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Am heiligen See
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eBook194 Seiten2 Stunden

Am heiligen See

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Über dieses E-Book

In den Bergen, am See, der Heimat seines Burschen Sepp, soll sich der ehemalige Leutnant Hermann von den schweren Kriegserinnerungen erholen. Als er zu Sepp in den Kahn steigt und sich die Sonne im See spiegelt, glaubt er plötzlich in Sepps Gesicht das Antlitz eines Mädchens wiederzuerkennen, dem er vor dem Krieg ein großes Unrecht angetan hat. In vergnügter Runde war er damals mit Freunden über Berg und Tal gestreift und sie hatten das letzte Schiff für die Rückfahrt verpasst. Ein junges Mädchen hatte selbstbewusst ihren Kahn für die Überfahrt angeboten. Jugendlicher Überschwang hatte erst einen der Freunde und dann auch Hermann auf dem See zudringlich werden lassen – vor lauter Angst war die Kleine in den See gesprungen und zurückgeschwommen. Als Hermann das Haus seines Kameraden betritt, wird seine Ahnung bestätigt: Sepps Schwester Resi ist das Mädchen von damals – seit der Stunde im kalten See ist sie schwer krank. Als Sepp das Erbleichen beider sieht, weiß auch er, wer schuld an dem Unglück von damals ist. Die totkranke Resi sieht die Dinge des Lebens aber von einer anderen Seite: ihr tiefer Glaube weist Herman den mühsamen Weg zum Glauben zurück und beweist, dass im Ringen um Gott die Freiheit des Menschen liegt. Mit Christus als Leitfigur wird aus tiefem Hass Freundschaft und aus Schuld entsteht Vergebung.-
SpracheDeutsch
HerausgeberSAGA Egmont
Erscheinungsdatum5. Aug. 2019
ISBN9788711592816
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    Buchvorschau

    Am heiligen See - Wilhelm Wiesebach

    www.egmont.com

    I.

    Ein sonniger Julitag.

    Der See lag blau in die Felsen gebettet wie ein tiefes Mannesauge, und die Felsen bildeten die wetterharte Stirn. Die majestätischen Berge ragten grau und weiss ins Himmelsblau, und zu ihren Füssen, am Ufer des Sees, wimmelte und zwitscherte das Menschenvolk. Sommerfrischler, Geheimräte, Professoren, Industrielle, Kaufleute mit Frauen und Töchtern, die sich mit ihren Dirndlkostümen und Grossstadtfrisuren vor den Königen der Bergwelt wie ein Zwerggeschlecht am Karneval ausnahmen.

    Hart am Ufer, da wo die weisse Landstrasse, sich sanft neigend und zu einem weiten Platze sich verbreiternd zum See abfiel, lag ein Nachen festgepflockt, eine flache, breite Zille, die ihr schlankes Vorderteil hoch über den Wasserspiegel erhob, wie alle Kähne, die den See befuhren.

    Auf dem Sitzbrett des Hinterschiffs kauerte ein Bursche in kurzer bayerischer Lederhose, mit gebräunten Knien und blühweissem Hemd. Der graue Rock lag auf der vorderen Sitzbank. Die braune Rechte hatte das Ruder gefasst und plätscherte damit. Den linken Arm hielt er auf das Knie gestemmt, und die Hand umfasste das Kinn. Der mit einem bunten Blumenstrauss geschmückte Filzhut lag in den Nacken zurückgeschoben. So spähte er unverwandt auf die Landstrasse hinaus. Ab und zu zog er die dicke Uhr an der massigen Kette aus der Hosentasche und klopfte ungeduldig mit dem schwerbeschuhten Fuss den Boden des Nachens.

    Da knirschten Wagenräder im Sand der Strasse. Ein offener Landauer kam in schlankem Trab angefahren. Darin stand aufrecht ein Herr in grauem Reiseanzug und weissem Strohhut. Braune Koffer wackelten auf dem Bock neben dem Kutscher. Der Bursche im Kahn sprang auf; sein schwarzes Auge, sein ganzes braunes Gesicht leuchtete. Mit einem Satz stand er neben dem Wagen, der dicht am Ufer hielt, und streckte beide Arme dem Ankömmling entgegen.

    „Grüss‘ Sie Gott, Herr Leutnant, grüss’ Sie Gott!"

    „Guten Tag, Sepp! Grüss’ dich Gott! Schau, da bin ich, nun hast du mich endlich."

    Die beiden jungen Männer hielten ihre Hände fest ineinander und schauten sich eine Weile mit leuchtenden Blicken in die Augen.

    „Nun komm, Sepp. Ist das dein Kahn?"

    Sepp nahm die Koffer und half dem Leutnant in den Nachen.

    „So, Herr Leutnant, wenn Sie sich jetzt hier auf den Stuhl setzen wollten, dann könnten wir losfahren." Damit wies er auf den in der Mitte des Kahnes stehenden roh gezimmerten Lehnstuhl.

    „Wenn er nicht umfällt! Ist er fest?"

    „Der hat schon viele Fahrgäste getragen, alles mögliche Volk: Engländer und Amerikaner, auch schon Franzosen . . ."

    „Vergessen wir die Herren! Sepp, es sitzt sich hier ausgezeichnet."

    Sepp stand aufrecht auf der äussersten Kante des Hinterschiffs und stiess das Fahrzeug mit dem breiten Ruder vom Lande ab. Nun glitt es, wie von unsichtbaren Händen geschoben, in gleichmässigem Fluss über den regungslosen Wasserspiegel.

    Die Insel kam näher. Aus dem Gebüsch schaute das Nepomukbild. Dicht unter Ahornästen schwebte das Boot wie ein Schatten vorüber.

    Ein „Ah!" des Entzückens entrang sich der Brust des jungen Fahrgastes.

    Rechts und links standen zwei schroffe, trotzige Felskulissen senkrecht in den See hinein, und in der weiss und goldig schimmernden Ferne öffnete sich eine unirdische Wunderwelt. Ernste dunkle Tannenwälder, kühne Felsschroffen, grüne Matten und hoch darüber weisse Schneefirnen im Sonnenlicht des Spätnachmittags erglühend, das blaue Wunder des Sees, der flimmernde Himmel mit fahrigen Wolkentschwaden.

    „Herr Leutnant, und das sollten uns die Russen oder Franzosen genommen haben!"

    Sepp tat ein paar kräftige Ruderstösse, dass der Kahn nur so über die Flut dahinflog. Wie hatte er sich schon lange darauf gefreut, seinen Leutnant in diese seine Welt zu tragen!

    Der Angeredete sagte nichts. Er stieg nur von seinem Stuhl herunter und setzte sich, an ein Sitzbrett zurückgelehnt, auf den Boden des Kahns. Er warf den Hut zum Gepäck hinter sich, streifte die Rockärmel hinauf und liess die Hände bis zum halben Unterarm ins Wasser hängen. Sein bleiches, mageres Gesicht überflog eine schwache Röte; die leichte Brise, die von den Bergen zum See niederstieg, spielte mit seinem blonden Haar und verwischte den feingezirkelten Scheitel. Der halbgeöffnete Mund trank in gierigen Zügen die kühle Luft, und die matten Blauaugen nahmen von Sekunde zu Sekunde an Glanz zu. Es kam ihm vor, als ströme die kühle Flut, die seine Pulse umschmeichelte, durch seine heissen Adern, und als weite und kläre sich seine Stirne in der weltweiten Sicht.

    Ein Läuten wie von schweren Glocken hallte ihm aus dem gewaltigen Tempelrund der Felsnatur entgegen und hoch über den tiefen Glockentönen lag ein feiner leiser Akkord von Geigen- und Harfenklang.

    Die Sonne sank tiefer hinter den Bergen und ein geheimnisvolles, violettes Dämmern liess seine Schleier vom blauen Himmel niedergehen, unter denen die Felsfirsten rötlich schimmerten in blendendem Kontrast zu den schwarzen Tannen zu ihren Füssen.

    Die Berge standen um den See wie eine Schar gepanzerter Riesen der Vorzeit um die Wiege eines zarten Königskindes. Es lag wie ein ehrfürchtiges Staunen ob der weichen Hilflosigkeit des Sees, wie ein Anbeten der kinderduftigen Reinheit auf ihren gewaltigen Stirnen. Sie drängten sich immer dichter und dichter hinzu, und einer schaute dem andern über die Schulter und schien sich an dem wohligen Atmen und goldigen Lächeln des Kindes zu freuen. Und eine Sorge hatten sie um das Kind! Von allen Seiten strömte die Milch der weissen Staubbäche ihm zu; Alpenblumen warfen sie ihm entgegen und stellten kleine Schweizerhäuschen als Spielzeug auf. Ein besonders gewaltiger Recke, der sein Haupt mit dem gehörnten Germanenhelm weit über seine Nachbarn erhob, hatte seinem Liebling etwas ganz besonders Feines geschenkt, ein weisses Kirchlein mit rotem, zwiebelkuppeligem Türmchen und ein Dutzend bunter Häuser dazu. Das Kind musste die Riesen alle recht lieb haben, denn ihr Bild strahlte immerwährend aus seinen Blauaugen; aber das Kirchlein hatte es besonders gern, weil es so bunt auf dem weichen gelben Sand stand und sich streicheln liess.

    So phantasierte Sepps Gast in den sinkenden Abend hinein.

    Plötzlich zuckte es wie ein Blitz durch sein Gehirn. Jetzt, ja jetzt! Die Beleuchtung, genau die Beleuchtung über demselben Seebild hatte er schon einmal gesehen! Das war vor zehn Jahren! Eine Blutwelle schoss ihm in die Stirne. Er reckte sich mit einem Ruck im Sitzen empor. Ja, vor zehn Jahren war es, im dritten Semester seiner Universitätsstudien. Von München aus hatten sie, drei lustige Kommilitonen, einen Ausflug ins Gebirge und an den See gemacht. Ah, wie viel tiefer war doch jetzt der Eindruck des Geschauten als damals im ersten Jugendüberschwang! Aber das andere! Jetzt hatte er es! Sepps Gesicht und das des Mädchens von damals waren dieselben. Aber er hatte nie von einer Schwester gesprochen, auch dann nicht, wenn sie einmal gemütlich miteinander geworden waren. Doch das war so seine stolze, verschlossene Art. Und erst Sepps Gesicht damals, als er aus der Ohnmacht nach dem ersten Verbinden im Sanitätsunterstand erwacht war! Diese Angst in des treuen Burschen Zügen, genau die heilige Todesangst in des Mädchens Auge bei der verfluchten Kahnfahrt.

    Was hatten sie sich damals dabei gedacht!

    Sie hatten das Touristenschiff, da wo es die Wende zur Rückfahrt macht, verlassen und waren in Wald und Fels umbergestreift. Mit dem letzten Schiff am Abend wollten sie heimkehren, hatten es aber verspätet. Jetzt galt’s, einen Kahn und einen Schiffer zu finden. Alle Bootsleute waren schon von Reisenden mit Beschlag belegt. Nur ein Kahn war übrig, hatte aber keinen Mann als Führer. Sie klopften und baten an zwei, drei Blockhäusern, aber alle Männer waren fort. Allein wollte und durfte man die unkundigen jungen Leute nicht fahren lassen.

    Da erbot sich ein kräftiges junges Mädchen aus Mitleid mit den Verzweifelten, sie über den See zu rudern. Vielleicht würde sie auf der Fahrt ihren Bruder mit seinem Kahn treffen, der schon Fremde zurückruderte und jetzt auf der Heimfahrt begriffen sein musste. Dann könnte er ja ihren Kahn nehmen und sie selbst in den seinen übersteigen, um wieder nach Hause zurückzufahren.

    Die Studenten freuten sich in dem Gedanken, von einem frischen, schönen Dirndl über den See gerudert zu werden. Heitere Scherze und unverblümte Komplimente umflogen das Mädchen, als es den Kahn zur Abfahrt fertig machte und sich mit dem grossen Ruder auf die breite Bank des Hinterschiffs stellte. Die übermütige Laune stieg mit jedem Ruderschlag und die poetische Stimmung mit dem Abendglühen der Bergkronen, über dessen Widerschein im Wasser sie dahinfuhren. Grüne, blaue und rote Lichter zuckten und webten in der von den Felsen eingeschlossenen Luft wie eine Waberlohe durcheinander. Einer der jungen Herren schmetterte den Walkürenruf in die Stille hinaus, sprang auf und wollte die Ruderin umfassen und küssen. Im selben Augenblick sass ihm die Hand des. Mädchens klatschend auf der Wange. Er torkelte zurück und brachte den Kahn bedenklich ins Schwanken. Als sei nichts geschehen, ruderte das Mädchen ruhig weiter, aber um ihre Mundwinkel ging ein Zucken, und in ihren schwarzen Augen standen Tränen. Die Herren Studenten sassen still und verschüchtert da; keiner sagte ein Wort. Sie fühlten sich wie gezüchtigte Hunde. Nach einer Weile erhob sich der Missetäter und bat ernst und ehrlich, wie vor einer Dame, um Verzeihung.

    Der arme Kerl, Egon Weissenfels, ein ganzer Mann vom Scheitel bis zur Sohle, später hochgeachteter Offizier, hatte bei Arras den Heldentod gefunden. Von manchen war er als Weiberfeind verlacht worden, weil er im Kriege gegen jede Art leichterer Lebenshaltung mit aller Strenge einschritt. Das hatte das Schiffermädchen aus ihm gemacht.

    Er, Hermann Stürmer, hatte sich über die Entschuldigung des Kommilitonen geärgert, hatte sich nach dem Mädchen umgewendet in dem Gedanken, ihr durch ein gemütlich-zutrauliches Benehmen die Stellung als Siegerin wieder zu entreissen. Er langte mit dem Arm nach ihr, um sie zu umfassen. Da warf das Mädchen das Ruder nach ihm und sprang in seiner heldenmütigen Angst ins Wasser. Starr vor Schrecken sassen die andern da und schrien der dem Ufer zuschwimmenden nach, bis sie im Abenddämmer entschwand. Ihr blumengeschmückter, breitrandiger Hut schwamm auf den wie im leisen Erschauern sich kräuselnden Wellen.

    Mit heisser Anstrengung gelangten sie endlich im Dunkel zum Anlegeplatz an der Landstrasse und flohen wie böse Buben noch in der Nacht zur nächsten Bahnstation. In den folgenden Tagen suchten sie mit zitternder Angst in den Zeitungen nach einem Bericht über ihr Abenteuer. Wenn das Mädchen ertrunken wäre! Aber es verlautete nichts.

    So hatte Hermann Stürmer die Schreckendstunde im Laufe der Jahre vergessen. Es war ja auch nur ein dummes Bauernmädel gewesen. Wer wollte sich da noch viel kümmern!

    Und nun fiel ihm das Begebnis heiss auf die Seele. Es war ihm, als stächen ihm Sepps Augen forschend ins Herz. Er wandte sich um und streifte mit einem prüfenden Blick Sepps Auge. Der aber schaute ganz unbefangen drein und meinte so obenhin:

    „Ja, Herr Leutnant, jetzt sind wir gleich daheim. Schauen Sie, da hinten am End’ des Sees liegt unser Häuserl. Und die Stube unter dem Giebel mit den zwei offenen Fenstern und dem kleinen Vorbau, die ist für Sie eingerichtet. Da sollen Sie bald gesund werden."

    Wie konnte er aber auch auf den Kindischen Gedanken kommen, dass Sepp etwas von der Begebenheit wusste und erst recht, dass er ihn als den traurigen Helden von damals erkannte? Das Mädchen musste ja längst verheiratet sein und war vielleicht weit fortgezogen. Die ganze unangenehme Geschichte war sicher in der Gegend vergessen. Aber das nervöse Hämmern seines Herzens wollte sich doch nicht beruhigen.

    „Schauen Sie, Herr Leutnant, da steht die Mutter schon an der Türe und erwartet uns."

    Hermann Stürmer schaute wie geistesabwesend hinüber, indes Sepp zu gewaltigen Ruderschlägen ausholte.

    Jetzt schlug der Kahn einen Bogen und verlangsamte die Fahrt. Knirschend legte er am Ufer an. Sepp warf das Ruder auf den Rasen, fasste die Koffer und sprang leichtfüssig hinaus. Von seiner Hand gestützt folgte ihm der Gast.

    Vom Hause her kam eine grosse stattliche Frau in der adeligen Landestracht den Uferhang hinunter.

    „Das ist meine Mutter, Herr Leutnant."

    Die Frau reichte Hermann Stürmer die schwielige Hand und drückte sie mit einer Herzlichkeit, die noch mehr sagte als ihr schlichter Gruss:

    „Seien Sie herzlich willkommen, Herr Leutnant, mein Sohn hat mir soviel von Ihnen erzählt, dass Sie gar nicht wissen, wie sehr ich mich freue, Sie ein paar Wochen in unserem Haus zu haben." Dabei fasste sie mit beiden Händen des Gastes Hand. Der wusste nicht, was er sagen sollte, so war er gefangen von der schlichten, ehrlichen Art der alten Frau. Die ganze Ehrlichkeit, die in ihren Worten lag, begriff er allerdings noch nicht. Und das war in diesem Augenblick gut für ihn.

    „Ich danke Ihnen — fast hätte er gesagt ,gnädige Frau‘. — „Hoffentlich falle ich Ihnen nicht zu sehr zur Last, aber Ihr Sohn wollte es nun einmal nicht anders.

    „Und ich auch nicht." Dabei leuchteten ihre schwarzen Augen unter der freien Stirne.

    Hermann Stürmer konnte den Blick nicht von ihr lassen. Wieder dasselbe. Gesicht von damals! Viel Arbeit und wohl auch Sorgen hatten ihr Runen um den Mund in die Wangen gegraben. Aber sie hatten nicht vermocht, die festen, energievollen Züge zu verwischen, die unter den Falten und Fältchen wie ein Heldengedicht von Mutterglück und sorgender Liebe hervorleuchteten. Die Krähenfüsschen, die strahlenförmig auf das Auge zuliefen, als wollten sie es zerhacken, vermochten nichts gegen die innere Fröhlichkeit und Seelenstärke, die aus den Tiefen des Auges wie ein heimeliges Feuer strahlte. Das Leid war wohl manchmal auf diese echte Tochter ihrer stolzen und starken Heimat hereingestürmt, aber die Spuren, die es in dieser Seele zurückgelassen hatte, mussten wohl nur vermehrte Kraft erzeugt haben, denn das schwere in Zöpfen um den Kopf gelegte schwarze Haar durchzogen nur vereinzelte Silberfäden.

    Die drei gingen langsam in der kühlen Abendluft dem Hause zu, dass mit seinen blumenstockgeschmückten Fenstern auf den See hinausschaute.

    Hermann Stürmer konnte den Blick nicht von der alten Frau lassen, die mit einem seiner Koffer vor ihm herging. Und dann schaute er wieder traumverloren in die Bergeinsamkeit, da wo sie, vielleicht eine Stunde hinter dem Hause, am tiefsten war und am geheimnisvollsten durch die Silberzunge eines Staubbaches sprach. Man sah ihn wohl von der Höhe ins Tal niederschiessen, hörte aber sein Rauschen nicht. Immer mehr kam Hermann zum Bewusstsein, wie die grosse Natur hier grosse Menschen geschaffen hatte, nur dass er noch nicht klar sah, worin die Grösse dieser Menschen bestand. Er selbst fühlte sich nur so unendlich klein vor diesen Bergen und diesen Menschen.

    So trat er ins Haus. Die Mutter reichte Sepp den Koffer. „Führ’ den Herrn Leutnant gleich auf sein Zimmer, dass er sich etwas erfrischen und es sich bequem machen kann. Dann holst du ihn nach einem Viertelstündchen zum Essen ab."

    Damit verschwand sie in einer Türe an der Seite des kleinen dunklen Hausflurs.

    Sepp stieg seinem Gast voraus die steile, enge Stiege hinan, an deren Kopf die Zimmertüre weit offen stand. Ohne sich umzuschauen, ging Hermann gleich zum offenen Fenster.

    Da lag das ganze zauberisch schöne Rundbild vor ihm. Blau die Berge und der See tiefschwarz. Hoch darüber spannte sich ein grünseidener Himmel,

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