Kurze Geschichten
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Heiner von Einfeld
Heiner v. Einfeld wurde 1947 in Einfeld geboren. Er verbrachte seine ersten Lebensjahre zusammen mit anderen fremd sprechenden Kindern in einem Nissenhüttenensemble. Nach dem Umzug zu Pflegeeltern in Hamburg, begann dort seine Karriere als verwöhntes Einzelkind. Nach vielen Umwegen, die verzogene Kinder gern als Erwachsene gehen, landete er über eine Ausbildung zum Industriekaufmann bei der DEMAG und einer Programmiererausbildung bei Philips bei dem Wunsch Betriebswirtschaft zu studieren. Nach dem erfolgreichen Abschluss interessierte sich die Unternehmensberatung JAMES MARTIN ASS für ihn, in der er seine Karriereleiter entdeckte. Nach Übernahme durch TEXAS INSTRUMENTS kletterte er bis in die Geschäftsleitung einer Tochterunternehmung und war so 1995 bereit für die Selbständigkeit. Seine Unternehmung NIELSEN + PARTNER ist auch heute noch sehr erfolgreich. Er beschäftigt sich aktuell allerdings vorzugsweise mit seinen Gitarren, mit dem Segeln und mit dem Schreiben vielsagender Geschichten.
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Buchvorschau
Kurze Geschichten - Heiner von Einfeld
Ich danke besonders meiner lieben Frau
Thorina
für ihre Unterstützung
Für
Maja und Tilman
Inhalt
Traum
Dialog
Lebenskünstler
Mahlzeit
Falle
Heimzahlung
Fügung
Wette
Zweifel
Spaziergang
Schicksal
Hab´n-woll´n-Syndrom
Heilung
Jagd
Schnupperkurs
Marathon
Spuk
Rock ´n´ Roll
Verniedlichung
Heiligabend 2947
Der Autor
Traum
Ja, es war Liebe auf den ersten Blick. Er hatte oft davon gehört, aber nicht wirklich daran geglaubt. Es gab immer irgendetwas, das spontan seine Ablehnung hervorrief. Er wollte aber das Gesamtkunstwerk, das es wahrscheinlich nur in seinem Kopf gab. Nun sah er sie. Eigentlich war er nur zufällig am Hafen vorbei zu einem Kunden gegangen, zu Fuß, um die frische Luft zu genießen. Seine Augenwinkel erhaschten anfangs nur ihre Schemen, aber diese hatten bereits alles, was ihn plötzlich stehen bleiben und sie begeistert betrachten ließ. Er hätte sie nicht beschreiben können, aber konnte sie sofort erkennen. Nichts an ihr störte seine Sinne. Die Proportionen, die Größe, ihre Außenhaut, alles war perfekt. Sie lag direkt am Steganfang. Er konnte schnell, ohne seinen Termin zu gefährden, zu ihr hinunterlaufen und mit Staunen ´seine´ Yacht betrachten. ´Püppi´ las er am Achterschiff. Seine Freude bekam einen kleinen Dämpfer. Gesamtkunstwerke heißen nicht Püppi, wieso Püppi? Er blickte ins Cockpit und entdeckte eine ihn aufmerksam betrachtende Person. „Haben Sie Interesse an dem Schiff? Es steht zum Verkauf. Kommen Sie doch kurz an Bord!"
Er dachte an seinen Termin, entschied sich dann aber doch für seinen Traum. Kunden gibt es viele, Träume, aber? Mühsam erklomm er, sich an Want und Reling umständlich festhaltend, die Yacht.
„Die Schuhe müssen Sie aber ausziehen, ich will keine schwarzen Streifen auf meinem Teakdeck sehen! Kommen Sie zu mir ins Cockpit!"
Vorsichtig schlich er auf Strumpfsocken zum Heck und setzte sich neben den Eigner, wie sich später herausstellte. Nach den üblichen Vorstellungsdialogen, fragte er vorsichtig nach dem Namen ´Püppi´, nach der Bedeutung, der Herkunft.
„Ach, ein Schiff muss immer einen weiblichen Vornamen tragen und es sollte, wenn möglich, der Name der eigenen Tochter sein!"
Er zuckte zusammen, die arme Tochter hieß wie dieses Schiff? Wie grausam. „Muss das so sein?", fragte er vorsichtig.
„Oh, nein, wenn man sich nicht an diese einfache Regel hält, oder aus verständlichen Gründen nicht halten kann, passiert auch nichts Böses, wie die vielen in den Yachthäfen liegenden Schiffe deutlich zeigen!"
„Ich würde mir auch gern eine Yacht kaufen, bin aber unschlüssig, was die Namensvergabe angeht!"
„Ein neuer Eigner geht mit der Namensvergabe sehr lange schwanger, wesentlich länger als mit der eigentlichen Anschaffung und noch länger als bei der Namensfindung der eigenen Kinder. Will er doch mit diesem Namen allen seine Weltanschauung, seine Ur-Motivation offenbaren! Er will mit möglichst wenigen Worten, sagen: Wenn ihr diesen Namen gelesen und verstanden habt, dann wisst ihr, wes Geistes Kind ich bin!"
„Aber, Püppi?", antwortete der Besucher und guckte verstohlen auf seine Uhr.
„Gehen wir die Sache einmal sortiert an, kam der Skipper ins Dozieren „und betrachten die häufigsten Eignergruppen. Da gibt es zunächst Diejenigen, die tatsächlich weibliche Vornamen verwenden: Erika, Karin, Else oder exotischer Elisa und natürlich Püppi!
Er sah seinen Besucher kurz, nach Bestätigung suchend, an.
Dieser nickte, beeindruckt vom Redeschwall und der Sachkenntnis des Eigners.
„Das sind die Regelkonformen, die Angepassten!, führte er weiter aus. „Sie beugen sich dem Druck der Ehefrau, der Schwiegermutter, der Tochter, der Freundin, manchmal auch der Mutter oder Tante oder dem möglichen Spott anderer Segler. Zu denen gehöre ich. Meine Frau heißt Püppi!
Der Besucher nickte ergriffen und begreifend.
„Er darf dann den Namen höchstens ein wenig aufwerten, indem er sie um eine Kardinalzahl ergänzt, z.B. II oder III, höhere Anhänge machen dann noch deutlicher: Diese ist nicht meine erste Yacht und auch nicht meine letzte. Der Yachteigner identifiziert sich also eindeutig über kleine römische Zahlen. Arabische gehen natürlich gar nicht! Mit jeder Erhöhung erwartet er mehr Anerkennung und bessere Liegeplätze, natürlich nicht zuletzt auch deshalb, weil die Yachten mit jeder größeren Zahl ihre Verdrängung steigern. So kann dieser Wert auch als Boxenfaktor bezeichnet werden." Er sah seinen Besucher lächelnd an.
„Okay, gibt es noch andere, äh, Gruppen?" Der Besucher spürte, dass diese Vorlesung länger dauern könnte, aber er wollte die interessanten Gedankengänge nicht unterbrechen. Sie sind eventuell wichtig für die Benennung seiner eigenen Yacht.
„Eine weitere Gruppe beinhaltet die Freunde der Nautik. Hier werden Begriffe aus der Seefahrt genutzt, die den Auslöser für das Hobby Segeln deutlich machen. Diese Gruppe ist die der leichten Abweichler von der Grundregel. Sie wollten sich von der spießigen Namensvergabe trennen, aber aus Sicherheitsgründen nicht die Seefahrt vollständig verlassen. Namen wie ´Navalis´, ´Meltemi´, ´Orca´, ´Alioth´, ´Azimut´ und auch ´Cirrus´ und ´Stratos´ findet man hier. Seine Faszination für das Segeln versucht der Eigner durch diese Namen widerzuspiegeln. Weniger Mutige versuchen doch noch, die Verbindung zur ersten Gruppe zu halten. So entsteht die ´Brisa´ neben der ´Vela-Viola´. Extrovertierte Sailor versuchen mit ´Aloha´ und ´Ahoi´ den schnelleren Kontakt. Eine Aufwertung durch Kardinalzahlen lässt sich auch hier spielend leicht erreichen und wird gern in Anspruch genommen".
„Das kann ich mir gut für mein Schiff vorstellen!", antwortete der Besucher.
„Was machen Sie denn beruflich, haben Sie Hobbies?" Der Skipper guckte ihn fragend an.
„In der Freizeit mache ich ein wenig Musik mit meiner Gitarre!"
„Ah, da habe ich noch eine interessante Gruppe für Sie. Den feinsinnigen, durch viele Hoch- und Volkshochschulen gebildeten Musiker und Musikliebhaber mit den schmeichelweichen Liros-Vor- und -Achterleinen finden wir hier. Hier ist nicht nur der Weg das Ziel, hier ist auch der Name Programm. Als Kultur-Konfuzianer wählt man Namen wie ´Adagio´, ´Andante´ oder ´Allegretto´. Diese sagen nicht nur etwas darüber aus, wie schnell gesegelt wird, nein, auch dass die Yacht als Taktstock-, Bratschen- oder Pianoersatz herhalten muss. Die Eigner tragen häufig ein stabiles Lächeln im Gesicht, da sie meist gerade in den Tiefen der Musik höchste Befriedigung suchen und sich nur beim An- oder Ablegen im Hier und Jetzt befinden. Multiples Segeln in Reinkultur findet man nur auf solchen Yachten. Kardinalzahlen findet man hier selten. Die Musiktheorie stellt raffiniertere Möglichkeiten der Steigerung zur Verfügung. Wenn sich etwas ändert, dann der Name selber, z.B. von ´Allegro´ auf ´Presto´ oder von ´Largo´ auf ´Lento´ für die Schönwettersegler. Zur Not hängt der Musik-Yachtie noch ein ´con Brio´, also ´mit Dampf´ hinten dran. Aber auch ein ´ma non troppo´, also ´munter, aber nicht zu sehr´ wurde schon in Ostseehäfen gesehen. Wäre das was für Sie?"
„Ich spiele eher unprofessionell Gitarre, da passen diese Begriffe weniger!"
„Was arbeiten Sie denn?"
„Ich arbeite bei einer französischen Unternehmensberatung im Außendienst!"
„Ah, da habe ich noch etwas für Sie. Zu den ebenfalls feinsinnigen Seglern zählen diejenigen mit den französischen Yachtnamen. Neben ´L´ anti-monte eau´ und ´Belle de jour´ finden wir die ´Bon Chance´, die ´Ciel´, die ´L´ Alouette´, die ´Bonvivant´ und die oder das ´BonBon´. Der Frankophile liebt das weiche Eintauchen in eine endlose See. Coque au Vin gibt es mindestens wöchentlich, Vin dafür ganztägig, Bière wird man auf dem ganzen Schiff nicht finden. Seine Fender haben meist weniger Luft, tragen aber dafür einen schicken Wollpullover, um so das eklige Quietschen und Scheuern an den Bordwänden zu vermeiden. Kardinalzahlen sind hier ebenfalls verpönt. Der Frankophile ist kreativ und findet schnell ohne Probleme einen neuen Namen, der trè chic plus ist. So wird aus dem ´BonBon´ schnell eine ´Crème Brulée´."
„Ich bin eigentlich nicht so der Frankophile. Mein Arbeitsplatz ist auch in Deutschland und französisch spreche ich auch nicht!"
Was machen Sie denn genau, wenn ich fragen darf?"
„Ich bin im Vorstand der deutschen Tochter!, antwortete er stolz!
„Oh, ho, ho!" Der Skipper richtete sich auf und sah seinen Gast voller Bewunderung an. „Da habe ich die passende Gruppe für Sie: Die Machos unter den Seglern. Alles an ihnen und den Yachten ist überdimensioniert und fit für den 3. Weltkrieg. So sind die Namen auch nicht von zurückhaltender Natur: ´Xtrabreit´, ´Xtralang´, ´Xtravaganza´, ´President´ und ´Maximus´ sind hier beliebte Namen. Ohne Zögern könnte man noch ´Big Horn´ und ´Titan´ dazu zählen. An Bord finden wir in der Regel den erfolgreichen Mitt-Dreißiger, der vor der endgültigen Bindung und Vaterwerdung mit ständig wechselnden Crew-Mitgliedern Selbstbestätigung tankt. Seine einzige Schwäche ist die für das weibliche Geschlecht, seine einzige Stärke auch. Menschen und Dinge, die nicht mehr funktionieren, werden umgehend ausgetauscht. Kardinalzahlen interessieren ihn nicht. Sein Schiff ist die Nummer I, mit oder ohne Zahl.
„Ich bin verheiratet und habe kleine Kinder!", antwortete der Besucher ein wenig entrüstet. Seinen Kundentermin hatte er nun endgültig abgeschrieben.
„Dann gibt es für Sie nur eine Gruppe. Die ewigen Kinder, bzw. diejenigen, die ihre Kinder vorschieben: die Mickyphilen und Donaldisten. Ihre Yachten heißen ´Blaubär´, ´Harry Potter´, ´Balu´, ´Wutz´ oder ´Nuckel´ und sehen irgendwie immer so aus, als würden sie in einem Strampler sitzen und auf Mutti warten. Keine Stelle des Schiffes ist nicht mit Klammern oder anderen praktischen Dingen versehen. Vor dem Schiff auf dem Steg häufen sich Roller, Räder, Angeln, Kescher und Eimer mit Krebsen, die ihre letzten Runden drehen. An Bord klappert ständig irgendetwas. Allerdings unhörbar für die Eltern. Alle Sensoren sind auf die Kinder ausgerichtet. Die Stegnachbarn akzeptieren tolerant und lächelnd die Geräuschkulisse. So klappert sich das Schiff locker und munter durch das ganze Repertoire des Riggs, zu jeder Tages- und Nachtzeit. Kardinalzahlen bieten sich hier nicht an. Wenn die Tochter größer ist, wird man das Schiff nach ihr benennen, es sein denn, man ist sehr abergläubisch, dann segelt man noch als Opa mit ´Nuckel´ durch die Gegend."
„Wenn ich jetzt Ihr Schiff kaufen würde, müsste ich dann weiter den Namen ´Püppi´ führen!"
„Natürlich nicht, nur wenn Sie übertrieben abergläubisch sind und die ungeschriebenen Regeln der Seefahrt nicht hemmungslos missachten wollen."
„Prima!, freute sich der Besucher. „Ich würde gern das Boot näher kennenlernen. Gibt es die Möglichkeit einen kleinen Schlag auf der Elbe zu machen. Natürlich mit Ihnen als Skipper?
„Natürlich, wir wollen die Yacht morgen in unser Winterlager überführen. Kommen Sie doch mit. Um 6 Uhr in der Früh geht es los!"
„Ich werde da sein!", freute sich der Besucher.
„Seien Sie pünktlich, wegen der Tide!"
„Ja, prima, danke, wie gesagt, ich werde da sein.", wiederholte er noch einmal bestimmt.
„Ach, noch eine Frage. Haben Sie Segelerfahrung?" Er schaute seinen Besucher fragend an.
„Nein, aber jeder Chirurg hat mal seine erste OP, oder?" Der Skipper sah ihn misstrauisch an, verabschiedete sich aber dann doch freundlich und verschwand in seiner Pantry.
Beeindruckend pünktlich stand er am nächsten Morgen pünktlich um 6 Uhr vor der Yacht. Leichter Nebel hinterließ feuchte Oberflächen wohin man auch griff. Der Eigner hatte ihn schon erwartet. Leicht fröstelnd folgte er seinen ersten Anweisungen. So sind beide Hände ab sofort auch bei Kälte außerhalb der Taschen zu tragen, eine für ihn ungewöhnliche Haltung, wobei mindestens eine von den beiden Händen immer dem Schiff gehört! Allein durch diese einfache Regel erhielt er bereits ein völlig neues, eher dynamisches Erscheinungsbild. Es folgte eine kurze Erläuterung, wie man über Anker und Bugkorb das Deck erreicht, ohne sich Finger zu zerren oder blaue Flecken zu holen. Dieses ´Ankerentern´ kann eine ernsthafte Prüfung sein. Welcher Nichtsegler kann schon etwas mit einer Flunke, auf die man treten und einem Vorstag, an dem man sich festhalten soll, anfangen, wenn sich beides auch noch fast in Augenhöhe befindet? Endlich an Deck suchte er erstmal die Reling, die unsinnigerweise viel zu tief angebracht wurde und eher filigran wirkte und somit keinen richtigen Halt versprach. Sehr decknah ging er mit kleinen vorsichtigen Schritten Richtung Cockpit, um sich dort zufrieden mit sich und der Welt nieder zu lassen. Nach der Aufforderung des Skippers, nun wieder das Schiff zu verlassen, um sich noch einmal im Hafenklo zu erleichtern, ist er kaum noch von anderen Seglern zu unterscheiden. Dann folgte eine geistige Druckbetankung. In wenigen Minuten erhielt er eine Sicherheitseinweisung nach dem Motto ´Man sieht nur was man weiß´. Dass sich beim Segeln Bäume bewegen, musste genauso erklärt werden wie das Phänomen, dass sich lange Haare gern in der Großschottalje verfangen, dass es eine Schwimmweste gibt, die nur dann hilft, wenn man sie vor dem Verlassen des Schiffes anlegt, dass das Gas für den Herd nur vom Skipper bedient wird, um ungewollte Beschleunigungen zu vermeiden, dass das Bord-WC über ausgefeilte Pump,-Saug- und Hebelwirkungen bedient wird, eigentlich nicht benutzt werden soll und daher eine gute Pinkelplanung benötigt, dass der DSC-Alarm wichtig ist, aber praktisch nicht geübt werden darf, dass die große Fock Genua heißt und das Großsegel noch größer ist, dass man über den Traveller nicht stolpern soll und dass Wanten und Stagen viel Halt bieten usw. usw. Dass der Skipper eine herausragende Funktion an Bord hat, musste man dem Interessenten nun nicht mehr erklären. Jedes Wort wurde nun mit noch mehr Andacht aufgenommen.
Das Ablegemanöver brauchte dann doch wie immer die volle Konzentration. Aber wie aus dem Nichts tauchte dann die ´Steg-Crew´ auf, die gern nach vorsichtigem Fragen ihre Unterstützung anbot und half, die Leinen zu lösen. So verließ man unter Motor und angelegten Fendern die Box. Auf dem