Hundebeben: Ein Enthüllungsroman
Von Hannes Tönsing
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Über dieses E-Book
Eingebettet in diese fesselnde Story, gibt das Buch tiefe Einblicke in die Welt der Rassehundezucht und die Szene radikaler Tierschützer. Und es bleibt spannend bis zum Schluss.
Hannes Tönsing
Wenn er nicht gerade die Erlebnisse von Steffi, Jan und Nina dokumentiert, leitet Hannes Tönsing „Mensch lernt Hund, die ganzheitliche Schule für Menschen und Hunde" in Oberhausen. Im (Berufs-) Leben davor war er Choreograph und Präsenztrainer, davor Klavierlehrer, davor Klavierstimmer, davor Bewegungspädagoge, davor Hausbesetzer, davor Erzieher, davor Schüler, davor Kindergartenkind, davor wurde er 1963 geboren.
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Buchvorschau
Hundebeben - Hannes Tönsing
Hannes Tönsing
Hundebeben
Ein Enthüllungsroman
für Karin,
Liliá & Zara
Impressum
Bibliografische Informationen der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
ISBN: 978-3-95894-070-3
© Copyright: Omnino-Verlag, Berlin / 2017
Alle Rechte, auch die des Nachdrucks von Auszügen, der fotomechanischen und digitalen Wiedergabe und der Übersetzung, vorbehalten.
„Während nun also jeder Mensch als eine besonders bestimmte und charakteristische Erscheinung des Willens … anzusehen ist, fehlt bei den Thieren … dieser Individualcharakter im Ganzen."
Arthur Schopenhauer
„Wie kann Schopenhauer etwas so Dämliches behaupten? Tieren soll ein Individualcharakter gänzlich abgehen? Ich war schon immer darüber erstaunt, dass selbst zwei Ratten, die aus demselben Wurf stammen, einen vollkommen unterschiedlichen Charakter haben können."
Maarten ‘t Hart
1
Cindy ist neun Wochen alt, als sie zu Nina kommt. Sie ist klein und schutzbedürftig. Ihr Fell ist seidenweich, sogar ihre Rippen fühlen sich weich und verletzlich an. Ihr Herz pocht immer schnell, auch wenn sie schläft. Sie wird Ninas neuer Lebensmittelpunkt. Dass Cindy nachts mit in ihrem Bett schläft, traut sich Nina niemandem zu sagen. Aber es gefällt ihr sehr gut. Es ist einfach wunderbar, wenn sie zum Einschlafen eine Hand auf Cindys weichen, warmen Bauch legen kann. Er ist klein und ein bisschen dick und er rumort hin und wieder. Wenn Cindy träumt, zaubert das ein Lächeln auf Ninas Gesicht.
Cindy ist gerne in Ninas Bett. Nachdem sie von ihren Geschwistern und ihrer Mutter getrennt wurde, hat sie nun eine neue Wärmequelle. Sie fühlt sich sicher und geborgen. Mit einer großen Beschützerin an ihrer Seite: Nina. Die ersten Wochen bei ihr sind das Paradies. Dann kommt die Hölle.
2
»Da«, ruft Luisa, »da ist es.« Sie biegen in den Waldweg und kommen nach ein paar hundert Metern an einen kleinen Bauernhof. Altes Fachwerk, schön restauriert, mit Blumenkästen vor den Fenstern. Sieht sehr hübsch aus. ‘DogCenter Braeker‘ steht auf dem großen Schild am Kundenparkplatz.
»Alles aussteigen«, ruft Jörg. Sophie und Luisa sind ganz aufgekratzt. Sie rennen um die Wette auf den Eingang zu. »Langsam, Mädels«, ruft Jörg. »Wir gehen zusammen rein«, sagt Martina. »Ja, Mama«, antworten die Mädchen im Chor und verdrehen die Augen. Martina steht dem Projekt neuer Hund eher etwas reserviert gegenüber. ›Die ganze Arbeit bleibt ja doch an mir hängen‹, denkt sie. ›Jörg ist den ganzen Tag unterwegs und bei den Kids wird die Anfangseuphorie schnell verklingen.‹ Sie hätte lieber noch zwei, drei Jahre gewartet, bevor sie sich einen Hund anschaffen. Aber seit ihre Freundin einen Colli hat, wollen Sophie und Luisa unbedingt einen eigenen Hund. ›Jörg kann den beiden ja keinen Wunsch abschlagen und ich will nicht schon wieder der Buhmann sein‹, denkt Martina, ›also dann, hinein ins Abenteuer.‹ Sophie drückt auf die Klingel.
Eine junge Frau öffnet. Sie begrüßt sie sehr freundlich und führt sie durch einen geräumigen Büroraum in einen großen Stall. An den Wänden große Plakate namhafter Hundefutterhersteller. Die Augen der Kinder leuchten. Der Raum ist in zwölf große Boxen unterteilt. Auf jeder Seite sechs. Vorne zum Mittelgang ist immer ein Fenster, so dass auch kleine Kinder alle Hunde gut sehen können. In jeder Box sind mindestens zehn Welpen. »Puh«, sagt Jörg, »wer die Wahl hat, hat die Qual. »Zumindest ist alles sehr sauber«, stellt Martina fest. Erwachsene Hunde sind nicht zu sehen.
»Sind die süüüß. Ich will so einen«, ruft Sophie und zeigt auf einen Havaneser-Welpen. »Nein, lieber so einen«, ruft Luisa von der Box mit Jack-Russel-Welpen herüber. »Nun mal langsam, Mädels«, sagt Jörg. »Was würden sie uns denn empfehlen?«, fragt er die junge Frau.
»Ich denke, sie brauchen etwas Sportliches«, sagt sie munter, » Sie sind doch eine aktive Familie. Da brauchen Sie einen Hund, mit dem die Kinder toben können und mit dem der Papa joggen kann.« Sie zwinkert Jörg zu. ›Na ganz toll,‹ denkt Martina, ›und einen, den ich versorgen und erziehen kann.‹ »Ich hole ihnen mal was Passendes«, sagt die junge Frau, »Moment bitte.« Sie kommt mit einem etwas größeren Welpen zurück. Setzt ihn vor den Kindern ab und sagt: »Das ist Dante.«
»Oh ist der süß. Ein Dalmertiner.« »Dalmatiner«, verbessert Jörg. »Dürfen wir den?«, fragt Luisa mit großen Augen. Beide Mädchen streicheln und umarmen den Kleinen. »Dalmatiner sind sehr kinderlieb«, sagt die junge Frau, »und leicht zu führen. Außerdem sind sie kurzhaarig, da haben sie zu Hause nicht überall die langen Hundehaare herumliegen. Sie haben eine dreiwöchige Rückgabegarantie.«
»Sollen wir nicht noch mal…«, setzt Martina an. »Nein«, kreischen die Mädchen. Jörg nimmt Dante auf den Arm und sie gehen in den Büroraum. »Ich hole eben die Papiere«, sagt die junge Frau. »Die ist aber nett«, sagt Jörg. Martina zuckt die Schultern. »Wie ist der denn so?«, fragt Martina, als die Frau zurück ist. »Ach«, sagt sie, »das ist ein ganz Ausgeglichener. Der lässt sich durch nichts aus der Ruhe bringen. Mit dem werden sie viel Spaß haben.«
»Können wir vielleicht die Mutter und die Geschwister sehen?«, fragt Martina. »Oh, die Geschwister sind schon alle verkauft. Sie haben Glück, dass der noch da ist. Dalmatiner sind immer noch sehr beliebt. Zu der Mutter können sie leider nicht. Die ist hinten in den Quartieren und da ist für Besucher der Zutritt verboten. Aus hygienischen Gründen. So, hier sind die Papiere, 1.150 Euro bitte. EC-Zahlung ist möglich.« Unverzüglich zückt Jörg die Karte. »Geimpft, gechipt, alles schon mit drin«, sagt die junge Frau lächelnd. »Ich gebe Ihnen auch noch eine kleine Tüte Welpenfutter von unserem Lieblingshersteller mit. Sie sollten bei der Marke bleiben, damit es keine Umstellungsprobleme gibt. Und schauen Sie mal, hier haben wir Leinen und Halsbänder. Da können Sie gleich das Passende für Ihren neuen Liebling kaufen.« Da sich die Mädchen nicht einigen können, kaufen sie zwei Halsbänder und zwei passende Leinen. »Besser bei uns, als im Handel. Wir wissen hier halt am besten, was für unsere Hunde gut ist«, sagt die Frau. Jörg kramt seine EC-Karte noch einmal hervor.
In der nächsten Wochen dreht sich alles um Paule. So heißt er jetzt. ‘Dante‘ fanden die Kinder doof. Die meiste Arbeit hat tatsächlich Martina. Sie versorgt ihn, geht ständig mit ihm raus, damit er stubenrein wird und muss zu Hause immer aufpassen wie ein Luchs, damit er nicht wieder was anstellt. Sie macht den Termin für die zweite Impfung, kauft Spielzeug und Leckerchen. Aber wenn Jörg abends nach Hause kommt, dann rastet der Kleine vor Freude aus. ›Na ganz toll‹, denkt Martina frustriert. Mit den Mädchen und Paule läuft's gut, besonders Luisa scheint eine besondere Beziehung zu Paule zu haben.
3
Als Cindy ein Vierteljahr alt ist, wird Nina öfter angesprochen. Ob sie sich denn genügend um die Erziehung kümmert, so ein Hund würde sonst unberechenbar. So lässig wie sie könne man mit einem Labrador umgehen, aber doch nicht mit so einem. Sie würde die größten Schwierigkeiten bekommen, wenn sie das weiter so schleifen lassen würde. Wenn so ein Hund sie erst mal nicht ernst nimmt, hätte sie keine Chance mehr.
Ganz allmählich verändert sich Ninas Wahrnehmung. Gestern hat sie Cindys Zerren und Spielknurren noch als lustiges Spiel gesehen, heute schleicht sich der Gedanke ein, ob Cindy anfängt, sich gegen sie durchsetzen zu wollen. ›Was, wenn die Leute Recht haben und Cindy sich später nichts mehr von mir sagen lässt?‹, denkt sie. Sie will sich Hilfe holen. Wer könnte sie da besser unterstützen, als Leute, die sich mit dieser Rasse auskennen? Und so wendet Nina sich an den örtlichen Dobermann-Verein.
Zwei ältere Herren begrüßen Nina auf dem Hundeplatz. Beide mit Schmerbauch und der obligatorischen Lederweste. Es gibt eine große, hoch eingezäunte Wiese und ein Holzhaus mit Markise. Darunter zwei Plastiktische und Plastikstühle. ‘Vereinsheim‘, verkündet ein selbstgemaltes Schild. Weiter hinten sind mehrere Dobermänner am Zaun angebunden. Manche kupiert, manche nicht. Daneben einige flache Zwinger und eine Art Geräteschuppen. »Ich führe den Dobermann schon seit über 30 Jahren «, sagt der eine, »bei mir hat noch jeder pariert.« »Außer Anubo«, sagt der andere. »Der hatte ja auch einen Hirntumor«, antwortet der erste, »jede Wette. Deshalb war meine Entscheidung damals auch richtig.«
»Bist aber ein bisschen spät dran«,