Expertenwissen für Hundeprofis... und solche, die es werden wollen: Hundeglück braucht Halterkompetenz
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Über dieses E-Book
Das Fachbuch bietet mit 25 Kapiteln ein breites Spektrum an wissenschaftlichen Erkenntnissen über Hundeverhalten, Irrtümern bei der Haltung und Auswahl von Hunden. Ebenso werden Fragen zu "Tiergesundheit und Recht" oder zu "Hunden aus dem Auslandstierschutz" beleuchtet. Im Fokus stehen weiterhin brisante Themen, wie z. B. Stress- und Angstverhalten, Demenz (CDS), Epilepsie oder Mittelmeerkrankheiten bei Hunden, das Deprivationssyndrom oder "Brachyzephalie"(Qualzucht).
Zielgruppe des Fachbuches sind Personen, die mit Hunden leben oder arbeiten und die ihr Wissensspektrum mit Praxistransfer erweitern möchten.
Wardeck-Mohr Barbara
Dr. rer. nat. Barbara Wardeck-Mohr ist Wissenschaftsreferentin, Autorin von Hundefachbüchern und Radioexpertin zum Thema "Team-Coaching Mensch-Hund". Weitere Schwerpunkte sind: Kognitionsforschung über Hunde sowie Wolfsverhaltensbeobachtungen mit Interaktionen in Wolfsrudeln. Außerdem: Hundesachverständigentätigkeit gemäß Thür. WesenstestVO/ SachkundeVO; Durchführung des EXPERTHundeführerschein n. Dr.W.-M.(c) sowie journalistische Reportagen und Fachbeiträge zu "Kynologie, Hundepolitik, Tierschutz, Neuropsychologie und Kognitionsleistungen von Hunden".
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Buchvorschau
Expertenwissen für Hundeprofis... und solche, die es werden wollen - Wardeck-Mohr Barbara
1. Ziele und Aufgaben eines professionellen Hundeführerscheins
Eine bundesweite Pflicht zum Hundeführerschein gibt es in Deutschland nicht. Angebotene Hundeführerscheinprüfung unterliegen in Deutschland keinesfalls gesetzlichen Regelungen oder einheitlichen Standards. Anforderungen und Niveau divergieren in ihren fachlichen Ansprüchen, sowohl in Theorie wie auch in der Praxis. Üblicherweise besteht die Prüfung für Hund und Halter aus einem Theorie- und Praxisteil. Weiterhin ist nicht nachvollziehbar, eine Sachkundeprüfung von Hundehaltern erst nach einem Beißvorfall zu verlangen. Dieses Vorgehen stellt keinen Beitrag zur Gefahrenabwehr dar, sondern nimmt das Risiko vermeidbarer Zwischenfälle sogar billigend in Kauf.
Die Anzahl behördlich angeordneter Wesenstestes bei Hunden ließe sich durch einen obligatorischen Sachkundenachweis mit Basisqualifikationen von Hundehaltern deutlich verringern. Solange der Gesetzgeber diesbezüglich untätig bleibt, besteht jedoch für jeden verantwortungsvollen Hundehalter die Möglichkeit, sich fachlich weiterzubilden, Seminare zu besuchen oder sich zu einer Hundeführerscheinprüfung in Theorie und Praxis anzumelden.
Derzeit sind Gründe und Motivlagen einen Hundeführerschein abzulegen, höchst unterschiedlich. So möchten einige Hundehalter einen Qualifikationsnachweis für professionelle Hundehaltung erwerben, sich mehr Sicherheit bei der Hundeführung oder bei Hundebegegnungen verschaffen. Auch Steuervergünstigungen können eine Rolle spielen. Zuweilen wird die Hundeführerscheinprüfung von behördlicher Seite auch als Sachkundenachweis anerkannt, der ebenso wie ein Wesenstest, angeordnet werden kann. Zudem wird Haltern von »Rasselistenhunden« in einigen Bundesländern, z.B. in Bayern aufgegeben, einen Sachkundenachweis oder einen Wesenstest zu erbringen.
Dies gilt grundsätzlich für Halter von sogenannten »Gefährlichen Hunden«. (Definition »gefährlich« erfolgt a) über jeweils unterschiedliche Rasselisten der Bundesländer oder b) nachdem Hunde auffällig geworden sind.) Die Listung divergiert wiederum von Bundesland zu Bundesland. Einige Bundesländer, wie z. B. Thüringen, haben sich gegen »Rasselisten« entschieden.
1.1 Anforderungen für eine Hundeführerscheinprüfung
Die Prüfung zum Hundeführerschein sollte nachfolgend genannte Fachgebiete beinhalten. Dies mit schriftlicher Prüfung von etwa 40 Fragen, von denen 80% vor der Zulassung zum Praxisteil richtig beantwortet werden müssen.
• Sozialverhalten
• Ausdrucksverhalten des Hundes
• »Artübergreifende Kommunikation« Mensch-Hund
• Verschiedene Lerntheorien
• Ausbildung, wie z. B. Rückrufkontrolle
• Ausbildungs- und Haltungsfehler
• Deprivation
• Häufigste Fehler bzw. Irrtümer über Hundeverhalten
• Angst-und Aggressionsverhalten von Hunden
• Hauptursachen von Beißvorfällen
• Gesundheit, Pflege, Haltung
• Basiswissen: Hunde aus dem Auslandstierschutz
• Grundwissen zu Erkrankungen, wie z.B. Demenz, Epilepsie
• Ernährung und Gesundheit
• Hundehaltung und Recht
1.2 Zielsetzungen einer Hundeführerscheinprüfung
Hauptzielsetzung ist das sichere Führen des Hundes in unterschiedlichsten, auch unerwarteten Alltagsituationen. Sei es in der Stadt oder in Wald, Feld und Flur. Auch ist sicherzustellen, dass von einem »Mensch-Hund-Team« keine Gefahr ausgeht.
Somit soll erlernt werden, wie eine Kontrolle als »Mensch-Hund-Team« im gesellschaftlichen Leben funktionieren kann. Dazu gehört: Hunde entspannt an der Leine zu führen, eine sichere Rückrufkontrolle, der rücksichtsvoller Umgang mit anderen Hundehaltern oder mit Personen, die sich sogar vor Hunden fürchten. Besonders wichtig ist auch, dafür Sorge zu tragen, dass Hunde nicht jagen oder wildern, keine Personen oder Fahrradfahrer anspringen. Weiterhin sollen Standardkenntnisse aus der Verhaltensbiologie, Kenntnisse über Kognitionsleistungen von Hunden oder wie Hunde »Beweisstücke für Entscheidungen sammeln«, vermittelt werden.
Zentrale Punkte sind ebenfalls Hauptursachen von Beißvorfällen in den Fokus zu nehmen, ebenso häufige »Irrtümer über Hundeverhalten« und mögliche menschliche Fehler. Kurzum: Es gilt Hunde souverän, entspannt und vorausschauend, auch zum Wohl des eigenen Hundes, führen zu können.
Weitere Zielsetzung ist die Vermittlung von Kenntnissen über Tiergesundheit, auch Krankheiten, wie z.B. Epilepsie oder Demenz bei Hunden. Auch Aspekte zur Auswahl eines Hundes oder rechtliche Fragen bei der Hundehaltung sind relevant.
Da Hunde hochsoziale und intelligente Lebewesen sind, muss es selbstverständlich werden, uns als Dialog- und Sozialpartner für unsere Hunde zu qualifizieren. Und als Hundeliebhaber dürfen wir es nicht zulassen, dass Hunde unter menschlicher Ignoranz oder an mangelnder Bereitschaft sich weiterzubilden, leiden müssen, wie dem »berühmt-berüchtigtem« Leinenruck mit der Folge von Rücken- und Verhaltensproblemen bei Hunden.
2. Der Blick von Hunden auf uns Menschen: Besitzen Hunde Menschenkenntnis?
Fragen, wie Hunde uns Menschen beobachten und beurteilen, ob sie Menschenkenntnis haben, werden eher selten gestellt. So erfolgt eine Beurteilung von Hunden meist allein nach menschlichen Maßstäben, sei es hinsichtlich Intelligenz, Sozialverträglichkeit oder eines gezeigten Dominanzverhaltens.
Somit bleibt die Beurteilung »ihres bestens Freundes« für die allermeisten Menschen eine selbstverständliche »Einbahnstraße«. Mit anderen Worten, es wird selten in Betracht gezogen, wie Hunde uns umgekehrt als Menschen einstufen: Und das tun sie fortwährend, wie zahlreiche Studien belegen. Selbstverständlich beurteilen Hunde auch uns Menschen nach verschiedensten Kriterien, wie Vertrauenswürdigkeit, Zuverlässigkeit, Hilfsbereitschaft, Konsequenz, Durchsetzungsfähigkeit oder Souveränität. Auch spielen Wertesysteme, wie »Fairness und Gerechtigkeit« für Hunde eine große Rolle, wie Studien aus aller Welt belegen. Bildlich gesprochen, erstellen Hunde auch von uns Menschen so etwas wie ein »Psychogramm«. Sie kennen unsere Verhaltensmuster, unsere Handlungsrahmen, Reaktionszeiten und Denkgeschwindigkeiten. So würden Hunde auch niemals von einer unbeweglichen und unsportlichen Person erwarten, dass diese plötzlich spurten kann oder mit ihnen eine Tagestour in den Bergen unternimmt.
Und wenn nun plötzlich doch ein anderes Verhalten von uns gezeigt wird, das so ganz aus dem bisherigen Rahmen fällt, so lässt sich das leicht an der »überraschten« Reaktion unserer Hunde erkennen. Ein solcher Paradigma-Wechsel kann übrigens auch beim Training mit Hunden gute Erfolge bei festgefahrenen Mustern bewirken.
2.1 Wie reagieren Hunde auf destruktive menschliche Verhaltensweisen?
Zahlreiche Hundehalter gehen davon aus, dass ihre Vierbeiner unser menschliches Verhalten genauestens zu unterscheiden wissen, dies auch, wenn sie keine Studien darüber gelesen haben. Andere hingegen halten dies für absurd. Fakt aber ist, dass zahlreiche Fälle dokumentiert wurden, bei denen Hunde sich z. B. während eines Scheidungsverfahrens klar »positionierten«, insbesondere dann, wenn sich einer der beiden Ehepartner dem anderen gegenüber aggressiv bzw. übergriffig verhielt. Dasselbe gilt, wenn einer der Partner permanent schlechte Stimmung verbreitet. Es wird berichtet, dass Hunde, dieses Verhalten grundsätzlich negativ quittieren, was bis zum vollständigen Ignorieren der betreffenden Person führen kann. Diese Reaktionen zeigen Hunde auch dann, wenn die besagte Person über viele Jahre eine enge Bezugsperson des Hundes war.
Hunde meiden Menschen, die sich negativ verhalten
Belegt werden diese Zusammenhänge auch anhand verschiedener Studien, wie z. B. einer Studie der Kyoto Universität in Japan.
Diese kam 2015 zu dem Ergebnis: »Hunde meiden Menschen, die sich gegenüber ihren Haltern negativ oder asozial verhalten.
Denn Hunde, so die Studie, reagieren extrem empfindlich auf soziale Signale von uns Menschen. Ihr Vertrauen zu uns Menschen verschwindet häufig schon allein dadurch, wenn Personen irreführende Signale senden. (s. Takaoka, Maeda, Hori & Fujita, 2015).
2.2. Hunde bewerten menschliches Verhalten nach eigenen Kategorien
So testeten die Forscher, wie Hunde menschliches Verhalten in verschiedenen Situationen und im jeweiligen Bedeutungskontext bewerten: Bei der japanischen Studie wurden Hunden in Anwesenheit ihrer Halter verschiedene Situationen durch Schauspieler vorgespielt. Die Rollenspiele erfolgten stets mit folgendem Personenaufgebot: Eine Person verhielt sich neutral und »saß nur dabei«. Der Hundehalter selbst war gemäß Spielvorgabe jeweils von einer hilfsbereiten sowie einer »nicht-hilfsbereiten« Person umgeben.
In der ersten Szene beobachteten die Hunde Folgendes:
Ihr Halter saß in der Mitte zwischen den zwei Personen und versuchte einen durchsichtigen Behälter zu öffnen, indem sich ein Gegenstand befand, der für den Hund keinerlei Wert hatte. In dieser Situation forderte der Hundehalter keinerlei Hilfe von seinen Nachbarn. Aber er hörte alsbald auf, sich an der Dose zu schaffen zu machen, als seine Bemühungen misslangen. Nun erwies sich einer der Schauspieler ohne expliziten Grund als »Spontan-Helfer«, indem er den Behälter mit beiden Händen unterstützte, sodass der Besitzer es schaffte, den Deckel zu entfernen und das Objekt daraus zu entnehmen. Die dritte Person verhielt sich dabei neutral.
In der nächsten Szene wurde dem Hund fehlende Hilfsbereitschaft vorgespielt.
So weigerte sich einer der Schauspieler neben dem Halter diesem beim Öffnen der Dose zu helfen, indem er sich sichtlich abwandte und der Besitzer den Deckel nicht entfernen konnte. Auch in dieser Szene verhielt sich der zweite Schauspieler wieder als neutrale Person.
Nach diesen Interaktionen boten sowohl der »Nichthelfer« wie auch die »neutrale Person« den Probanden-Hunden gleichzeitig identische Leckereien auf ihrer Handfläche an. Die Ergebnisse zeigten, dass Hunde sich dem »Nichthelfer« signifikant voreingenommen zeigten. So nahmen sie sogar von der neutralen Person wesentlich öfter Leckereien an, als von der Person, die »jede Hilfe« verweigert hatte. Es zeigte sich somit, dass selbst neutral agierenden Personen bei Hunden ein höheres »Ranking« haben, als jene, die Hilfe verweigern.
Bildlegende »Vertrauen« – Dr. Barbara Wardeck-Mohr ©
Hunde bewerten uns Menschen, indem sie menschliche Interaktionen- insbesondere zum Besitzer und zur Bezugsperson- genau beobachten. Und sie meiden eindeutig Menschen, deren Verhalten sich negativ auf den Besitzer auswirkt.
Damit ist der Nachweis erbracht, dass Hunde eine »affektiv-soziale Bewertung« von Situationen vornehmen. Und sie überprüfen auch immer wieder aufs Neue, wer sich von uns Menschen sozial oder asozial verhält.
Mit anderen Worten: Unseren »guten Ruf« bei Hunden müssen wir uns immer wieder neu, und zwar »tagtäglich«, verdienen!
3. Vorschriften für das Führen von Hunden
Hundebesitzer müssen ihren Hund- selbst wenn er angeleint ist- immer im Auge behalten. Auch ist es ein Irrtum anzunehmen, der Hund könne sich vom eigenen Garten aus »eigenständig und unbeaufsichtigt« mal im benachbartem Feld ein wenig austoben, nach dem Motto: »der kommt schon wieder«! Weiterhin sind Hundehalter dafür verantwortlich, dass sich ihre Hunde nicht unbeaufsichtigt Verkehrsstraßen nähern oder sich gar frei »auf der Straße herumtreiben«. Für das Führen von Hunden gibt es zahlreiche Rechtsvorschriften mit folgender Kernbotschaft:
»Hunde sind grundsätzlich so zu halten und zu führen, dass von ihnen keine Gefahr für Menschen, Tiere oder Sachen ausgeht«!
Für Hunde gilt eine Kennzeichnungspflicht durch Mikrochip; ebenso ist eine Hundehaftpflichtversicherung abzuschließen, die im Schadensfall für Personen- Sach- und Vermögensschäden aufkommt.
Während Hunde im städtischen Bereich, wie in Fußgängerzonen oder Stadtparks stets anzuleinen sind, dürfen sie zuweilen in Feld und Flur im Einfluss- und Sichtbereich des Hundehalters aufgrund unterschiedlicher Rechtsvorschriften in Kommunen und einzelnen Bundesländern auch einmal abgeleint werden. Dies immer nur dann, wenn der Hundehalter Kontrolle über seinen Hund hat und kein ausdrückliches Gebot für eine Anleinpflicht besteht. Außerdem sind größere Hunde nur von Personen zu führen, wenn diese die notwendigen körperlichen Voraussetzungen mitbringen, also in der Lage sind, auch bei Begegnungen mit Hunden und Passanten einen Hund sicher zu halten. Diese Personen müssen außerdem mindestens das 14. Lebensjahr erreicht haben.
3.1 Vorschriften für Leinenpflicht
Hinsichtlich der Leinenpflicht sollten die bundesländerspezifischen Regelungen genau geprüft werden, auch um kein Bußgeld zu kassieren. Leinenpflicht für Hunde | Überblick