Indipohdi
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Buchvorschau
Indipohdi - Gerhart Hauptmann
Gerhart Hauptmann
Indipohdi
Dramatische Dichtung
Saga
Indipohdi
Coverbild/Illustration: Shutterstock
Copyright © 1920, 2021 SAGA Egmont
Alle Rechte vorbehalten
ISBN: 9788726956962
1. E-Book-Ausgabe
Format: EPUB 3.0
Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für gewerbliche und öffentliche Zwecke ist nur mit der Zustimmung vom Verlag gestattet.
Dieses Werk ist als historisches Dokument neu veröffentlicht worden. Die Sprache des Werkes entspricht der Zeit seiner Entstehung.
www.sagaegmont.com
Saga ist Teil der Egmont-Gruppe. Egmont ist Dänemarks größter Medienkonzern und gehört der Egmont-Stiftung, die jährlich Kinder aus schwierigen Verhältnissen mit fast 13,4 Millionen Euro unterstützt.
Dramatis Personae
Prospero
Pyrrha, Ormann, seine Kinder
Oro, der Oberpriester
Tehura, seine Tochter
Coya, Begleiterin Pyrrhas
Astorre, Dello, Lapo, Gefährten Ormanns
Amaru, ein indianischer Jüngling
Peteto, ein indianischer Krieger
Matzatzin, Huemac, indianische Priesterknaben
Indianische Häuptlinge, indianische Menge
Die Handlung vollzieht sich auf einer entlegenen Insel im Ozean.
Erster Akt
Ruinen eines mächtigen, vielleicht toltekischen Palastes auf einer Insel im Ozean. Große Landschaft, von dem Schneegipfel eines Vulkans überragt. Die Ruinen umgibt beinahe tropische Vegetation. Das Meer, einen Golf bildend, ist sichtbar. Die Ruinenansicht ähnlich dem Mayapalaste von Mitla. Breite und hohe Stufen führen zu drei quadratisch ausgeschnittenen Eingängen. Es ist voller Tag, brütende Sonne.
Auf den Stufen sitzen zwei indianische Priesterknaben, geflochtene blauschwarze Zöpfe ums Haupt: Huemac und Matzatzin.
Huemac.
Sie treiben's heute lange, Matzatzin.
Was will dein Meister bei dem großen Magus?
Matzatzin.
Wüßt' ich's! Es kann des Opfers wegen sein.
Das Volk drängt sehr, es wiederum zu halten.
Huemac.
Nie wird der Magus widerrufen das
Verbot des Jünglingsopfers.
Matzatzin. Niemals, sagst du?
Huemac.
Ich sagte: niemals!
Matzatzin. Wenn das dumpfe Rollen
im innern Erdreich sich nicht legt, der Berg
nur immer dichteres Gewölk hervorstößt
und so des goldnen Himmelsvaters Zorn
durch deutlichere Zeichen stets verrät,
wird man auch dann nicht ihn versöhnen dürfen?
Huemac.
Mein Magus selbst versöhnt ihn, der sein Sohn ist.
Matzatzin.
Du glaubst an seine Macht und seine Herkunft?
Huemac.
Fragst du, der Oro seinen Meister nennt? –
Und Oro liegt dem weißen Mann zu Füßen.
Hüte dich, Matzatzin! Wer Sterne lästert,
muß bis zum Wahnsinn Sterne zählen. Wer
den Mond beleidigt, den erschlägt der Mond
mit einem Stein. Und wer den Sohn der Sonne
kränkt durch Unglauben, er verfällt in Blindheit.
Matzatzin.
Ich weiß.
Huemac. Der Heilige entstieg dem Meer:
Zehn Jahreskreise haben sich indes
geschlossen, seit der Tonatiuh, die Woge
des Ozeans aus goldnen Haaren schüttelnd,
die heilige Sohle in den Inselstrand
zuerst mit segenschwerem Tritt gedrückt.
So kam er, nach den Büchern der Verheißung,
die Himmelsfrau als Kind auf seinem Arm.
Dies ist! Was wäre da wohl zu bezweifeln?
Matzatzin.
Kein Zweifel rührt mich an. Schon die Belehrung,
die mir durch Oro, meinen Meister, ward,
hält Zweifel fern. Allein, er selber sagt,
es habe der erlauchte Magus nie
der heiligen Sonnenabkunft sich gerühmt
noch sie durch Worte irgendwie bestätigt.
Huemac.
Und glaubt an sie dein Meister weniger drum?
Matzatzin.
Nein, aber wenn ich scharf hinsehe und
sein Tun beachte oder hinter das
mit meinem innren Ohr zu dringen suche,
was seine Zunge lehrt, wird eins mir klar:
der Magus hat sich ihm nicht ganz enthüllt,
und Oro müht sich ab an einem Rätsel.
Huemac.
Stets bleibt das Göttliche geheimnisvoll,
auch wenn es nah ist. Und so muß es bleiben.
Das Göttliche verhüllt sich selbst das Haupt,
sein Feuer würde sonst den Priester schmelzen;
und auch der Priester schützt sein Angesicht,
wenn er im allerheiligsten Geheimnis
des Opfers steht, mit einem Tempeltuch.
Wir Dienerknaben tun es wiederum,
wenn wir die heiligen Worte wechseln müssen
nur mit dem Priester: weil auf diesem dann
der Abglanz Gottes ruht.
Matzatzin. Allein, der Urahn
des Hohenpriesters Oro, meines Meisters,
ist auch der goldne Mann im Taggestirn.
Oro ist gleichen Blutes als der Magus:
braucht einer da dem andern sich verhüllen?
Huemac.
Du grollst ein wenig, scheint's, dem Tonatiuh.
Matzatzin.
Das nicht! Allein, ich liebe meinen Meister.
Tehura, eine hochgewachsene junge Indianerin, tritt aus dem Innern der Ruine auf die Treppenplattform. Sie trägt ein rotäugiges, weißes, lebendiges Kaninchen im Arm. Blauschwarz und schlicht fällt ihr Haar über Rücken und Brust.
Huemac.
Sieh dort Tehura, deines Meisters Tochter!
Wohl muß die Tochter Oros ihrem Vater
noch inniger verbunden sein als du.
Und doch blickt sie dem Magus nach der Braue.
Untrennbar, wie sein Schatten, folgt sie ihm.
Matzatzin.
Komm, laß uns tiefer in das Dickicht rücken.
Wie klein bin ich, wie häßlich bin ich, oh!
Fern ist mir Lästerung. Doch frag' ich wieder:
Warum verbietet uns der Tonatiuh
des Jünglingsopfers altehrwürdigen Blutbrauch
und sperrt uns so den seligen Pfad des Lichts?
Huemac.
Seit Jahren hängst du diesem Wunsche nach,
dich als Versöhnungsopfer preiszugeben.
So mancher dränget sich dazu. Es ist soviel,
als, hier auf Erden schon zum Gott erhoben,
die irdene Schale vollen Weltgenusses
ausschlürfen! durch das Tor des Todes schreiten,
bekränzt, als Gott! beim Klang der Pauken und
Flöten als Gottheit zu den Göttern eingehn!
Wie kannst du, eines armen Töpfers Sohn,
erhoffen, daß man solcher Ehre dich
vor andern würdige?
Matzatzin. Der Himmel kann
am Ende alles, was er will, gewähren
dem Beter, der ihn unermüdlich anfleht.
Huemac.
Dort steht Tehura: wie sie lächelnd herblickt
ob deiner überstiegenen Gedanken.
Sie gleicht der Mondesmutter. Dunkel rollt
die Nacht um ihrer Stirne blasses Licht.
Verwirrend sind die Grübchen ihrer Wangen.
Geschnitten aus dem heiligen Obsidian,
schwarz, so nach außen wie nach innen sehend,
erscheinen ihre Augen. Ihre Hand
streicht sinnend übers weiche weiße Fell
des heiligen Kaninchens, das ihr Arm hält. –
Nein, nicht für uns ist diese Königin
des dunklen Himmels!
Matzatzin. Warum sagst du das?
Huemac.
Weil dem, den man des Opfertodes würdigt,
kein Wunsch versagt wird, keiner: wär's auch der,
des Hohenpriesters Tochter zu besitzen.
Tehura.
Nun, ihr bezopften Dienerknaben, was
beschwatzt ihr dort so wichtig miteinander?
Huemac erhebt sich zugleich mit Matzatzin. Sie stehen mit gesenkten Köpfen, wortlos. Tehura fährt fort
Man fragt euch. Warum schweigt ihr also? Sprecht!
Huemac.
Wenn Lehrlinge sich unterhalten, o
Erlauchte, wovon anders kann es sein
als dem, was ihrer Meister Sinn beschäftigt?
Tehura.
Ihr Hähnlein! Was beschäftigt diese denn?
Huemac.
Des großen Jahresopfers nahe Feier.
Tehura.
Mehr!