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Heilkräuter - Überliefertes Wissen für Hausapotheke und Küche: Über 70 herausragende Heilpflanzen - Mehr als 250 Anwendungen und Rezepte - Extra: Geschützte und giftige Pflanzen
Heilkräuter - Überliefertes Wissen für Hausapotheke und Küche: Über 70 herausragende Heilpflanzen - Mehr als 250 Anwendungen und Rezepte - Extra: Geschützte und giftige Pflanzen
Heilkräuter - Überliefertes Wissen für Hausapotheke und Küche: Über 70 herausragende Heilpflanzen - Mehr als 250 Anwendungen und Rezepte - Extra: Geschützte und giftige Pflanzen
eBook577 Seiten3 Stunden

Heilkräuter - Überliefertes Wissen für Hausapotheke und Küche: Über 70 herausragende Heilpflanzen - Mehr als 250 Anwendungen und Rezepte - Extra: Geschützte und giftige Pflanzen

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Über dieses E-Book

Mutter Natur hat für alle Anliegen ein Kraut wachsen lassen!

Der Erfahrungsschatz unserer Vorfahren ist voll von wundersamen Geschichten über Kräuter und Pflanzen, deren geheimnisvolle Kräfte Schutz vor bösen Mächten boten und gegen alltägliche Beschwerden halfen. In einer Zeit, in der es auf dem Land noch keine Ärzte und Apotheken gab, vertrauten die Menschen auf die Kräfte der Natur; "Kräuterweiber" und "Bauerndoktoren" waren hoch angesehene Persönlichkeiten.

Das Wissen unserer Vorfahren hat sich über die Jahrhunderte entwickelt und wurde von Generation zu Generation weitergegeben - und auch wir können vieles aus diesem Erfahrungsschatz lernen. Viele Menschen besinnen sich heute auf das Althergebrachte und Bewährte und nehmen dankbar die wunderbaren Gaben von Mutter Natur an.

In diesem umfassenden Praxisbuch vermittelt die erfahrene Kräuterpädagogin Elfie Courtenay viele interessante Informationen zur kulturhistorischen Entwicklung von Kräuterbrauchtum und Volksmedizin, vor allem aber:
- über 70 ausführliche, reich bebilderte Pflanzenporträts mit Inhaltsstoffen und Wirkungen
- vielfältige Empfehlungen für individuelle Verwendungsmöglichkeiten der Heilkräuter
- zahlreiche Rezepte für Hausapotheke und Küche
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum15. Mai 2017
ISBN9783863743482
Heilkräuter - Überliefertes Wissen für Hausapotheke und Küche: Über 70 herausragende Heilpflanzen - Mehr als 250 Anwendungen und Rezepte - Extra: Geschützte und giftige Pflanzen

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    Buchvorschau

    Heilkräuter - Überliefertes Wissen für Hausapotheke und Küche - Elfie Courtenay

    Volksmedizin und Kräuterbrauchtum

    Für unsere Vorfahren war es etwas ganz Natürliches und Selbstverständliches, die Natur zu beobachten und dadurch zu erfahren und zu wissen, welche Pflanzen wie genutzt werden konnten. Das Wissen um die Heilkraft der Kräuter war ein reines Erfahrungswissen und wurde von Generation zu Generation weiter vererbt, meistens von den Müttern an die Töchter.

    Von Kräuterweibern und Bauerndoktoren

    Wenn wir bedenken, dass es bis vor gut 200 Jahren auf dem Land keine Ärzte gab, dann mag uns das sehr lange her erscheinen, wenn wir uns aber bewusst machen, wie alt die Menschheitsgeschichte ist, dann sind 200 Jahre nicht mehr als ein Wimpernschlag. Erst ab 1803, mit Beginn der Säkularisation, kamen die ersten Amtsärzte aufs Land. Aber das Landvolk war arm und misstrauisch, und zum »Doktor« ging man nur, wenn sonst gar nichts mehr half. Es gab ja auch noch keine Krankenversicherungen, und wenn man kein Geld hatte, musste man versuchen, mit Naturalien zu zahlen, also beispielsweise einem Stück Fleisch oder einem Sack Mehl. Weil aber auch die Nahrung meistens knapp war, überlegte man sich gut, »ob’s den Doktor wirklich braucht«.

    Neben dem wichtigsten Kräuterwissen gab es in jeder Familie eine Hausapotheke, und ansonsten wusste man immer, wo und bei wem man sich Hilfe holen konnte. Es gab Kräuterweiberl und Bauerndoktoren, die man aufsuchen oder rufen lassen konnte, und wenn eine Geburt anstand, kam eine Hebamme ins Haus. Natürlich war damals die Sterblichkeitsrate bei jungen Frauen, aber auch bei Säuglingen, ziemlich hoch. Auch bei schweren Krankheiten, Seuchen und Epidemien gab es oft keine Rettung, und so lag um 1700 herum die durchschnittliche Lebenserwartung unter 40 Jahren. Das war ganz normal, man kannte es ja auch nicht anders. Im Gegensatz zu heute war den Menschen der Tod sehr vertraut, er war Teil des Lebens, gehörte genauso dazu wie das Geborenwerden – und alles fand zu Hause statt.

    Das, was wir heute als Volksmedizin bezeichnen, galt damals, vor gut 200 Jahren und auch noch früher, als altbewährt und beständig, es war eine Erfahrungs-Heilkunde, die für die Menschen zum Alltag gehörte und glaubhaft war, weil sie sich über viele Generationen immer weiter entwickelt, vertieft und bewährt hatte. Zu dieser Volksmedizin gehörten unter anderem auch religiöse und magische Praktiken, aber ein ganz wichtiger Bereich war vor allem die Kräuterheilkunde.

    Zweifel an der Wissenschaft

    Natürlich gab es anfangs auch noch keine Apotheken, Krankenhäuser und Kuranstalten, aber die Menschen vertrauten auf die altbewährten Mittel und waren damit zufrieden.

    Die sogenannte »wissenschaftliche Medizin« genoss damals nicht den Status des Altbewährten und Vertrauenswürdigen, und natürlich machten sich die ersten Landärzte auch nicht gerade beliebt, wenn sie die Kräutermedizin der ländlichen Bevölkerung als Einbildung und Aberglauben abtaten. Die Ärzte vertrauten Methoden wie dem Aderlass, aber die Menschen auf dem Land verließen sich meist lieber aufs Abbeten und glaubten eher an die Hilfe Gottes als an die des Arztes.

    Es gibt Überlieferungen, wonach die »städtischen Ärzte« noch in der Mitte des 19. Jahrhunderts allzu oft Heilmittel verordnet hätten, die mit giftigen Substanzen versetzt wurden, wie mit Quecksilber, Blei, Silber, Kupfer und anderen. Auf diese Weise erlangten sie zu Recht das Misstrauen der Patienten, besonders, weil diese Gifte in hoher Dosis verordnet wurden und zusammen mit dem immer noch gebräuchlichen Aderlass sehr häufig zum Tode führten.

    In Süddeutschland, aber beispielsweise auch in Südtirol und der Steiermark, bildeten sich Gruppen von Laienärzten, die ganz entschieden gegen diese »Giftmischer« ankämpften. Diese Laienärzte oder auch Bauerndoktoren versorgten einen Großteil der Landbevölkerung mit selbst hergestellten Medikamenten. Sie benutzten vor allem Kräuter und Wurzeln, und die Zutaten, die sie nicht selbst in der Natur finden und sammeln konnten, erwarben sie von den zahlreichen kundigen Kräutersammlerinnen – oder sie besorgten sie sich beim Apotheker. Dies führte zu großen Anfeindungen der studierten Ärzte gegenüber den Apothekern, weil sie sich übergangen fühlten. Sie vertraten die Auffassung, dass ein Gang in die Apotheke ohne vorherige Konsultation eines gelehrten Mediziners nicht gestattet sein sollte.

    Aderlass-Schnapper im Volkskundemuseum Dietenheim bei Bruneck im Pustertal/Südtirol

    »Dieß leere Glas wigt 1 Kilo 541/2 Decca. Wenn dieß Glas voll ist, so enthaltet es 416 Decca Öhl und wigt zusammen 5 Kilo 71 Decca.«

    Aber die Abneigung der Menschen gegenüber den studierten Ärzten ließ sie lieber zum Apotheker gehen, der eigene Medikamente herstellte und sie viel billiger verkaufte als die Ärzte die ihren. Der Apotheker war Chemiker und bot den großen Vorteil, dass sich seine Kunden von ihm bestens beraten fühlten.

    Die langsame Akzeptanz der Schulmedizin

    Zu einer Etablierung der Ärzteschaft mit allen beruflichen Kompetenzen kam es erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Nach mehreren Medizinalreformen mussten schließlich die Wundärzte und Hebammen ihre bis dahin anerkannte Position an die akademisch geschulten Chirurgen und die wissenschaftlich ausgebildeten Geburtshelfer abgeben.

    Trotz der anhaltenden wissenschaftlichen Streitigkeiten innerhalb der Ärzteschaft waren diese sich doch in einem Punkt immer einig: Den sogenannten Scharlatanen, Kurpfuschern und Quacksalbern wollten sie unbedingt das Handwerk legen. Der prominenteste sogenannte »Kurpfuscher« des 19. Jahrhunderts war Pfarrer Sebastian Kneipp (1821–1897), der 1855 einige aufsehenerregende Erfolge mit seiner Wasserbehandlung erzielte und trotzdem von der Wörishofener Ärzteschaft mehrfach wegen »Kurpfuscherei« angeklagt wurde.

    Am 25. Mai 1869 wurden die alten Gesetze abgeschafft, die es Naturheilern und Laienärzten laut medizinaler Bestimmung verboten, dem Volk ihre Dienste anzubieten.

    Nachdem der Abgeordnete Wilhelm Löwe (1814–1886) die strikte Approbationsordnung für überflüssig erklärt hatte, verabschiedete der Reichstag des Norddeutschen Bundes die Neufassung des §29 der Gewerbeordnung. Man pochte auf die Berufsfreiheit und vertraute darauf, dass jeder Mensch den richtigen Arzt oder die für ihn richtige Behandlung selbst finden würde. Bis 1873 übernahmen sämtliche anderen Bundesstaaten des Deutschen Reiches diese Regelung. Somit wurde jedem gestattet, eine Heiltätigkeit auszuüben. Aber nur, wer eine Approbation hatte, durfte sich »Arzt« nennen. Als daraufhin die Kurpfuscherei erheblich zunahm, rief die organisierte Ärzteschaft zum Kampf auf. Aber trotz der Änderung einiger Bestimmungen gelang es nicht, Naturheiler und Laienärzte komplett zu verbieten.

    Schwierige Abgrenzung

    Anhand dieser Fakten lässt sich gut nachvollziehen, dass es im gesamten 19. Jahrhundert noch nicht möglich war, eine klare Abgrenzung zwischen Volks- und Schulmedizin, zwischen Naturheilern, Kräuterfrauen, Bauerndoktoren, Laienärzten und studierten Medizinern zu ziehen. Das Angebot war bunt und vielfältig, und jeder Kranke oder Leidende musste selbst schauen, von welcher Behandlung er sich am meisten versprach bzw. welche er sich leisten konnte.

    Für das einfache Volk hatte die professionelle wissenschaftliche Medizin keinerlei Bedeutung, wichtig war allein der Heilerfolg.

    1901 erschien ein Erlass des preußischen Justizministers, welcher die Möglichkeit strafrechtlicher Verfolgung von Kurpfuschern erwähnte. Trotzdem gelang es den Ärzten bis zum Beginn des Ersten Weltkrieges nicht, die seit 1869 geltende Berufsfreiheit für Laiendoktoren wieder verbieten zu lassen.

    Durch genauere historische Untersuchungen zeigt sich, dass verschiedenste medizinische Verfahren aus früheren Jahrhunderten von der Volksheilkunde übernommen wurden. Auch heute noch sind die Grenzen zwischen Volks- und Schulmedizin oft fließend, denn die volksheilkundliche Einbeziehung von Pilzen und Heilpflanzen wird inzwischen auch von der Schulmedizin akzeptiert. Nachdem pflanzliche Mittel für Jahrzehnte von chemischen Mitteln verdrängt worden waren, hat die Schulmedizin sie jetzt wiederentdeckt, nachdem die Wirksamkeit der Inhaltsstoffe inzwischen durch chemische Analysen nachgewiesen werden kann.

    Aus diesen Gründen ist eine genaue Abgrenzung oder Definition für die Volksmedizin auch deshalb so schwierig, weil Bereiche, die ursprünglich nicht Teil der Schulmedizin waren, inzwischen von ihr genutzt werden. Dazu gehören neben der Pflanzenheilkunde auch Gebiete wie die Homöopathie oder Bachblütentherapie.

    Typische Maßnahmen der Volksmedizin

    Alte Weide nahe Schlehdorf

    Dazu gehörten von jeher das Auswaschen von Wunden mit Kräuter- oder Rindensud, beispielsweise von Gundermann oder Eichenrinde, Pflanzenkompressen, zum Beispiel mit Schafgarbe oder Spitzwegerich, der Auftrag von Wundsalben oder Wundölen, beispielsweise von Johanniskraut und bandagiert mit Leintuch. Wichtig war auch das Gurgeln oder Inhalieren mit Kräuteraufgüssen, wie von Kamille oder Thymian, das Trinken von Kräutertees oder Heilweinen sowie das Ansetzen von Tropfen, zum Beispiel mit Branntwein und Arnika. Auch das Desinfizieren mit Räucherungen war allgemein üblich, beispielsweise mit Wacholder und Beifuß – und nicht zuletzt waren das Einrenken von Gliedern sowie das Schienen und Bandagieren von Brüchen seit Jahrhunderten selbstverständliche Praktiken der allseits genutzten und geachteten Volksmedizin.

    Die Anwendung dieser Heilmittel wurde sehr oft von religiösen oder magisch-zauberischen Vorstellungen begleitet. Neben dem meist üblichen Vater-unser-Beten gab es auch geheime Sprüche, die während der Behandlung gesagt werden mussten, damit die gewünschte Wirkung eintreffen würde.

    Beim »Heilzauber« waren es bestimmte Handlungen, die man auszuführen hatte. Bei Fieber sollte man eine Weide aufsuchen, einen Ast ergreifen und einen Knoten hineinbinden, dazu sollte man folgenden Zauberspruch sagen:

    »Wiedl wiedl Weiden,

    muaß i gar so leidn

    dös Fieber wo i han,

    dös bind i hier an.«

    Damit der Spruch wirkte, durfte man sich beim Weggehen vom Weidenbaum nicht mehr umdrehen.

    Neben dem »Anbinden« war auch das »Verzapfen« sehr verbreitet. Dazu hat man sich zur Zeit des abnehmenden Mondes Haarbüschel und Fingernägel abgeschnitten und in ein Stück Papier eingerollt, oder man hat Haare und Fingernägel eines Kranken genommen. Man musste sie »ungesehen« in den Wald tragen und in ein Loch stecken, das man zuvor in eine Fichte gebohrt hatte. Dazu sprach man, je nach Leiden, in einer Art Befehlston beschwörende Sätze.

    »Jetzt nimm es ab mein/sein Schmerz und Leid, heut und für alle Zeit.«

    Danach wurde das Loch »verzapft«, meistens mit kleinen Holzstiften, die man in Baumharz getaucht hatte.

    Abbeten und Aderlässe

    »Nimm das Reißen, die Schwindsucht und die Gicht, das sollst du jetzt haben und ich nicht.«

    Auch das »Abbeten« hat eine lange Tradition und wurde bei schlimmeren Krankheiten oft zusätzlich zu den anderen Behandlungen angewendet. Da die Krankheiten und Leiden oft in Zusammenhang mit dem Glauben an Schuld und Sühne standen, wurde dem Abbeten große Bedeutung beigemessen.

    Manchmal glaubte man auch, dass bestimmte Plätze oder Steine Krankheiten abnehmen würden, und sprach Verse wie diesen:

    Doch weil die Menschen nicht genug vertrauten, dass ihre eigenen Gebete und Bitten erhört würden, gingen sie zu einem Abbeter. Sie waren überzeugt, dass er geübter war im Beten und einen besseren Draht zu höheren Mächten hatte als sie selbst.

    »Aus meinem Herzensgrund, bitt ich in dieser schweren Stund nimm von mir Schmerz und Pein, so soll es sein!«

    Heute in vielen Gegenden noch bekannt ist das Abbeten von Warzen. Es muss immer bei abnehmendem Mond erfolgen, wie bei allem, was verschwinden soll.

    Aderlässe wurden bei zunehmendem Mond angeraten, um zu vermeiden, dass der Patient verbluten würde.

    Meist legte man als Opfergabe ein paar Blumen ab.

    Jeder Abbeter hatte die Pflicht, diese Tradition so weiterzuführen, wie er sie von seinen Eltern oder Großeltern übernommen hatte. Abbeter konnten Frauen oder Männer sein und in manchen Gegenden hieß es, solche Gaben müssten immer »übers Kreuz« weitergegeben werden, also zum Beispiel vom Großvater an die Enkeltochter oder von der Großmutter an den Enkelsohn. Oft wurde eine Generation ausgelassen, aber wenn ein Abbeter früher als erwartet starb, nahm er sein Wissen mit ins Grab. Viele der früheren Kräuterfrauen sollen gleichzeitig auch Abbeterinnen gewesen sein.

    Das »Durchkriechen« war ein weiteres, weitverbreitetes Verfahren aus der Volksheilkunde, um Krankheiten abzustreifen. Dazu ließ man den Kranken durch eine große Schlinge kriechen, die man zuvor aus belaubten Zweigen gebunden hatte. Sehr beliebt war Buchsbaum, weil es hieß, dass er alles Negative abstreifen würde. Daher stammt auch der alte Brauch, dass die Höfe früher meist zu beiden Seiten der Eingangstüre Buchs gepflanzt hatten.

    Belege aus der Vergangenheit

    Eine Sonderausstellung im steirischen Volkskundemuseum Stainz

    Diese Ausstellung wurde 1977 zum 800-jährigen Bestehen von Stainz initiiert, dessen Name 1177 zum ersten Mal erwähnt wurde. In der Begleitschrift heißt es, dass unter anderem schriftliche Quellen über den »Höllerhansl« und andere Naturärzte und Kurpfuscher ausgewertet wurden und Scharlatane und Quacksalber streng von den wirklichen Naturärzten getrennt wurden, die aufgrund von überliefertem Wissen und Erfahrung ihre Tätigkeit verantwortungsbewusst ausübten. Somit sei die Ehrenrettung des »Bauerndoktors« gelungen!

    Höllerhansl und Bergliesl

    Weißdornfrüchte

    Berichtet wird vor allem über den »Höllerhansl« (1866–1935) aus Stainz in der Steiermark. Sein medizinisches Wissen hatte er vom Vater, der es bereits von seinem Vater übernommen hatte. Er benutzte die Harndiagnose, die Claudius Galenus von Pergamon bereits im 2. Jahrhundert nutzte und die sich das ganze Mittelalter hindurch hielt. Der Höllerhansl soll aufgrund des Schaumes, der sich beim Schütteln der Harnflasche bildete, die Krankheit erkannt haben, auch Farbe und Geruch des Harns waren von besonderer Bedeutung. Die große Sicherheit seiner Harnkenntnisse war überall bekannt, und die Kranken kamen von weither, um sich behandeln zu lassen. Je nach Diagnose verordnete er den Leuten jeweils ganz bestimmte Kräutertees oder einen starken Kräutersud, den er selbst herstellte. Die Kräuter brachten ihm Kräuterfrauen, eine war die noch heute legendäre »Bergliesl«. Weitere Zutaten zu seinen Kräuter-Medizinen, wie beispielsweise Bittersalz, holte er sich bei dem befreundeten Apotheker Sarnitz in Graz. Der Höllerhansl soll ein sehr religiöser Mann gewesen sein, er half jedem und nahm lediglich freiwillige Spenden an. Aber trotzdem gab es Neider, die ihn 1921 wegen Kurpfuscherei anklagten und behaupteten, er würde den Kranken mit betrügerischen Behauptungen das Geld aus der Tasche ziehen. Er wurde sogar verurteilt, aber zu einem relativ geringen Betrag, da außer dem Kläger alle Menschen hinter ihm standen – und so hat er auch nach dieser Verurteilung weiter als Bauerndoktor gearbeitet und noch vielen Menschen geholfen.

    Durch die Recherchen des Stainzer Volkskundemuseums, vor allem durch Elfriede Grabner, wurde in den 70er-Jahren des letzten Jahrhunderts viel historisches Material gesichtet und ausgewertet. So konnten in der Steiermark an die 50 Naturheiler nachgewiesen werden, die ab dem Ende des 18. Jahrhunderts bis hinein in die 50er-Jahre des 20. Jahrhunderts gelebt und gewirkt haben. Manche waren für die »inneren Leiden« zuständig, andere waren »Boaheiler« (Knochenheiler), Zahnreißer oder »fürs Viech« (für die Tiere).

    Traditioneller Hausgarten im Freilichtmuseum »Glentleiten« bei Großweil in Oberbayern

    Eines hatten sie alle gemein: Sie verwendeten die heimischen Kräuter, die sie auch selbst mischten und als Tees weitergaben. Sie setzten Kräutertropfen an und kochten Salben. Die »Weberpeterin« (1863–1951), aus Lasselsdorf bei Stainz, verwendete über 100 verschiedene Kräuter. Ihr Wissen bekam sie vom Vater vererbt, der auch schon den Urin »vom nüchternen Magen« las und »aus dem Fall des Wassers« und der Farbe des Urins die Krankheit erkannte. Wenn sie den Urin schüttelte, bildeten sich Bläschen, und je nach Krankheit zeigten sie sich verschieden. Wenn sie selbst dann nicht weiterwusste, schickte sie die Kranken zum Arzt.

    Überlieferungen zu den damals verwendeten Kräutern

    Leider war nur noch wenig schriftliches Material auffindbar, da die Nachkommen der Kräuterfrauen und Laiendoktoren deren alte Bücher und Aufzeichnungen bereits verbrannt hatten. Sie müssen oftmals sehr besorgt gewesen sein, der Kurpfuscherei verdächtigt zu werden, wenn jemand die Unterlagen finden würde.

    Hauswurz

    Aber da auch jede Bäuerin ihre eigenen Hausmittel hatte, Kräuter sammelte und Salben, Einreibungen und Tropfen erzeugte, gibt es doch noch einige Hinweise auf bestimmte Kräuter und wie sie im 19. und bis ins 20. Jahrhundert hinein in der Steiermark Verwendung fanden.

    Diese hier wiedergegebenen Ausführungen sind keinesfalls als »Rezepte« zu verstehen, sondern als kulturhistorische Informationen, die einfach Vergleichsmöglichkeiten mit heute üblichen Kräuteranwendungen bieten können:

    Johanniskraut

    Almgraupen (Isländisch Moos, Cetraria Islandica) wurden mit Salbei (Salvia) und Eibisch (Althaea officinalis) gemischt und mit Honig gesüßt als Lungentee empfohlen.

    Baldrian (Valeriana officinalis) galt als Herztee. In Schnaps angesetzt wäre er gut, »wenn’s Herz unruhig wird« (vermutlich wurde nur die Wurzel verwendet).

    Butter, frisch gerührt und »ungewaschen« (noch nicht von Buttermilch gereinigt), war sehr gut für Brandwunden und wurde bei der Geburtshilfe zur Erweiterung der Geburtswege eingesetzt und auch, wenn die Nachgeburt nicht abging.

    Hauswurz (Sempervivum tectorum) wurde bei Hals- und Zahnschmerzen »ausgezuzelt«, also ausgesogen. Bei Ohrenschmerzen wurde der warme Saft eingetropft. Es wurde auch eine Heilsalbe aus Hauswurz, reinem Lärchpech (Lärchenharz) und etwas Kampfer gekocht. Es hieß, die würde sogar »an Hintern zuahoiln« (zuheilen), so stark wäre sie.

    Hirtentäschelkraut/Täschelkraut (Capsella bursa-pastoris) galt als »wassertreibend«, also harntreibend.

    Holunder (Sambucus nigra) wurde ehrfürchtig betrachtet. Es hieß, mit Hollerbranntwein »erhält man einem das Leben, wenn er schon im Sterben ist«, er wurde bei Rippenfell- und Lungenentzündung sowie bei Herzbeutelwassersucht empfohlen. Bei Fieber wurden die Blüten als Tee verabreicht, manchmal wurden auch noch etwas frische grüne Rinde und ein Apfel in den Tee gekocht. Die Beeren »sind gut für den Hals« und wurden bei Halsentzündung als heißer Saft getrunken.

    Knoblauch

    Huflattich (Tussilago farfara) »kann man gegen Asthma rauchen« (ist aber wegen der leichten Giftigkeit des Huflattichs sicher nicht als Daueranwendung zu empfehlen).

    Die Blätter wurden auch auf »offene Füße« (Ulcus cruris) aufgelegt.

    Johanniskraut, Hanskräutl (Hypericum perforatum) nicht nur als Teekraut, sondern »Johanniskraut-Öl gut auf Brandwunden«.

    Knoblauch (Allium sativum) wurde bei Zahnschmerz zerdrückt und auf die schmerzende Stelle gelegt. Er sollte auch bei »Eingeweidewürmern« helfen und wurde zusammen mit »Patika« (Aloe hepatica) und Wermut (Artemisia absinthium) in Schnaps angesetzt.

    Kren/Meerrettich (Amoracia rusticana) wurde bei Fieber gerieben eingenommen oder als »Krenteig«, mit Roggenmehl vermischt, aufgelegt.

    Lavendel/»Spiganari« (Lavandula angustifolia) wurde, in Schnaps angesetzt, zur Magenstärkung eingenommen, aber auch zum Räuchern bei Gicht verwendet.

    Liebstöckel/Luststock (Levisticum officinale) sollte bei Gicht helfen und gut für die Lungen sein, als Tee getrunken »öffnete er die Luftröhre« (wirkte entschleimend). Aus den Wurzeln bereitete man »eine heilsame Salbe«.

    Melisse (Melissa officinalis) war gut für den Magen und für das Herz, außerdem bei Kopf- und Zahnschmerzen.

    Misteln auf einem Apfelbaum

    Mistelzweige (Viscum album) wurden in Schnaps angesetzt und sollten vor Arterienverkalkung schützen.

    Mutterblätter/»Frauensolfer«/Balsampflanze (Tanacetum balsamita) galt als Mittel bei Verletzungen, vor allem bei eitrigen Wunden, aber auch gegen Rotlauf (Wundrose).

    Rettich/Schwarzrettich (Raphanus sativus niger) wäre für den menschlichen Körper »so viel als a Ruaßkiahra für’n Ofen«. (Der Rettich wäre für den menschlichen Körper so viel wie ein Rußkehrer für den Ofen.)

    Ringelblumen (Calendula officinalis) wurden vielerorts für Heilsalben verwendet, die bei »offenen Füßen« (Ulcus cruris) aufgetragen wurden. In Schnaps angesetzt, wären sie das beste blutstillende Mittel gewesen, und »hatte ein Kind Rauden« (Schorf), nahm man reines Öl, gab die Blüten hinein und ließ es abstehen – das heilte.

    Rosmarin (Rosmarinus officinalis) galt als herz- und nervenstärkend und wurde auch bei Geschwulst angewendet.

    Sanikelwurzel/»Zauniglwurzn« (Sanicula europaea) wurde dafür geschätzt, selbst die »grauslichsten Wunden« zu heilen. Die Salbe der Mockbäuerin enthielt folgende Zutaten: »Rindschmalz, Lärchpech (Lärchenharz), echtes Bienenwachs, Wurzel von Beinwell (Symphytum off.), Wurzel von Liebstöckel (Levisticum off.), Fette Hennwurzn (Sedum telephium) und Nicklwurz (Sanicula europaea).«

    Schafgarbe (Achillea millefolium) galt als Blutstiller und wurde auch bei offenen Wunden angewendet. Außerdem hat man sie bei zu starken Monatsblutungen gegeben.

    Rosa Schafgarbe

    Spitzwegerich/»Gspitztwegat« (Plantago lanceolata) galt als blutreinigend, der Breitwegerich hingegen »ist so viel für’s Fiaba, als er Wurzeln hat«.

    Die Familie Ragginer, 200 Jahre Volksmedizin in Südtirol

    Aufgrund glücklicher Umstände konnte der Nachlass der Familie Ragginer für das Südtiroler Volkskundemuseum in Dietenheim bei Bruneck gerettet werden.

    Mehrere unveröffentlichte Handschriften (Publikation R. Asche und E.-D. Schulze, siehe Literaturverzeichnis S. 252) dokumentieren Volksmedizin und Leben im Lasankental bei Brixen in Südtirol in der Zeit von 1780 bis 1975.

    Im Jahr 1781 heiratete der Gastwirtssohn Joseph Ragginer die Erbin des Hofes Kleinkaneid in Lüsen. Neben der Landwirtschaft soll er begonnen haben, sich

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