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Die unsichtbare Hand
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eBook147 Seiten2 Stunden

Die unsichtbare Hand

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Über dieses E-Book

Der Band enthält eine Reihe von spannenden und unterhaltsamen Kriminalerzählungen, in denen immer wieder die Figur des Detektiven Paul Beck im Zentrum steht. Inhalt: "Die Fahrgeschwindigkeit des Schiffs", "Zwischen dem Teufel und dem tiefen Meer", "Die unsichtbare Hand", "Eigenhändig gesiegelt" und "Rasche Erledigung". Die fünf kurzen Geschichten sind allesamt zeitlose kriminalistische Perlen, in denen McDonnell Bodkin sein ganzes Können entfaltet. In der Titelgeschichte wird bei der Einfahrt eines Zuges in die Station von Suberton ein Toter in einem Abteil gefunden. Es handelt sich um einen reichen Gutsherrn mit schwachem Herz. Paul Beck löst auch diesen Fall, aber wird er die Aufklärung des Verbrechens selbst überleben? Denn am Ende richtet der Mörder seinen Revolver auf ihn ...-
SpracheDeutsch
HerausgeberSAGA Egmont
Erscheinungsdatum15. Jan. 2016
ISBN9788711462553
Die unsichtbare Hand

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    Buchvorschau

    Die unsichtbare Hand - M. McDonnell Bodkin

    www.egmont.com.

    Die Fahrgeschwindigkeit des Schiffs

    Die Sache begann so: Sie liess ihre Börse fallen, und er fing sie im Fallen auf. Aber nun darf man nicht gleich denken, dies sei der Anfang einer Liebesgeschichte. O nein, die Dame war zwar jung und hübsch, trug aber schon einen Ehering am Finger, und der Herr war wohlbeleibt und seelenruhig und hatte die erste Jugend hinter sich.

    Sie standen nebeneinander auf dem oberen Promenadedeck des grossen Dampfers „Titania‚, der in der grauen Morgendämmerung, einem sich leise fortbewegendem Eiland ähnlich, zwischen den vielen Schiffen hindurch ruhig aus dem Hafen von New York hinausfuhr. Über Meer und Himmel breitete sich ein leichter Nebel, der allem ringsum eine mattgraue Farbe verlieh, und die gewaltige Statue der Freiheit hob sich über der stillen Wasserfläche von dem noch helleren Grau des Himmels ab wie eine schöne graue Radierung. Hoch oben in der emporgestreckten Hand der kolossalen Gestalt schimmerte das Leuchtfeuer durch den Nebel. Langsam nahm die Morgenhelle zu, der graue Nebel wurde weiss, und die Dämmerung wich dem Lichte. Im Osten schimmerten die Wolken jetzt in hellem Glanze, und plötzlich tauchte der blutrote Rand der Sonne über dem Wasser auf.

    Und gerade in diesem Augenblick entfiel der hübschen Frau Eyre, als sie sich über die Reling beugte, der Geldbeutel; und Herr Rhondel fing ihn mit einem Griff, gleich dem Stoss eines Falken, einen halben Meter von ihrer Hand auf.

    „Ich spiele Kricket,‚ erklärte er seine Geschicklichkeit, als er den Beutel seiner schönen Eigentümerin zurückgab.

    „Vielen Dank,‚ sagte sie. „Das haben Sie fein gemacht. In dieser Börse waren fünfhundert Dollar auf dem geraden Wege zum Meeresgrund, als Sie dazwischen kamen und sie auffingen. Aber sehen Sie nur, ist das nicht grossartig?‚ — Sie deutete mit ihrer kleinen Hand auf die rotleuchtende Sonne. — „Ja, die Sonne versteht es, Leben in die Welt zu bringen.‚

    „Sie machen wohl diese Reise zum erstenmal?‚ fragte Herr Rhondel, ohne von dieser Gelegenheit, sich über die Eigenschaften der Sonne auszusprechen, Gebrauch zu machen.

    „Ja freilich, Bob und ich reisen zum erstenmal in die alte Heimat.‚

    „Sie stammen wohl aus Irland?‚

    Dies war ein gewagter Schuss.

    Die kaum dem Mädchenalter entwachsene junge Dame war der Typus einer echten Amerikanerin, gross, schlank, graziös, mit einer hübschen Kopfhaltung, und wenn sie sprach, konnte man in ihrer Stimme, wenn auch nicht sehr auffallend doch ganz deutlich die bekannte Klangfarbe der Amerikaner wahrnehmen, die so angenehm klingt, wenn sie von reizenden Lippen tönt. Aber trotzdem ging der Schuss den rechten Weg und traf ins Schwarze, und die vergissmeinnichtblauen Augen wurden plötzlich dunkel wie Veilchen.

    „Ob ich aus Irland stamme? Ja natürlich und Bob auch. Mein Grossvater mütterlicherseits ist zwar schon in den vierziger Jahren herübergekommen; aber Bob ist durch und durch Irländer. Ein Irländer vom Scheitel bis zur Sohle! Horch, ist das nicht die Frühstücksglocke? Kommen Sie doch mit mir! Wir wollen uns zusammensetzen, wir drei. Ich will es gleich beim Steward in Ordnung bringen. Mein Alter wird Ihnen sicher gefallen.‚

    Sie brachte es auch in Ordnung, und bald sass Herr Rhondel an dem reichbesetzten Frühstückstisch neben der jungen Frau. An ihrer andern Seite sass ihr „Alter‚, ein hübscher, glattrasierter, etwa fünfundzwanzigjähriger junger Mann.

    „Wo hast du denn gesteckt, Kitty? Schon seit anderthalb Minuten warte ich auf dich, und ich habe einen Wolfshunger,‚ sagte Bob, der sich schon während des Sprechens einen grossen Apfel schälte.

    „Ich habe die Sonne aufgehen sehen und dabei aus Unachtsamkeit meinen Geldbeutel über die Reling fallen lassen.‚

    „Wie schade!‚

    „Reg’ dich nicht auf; es ist alles gut, Herr Rhondel hier fing ihn geschickt auf. Das ist also Bob, Herr Rhondel, Bob Eyre, mein Gatte. Ihr könnt euch hinter meinem Rücken die Hände schütteln.‚

    Sie setzte sich bolzgerade, ganz dicht an den Tisch hin, und die beiden Herren drückten sich hinter ihrem Rücken die Hände, Herr Eyre mit einem bewundernden Blick auf den schöngeformten kleinen, von glänzenden, rotbraunen Flechten umrahmten Kopf.

    „Versuchen Sie einen Bückling, Herr Rhondel,‚ sagte Bob. „Und dann ein Stück Filet, das ist die beste Grundlage für ein Frühstück. Willst du etwas Seezunge, Kitty?‚

    Während des langen Frühstücks unterhielten sich die drei sehr gemütlich miteinander, und als sie aufstanden, waren sie schon die besten Freunde. Herr Rhondel schob seinen Schiffsstuhl neben Frau Eyre und machte gar kein Geheimnis aus seiner Bewunderung für die junge Frau. Bob Eyre ging auf Deck zum Wurfscheibenspiel; er hatte Quecksilber im Blut und konnte keinen Augenblick stillsitzen; sein Gehirn und seine Muskeln waren so voll rastloser Lebenskraft, dass er unaufhörlich etwas tun und etwas vorhaben musste.

    Die Fahrgäste gewöhnten sich sehr rasch an das gleichmässige Leben an Bord, und so sassen am dritten Reisetage Frau Eyre und Herr Rhondel zu gewohnter Stunde in ihren Schiffstühlen auch wieder nebeneinander, während Herr Eyre sich am Scheibenwerfen beteiligte.

    „Darf ich rauchen?‚ fragte Herr Rhondel.

    „Natürlich. Im Munde eines andern liebe ich die Zigarre sogar, nur ich selbst rauche nicht einmal eine Zigarette; ich mag es nicht.‚

    Sorgfältig suchte sie in ihrem Buch die Stelle auf, wo sie stehengeblieben war, und legte dann das Buch, Druck nach unten, auf die Decke, in die Herr Rhondel sie vorhin behaglich eingewickelt hatte.

    „Sie sind der berühmte südafrikanische Millionär, — nicht wahr, Herr Rhondel?‚

    „Man behauptet es.‚

    „O, Sie brauchen nicht ärgerlich zu werden! Ich wollte Sie nur warnen, denn hier an Bord sind einige Bauernfänger; ich bin dem Doktor um den Bart gegangen, bis er es mir gesagt hat. Auf den paar letzten Fahrten haben die Schwindler so viele Tauben gerupft, dass jetzt die Gesellschaft einen Detektiv zum Aufpassen mitnimmt. Welcher der Herren aber dieser Detektiv ist, konnte oder wollte mir der Doktor nicht sagen. Meiner Ansicht nach ist es der Geistliche, der hochwürdige Herr Abel Lankin.‚

    „Nein, nein, der gewiss nicht,‚ entgegnete Herr Rhondel.

    „Aber ich hab’ ihn nun einmal im Verdacht. Sein Aussehen ist zu unschuldig, um natürlich zu sein. Sehen Sie sich ihn nur einmal an, dort steht er mit dem verrückten Frauenzimmer. Ist der nicht das reinste Schaf? Nun, ich hoffe nur, dass es ihm gelingt, die Betrüger zu entlarven.‚

    Herr Rhondel schloss sich dieser Hoffnung an, und dann sprang die Unterhaltung der beiden von einem Gegenstand zum andern über. Ruhig zog indessen das mächtige Schiff — der grösste und schnellste Passagierdampfer der Welt — durch die Wogen dahin.

    Offenherzig und rückhaltlos wie ein Kind gab sich Frau Eyre ihrer neuen Freundschaft hin. Sie erzählte dem Freunde nicht nur ihre eigene ganze Lebensgeschichte, sondern auch alles, was sie von ihrem Gatten wusste.

    „Ich bin früher in New York Telephonistin gewesen,‚ vertraute sie Herrn Rhondel an. „Meine Eltern hätten mich zwar daheimbehalten können, aber ich wollte nicht. Als ich Bob kennen lernte, war er Wagenführer auf der Strassenbahn, und als wir heirateten, schon Inspektor. Unsre Hochzeitsreise machten wir an den Niagara, und zum Schluss erlaubten wir uns noch einen Aufenthalt im Hotel Manhattan — bis die Dollars zu Ende gingen. Da wir beabsichtigt hatten, uns in New York niederzulassen, waren wir eben auf der Suche nach einer kleinen Wohnung, als die Nachricht kam, die uns jetzt in die alte Heimat treibt.‚

    „Welche Nachricht?‚ fragte Herr Rhondel, während er sich bedächtig eine neue Zigarre an dem glühenden Restchen der alten anzündete, das er dann über Bord in den Wellenschaum warf. Diese offenherzige, niedliche Frau fesselte ihn wirklich, und er stellte seine Frage nicht nur aus Neugierde.

    „Ja, ja, für Sie ist diese Frage eine höchst einfache Sache. Sie können mit Leichtigkeit ‚welche Nachricht‘ fragen, die Antwort darauf ist aber für mich durchaus nicht so einfach. Ich verstehe die Geschichte ja selbst nicht und bin sehr im Zweifel, ob es bei Bob anders ist. Ganz langsam und mühselig habe ich die Erklärung Stück für Stück aus ihm herausschälen müssen wie den Kern aus einer Nuss, und dann blieben erst noch ein paar Restchen drinnen stecken. Sehen Sie, Bob war drüben in Irland ursprünglich Gutsbesitzer gewesen; aber dieser Besitz hatte ihm keinen roten Heller eingebracht. Sein jährliches Einkommen betrug beträchtlich weniger als nichts; so zog er in die Vereinigten Staaten und überliess die Verwaltung der Hypotheken seinem Rechtsanwalt.

    Wie oft hatte er mir erzählt, er sei der erste seines Geschlechts, der je einen Pfennig selbst verdient habe. Dann hat der englische Kongress irgend einen Beschluss gefasst, wodurch der Wert des Grundbesitzes künstlich in die Höhe getrieben wird, und Bobs Grundstück ist dadurch plötzlich wertvoll geworden. Ich weiss nicht, wie sich alles zugetragen hat; aber die Pächter kauften das Land und der Staat bezahlte dafür; und Bob erhielt noch eine Gratifikation dafür, dass er überhaupt zu dem hohen Preise verkaufte.

    Dann kaufte die Regierung, der Senat, das Haus der Lords, oder meinetwegen auch der König selbst — was weiss ich — Bobs Schloss und den angrenzenden Grundbesitz, der nicht verpachtet gewesen war. Aber nachdem sie es gekauft hatten, verkauften sie es wieder an Bob, jedoch zu einem niedrigeren Preise, als dafür bezahlt worden war, und machten ihm also mit dem Überschuss einfach ein Geschenk. In dem Brief von Bobs Rechtsanwalt war alles erklärt; ich habe zwar natürlich kein Wort davon verstanden, nur der Schluss war klar und deutlich: durch den schönen Handel bekam Bob bare fünfzigtausend Pfund, und das alte Schloss auf der andern Seite wartet nun auch auf ihn.

    ‚Wir wollen hinüber, Kitty,‘ sagte er zu mir. ‚Wir werden alle beide unsre Freude daran haben. Ich bin mit den Leuten drüben immer gut ausgekommen, wenn wir auch wegen des Pachtzinses manchmal verschiedener Meinung gewesen sind. Sie werden sich über meine Rückkehr aber doch freuen, und beim Anblick der Frau Kitty Eyre werden die Leute unsrer Gegend grosse Augen machen. Wir zwei wollen aber auch Leben in die Bude bringen. In Irland hält man fünfzigtausend Pfund für ein Vermögen. Ich will den Leuten zeigen, was ein Gut bewirtschaften heisst. Wenn man’s richtig angreift, kommt sicher etwas dabei heraus. Wir richten einen Hühnerhof und eine Milchwirtschaft ein, und du, Kitty, darfst nur wählen, welches von den beiden du übernehmen willst; aber ich wette gleich hundert Dollar, dass meine Einnahmen die deinen am Jahresschluss weit übersteigen.‘ Nun, die Wette habe ich angenommen, nun heisst’s Hühnerkorb gegen Milchkanne. Meine Hühner sollen gewinnen, das ist beschlossene Sache.‚

    In diesem Augenblick kam Bob Eyre, in einem blauen Flanellanzug und hellgelben Schuhen mit Gummiabsätzen, vom Scheibenwerfen noch ganz erhitzt, dahergeschlendert. Er hatte eine hübsche, ebenmässige Gestalt, und die ganze Erscheinung zeigte durch ihren leichten Gang und die elastischen Bewegungen unverkennbar die gute Abstammung, wie ein Vollblutpferd die edle Rasse

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