.17.2. Familie von Markus Hirsch

    3.1.17.3. Familie von Wilhelm Hirsch

    3.1.17.4. Familie von Moritz Hirsch

    3.1.17.5. Familie von Bertha Hirsch

    3.1.17.6. Familie von Rosa Hirsch

    3.1.17.7. Familie von Lina Hirsch

    3.2. Jüdische Familien, die nach 1932 in Enkirch wohnen

    3.2.1. Rosalie Hirsch geb. (Isaak) Loeb und Kinder Friederike verh. Krämer, Eugen Hirsch und Olga verw. Levy

    3.2.1.1. Rosalie Hirsch geb. (Isaak) Loeb

    3.2.1.2. Frieda geb. Hirsch, ihr Mann Markus Krämer, Tochter Irene Krämer und Sohn Helmut Krämer

    3.2.1.3 Eugen Hirsch und Ehefrau Jane Roseboom

    3.2.1.4 Olga Levy geb. Hirsch, ihr Mann Alfred Levy und Sohn Kurt Levy

    3.2.2. Gottfried Simon und Johanna Simon geb. Hermann, Tochter Gisela, Sohn Kurt, Bruder Isaak Simon

    3.2.2.1. Gottfried Simon

    3.2.2.2. Kurt Simon

    3.2.2.3 Gizella Simon

    3.2.3. Jeanette (Isaak) Loeb geb. Freudenberger, Tochter Bertha verh. Liebenstein, Sohn Walter Meyer (Isaak) Loeb

    3.2.3.1 Jeanette (Isaak) Loeb

    3.2.3.2. Berta Liebenstein geb. (Isaak) Loeb und Emil Liebenstein, Sohn Eric(h) und Tochter Ilse

    3.2.3.3. Walter Meyer (Isaak) Loeb und Mathilde Loeb geb. Mayer

    3.2.4. Sigmund (Isaak) Loeb und Emma (Isaak) Loeb geb. Simon, Tochter Alice verh. Cuell, Sohn Hans (James)

    3.2.4.1. Sigmund und Emma (Isaak) Loeb

    3.2.4.2. Tochter Alice (Isaak) Loeb

    3.2.4.3. Sohn Hans (Isaak) Loeb

    3.2.5. Hermann (Isaak) Loeb und Kathinka (Isaak) Loeb geb. Israel, Tochter Gerda (Isaak) Loeb und Kathinkas Schwester Mathilde Israel

    3.2.5.1. Familie Hermann (Isaak) Loeb

    3.2.5.2. Mathilde Israel

    3.3. Die Synagogengemeinde

    3.3.1. Die Gemeinde

    3.3.2. Die Grundstücke der Gemeinde

    3.3.2.1. Das Synagogengebäude

    3.3.2.2. Der Alte jüdische Friedhof

    3.3.2.1. Der Neue jüdische Friedhof und das Erweiterungsgelände

    4. Bürokratie der Ausraubung / Restitution nach 1945

    4.1. Haus und Grundstück von Olga Hirsch

    4.2. Haus und Grundstücke von Familie Gottfried Simon

    4.3. Haus und Grundstücke von Jeanette (Isaak) Loeb

    4.4. Familie Sigmund (Isaak) Loeb

    4.5. Familie Hermann (Isaak) Loeb

    4.6. Die Grundstücke der Synagogengemeinde

    4.7. Kellerei Langenbach

    4.8. Bergwerk Max Israel Kaufmann aus Kassel

    4.9. Restitutionsklage wegen eines Grundstücks in Enkirch von Adolf Schoemann aus Traben-Trarbach

    5. Anhang

    5.1. Abkürzungsverzeichnis

    5.2. Literaturverzeichnis und Linkliste

    Vorwort zur 1. Auflage

    Im Gegensatz zu anderen Gemeinden im Umkreis hat die Beschäftigung mit der NS-Vergangenheit in dem Moselort Enkirch gerade erst begonnen. Das mag u.a. darin begründet liegen, dass Enkirch als selbsternannte Hochburg des Nationalsozialismus an der Mittelmosel galt.

    In einer Zeit, da die Generation mit dem „Stigma der späten Geburt" langsam ausstirbt, die sich verschworen hat, die Ereignisse in der Zeit des Nationalsozialismus, den Holocaust, den Vernichtungskrieg, und die eigene Teilnahme an diesem Unrechtssystem totzuschweigen, ist es Aufgabe, aber auch Chance für eine Gesellschaft der Kinder und Enkel dieser Generation, die nicht mehr in direkter Zeitzeugenschaft zum NS-System stehen, sich unvoreingenommener und kritischer mit dieser geschichtlichen Periode auseinanderzusetzen. Denn die Mittäterschaft und die Prägung durch das NS-System haben über lange Jahre eine Aufarbeitung verhindert oder erschwert; solange (ehemalige) Nationalsozialisten in Politik, Justiz, Medizin oder Wirtschaft führende Positionen einnahmen, bestand in der Bundesrepublik und dem späteren wiedervereinigten Deutschland kein Interesse an einer Erforschung der eigenen Verstrickungen an den Verbrechen. Der nach seiner Haftentlassung 1966 in Kröv lebende Kriegsverbrecher Baldur von Schirach pflegte Kontakte nach Enkirch und war wiederholt Gast in einem Enkircher Wirtshaus; sein Grab wurde erst 2015 auf öffentliche Proteste hin eingeebnet.

    Oft will auch heute niemand so genau wissen, ob etwa Opa oder Oma aktiv in einer NS-Organisation engagiert waren, ob die Tante oder der Onkel als Parteigenosse sich für Euthanasie und Zwangsabtreibung eingesetzt oder am Boykott jüdischer Geschäfte und am Novemberpogrom 1938 teilgenommen hat, oder wieweit die Eltern in der Schule oder der Hitlerjugend durch die Ideologie des Faschismus geprägt wurden. Stattdessen werden die Gräueltaten und Kriegsverbrechen der Wehrmacht verharmlost, wird das Morden auch an Zivilisten, an Frauen und Kindern geleugnet, weil die Täter doch gegenüber ihren eigenen Familien als liebevoll und fürsorglich beschrieben werden.

    Zudem werden die Soldaten zu Nichtverantwortlichen erklärt, da sie nicht freiwillig, sondern gezwungenermaßen daran beteiligt gewesen wären.

    Der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl etwa rechtfertigte 1985 seine „Versöhnungsgeste" mit Ronald Reagan auf dem Soldatenfriedhof Kolmershöhe bei Bitburg auf Kritik hin, auf dem Friedhof seien auch 59 Angehörige kämpfender SS-Einheiten beigesetzt, damit, dass von den meisten der „blutjungen Soldaten viele gar keine Chance hatten, dem Einberufungsbefehl zur Waffen-SS zu entgehen¹".

    Der offensichtlichste Aspekt der Verbrechen des deutschen Nationalsozialismus besteht in der Diskriminierung, der Verfolgung und Vertreibung der jüdischen Mitbewohner, die vielfach, und das gilt auch für die jüdischen Enkircher, in deren Ermordung gipfelte, insofern sie der faschistischen Verfolgung nicht durch Flucht und Emigration entkommen konnten.

    Besonders bedenklich und erschreckend ist, dass die Vernichtung jüdischer Kultur so umfassend war, dass sich die wenigsten jüdischen Gemeinden im Nachkriegsdeutschland neu gründen konnten. Das gelang am ehesten in den Städten, während auf dem Land heutzutage kaum jüdische Gemeinden existieren. Viele derer, die die Lager überlebten, haben anschließend Deutschland verlassen, und von den wenigen Emigranten kamen nur einige nach dem Krieg zurück in das geteilte Deutschland, und es wurde dort auch so gut wie nichts dafür getan, sie willkommen zu heißen.

    Im „Heimatbuch" Anchiriacum-Enkirch von 1983 findet sich kein Hinweis zur Geschichte der jüdischen Enkircher, lediglich eine Zeile mit Erwähnung jüdischer Schüler in der Enkircher Grundschule, und der beiden blinden Brüder Hermann und Julius Simon - allerdings ohne Erwähnung ihres Namens oder ihres jüdischen Glaubens - in einem Artikel über ausgestorbene Handwerke².

    Immerhin widmen die „Enkircher Annalen" von 1987 einen Abschnitt von einer knappen halben Seite der Geschichte der Enkircher Juden bis 1941 unter Jahreszahl 1830, sowie drei kurze Notizen zu einzelnen jüdischen Mitbewohnern, zum Jahr 1847 wird die ehemalige Synagoge erwähnt³.

    Auf der Enkircher Website⁴ gibt es bisher keine Bemerkungen zur jüdischen Geschichte, und auf der Seite der Kulturdenkmäler der Region Trier⁵ findet sich zu Enkirch unter der Adresse „Backhausstraße 4" die Bemerkung, die jüdische Geschichte sei bislang kaum erforscht, die Synagoge, die sich dort befand, wird nicht erwähnt.

    Die Veröffentlichung der folgenden Unterlagen soll einen Anfang zur Erforschung dieser Geschichte darstellen. Viele Nachforschungen stehen noch aus, viele Angaben sind lückenhaft; im Text wird durch „bedarf weiterer Recherche" darauf hingewiesen.

    Vielleicht, so die Hoffnung, wird der eine oder andere Leser ermutigt, Erinnerungen weiterzugeben, oder Dokumente oder Unterlagen aus dem Familienarchiv für eine umfassendere Aufarbeitung dieses Teils der Enkircher Geschichte zur Verfügung zu stellen. Dabei sind die zitierten Dokumente sehr ausführlich und möglichst originalgetreu wiedergegeben, selbst Schreibfehler sind übernommen. Problematisch ist in diesem Zusammenhang das Zitieren oder die Übernahme des faschistischen Sprachgebrauchs. Im eigenen Text verwendete Umbezeichnungen (wie Novemberpogrom statt des früher benutzten Terminus Reichskristallnacht bzw. Reichspogromnacht, oder Ghettohäuser statt Judenhäuser) und das Setzen von Anführungszeichen oder dem Kürzel „sog." für sogenannte als Kenntlichmachung und Kommentieren solcher Begrifflichkeiten sollen dies einschränken.

    Absicht der Untersuchung ist, neben der Erinnerung und des Gedenkens an die durch die Nationalsozialisten ermordeten jüdischen Enkircher, auch die Lebenswege derjenigen jüdischen Enkircher nachzuzeichnen, die aus Deutschland flüchten konnten, die emigrierten und im Exil ein neues Leben aufzubauen versucht haben. Darüber hinaus soll der Faschismus in Enkirch und die Beteiligung von Enkirchern an der Diskriminierung und der Vertreibung der jüdischen Mitbewohner dokumentiert werden.

    Eine wichtige Quelle für die biografischen Berichte sind Restitutions- und Wiedergutmachungsakten, in denen oft in persönlichen Worten Vertreibung und Emigration zum Ausdruck kommen. Diese oft ausführlich zitierten Berichte sind zwar auf einen bestimmten Antragszweck hin geschrieben, wegen Schaden an Freiheit, Gesundheit, Schaden an Vermögen oder im beruflichem Fortkommen, geben aber immer auch allgemein einen Einblick in die je individuellen Formen, in denen sich die Verfolgung auswirkte.

    Im Kapitel 1 sind, neben dem historischen Rahmen, die jüdischen Familien in Enkirch aufgelistet, die seit der Napoleonischen Zeit in Enkirch lebten, und Angaben zu einzelnen Personen und der jüdischen Gemeinde bis vor 1933 aufgeführt.

    Kapitel 2 gibt einen Überblick über antisemitische Vorgänge in der Moselregion allgemein und im nationalsozialistischen Enkirch im besonderen. Dieses Kapitel bedürfte noch genauerer Recherchen vor Ort, um ein detaillierteres Bild der Vorgänge gegen die jüdischen Bewohner zu zeichnen, insbesondere zu den Boykottaktionen und dem Novemberpogrom 1938. Immerhin konnte zu letzterem inzwischen eine erste Zeugenaussage in den Akten aufgefunden werden.

    Kapitel 3 zeigt anhand biografischer Skizzen das Verfolgungsschicksal der in Enkirch lebenden oder gelebt habenden jüdischen Mitbürger und deren Familien auf.

    Kapitel 4 gibt einen ergänzenden Überblick zu den Enteignungen und der sog. Arisierung von jüdischem Besitz in Enkirch, sowie Restitution und Wiedergutmachung nach 1945.

    Ich hoffe, gerade in dieser Zeit mit meinen Ausführungen einen Beitrag gegen Antisemitismus, Diskriminierung und Fremdenfeindlichkeit leisten zu können, und die gerade beginnende Gedenkarbeit vor Ort mit den vorgelegten Recherchen zu unterstützen und zu befördern.

    Vorwort zur 2. Auflage

    Die zweite, korrigierte und ergänzte Auflage ist erweitert durch neue Daten und biografische Unterlagen zu den jüdischen Einwohnern von Enkirch. Besonders die Informationen zu den Wohnhäusern konnten hinzugefügt werden, ebenso die Familiengeschichten von Regina Simon, Maria Anna Simon, Philippina Simon, Meta Simon sowie Goldina Simon.

    Wenn auch bei deren Nachfahren manchmal nur die Basisdaten wie Geburt, Tod, und Emigration oder Deportation vorhanden sind, wird an der Anzahl der betroffenen Personen das schiere Ausmaß innerhalb einer Familie, bzw. jeweils bei den zwei Familien in Enkirch (Simon / Daniel und Isaak / Loeb) ersichtlich, das die Verfolgung durch die Nationalsozialisten bewirkt hat.

    Ein wesentlicher neuer Fund ist eine in Prozessakten aufgefundene Zeugenaussage zum Novemberpogrom in Enkirch, und weitere Unterlagen zum Pogrom für Enkirch und Trarbach.

    Zudem wurde das 2. Kapitel zu Enkirch in der NS-Zeit umfassend überarbeitet und erweitert. Berücksichtigt wurden nicht nur unmittelbar mit der jüdischen Geschichte in Zusammenhang stehende Ereignisse, es wurde darüber hinaus in chronologischem Abriss versucht, ein umfassenderes Bild der Verhältnisse in dieser Zeit aufzuzeigen. Damit soll keiner geschichtlichen Einordnung der Ortsgeschichte in die des Faschismus vorgegriffen werden, die nach wie vor aussteht. Die Auswahl der verwendeten Dokumente ist stattdessen bemüht, das vielfältige Eingreifen der nationalsozialistischen Ideologie in die verschiedensten Lebensbereiche sowohl des jüdischen wie auch allgemein des dörflichen Alltags nachzuzeichnen. Die hier zitierten Dokumente entstammen fast sämtlich den Unterlagen der Gemeinde bzw. dem Bürgermeisteramt Enkirch und dem Ortsteil der Traben-Trarbacher Zeitung.

    Die zweite Auflage erscheint im Gedenkjahr zu 1700 Jahren jüdischen Lebens in Deutschland. Als historisches Datum für dieses Gedenkjahr gilt ein Edikt aus dem Jahr 321 des römischen Kaisers Konstantin, der in Trier residierte, mit Erwähnung der jüdischen Gemeinde in Köln. Es darf darauf hingewiesen werden, dass seit dieser Zeit ein Schwerpunkt jüdischen Lebens entlang des Ober- und Mittelrheins, aber ebenso in den Gebieten um Mosel und Saar stattfand.

    Für Trier, Mainz und Köln, aber auch für zahlreiche Landgemeinden in dieser Region ist jüdische Kultur durch das gesamte Mittelalter belegt, so etwa für die Zeit der Loretta von Sponheim und ihres Widerparts Erzbischof Balduin von Trier, der ein Bruder Kaiser Heinrichs VII. und Großonkel des späteren Kaiser Karls IV war.

    In der Neuzeit, und besonders seit der Verleihung der Bürgerrechte für die Juden seit Napoleon erlebte jüdisches Leben eine Blüte, die Deutschland in Kunst, Wissenschaft, Kultur und vielen weiteren Bereichen maßgeblich mitgeprägt hat.

    Aber auch die Schattenseite, die antijüdischen Pogrome und Vertreibungen, der Antisemitismus, bereits lange vor dem 20. Jahrhundert, auch geschürt von den christlichen Kirchen, gehören zur deutschen Geschichte.

    2021 wird auch der 80. Jahrestag des Beginns der Deportationen in die im Osten eroberten Gebiete, mit dem Ziel der systematischen Ermordung der Juden aus Deutschland und aus ganz Europa begangen. Im Oktober 1941 werden Hermann Loeb, seine Frau Kathinka, sowie Tochter Gerda, und Siegmund und Emma Loeb geb. Simon, die bis 1939 bzw. 1940 in Enkirch gelebt hatten, nach Litzmannstadt deportiert und später ermordet.

    Durch den Holocaust ist das vielfältige jüdische Leben fast gänzlich vernichtet worden, wie an jeder der im folgenden beschriebenen biografischen Skizzen nachzulesen ist. Zudem wurde die Erinnerung an die jüdischen Mitbewohner in Deutschland nach dem Krieg schlechten Gewissens verschwiegen und verdrängt; die Erinnerung an sie wurde aus dem öffentlichen Gedächtnis ausgeblendet, ihre Wirkungsstätten vielfach eingeebnet.

    Auch wenn hier in der Zwischenzeit ein Wandel stattfindet, ist bei der Gedenkarbeit deshalb ein wesentlicher Gesichtspunkt, wessen gedacht wird, und was gleichzeitig nicht erwähnt oder sogar geleugnet wird.

    Ein Beispiel ist der Gedenkstein, den die Gemeinde Enkirch in Zusammenarbeit mit einem Institut der katholischen Kirche, das in Wittlich ansässig ist, auf dem jüdischen Friedhof im Jahr 2020 errichten ließ. Der Stein selbst ist in der Mitte des Friedhofsgeländes, inmitten einer Reihe von Grabsteinen unsensibel platziert und wirkt in Form, Farbe und Charakter störend auf die Einheitlichkeit und Gestaltung der umgebenden Grabsteine; eine Platzierung am Rande bei der Umfassungsmauer wäre angemessener gewesen. Auch lässt das Fehlen jedweder künstlerischen Gestaltung des Steines und der Metallplatte sowie die Inschrift Rückschlüsse auf die unreflektierte Form des Erinnerns und Gedenkens zu. Im Text selbst werden zwar die ehemaligen jüdischen Menschen, die in Enkirch lebten und arbeiteten, erwähnt, nicht aber, wie sie aus Enkirch vertrieben, und teils zur Emigration gezwungen, teils deportiert und im Holocaust ermordet wurden, wie das auf Gedenkplatten bei jüdischen Friedhöfen sonst üblich ist.

    Nicht erinnert wird an den Boykott jüdischer Geschäfte, nicht an Stürmerkästen, nicht an das Novemberpogrom von 1938, nicht an die Schändung und Zerstörung der beiden jüdischen Friedhöfe während und nach der NS-Zeit. Auch ist die Definition von „arbeiten" in diesem Kontext unklar: Umfasst der Begriff auch selbständige Kaufleute und Händler, und was ist mit Frauen und Kindern?

    Auf dem Friedhof finden sich neben dem neuaufgestellten Gedenkstein keine weiteren Hinweise auf einzelne Schicksale, abgesehen von der Grabplatte, die nicht die Gemeinde, sondern eine Tochter von Rosalie Loeb für diese, mit Hinweis auf die Deportation nach Gurs, und ihren Ehemann Ludwig Hirsch, dessen Grabstein in der NS-Zeit zerstört oder entsorgt wurde, hat errichten lassen.

    Es muss der Eindruck entstehen, dass mit dem Enkircher Gedenkstein eine Politik des Beschönigens der Geschichte des Zusammenlebens mit den jüdischen Mitbürgern stattfindet, die, glaubt man begleitenden Artikeln und Publikationen, in bestem Einvernehmen gewesen sei und mit deren Nachfahren bis heute ist. Demnach seien die meisten jüdischen Mitbürger schon vor 1933 aus Enkirch verzogen - eine Halbwahrheit, die die seit spätestens 1928 einsetzende, gerade auch in dieser frühen Zeit aggressiv antisemitische Propaganda, verschweigt.

    Das ist nicht einfach eine fromme Selbstlüge, sondern bewusste Geschichtsverfälschung und Erledigen einer Gedenkpflicht als „Abhaken" dieses Teiles in der deutschen Geschichte, die von den Verantwortlichen und ihren Apologeten relativiert, verharmlost, verschwiegen und geleugnet wird.

    1. Jüdisches Leben in Enkirch 1794-1932

    1.1. Die Region nach der Französischen Revolution

    Enkirch (zusammen mit Traben-Trarbach, Wolf und Starkenburg) war seit dem Mittelalter Teil der hinteren Grafschaft Sponheim und diese vor 1776 Kondominium der Herzöge von Pfalz-Zweibrücken mit den Markgrafen von Baden, seit 1776 ersteren allein unterstellt. Im gleichen Jahr mit der Durchführung der Reformation in der hinteren Grafschaft Sponheim 1557 bestimmt der regierende Herzog Wolfgang von Pfalz-Zweibrücken, die Juden aus seinen „Landen auszuschaffen, ihnen gar keinen Handel mehr darinnen zu gestatten und alle Durchpaßierende vergleiten zu laßen."⁶ Ausschaffung meint dabei die völlige Vertreibung der ansässigen Juden⁷. Diese Bestimmung wird aber in den nächsten ca. zweihundert Jahren aufgeweicht. Denn der jeweilige Landesherr kann auf die Einkünfte aus der Erstellung von Schutzbriefen für Juden, den Leib- und Geleitzöllen sowie weiteren Abgaben und Steuern nicht verzichten. Jedenfalls ist für das Herzogtum Pfalz-Zweibrücken für 1791 die Zahl von 80 jüdischen Familien belegt⁸, die gesamte Anzahl der jüdischen Einwohner wird für 1750 mit ca. 300 angegeben⁹. In vielen Moselorten lebten desweiteren Juden unter kurtrierischer Herrschaft, beispielsweise im 18. Jrh. in Koblenz, Cochem, Beilstein, Ediger, Merl, Zell, Pünderich, Senheim und Treis¹⁰, moselauf in Zeltingen, Bernkastel, Neumagen-Drohn, Leiwen oder Trier¹¹. Genauere Angaben zum Sponheimer Territorium und dem Amtsbezirk Trarbach und der Gemeinde Enkirch bedürfen weiterer Recherche.

    Nach der Französischen Revolution gilt in Frankreich seit 1791 durch den Beschluss der Französischen Nationalversammlung die volle Gleichberechtigung der französischen Juden, sie erhalten alle Bürgerrechte. Diese Gleichberechtigung bekommt, nach der Besetzung des linksrheinischen Gebietes durch Frankreich und dessen Eingliederung in die Französische Republik ab 1801 bzw. 1804 in das napoleonische Kaiserreich, auch dort Gültigkeit.

    Ob und wie diese Gleichberechtigung der Juden allerdings in der Praxis umgesetzt wurde, ist umstritten. Festzustellen ist, dass antisemitische Tendenzen, die bereits in den 1770/80er Jahren gerade für den Moselraum zu verzeichnen sind und insbesondere von den Zünften gegen die vermeintliche Konkurrenz von Juden ausgehen, sich durch die Anerkennung der Bürgerrechte auch für Juden noch verstärken. Bekannt sind etwa die Überfälle der sog. Schinderhannes-Bande zwischen 1798 bis 1802 hauptsächlich auf jüdische Händler im Hunsrück-Raum¹².

    Zahlreiche Beschwerden auch in der Zeit der französischen Verwaltung belegen die antijüdischen Vorurteile und Einstellungen in der Bevölkerung, wie ein Dokument des Bürgermeisters von Bernkastel zeigt, und fordern Beschränkungen der neuen jüdischen Freiheiten:

    „ ... In ehemaligen Zeiten, vor dem Krieg hätten sich nur drei Hausstätte in Berncastel aufhalten dörfen. In damaliger Zeit, wo der übrige Bewohner der Gegend in bessren Vermögensumständen sich befunden, wo das Commerz besser gegangen, und wo keine Not ware, da hätten diese 3 Hausstätte sich kaum durchbringen können, hingegen dermalen wo der Bewohner den Druck und die Folgen des Kriegs noch schwer empfinde, wo das Commerz fast ganz still stehe, hätten sie sich bis auf etliche 60 Seelen hierhin gezogen. Dies könne also als ein Zeichen betrachtet werden, daß sie bloß von der gedruckten Menschen Klasse ihre Existenz Mittel erpresseten.

    Im allgemeinen könnten sie nicht anders als eine wahre Geißel der Gegend, wo sie sich aufhalten, betrachtet werden und seien auch durch ihre Niederträchtigkeit, durch den Mangel eines Professions- oder Güter Bau‘s Verdienstes und folglich fehlender Existenz-Sicherung, fähig genug, das Diebsgesindel, von denen sie die gestohlene Sachen spottpreisig und heimlich erkaufen können, zu begünstigen und anzuziehen."¹³

    Und bereits 1808 werden von Napoleon im sog. Schändlichen Dekret viele Freiheiten für Juden wieder stark eingeschränkt und etwa Gewerbetätigkeit nur mit einem speziellen Pass erlaubt, der jährlich zu erneuern und an ein Leumundszeugnis geknüpft ist. Zudem wird die Neu-Niederlassung von Juden erschwert und an den Kauf von Land zum Zweck des Ackerbaus geknüpft, was als indirekte Berufsbeschränkung und „Erziehungsmaßnahme" eingerichtet wird¹⁴. Dem folgt im gleichen Jahr u.a. eine Regelung für eine neue Namensgebung der Juden, die sie verpflichtet, verbindliche Vor- und Nachnamen nach christlichem Muster anzunehmen und damit die jüdische Tradition der Namensgebung aufzugeben¹⁵.

    Diese Bestimmungen bleiben erhalten, als 1814 deutsche Truppen die französisch besetzten linksrheinischen Gebiete zurückerobern und ab Juni 1815 die (seit 1822 bzw. 1830 so genannte) Rheinprovinz preußisch wird (während der Rheinkreis, die heutige Pfalz, an Bayern fällt).

    Das seit 1812 in Preußen gültige Judenedikt findet in Rheinpreußen (wie die Rheinprovinz auch genannt wird) eigentlich keine Anwendung, jedoch werden einzelne Reglementierungen übernommen, etwa das preußische Verbot für Juden, öffentliche Ämter zu bekleiden¹⁶. Deshalb arbeiten viele Juden nach wie vor als Kleinhändler, Viehhändler oder Metzger.

    Ab 1819 breiten sich in ganz Deutschland, ausgehend von Würzburg und auch im Rheinland um sich greifend, antijüdische Pogrome aus, die teilweise nur durch Einsatz des Militärs eingedämmt werden können, die sog. Hep-Hep-Unruhen. Bezeugt ist beispielsweise für das zur ehemaligen Grafschaft Sponheim gehörende Bad Kreuznach der Aufruf vom 27. auf den 28. Sept. 1819 per Flugblatt:

    „Kreuznacher, das Vehmgericht hat beschlossen, daß auf den langen Tag alle Juden aus Teutschland gejagt werden sollen. Es erwartet, daß die Stadt Kreuznach dabey nicht zurückbleibt."¹⁷

    Nach 1840 entstehen an der Mittelmosel mehrere Synagogen, die vorher existierende Betstuben in Privathäusern ablösen, ermöglicht durch die „Genehmigung, seit 1841 in der Rheinprovinz Hauskollekten für den Bau und die Unterhaltung von Synagogen durchführen zu dürfen."¹⁸ 1847 hebt ein Gesetz des Preußischen Landtages schließlich die Ungleichbehandlung durch das Judenedikt von 1812 auf und verleiht allen jüdischen Bewohnern die preußische Staatsbürgerschaft und eine rechtliche Gleichstellung. Auch werden ab 1847 die Synagogenbezirke in Preußen festgelegt. Enkirch gehört zum Bezirk Sohren, die einzelnen Wahlbezirke neben Sohren und Enkirch sind Niedersohren, Lötzbeuren und Irmenach¹⁹. Es scheinen aber diese Bezirke willkürlich festgelegt und nicht den Wünschen der jüdischen Bewohner zu entsprechen, so dass um 1863 eine Änderung der Bezirke angedacht ist. Ob sich diese Änderung auf Enkirch auswirkt, bedarf weiterer Recherche²⁰. In Sohren selbst wird eine eigene Synagoge im Jahr 1864 eingerichtet, zuvor gab es auch dort einen Betraum in einem jüdischen Wohnhaus. Die Sohrener Gemeinde besteht um diese Zeit aus 67 Mitgliedern, seither nimmt wie andernorts die Anzahl ab und beläuft sich 1933 noch auf 26 Personen. Die Synagoge wird beim Novemberpogrom 1938 verwüstet, das Gebäude 1950 abgerissen²¹.

    Enkirch ist mit seinen um diese Zeit etwa 40 jüdischen Bewohnern eine eher kleinere Gemeinde, Bernkastel zählt 1843 die doppelte Anzahl, also 80 Gemeindemitglieder, in Zell sind es 1858 derer 49, in Merl weitere 17. Aber im etwa gleichgroßen Nachbarort Traben-Trarbach entwickelt sich eine kleine Gemeinde erst um die Jahrhundertwende mit einer Betstube, die um 1920 eingerichtet wird, und neben den genannten gibt es Synagogengemeinden in der Region in Bengel mit 34 Juden im Jahr 1843, moselaufwärts in Lösnich (1843 gibt es 22 jüdische Bewohner) sowie Zeltingen 1843 mit 55 und Rachtig mit 46 jüdischen Bewohnern, moselabwärts in Ediger-Eller 1858 mit 21, Beilstein 1858 mit 76 und Cochem im gleichen Jahr mit 69, 1895 gar mit 114 Gemeindemitgliedern²². Aber in fast jedem Dorf in der Region wohnen jüdische Familien, selbst im Nachbardörfchen Burg gibt es eine Lagebezeichnung „Judenfriedhof", auch bspw. in Reil, Pünderich, Briedel, Alf, Bausendorf, in Lötzbeuren, Büchenbeuren, Kirchberg, in Wolf, Kröv, Kinheim usw. wohnen einzelne oder mehrere Familien jüdischen Glaubens.

    1.1.1. Beginn jüdischen Lebens in Enkirch

    In der Traben-Trarbacher Zeitung erscheint 1928 folgende Geschichte:

    In einem alten hebräischen Lesebuche findet sich folgende als wahr verbürgte Erzählung, die sich vor etwa 150 Jahren ereignet haben mochte und die als ein rührendes Beispiel treuer väterlicher Liebe und Fürsorge für die Seinen es verdient, der Vergessenheit entrissen zu werden: „Ein armer Handwerksmann zu Enkirch an der Mosel, namens Adam Steger, hatte eine Frau und 4 Kinder, die er in der Zeit der großen Teuerung bei größtem Fleiße und sauerster Arbeit kaum zu ernähren vermochte. Er war indes doch zufrieden, wenn er nur die Seinen vergnügt sah. Einst aber nahm die Not in seinem Hause gar zu sehr überhand, er sah sein gutes Weib und seine geliebten Kinder mit dem härtesten Mangel kämpfen, sie schrien nach Brot und er konnte ihnen keines geben; mit bitteren Tränen bat er um Almosen, die er von menschenfreundlichen Wohltätern sehr oft erhielt; allein die Not und die Teuerung waren so groß, daß er mit den erhaltenen Gaben das Leben der Seinigen nur wenige Stunden fristen konnte. Verzweifelnd irrte er umher. Da begegnete er einem Bekannten, der fast ebenso arm war wie er; der frug ihn nach dem Grunde seiner Verzweiflung. „Ach, sprach jener, „mein Weib, meine armen vier Kinder! Sie haben seit gestern Mittag keinen Bissen Brot mehr und ich weiß ihnen keines zu schaffen, ich weiß auch nicht mehr, wohin ich mich wenden soll, um Hilfe zu finden. Sehr gerührt von dem traurigen Schicksal des Unglücklichen sprach der arme Freund: „Hier sind zwei Kreuzer, das ist alles, was ich im Vermögen habe; wenn du aber Geld verdienen willst, so will ich dir wohl ein Mittel sagen. „Was ist das für ein Mittel? rief Adam. „Ich tue alles, wenn es nur nichts Schlechtes ist, sage es mir nur, ich bitte dich um des Himmels willen! Jener antwortete ihm: „So gehe in die nächste Straße, dort wohnt jemand, der das Aderlassen lernt. Wenn du dich entschließen kannst, dich von ihm zur Ader zu lassen, so bekommst du etwas Geld dafür. Ohne langes Besinnen und ohne zu überlegen, welcher Lebensgefahr er sich aussetzte, wenn er sich in die Hand eines Ungeübten begab, der noch keine Erfahrung in der Kunst des Aderlassens hatte, lief Adam in das bezeichnete Haus, ließ sich am Arm eine Ader öffnen und bekam dafür einen Gulden. Nachdem er nun mit der größten Freude sein Blut vergossen hatte, um seinem Weib und seinen Kindern zu helfen, lief er ungeachtet seiner Schmerzen zu einem Bäcker, kaufte Brot und eilte nach Hause, es den Hungernden zu bringen. Diese freuten sich sehr. Wie groß war aber ihr Schrecken, als sie aus dem Arme ihres guten Vaters Blut fließen sahen. Sie frugen ihn, was ihm fehle. Er erzählt ihnen mit matter Stimme das Vorgegangene, konnte aber vor großer Schwäche nicht mehr stehen, setzte sich auf einen Stuhl, drückte seine Kinder an sein Herz und schlief ein, des Todes ewigen Schlaf."²³

    Diese Geschichte würde sich also etwa auf die Zeit um 1770 bis 1780 datieren lassen, die „große Teuerung" beginnt mit nasskaltem Wetter und resultierenden Missernten in ganz Nordeuropa ab 1770 und dauert mehr oder weniger bis Ende des Jahrhunderts an. Ob die Familie von Adam Steger tatsächlich in Enkirch lebte oder Fiktion ist, bedarf weiterer Recherche. Sie spiegelt jedoch insofern die Situation der jüdischen Bevölkerung im ländlichen Moselraum sehr treffend, als etliche Berichte vorliegen, die die zunehmende Verarmung der jüdischen Familien in der Region dokumentieren. Diese sog. Betteljuden stellen insbesondere im 18. Jrh. reichsweit ein soziales Problem dar²⁴. Die Verarmung resultiert aus den restriktiven Bestimmungen gegen die Schutzjuden und ihre eingeschränkten Möglichkeiten der Berufswahl einerseits, zum anderen aus der zunehmenden ökonomischen Krisensituation der Landbevölkerung insgesamt. Gerade für die Zeit ab 1770 verbreitet sich zusammen mit den Missernten eine Welle von Viehseuchen, und diese trifft die Juden, die im ländlichen Raum, also auf den Dörfern fast ausschließlich vom Viehhandel leben, in besonderem Maße²⁵. Hinzu kommen die ständig erhöhten Leib- und Geleitzölle für die auf den Märkten handelnden Juden. Für 1786 ist etwa eine Eingabe der auf den Enkircher Märkten handelnden Juden beim zuständigen Amtmann bekannt, den Preis für Geleitscheine dem der Nachbarorte anzupassen, um den Juden den Besuch der Enkircher Jahrmärkte zu ermöglichen²⁶.

    Daneben findet sich 1786 die Erwähnung des jüdischen Viehhändlers Benjamin Lövi aus Lösnich, der auf dem Enkircher Martinsmarkt eine Kuh verkauft, die von dem Käufer auf einem Merler Markt an Benedikt Moses aus Gellweiler eingetauscht wird, um von diesem wiederum nach Enkirch verkauft zu werden, wo sie nach einigen Tagen „crepieret" sei. Die begutachtenden Enkircher Metzgermeister Johann Peter und Philipp Christoph Spür attestieren, die Kuh sei „sieg und perlig" gewesen²⁷. 1790 hat der gleiche Benjamin Lövi einen Rechtsstreit wegen einer Kuh, die er auf dem Enkircher Viehmarkt kauft und wenige Tage später an einen Bauer Sausen verkauft, dem die Kuh stirbt, weshalb Benjamin Lövi von diesem verklagt und vor Gericht schuldig gesprochen wird²⁸.

    In einer Chronik der jüdischen Gemeinden an der Mittelmosel, den Merischonim loacharonim von Hugo Friedmann, wird zu Enkirch vermerkt: Niederlassung von Juden seit Anfang des 19. Jahrhunderts durch Zuzug von Beilstein und Bernkastel.²⁹

    Da für Enkirch als Teil des Kantons Trarbach ab dem Sept. 1798 die französische Verwaltung eingeführt wurde und somit standesamtliche Dokumente angelegt werden, lässt sich ab diesem Zeitpunkt die Entwicklung der jüdischen Bewohner dokumentieren.

    Die „Erhebung über die Zahl der Juden im Rhein-Moseldepartement" von 1808 weist Enkirch nicht explizit als Ort aus, in dem jüdische Bewohner ansässig sind³⁰.

    Allerdings werden in vielen Auflistungen nur erwerbstätige Haushaltsvorstände gezählt (so wie vormals die „Schutzjuden"), aber nicht deren Familienangehörige, nicht Witwer oder Witwen, evtl. mit nicht volljährigen Kindern, auch nicht unverheiratete Söhne oder Töchter.

    In vorerwähnten Verzeichnis der Verstorbenen in den jüdischen Gemeinden an der Mittelmosel, Merischonim loacharonim, ist nämlich ein Beer Nathan aufgeführt, der 1822 in Enkirch im Alter von 87 Jahren verstirbt. Er ist um 1735 geboren, wann er nach Enkirch zieht bedarf weiterer Recherche, er wohnt aber wohl bereits 1812 dort.

    Um 1809 und 1812 bzw. 1813, in der Zeit der französischen Verwaltung und vor der Rückeroberung durch Preußen 1814, ziehen zwei jüdische Familien nach Enkirch:

    Die eine Familie ist die von Isaac Loeb und Therese Eva Loeb geb. Mayer, die in Bernkastel ansässig ist, mit fünf Söhnen, deren dritter, Mendel Isaak, 1804 in Bernkastel geboren ist und nach vierzehn Tagen verstirbt, und deren letzter, Israel Isaak, ebenso 1807 noch in Bernkastel geboren wird, und 1808 dort verstirbt und bestattet ist. Isaac Loeb stammt aus dem polnischen Brod³¹ und ist Rabbiner und Lehrer in Bernkastel, seine Frau ist in Bruschied bei Bad Kreuznach geboren. Die Familie Loeb zieht wohl nach dem Tod von Isaac Loeb im Januar 1810, dessen Bestattung noch in Bernkastel stattfindet, nach Enkirch. Der älteste Sohn, Gottlieb Isaak, gibt allerdings später zur Beantragung eines Patents bereits 1809 als Umzugsdatum nach Enkirch an.

    Die andere Familie ist die von Isaac Simon und Dorothea Simon geb. Daniel. Isaac Simon ist in Beilstein geboren. Belegt ist die letzte Beantragung eines für Juden obligatorischen Patentes durch Isaac Simon beim zuständigen Präfekten des Saardepartements und der Synagoge in Trier, für seinen Aufenthalt in Bernkastel für das Jahr 1812, dem Wohnsitz vor dem Umzug der Familie. Denn Enkirch liegt während der französischen Verwaltung im Rhein- und Moseldepartement mit Verwaltung in Koblenz, aber auch dort scheint Isaac Simon am 11. Nov. 1811 ein Patent für 1812 in Enkirch beantragt zu haben. 1812 oder 1813 verzieht die Familie nach Enkirch³². Dorothea Daniels Vater Michel Daniel ist einer der drei³³ oder vier in Bernkastel ansässigen kurtrierischen Schutzjuden³⁴. Der Zuzug der Familie nach Enkirch erfolgt nach der Geburt von Sohn Joseph Simon 1811 in Bernkastel.

    In Enkirch wird Daniel Simon geboren, dessen Geburt im Mai 1815 unzweifelhaft in Enkirch belegbar ist.

    Nach den Angaben der Chronik zu den jüdischen Gemeinden³⁵ stammt die Familie aus Beilstein, für Isaak Simon ist Beilstein Geburtsort, und auch für die beiden Söhne Daniel und Simon Simon (*1818) gibt diese Chronik Beilstein statt Bernkastel bzw. Enkirch als Geburtsort an, obwohl beide laut vorliegender Geburtsurkunde bereits in Enkirch geboren sind.

    Die Enkircher Annalen führen die Entwicklung der jüdischen Gemeinde wie folgt auf: „Enkirch hatte im Mittelalter keine Juden. Zu Anfang des 19. Jahrhunderts wanderten die Familien Isaak-Loeb aus Bernkastel und die Familie Simon aus Beilstein ein." ³⁶ Ob mit „Mittelalter" hier die Zeit vor der Reformation oder die Zeit danach, also der Neuzeit bis 1792 gemeint sein soll, bleibt unklar.

    In einer amtlichen Statistik zu den jüdischen Enkirchern, die aber erst 1816 von den preußischen Behörden erstellt wurde³⁷, ist für 1812 in Enkirch eine jüdische Familie, bestehend aus 3 männlichen und 4 weiblichen Personen ausgewiesen, die ein eigenes Haus besitzt und vom Viehhandel lebt. Daneben ist ein Wittmann aufgeführt, der mit altem Eisen handelt. Weiter wird eine Witfrau mit zwei Söhnen gelistet, die ebenfalls mit altem Eisen handele, sehr arm sei und auch bettele. Eine Zuordnung zu Familie Simon, zu Beer Nathan (Wittmann) und der Witwe Therese Eva Loeb geb. Mayer und Kindern ist anzunehmen, auch wenn die Zahlen nicht ganz genau übereinstimmen.

    Denn Familie Simon bestünde 1812 aus Vater Isaak Simon, Mutter Dorothea geb. Daniel, der Tochter von Dorothea aus erster Ehe, Karoline Levy, die bereits 1816 in Enkirch verstirbt, und den gemeinsamen Kindern Sinai Simon, 11 Jahre alt, Sarah Simon, 9 Jahre alt, Regina Simon, 7 Jahre alt, Maria Anna Simon, 2 Jahre alt, und Joseph Simon, 1 Jahr alt, also 3 männlichen und 5 weiblichen Mitgliedern.

    Die Witfrau mit zwei Söhnen von 1812 entspräche demnach Witwe Therese Loeb geb. Mayer, dem 18jährigen Sohn Carl Loeb, dem 13jährigen Gottlieb Isaak und dem 6jährigen Daniel Isaak, also drei Söhnen statt zwei.

    Die „Generalnachweisung über die Bevölkerung der Städte und Flecken der preußischen Rheinprovinz" gibt am Schluss des Jahres 1822 dreizehn in Enkirch lebende Juden an³⁸.

    Für 1824 sind neun männliche und sechs weibliche Personen jüdischen Glaubens bezeugt, davon ein Ehepaar mit Grundbesitz. In der Folge wächst die Gemeinde durch Heirat der inzwischen erwachsenen Kinder der ersten beiden Familien. Zudem ist für den 4. Dez. 1827 die Geburt einer Regina Levi in Enkirch bezeugt, die Eltern sind Israel Levi, der 1780 in Traben geboren ist, und seine Frau Barbara geb. Moses. Ob und wie lange die Familie in Enkirch lebt, bedarf weiterer Recherche.

    1828 gibt es 22 Einwohner in fünf Familien, davon 4 schulpflichtige Kinder³⁹.

    Um 1830 wird der (alte) Friedhof zum Eigentum erworben, die Lagebezeichnung „im Wald"⁴⁰ wird auch mit „auf Kirst"⁴¹ angegeben, am 5. Febr. 1832 findet dort die erste Beisetzung statt⁴². Bereits davor gab es 1816 und 1822 zwei jüdische Bestattungen „an der Straße, damit ist die Ortsausfahrt in Richtung Trarbach gemeint⁴³. Mit Schreiben vom 9. Juni 1836 der Königlichen Regierung, Abteilung des Inneren in Coblenz

    „… genehmigen wir nunmehr, daß das der Gemeinde Enkirch zugehörige im Distrikt Kirst gelegene und 14 Ruthen große Stück Land, welches die israelitischen Einwohner daselbst bereits seit längerer Zeit als Begräbnisplatz benutzen, denselben zu dem abgeschätzten Werte von sieben Thalern, künftig überlassen werde, zu welchem Ende die Verhandlung des Schöffenrathes, mit unserer Genehmigung versehen, mit dem Auftrage zurück erfolgt, den Gemeinde-Einnehmer anzuweisen, den fragl. Betrag zu Martini d. J. zur Gemeinde-Kasse einzuziehen."⁴⁴

    Im Kataster ist schließlich für das Jahr 1874 der Friedhof „auf Kirst" unter Fl. 8 Nr. 2958/46 eingetragen.

    1845 sind Patente für fünf jüdische Händler in Enkirch bezeugt:

    1. Isaac Simon,

    2. Sinai Simon,

    3. Marx Daniel,

    4. Carl Loeb, und

    5. Joseph Simon⁴⁵.

    Demnach ist Isaac Simon, der mit Familie 1813 nach Enkirch verzogen war, und zwei seiner Kinder, Sinai Simon und Joseph Simon mit eigenen Familien aufgelistet, zudem Marx Daniel, der eine Tochter von Isaac Simon geheiratet hatte. Daniel Simon hat noch kein eigenes Gewerbe.

    Daneben ist aus der Familie Isaac Loeb, in der auch die nach Enkirch gezogene Witwe Eva Theresa inzwischen verstorben ist, der älteste Sohn Carl inzwischen eigenständig, während der jüngere Gottlieb Isaak bereits verstorben ist und eine Witwe mit Kindern hinterlässt.

    Zeugnis des jüdischen Consistoriums in Bonn für Gottlieb Isaac (Loeb)⁴⁶

    Für 1848 ist eine erste komplette Namensliste der jüdischen Haushalte überliefert⁴⁷:

    (1) Daniel Marx, Handelsmann, Alter 58 Jahre, (2) Sara Simon, Ehefrau, Alter 46 Jahre, (3) Carolina Marx, Tochter, Alter 23 Jahre, (4) Gottlieb Marx, Sohn, Alter 15 Jahre, (5) Chanetta Marx, Tochter, Alter 13 Jahre,

    (6) Simon Isaak, Handelsmann, Alter 76 Jahre [Isaac Simon], (7) Dorothea Isaak, Ehefrau, Alter 70 Jahre [Dorothea Simon], (8) Simonis Isaak, Sohn, Alter 28 Jahre [Simonis Simon, Enkel, Alter 10 Jahre], (9) Regina Berger, Dienstmagd, Alter 24 Jahre, [in der Aufzählung sind wohl Vor- und Nachname von Simon Isaak verwechselt, die weiteren Nachnamen sind im Original mit Anführungszeichen gekennzeichnet, in späteren Listen ist die Angabe der Vor- und Nachnamen richtiggestellt].

    (10) Daniel Simon, Handelsmann, Alter 32 Jahre, (11) Ester Simon, Ehefrau, Alter 31 Jahre, [(12) übersprungen], (13) Jacob Simon, Sohn, Alter 2 Jahre, (14) Auguste Simon, Tochter, Alter ½ Jahr, (15) Barbara Drucker, Dienstmagd,

    (16) Carl Loeb, Handelsmann, Alter 56 Jahre, (17) Henrietta Loeb, Ehefrau, Alter 52 Jahre, (18) Eva Loeb, Tochter, Alter 20 Jahre, (19) Isaak Loeb, Sohn, Alter 18 Jahre, (20) Heimann Loeb, Sohn, Alter 13 Jahre,

    (21) Chanetta, Gottlieb Isaac Wittw., Handelsfrau, Alter 38 Jahre, (22) Isaak Isaac, Sohn, Alter 18 Jahre, (23) Meyer Isaac, Sohn, Alter 10 Jahre, (24) Simon Isaac, Sohn, Alter 7 Jahre, noch zwei Söhne, ... Berncastel,

    (25) Sinai Simon, Handelsmann, Alter 68 Jahre, [Alter: 48], (26) Dorothea Simon, Ehefrau, Alter 42 Jahre, (27) Carolina Simon, Tochter, Alter 20 Jahre, (28) Maria Simon, Tochter, Alter 16 Jahre, (29) Simon Simon, Sohn, Alter 12 Jahre [Simonis Simon], (30) Hermann Simon, Sohn, Alter 10 Jahre, (31) Wilhelm Simon, Sohn, Alter 7 Jahre, (32) Amalia Simon, Sohn, Alter 6 Jahre, (33) Jack Leré, Knecht, Alter 18 Jahre.

    (34) Joseph Simon, Handelsmann, Alter 34 Jahre, [37 Jahre], (35) Johanna Simon, Ehefrau, Alter 30 Jahre [Johanna Simon], (36) Heymann Simon, Sohn, Alter 5 Jahre [Heinrich], (37) Moritz Simon, Sohn, Alter 2 ½ Jahre.

    [ob die erwähnten Haushaltshilfen, Magd und Knecht, selbst jüdischen Glaubens sind, bedarf weiterer Recherche.]

    Bis vor 1852 gibt es eine Betstube im Haus von Isaak Simon, 1852 wird ein Synagogengebäude in der Backhausstraße erworben.

    Einer Statistik von 1858 zufolge leben zu dieser Zeit in Enkirch 38 jüdische Einwohner, davon 15 Kinder, 3 über 60-Jährige, und 20 Erwachsene. Von diesen 20 arbeitet einer als Händler, 8 umherziehende Händler sind aufgeführt, daneben ein nichtselbständig gewerblich Tätiger, und ein Tagelöhner⁴⁸. Die restlichen 9 erwachsenen Personen dürften die (Ehe-) Frauen sein.

    Von Dez. 1858 existiert ein Dokument, in dem die Wahl von Simon Simon zum Vorsteher der jüdischen Gemeinde Enkirch bescheinigt wird⁴⁹

    Aus der Zeit von 1858 bis 1888 existieren oben erwähnte Besteuerungslisten der jüdischen Haushalte, die an das jüdische Consistorium in Bonn geleitet werden⁵⁰. Demnach gibt es zum 22. Febr. 1858 acht steuerpflichtige Haushalte:

    (1) Marx Daniel, Hausnr. 15 (vgl. Kap. 1.3.2: Haus 2),

    (2) Josef Simon, Hausnr. 91 (vgl. Kap. 1.3.2: Haus 6),

    (3) Sinai Simon, Hausnr. 115 (vgl. Kap. 1.3.2: Haus 7),

    (4) Gottlieb Isaak Wittib, Hausnr. 178 (vgl. Kap. 1.3.2: Haus 10),

    (5) Simon Simon, Hausnr. 232 (vgl. Kap. 1.3.2: Haus 11),

    (6) Isaak Simon, Hausnr. 238 (vgl. Kap. 1.3.2: Haus 12),

    (7) Carl Loeb, Hausnr. 296 ((vgl. Kap. 1.3.2: Haus 15), und

    (8) Daniel Simon, Hausnr. 255.

    Bei der Volkszählung von 1867 erreicht die Enkircher jüdische Gemeinde eine Höchstzahl an Mitgliedern mit 44 Personen⁵¹.

    Da die neue Namensgebung, die erst seit der napoleonischen Zeit existiert, u.a. mit der jüdischen Tradition in Konflikt steht, dass der Sohn den Vornamen des Vaters zu seinem Nachnamen macht (z.B. Isaac bar Loeb), kommt es in der Enkircher Familie Loeb zu Verwechslungen. Der laut Geburtsurkunde der französischen Verwaltung 1802 in Bernkastel geborene Gottschalk Isaak Loeb ändert sowohl seinen Vornamen von Gottschalk in Gottlieb wie auch seinen Nachnamen, indem er Loeb auslässt, in Isaak, seinen bisherigen zweiten Vornamen. So trägt ein Teil der Kinder den Nachnamen Loeb, ein anderer Isaak.

    1927 werden in den Standesamts-Akten mehrere Mitglieder der Familie Isaak auf eigenen Wunsch zu Loeb rückbenannt. Im Jahr 1927 wird in der Enkircher Zeitung dazu berichtet:

    Enkirch, 7. Nov. 1927

    Ein interessanter Fall hat sich bei der hier wohnenden Familie Sigmund Isaak in der Unterstraße ereignet. Der Familienname Isaak ist vor langen Jahren bei irgend einem Trau- oder Taufakte mit Löb verwechselt worden, da die Namen Isaak und Löb bei manchen Familien Vornamen oder auch Nachnamen sind. Schon über ein Jahr ist es her, daß dem jetzt hier wohnenden Herrn Isaak durch Zufall bekannt wurde, daß Zweifel an seinem Namen aufgetaucht sind, und hatte selbiger in dieser Angelegenheit Nachforschungen angestellt, welche auch nicht ergebnislos waren. Es wäre ja schließlich gleich, welchen Namen man führt, aber man hat aus dem Grunde nachgeforscht, weil dem Namen Löb in der jüdischen Religion bedeutend mehr Achtung geschenkt wird. Diese Zweifel haben sich nun zur Wahrheit gestaltet und heißt die bisherige Familie Isaak fürderhin Löb.

    Liste der Familienmitglieder, deren Urkunden von Isaak in Loeb umgeändert wurden:

    Gottlieb Isaak

    Michael Isaak (Loeb),

    seine Frau Jeanette Isaak (Loeb) geb. Kahn

    Leo Isaak (Loeb),

    seine Frau Greta (Isaak) Loeb geb. Stern

    Karl (Isaak) Loeb

    Rosalie (Isaak) Loeb

    Frieda Hirsch

    Eugen Hirsch

    Olga Hirsch

    Bernhard Isaak (Loeb),

    seine Frau Jeanette (Isaak) Loeb geb. Freudenberger

    Bertha (Isaak) Loeb verh. Liebenstein

    Walter Meyer (Isaak) Loeb

    Hermann (Isaak) Loeb,

    seine Frau Kathinka (Isaak) Loeb geb. Israel

    Therese Isaak

    Gerda (Isaak) Loeb

    Sigmund (Isaak) Loeb,

    seine Frau Emma (Isaak) Loeb geb. Simon

    Hans (Isaak) Loeb

    Alice Cuell geb. (Isaak) Loeb

    Sigmund (Isaak) Loeb beantragt die Änderung, nachdem er alte Standesamtsurkunden erforscht hatte:

    „Am 20.2.1829 zeigte mein Großvater die Geburt seines Sohnes „Isaak (ein leiblicher Bruder meines Vaters) an. ... In dieser Urkunde ist der Familienname noch richtig mit „Loeb eingetragen.

    Am 9.2.1830 zeigt mein Großvater die Geburt seines zweiten Sohnes „Michael (mein Vater) an. ... In dieser Urkunde führt mein Großvater auf einmal unrichtigerweise den Namen „Gottlieb Isaak anstatt „Gottschalk Isaak Loeb. Bei der Aufnahme dieser Urkunde muss der Familienname „Loeb versehentlich weggelassen worden sein. ..."⁵²

    Erstaunlicherweise ist die Familie von Simon Isaak, eines weiteren Sohnes des Gottlieb Isaak, nicht in die Umbenennung einbezogen.

    Max Isaak, Sohn von Leo Isaak wiederum macht diese Änderung für seine Familie rückgängig und trägt, anders als sein Bruder Carl (Isaak) Loeb, „auf Grund der Ermächtigung des Preußischen Justizministers seit 16.08.1930 den Familiennamen „Isaak ⁵³. Als Grund gibt er u.a. seine unter „Max Isaak" etablierte Arztpraxis an, zudem müsse er alle akademischen Bescheinigungen incl. des Doktortitels umschreiben lassen.

    Auf den betreffenden standesamtlichen Urkunden findet sich in diesem Zusammenhang bei den zu dieser Zeit lebenden Isaaks Vermerke wie auf der Sterbeurkunde von Leo Isaak von 1923, das

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