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Weltenbruch - Das Mal der Sonne
Weltenbruch - Das Mal der Sonne
Weltenbruch - Das Mal der Sonne
eBook454 Seiten5 Stunden

Weltenbruch - Das Mal der Sonne

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Über dieses E-Book

Die erste Veröffentlichung nach acht Jahren Weltenbau! Fünf Autoren erzählen von einer Zeit der Verzweiflung in der Welt Divoisia.

Crowdfunding-Erfolg
119 Unterstützer haben die unglaubliche Summe von 6.430 gespendet und damit diese Veröffentlichung möglich gemacht. Der Großteil des Geldes ist in ein professionelles Lektorat und die Illustrationen geflossen.

Im Westen versinkt die von Kriegen geplagte Welt der Menschen im Chaos. Krankheit, Hunger und Gewalt zwingt viele, in die entlegensten Teile des Kontinents zu ziehen. Als sie glauben, endlich in Sicherheit zu sein, erscheinen die Boten des Sturms. Sie predigen vom Untergang der ihnen bekannten Welt, aber auch von einem Ort im hohen Norden voller Liebe und Gnade, an dem all jene Zuflucht finden werden, die reinen Herzens sind. Währenddessen wirft die Sonne im Osten ihren Schein über ein riesiges Gebirge und erhellt eine neue Welt, auf die verschiedenste Völker ihre ersten Schritte setzen. Sind sie die letzte Hoffnung auf eine harmonische Zukunft Divoisias?

18 Geschichten aus Divoisia. Jede ist unabhängig von den anderen lesbar, aber es können zahlreiche Verknüpfungen gefunden und Geheimnisse gelüftet werden.

Das Buch wird von einer kostenlosen App begleitet, mit der Symbole eingescannt werden können, die am Ende einer jeden Geschichte zu finden sind. So werden kleine, zusätzliche Inhalte freigeschaltet, die aber nicht für das Verständnis notwendig sind.
SpracheDeutsch
HerausgeberDivoisia GbR
Erscheinungsdatum30. Jan. 2020
ISBN9783967992106
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    Buchvorschau

    Weltenbruch - Das Mal der Sonne - Oliver Alraun

    Inhaltsverzeichnis

    Die Divoisia App

    Haldîr-Saga

    Aus der Angst

    Pfad der Äschernen

    Seelenlicht

    Schatten der Vergangenheit

    Ein unwiderstehliches Angebot

    Anders

    Mut der Verzweifelten

    Ewy

    Unter der Sonne

    Stammtisch

    Gewitternacht

    Verschollen

    Im Sturm der Dämmerung

    Bändigung des Greifen

    Ero"ru’Tahori

    Trollschlächter

    Angst der Furchtlosen

    Danke

    Divoisia

    Impressum

    Die Divoisia App

    Kreiere dein persönliches Divoisia-Lexikon!

    Du wirst beim Lesen des Buches immer wieder Symbole entdecken, die du mit der kostenlosen Divoisia App einscannen kannst. Dahinter verbirgt sich jeweils ein zusätzlicher Inhalt, der so freigeschaltet wird. Das kann ein Steckbrief zu einem Charakter, Hintergrund zu einem Ort, Dokument aus Divoisia, oder eine zusätzliche Zeichnung oder weitere Überraschung sein. Nichts davon ist aber für das Verständnis der Geschichten notwendig, du musst unsere App also nicht zwingend verwenden.

    Du findest die App unter »Divoisia« im Google Play Store (Android) und im App Store (iOS) und kannst sie dort direkt auf dein Smartphone oder Tablet herunterladen. Dann musst du in der App nur noch deinen kostenlosen Divoisia-Account erstellen und kannst dich auch schon auf die Suche nach dem ersten Symbol machen. Alles Weitere wird dir in der App erklärt.

    TEIL 1

    Haldîr-Saga

    Autor: Laura Schiereck

    Lasst euch erzählen von Haldîr, der Axt des Windes und dem Stürzer der Tyrannen. Ich war sein Begleiter, sein Kamerad. Ich folgte ihm auf seiner Reise, die ihn hierher führte. Zu euch, hohe Menschen des Westens. Gruselt euch mit mir. Freut euch. Weint mit Haldîr. Ich erzähle euch, wer er ist und dass ihr euch nicht zu fürchten braucht, solange es ihn gibt, ihn, der zwischen uns und dem Bösen steht.

    Haldîr, großer, starker Mann - so kühn und auch so weise

    Der, der von der Küste kam - bewund’re und lobpreise

    Trîtêm schenkte ihn der Welt - sie sicherer zu machen

    Geister, Monstren zu bekämpfen - und über euch zu wachen

    Der Wind und der Sturm wurden seine Brüder als sie merkten, welch großes Schicksal ihm vorherbestimmt war. Sie begleiteten ihn bis weit in den Süden, wo er auf die schöne Witwe Hild traf, die ihren Mann, den Jarl, betrauerte. Sie erzählte von einem Monster, das ihn getötet hatte. Und so zog Haldîr los, ihm seine gerechte Strafe zukommen zu lassen, denn er konnte das Vergehen an der Unschuld nicht einfach hinnehmen. Er stellte es auf freiem Felde und sprach:

    »Monster, das du so voller Hass und Lust am Leid der Welt bist. Du tötest aus Gier und so werde ich dich töten, denn du bedrohst die Gerechtigkeit und den Frieden in diesem Land.«

    Haldîr stürmte mit dem Wind - die Axt in seinen Händen

    Und wie der Wind so stach er zu - den Schrecken zu beenden

    Das Monster biss und schlug nach Haldîr, doch er ist ein Mann des Kampfes! Nicht einmal die großen Nordbären wollten sich einst in seinen Weg stellen. Und so schnitt er dem Monstrum den Kopf von den Schultern. Die Witwe Hild begann zu weinen, doch es waren Freudentränen. Sie fiel ihm um den Hals, küsste ihn, doch Haldîr senkte ergeben das Haupt.

    »Werde mein Jarl, Haldîr«, rief sie.

    »Ich bin ein einfacher Bauerssohn«, antwortete er.

    »Haldîr«, sagte sie und hob seinen Kopf. »Vertraue meinen Worten. Du wirst ein Held sein.«

    Und er nahm sie zur Frau.

    Doch - oh weh! So viele Neider gibt es in der Welt. Der arge, der klägliche Aramêus, Schattentyrann, Rattenkönig von Vêmenhâven, gönnte unserem Helden sein Glück nicht.

    Der Rattenkönig ritt herbei - sein Schwert im Wahn erhoben

    Er lachte wirr und stach dann zu - nahm Hild, ach weh, das Leben

    Der Rattenkönig floh mit blutigem Schwert in den Schoß der Hexe zurück, die ihm seine Macht geschenkt hatte. Der schwarzen Königin. Der Mutter aller Angst. Wohl trägt sie hier andere Namen. Sie ist die Schöpferin des Schlechtens, der dunklen Magie und der Krankheiten, die eure Kinder und eure Alten befallen. Als ihr Diener war der Schattentyrann zu ihrer rechten Hand geworden. Zu einem Unterdrücker, der mit gierenden Augen in den Westen sah und Reichtümer entdeckte, die seine Rattenkrallen niemals fassen würden. Haldîr schwor noch an Hilds Grab, dass er Rache an Aramêus üben würde. Er sah, wie er das Land immer mehr vergiftete und so stürmte er die Rattenfeste und fand ihn bettelnd auf den Knien. Erbärmlich winselnd wie ein kranker Köter. Zerfressen von Hass und Neid. Allein, ohne die führenden Ketten seiner Königin, die ihn aufrecht gehalten hatten. Haldîr erlöste ihn und sein Reich mit einem einzigen, gnädigen Schnitt. Da erblickte er eine Lichtgestalt.

    Wie ein Stern vom hohen Himmel - so fiel Âramêa nieder

    Rattenblut, doch fand sich in ihr - des Vaters Gift nicht wieder

    »So rette mich«, flehte sie mit zitternden Lippen und küsste seine Finger. »Ich will dir schenken, was mein Vater dir nahm. Ich will dich heiraten, dich ehren und deinen Kindern eine Mutter sein, um dieses Land zu regieren.«

    Und so wurde unser Haldîr zum Lord von Vêmenhâven. Er befreite das Volk von der Ratte und bald schon sollte Lady Âramêa ein Kind erwarten. Doch erinnert euch:

    Trîtêm schenkte ihn der Welt - sie sicherer zu machen

    Tyrannen, Hexen zu bekämpfen - um über euch zu wachen

    Im Westen hörte die schwarze Königin von Haldîrs Taten. Voller Bosheit und Hass stahl sie Lady Âramêa und ihr ungeborenes Kind. Sie floh bis in die Stadt Vardar, in der Met in den Brunnen fließt und an allen Bäumen Äpfel und Pflaumen und blaue Birnen zur selben Zeit wachsen.

    Haldîr ritt über die goldenen Straßen nach Vardar und fand die schwarze Königin, die sich als Zauberin mit eisblauen Augen verkleidet hatte. Wie eine Wugengeburt sah sie aus. Wie eines jener Magiewesen, die euch im Schlaf mit ihrem Hexenwerk die Seele rauben – sicher fürchtet auch ihr euch hier vor ihnen?

    »Haldîr! Du wirst mich nie besiegen!«, krächzte sie und ihre Magie ließ aus allen Schatten Krieger auf unseren Helden zustürmen.

    Auf der Königin Geheiß - zog Zwielicht durch die Straßen

    Und aus den Schatten krochen - Wugen in Vardars Gassen

    Haldîr, unser Held, erhob - kühn die silberweiße Waffe

    Er dacht’ an Hild und Âramêa - und sann auf wohlverdiente Rache

    Besiegte einhundert Mann allein - auf Vardars gold‘nen Wegen

    Dank seinem Mut und seiner Kraft - und Dank Trîtems Segen

    Doch, ach, die schwarze Königin - hat mehr als ihre Truppen

    Ihr wuchsen Hörner, Flügel, Klauen - und bitterschwarze Schuppen

    Der Drache wuchs, es regnete Steine - als das Biest die Straßen sprengt

    Bis sein krumm verdrehtes Horn - sich gar im Mondlicht selbst verfing

    Haldîr warf seine Axt empor - krachend knackten Knochen

    Und glatt durchtrennte Silberstahl - den Hals des schwarzen Drachen

    Der Kopf der finst‘ren Bestie - fiel Haldîr vor die Füße

    Brüllte, mit dem Tode ringend - »Dafür tust du Buße!

    Alles Böse dieser Welt - will ich vor dir warnen

    Will mit diesen Bergen - die and’ren Monster mahnen!«

    Und als der Körper des Drachen zu Boden fiel, brach Vardar. Die Häuser stürzten unter der Last des Monsters zusammen, die Straßen barsten und in den Steinregen mischten sich schwarzes Drachenblut und das Gold von Vardars Straßen. Und als die Magie mit dem Blut aus dem Drachenhals quoll, fielen auch die Flügel zu Boden. So weit, dass ein Mensch nicht sehen könnte, wo die Flügelspitzen landeten. Sie warfen dreckige Wellen, wühlten den Boden auf. Nicht nur Vardar – die ganze Welt brach entzwei. Und die schwarze Königin baute im Tode aus ihren Flügeln eine Mauer, ein Gebirge, das Haldîr für immer von seiner Heimat fernhalten und all das Böse der Welt warnen soll, dass er sogar eine Bestie töten konnte, die die Erde selbst hätte besiegen können.

    Doch wo ist seine Gattin Âramêa? Ihre Spuren sind blass. Wir folgen ihnen. Hört, Menschen. Der große Haldîr würde Berge versetzen, um sie zu finden. Er würde noch hundert, noch tausend düstere Magier besiegen, Wugen köpfen, Drachen töten, um zu seiner Frau und seinem Kind zu gelangen. Sucht nach der Grenze der Welt, nach den Bergen, die sie nach Haldîr benannt haben, die ein Mahnmal für jene sind, die denken, dass sie ihn davon abhalten könnten, seiner Bestimmung zu folgen.

    Aus der Angst

    Autor: Laura Schiereck

    Augen. Es sind mindestens ein, vielleicht zwei Dutzend Augen. Braune, blaue … einige sind grau. So grau wie das Meer, in dem sie beinahe ertrunken wäre. Sie machen ihr Angst. Sie zieht den Kopf zwischen die Schultern. Wo ist sie hier? Wer sind all diese Menschen? Wo sind all jene, mit denen sie über das Meer gefahren ist?

    Eine hagere Frau bahnt sich einen Weg durch die Menge, vorbei an den Männern, die sie festhalten. Die Hände, mit denen sie einen der beiden Männer aus dem Weg schiebt, sind aufgerissen von harter Arbeit. Aszka kennt solche Hände – die ihrer Mutter sahen genauso aus. Ihr Herz zieht sich zusammen, als sie sich erinnert, dass sie ihre Mutter verlassen hat. Dort allein gelassen, wo das Blut den Boden tränkt. Wo Kinder sterben und Frauen und Männer weinen. Aszkas Unterlippe zuckt. Sie alle sterben. Alle um sie herum sterben.

    Kara hatte noch nie so einen Menschen gesehen. Ihre Haut ist viel dunkler als ihre eigene. Ihr Haar ist beinahe schwarz und ihre Augen sind klein und haben die Farbe von Bernstein. Kara würde die Fremde gerne berühren, würde gerne fühlen, ob ihre Haut so warm ist, wie sie aussieht. Sie muss fürchterlich frieren. Ihre Mutter bahnt sich einen Weg durch die Menge und legt der Fremden eine Decke um die Schultern.

    Diese Augen.

    Kara würde sie gern in den Arm schließen und ihr die Angst nehmen, die ihr so deutlich ins Gesicht geschrieben steht. Ob ihr Haar auch so dunkel aussieht, wenn es getrocknet ist?

    Einige Norrvask treten zur Seite und machen Ignaia Platz. Sie ist ihre Anführerin. Die Frau, von der wie immer eine Aura der Wärme ausgeht. Die Norrvask verharren erwartungsvoll, während sie die Fremde mustert.

    »Wie heißt du?«, fragt sie ruhig.

    Die Fremde schweigt. Sie starrt die Frau mit dem roten Haar an, als würde sie in das Gesicht einer längst verstorbenen Seele blicken. Kara kann es ihr nicht verübeln. Ignaia wirkt schon auf den ersten Blick nicht wie eine normale Frau. Sie ist groß, größer als viele der Männer hier. Sie ist schön, schöner als alle anderen Norrvask. Und in ihrer Gegenwart wird einem warm. Kara hatte sich häufiger gefragt, ob es ein Zauber ist, den sie webt oder ob das Gefühl aus ihrem eigenen Herzen kommt, wenn sie mit der Güte jener Augen betrachtet wird.

    Ignaia spricht fremde Worte, doch wieder versteht die mit den Bernsteinaugen nicht. Noch einmal wechselt Ignaia die Sprache und dieses Mal begreift die Fremde. Sie wirkt erstaunt, dann erleichtert und nickt.

    »Aszka«, sagt die Fremde mit heiserer, vom Salz zerkratzter Stimme.

    »Dies ist Aszka vom Festland«, spricht Ignaia. Ihre Stimme ist so warm wie die Luft um sie herum. Nochmals richtet sie Worte an die Fremde. Aszka runzelt die Stirn. Sie nickt erneut, dieses Mal zögernd. Die Silben, die sie spricht, klingen wie Musik. Sie rollen über die geschwungenen Lippen der Fremden und erzählen von roten Sonnenuntergängen, Sand und Fernweh.

    »Aszka ist geflohen – wie wir einst. Auch sie floh vor dem, was die finsteren Götter mit dem Festland machen. Lasst sie uns wie eine von uns aufnehmen. Wie eine Norrvask, damit sie vergisst, welch Schrecken sie erleben musste. Bald wird Aelion wiederkehren. Dann entscheiden wir endgültig.«

    Die Norrvask brummen zustimmend, einige klopfen mit ihren Speeren und Angeln auf den Boden. Erneut ist es ihre Mutter, die vortritt. Sie beugt ihr Haupt vor Ignaia.

    »Ich will sie mit zu mir nehmen. Wir haben genug Platz und jemanden in ihrem Alter im Haus.« Ignaia sieht zu Kara, dann nickt sie und streckt ihre Hand nach der Fremden aus. Sie greift nach ihrer Hand, drückt ihre Finger sacht und schenkt ihr ein herzliches Lächeln.

    »Willkommen, Aszka. Deine Flucht ist vorbei. Dies ist ein Zuhause.«

    Die Fremde lächelt, doch Tränen treten in ihre Augen. Ein Schluchzer schüttelt ihren Leib. Kara tritt auf ihre Mutter und die Fremde zu.

    »Kara«, stellt sie sich vor und legt die Hand an ihre Brust. Aszka zieht die Decke dichter um ihren Leib. Ihre Lippen sind blau angelaufen. Die weiche Linie ist zerfranst von blutigen Rissen.

    »Kara, geh ins Nordhaus. Frag, ob sie dort noch Feuerkraut haben«, weist ihre Mutter sie an. Dann legt sie einen Arm um Aszka. »Komm, Kind. Bald wird dir warm sein.

    »Eins. Zwei. Drei.«

    Mit jeder Kelle Wasser füllt sich der Topf in der Mitte des großen Raumes.

    »Vier. Fünf … Sechs?« Aszkas Stimme verfällt in einen fragenden Tonfall. Ihr Blick sucht Kara, die eine auffordernde Geste macht. Mit einem kleinen Stock stochert sie in der Glut unter dem Gefäß. »Sieben. Acht …« Aszkas Stirn legt sich in tiefe Falten. Die Kelle verharrt in der Luft. Ein einzelner Tropfen fällt ins Feuer und zischt.

    »Neun«, hilft Kara ihr nach einigen Augenblicken und Aszka gießt eine weitere Kelle Wasser in den Topf.

    »Zehn«, sagt sie und legt die Kelle ab. Sie lächelt, dann deutet sie auf den Beutel in Karas Hand. »Kraut?«

    »Feuerkraut? Nein«, antwortet Kara und öffnet den Beutel. Ein Knochen kommt zwischen dem Leder hervor. Aszka verzieht das Gesicht, als Kara ihn in den Topf gleiten lässt. »Wir machen Suppe.« Sie unterstreicht ihre Aussage, indem sie beide Hände wie eine Schüssel formt und zu ihren Lippen führt. Aszkas Gesicht erhellt sich, dann schüttelt sie lachend den Kopf.

    »Zuhause … Wir sind nur …« Sie zögert. Erneut zeichnen sich dunkle Linien auf ihre Stirn. Kara amüsiert die Angewohnheit der fremdländischen Frau. Sie steht auf, beugt sich an dem Feuer vorbei und streicht mit der Hand über ihre Stirn. Aszkas Haut ist weich, obwohl sie die halbe Welt gesehen haben muss. Viele Meere, viel Salz und Blut. Aszka lacht laut und die Fältchen verschwinden. Sie greift nach Karas Hand und kneift ihr neckisch in den Finger. »Wir essen nur … Kraut. Blumen. Keine …« Sie deutet in den angrenzenden Teil des Hauses, in dem abends die Schafe unterkommen.

    »Keine Tiere«, antwortet Kara und Aszka nickt.

    »Nur Vögel.« Sie lässt ihre Hand los und hebt beide Arme wie Flügel, um wild damit zu schlagen. »Nur Männer Tiere.«

    »Nur Männer essen bei euch Fleisch?«, fragt Kara und Aszka nickt erneut. Es ist seltsam. Je mehr sie über die Welt erfährt, aus der Aszka kommt, desto mehr bewundert sie die Frau aus dem Süden. Männern ist dort vieles erlaubt, was Frauen verwehrt wird. Sie erzählte von Gewalt, von Druck und Angst und von der Flucht aus dem Osten. Sie erzählte, dass die Frauen ihre Ketten sprengen wollten, um frei zu sein, dass sie jedoch immer wieder eingefangen wurden, bis das Chaos auf dem Festland so groß wurde, dass man sie nicht wieder fand. Ihre Mutter war mit ihr auf dem Boot gewesen. Wenn Aszka von ihr redet, wird die Stimmung in dem flachen Haus meist gedrückter und die Mädchen wechseln das Thema. 

    Aszka hat trotz all der Geschichten über ihre Heimat ihren eigenen Kopf. Sie verteidigt ihre Meinung, lässt sich nicht kleinreden. Manchmal kann sie stur wie ein Wollbock sein.

    »Fleisch«, sagt Aszka und tänzelt um das Feuer herum. Sie greift nach Karas Hand und beugt sich hinunter, um ihr ins Ohr zu flüstern. »Durch Fleisch wird der Mann dumm«, säuselt sie in albernem Singsang.

    Kara kichert. Es klopft an den steinernen Eingang des Hauses.

    »Ja?«, ruft Aszka und richtet sich auf. Kara tut es ihr gleich. Maron kriecht gebückt durch den abgehangenen Vorraum. Der Norrvask ist groß, hat von der Feldarbeit trainierte Schultern und graublaue Augen. Aszka zieht Kara an der Hand hoch, die sie noch immer festhält, und sieht Maron entgegen.

    »Sei gegrüßt«, sagt sie und macht einen ungelenken Knicks. Kara räuspert sich.

    »Sei gegrüßt, Aszka«, antwortet er und das charmante Grinsen entblößt eine Reihe heller Zähne. »Ich wollte zu Kara.«

    Aszkas Blick schweift von ihm zu Kara, dann seufzt sie und nickt. »Ich gehe.«

    Ihre schmale Statur verschwindet zwischen den Fellen im Eingang und Maron schlendert mit weiten, langsamen Schritten auf sie zu. Ein scheues Lächeln stiehlt sich auf ihre Züge, dann hebt er die Hand vor ihr Gesicht und lässt eine Kette daran herabbaumeln. Daran hängt ein Bernsteinanhänger. Ein leuchtender Wolfskopf blickt Kara entgegen.

    »Die hier habe ich heute von meiner Großmutter bekommen. Sie will, dass ich sie dir schenke«, sagt er. Sacht umfassen Karas Finger den Anhänger. »Sie hat gesagt, dass das ein Zeichen unserer Verbindung ist. Sie hat sie damals von meinem Großvater bekommen«, erzählt er und lässt das Lederband los, an dem der kleine, goldgelbe Anhänger schwingt. »Ich habe auch gesagt, dass es vielleicht etwas früh dafür ist«, sagt Maron schnell. »Wir haben noch bis zum Sommer. Und vielleicht willst du ja auch erst im …«

    »Sie ist wunderschön«, unterbricht Kara ihn. Sie lächelt und sie schließt ihn rasch in ihre Arme. Stille hüllt die beiden ein. Wärme.

    Erneut ein Klopfen. Dieses Mal wartet jedoch niemand auf eine Antwort. Karas Mutter betritt den Raum. Sie wirft Kara einen flüchtigen Blick zu, als sie sich hastig aus der Umarmung windet. Sanfte Röte legt sich auf ihre Wangen. Maron hingegen legt einen Arm um ihre Schultern und senkt kurz das Haupt.

    »Rita. Ich grüße dich.«

    »Und ich dich, Maron. Schön, dich zu sehen.« Dann wendet sie sich ihrer Tochter zu. »Kara, Aszka wartet draußen. Treibt bitte das Vieh zusammen. Ignaia sagt, dass Hagel kommt.«

    »Ich helfe euch«, antwortet Maron und löst sich von Kara, um ihr nach draußen zu folgen.

    »Sie. Hat. Mich. Gebissen!«

    Maron hält Kara seine Hand unter die Nase. Sie greift danach, streicht über die roten Abdrücke, die Aszkas Zähne hinterlassen haben, um dann sacht seine Finger zu tätscheln.

    »Ich bin mir sicher, dass du den Schmerz ertragen wirst«, sagt sie und kann sich das Kichern nicht länger verkneifen. Aszka zwinkert Maron neckisch zu.

    »Kara, sie kann mich nicht einfach beißen – sag ihr das!«, schimpft Maron, doch auch er kann sich sein Grinsen nicht länger verkneifen.

    »Beiß halt zurück«, sagt Eldur und versucht, Aszkas Blick einzufangen, doch diese greift nach Karas Hand und zieht sie auf die Beine.

    »Sing!«, fordert Aszka Eldur auf. Dieser runzelt die Stirn. Aszka lacht laut, beugt sich zu ihm herab und streicht mit ihren Fingern über die zerfurchte Haut. »Sing, los!«

    Eldur zögert noch, dann aber beginnt er mit dunkler Stimme zu summen. Bald wird aus seinem Summen Gesang. Altbekannte Verse. Maron klopft dazu rhythmisch auf den Mahlstein vor sich und Aszka dreht sich mit Kara im Kreis. Flink fliegen ihre Füße über den Boden. Ihre Hüften wiegen im Takt und ihre Hände formen Blumen in der Luft. Dann fällt sie in den Gesang mit ein. Kara gibt sich alle Mühe zu folgen, doch Aszka fliegt, dreht sich immer schneller und bald kann sie ihrem Tempo nicht mehr folgen. Sie lässt sich erschöpft neben Maron nieder, doch Aszka tanzt weiter. Marons Hände wandern von dem Stein zu Kara. Sanft legt sich ein Arm um ihre Hüfte, während Eldur aufsteht und Aszkas Hände greift, um ausgelassen mit ihr zu tanzen. Die junge Frau lacht. Kara lächelt und schmiegt sich an Maron.

    »Ich wünschte, es würde immer so sein«, sagt sie und schließt die Augen. Maron schweigt, summt allein die Melodie, mit der Eldurs Stimme den Raum füllt. Es raschelt, als sich die Ochsen hinten im Stall regen. Draußen fegt der Wind. Doch Aszkas Lachen liegt über all den Geräuschen.

    »Wir können machen, dass es immer so ist, Kara«, sagt Aszka dann. Sie lässt sich von Eldur drehen, dann will sie sich neben ihre Freundin setzen, doch Eldur schlägt eine neue Strophe an und fasst Aszkas Hand für eine erneute Drehung fester. Sie windet sich mit einem beschwichtigenden Lächeln aus seinem Griff und lässt sich neben Kara auf den Boden sinken.

    »Aszka, ich werde heiraten«, antwortet Kara, von ihrem Lachen beflügelt und öffnet die Augen. »Ich werde fortziehen. Vielleicht wird es unseren Kindern irgendwann mal gehen, wie es uns jetzt geht.« Aszka verzieht das Gesicht. Sie betrachtet Maron, dann streckt sie ihre Füße dem Feuer entgegen und schüttelt den Kopf.

    »Wie ist es, wo du herkommst, Aszka? Bleiben die Menschen dort für immer jung?«, fragt Eldur und setzt sich neben sie. Er nimmt sich einen Stock, um die Glut daran lecken zu lassen.

    »Nein«, antwortet sie und ihr Blick wandert stockend von Maron und Kara zu ihm. »Bei uns waren Frauen wie … Tiere. Und Männern gehörte alles.«

    »Klingt gar nicht schlecht«, antwortet Eldur mit einem Zwinkern gen Maron. Dieser lächelt zwar, schweigt jedoch.

    »Unfug«, faucht Aszka und funkelt Eldur böse an. »Wir konnten nicht machen, was wir wollen. Ihr dürft machen, was ihr wollt.«

    »Achso?«, fragt Maron. Sacht, scheinbar gedankenverloren streicht seine Hand Karas Arm empor. Aszkas Blick verfinstert sich. »Wenn ich tun könnte, was auch immer ich will, würde ich hier bleiben. Und ich würde ein neues Haus bauen und Nordkälber züchten.« Sein Blick sinkt hinab zu Kara. »Und du?«

    »Ich würde … Ich würde Aszka mit uns nehmen«, antwortet Kara und sieht zu ihr auf. Ein Lächeln legt sich auf ihre Züge. Ihre Wut verglimmt. Dann legt Eldur einen Arm um sie.

    »Wenn ich tun könnte, was ich will … Ich würde dich küssen, Aszka.«

    Karas Blick huscht zwischen den beiden hin und her. Maron räuspert sich. Eldur beugt sich vor. Seine Hand legt sich auf Aszkas Schenkel, seine Lippen nähern sich den ihren. Einen Moment lang steht die Welt still. Dann donnert Aszkas Hand mit Wucht flach auf Eldurs Wange. Sie springt auf.

    »Nein!«, ruft sie. Auch Kara springt auf, doch Maron hält sie zurück. Eldur presst sich die Hand auf die Wange, dann wandert sein Blick zu Aszka hinauf.

    »Wie kannst du …«, beginnt er vollkommen schockiert. Er rappelt sich auf, stellt sich Aszka gegenüber und greift nach ihrer Hand. »Hast du auf dem Festland vielleicht den Verstand verloren?« Aszka zerrt wild an ihrem Arm und Kara befreit sich von Maron, um sich zwischen die beiden zu stellen. »Geh mir aus dem Weg, Kara«, sagt Eldur und ruckt nochmals an Aszkas Arm. »Das kann sie nicht einfach tun.«

    »Eldur«, ermahnt Maron und richtet sich ebenfalls auf.

    »Sie kann tun was sie will«, antwortet Kara und legt eine Hand an Eldurs Brust, um ihn zurück zu schieben.

    »Sie hat mich geschlagen«, sagt Eldur mit einem trockenen Lachen.

    »Ich habe mich gewehrt«, fällt Aszka ihm ins Wort. »Geh weg!«

    »Gehen?«, fragt Eldur und schüttelt den Kopf. Seine Stimme wird lauter. »Nein, du! Du solltest gehen. Du und deine seltsame Sprache und die … die Geister, die du vom Festland herlocken wirst!«

    Aszka will vorspringen, doch Kara hält sie zurück. Maron schiebt Eldur vom Feuer weg.

    »Eldur, sag nichts, was du …«, sagt er.

    »Ich hab doch Recht!«, unterbricht Eldur ihn. »Sie sollte dahin zurückgehen, wo sie herkommt. Nicht ich sollte gehen müssen. Wenn sie hier ist, muss sie tun, was ein Norrvask tut.«

    »Deine Kinder bekommen und deine Kleider nähen?«, spuckt Aszka ihm entgegen und krallt sich in Karas Arm. »Ich will dich nicht. Ich darf dich nicht wollen!«

    »Sie muss gar nichts«, sagt Kara, doch als sie in Marons Gesicht blickt, erstarrt sie. Er widerspricht Eldur nicht. Er schiebt ihn ein weiteres Stück zurück gen Ausgang. »Sag doch was«, fordert sie ihn auf.

    »Kara, wenn sie hier lebt, muss sie eine Norrvask sein«, antwortet er. »Da hat Eldur Recht.«

    »Und deswegen darf er sie anfassen?«, fragt sie aufgebracht.

    »Nein. Nein, natürlich nicht, aber …« Marons Blick huscht zwischen den beiden jungen Frauen hin und her. »Kara, merkst du es nicht? Sie darf nicht ...«

    Kara hört Aszka hinter sich nach Luft schnappen.

    »Was?«, fragt sie. Dann dreht sie sich um und sieht ihrer Freundin ins Gesicht. »Was meint er?« Aszka erwidert ihren Blick. Angst liegt darin. Wieso hat sie Angst? »Aszka – was meint er?«

    »Sie ist krank – das meint er«, antwortet Eldur und schnaubt bitter. Er rückt sein Hemd zurecht und wendet sich zum Gehen. »Ich wollte ihr eh nur einen Gefallen tun.«

    Damit verlässt er das Haus. Maron geht auf die beiden jungen Frauen zu. Aszka schluckt trocken, dann dreht sie sich zu Kara.

    »Ihr seid so frei«, sagt sie und ein trauriges Lächeln legt sich auf die geschwungenen Lippen. »Mein Herz will aber noch freier sein.«

    Maron fährt sich durch das lange Haar. Er seufzt schwer. Aszka mustert ihn und Kara erkennt in diesem Blick einen Wunsch. Ein Begehren.

    »Liebst du ihn?«, fragt sie atemlos. Dunkler Nebel sickert in ihren Geist. Maron lacht traurig.

    »Nicht mich, Kara.«

    Es zerspringt wie ein Tonkrug vor ihren Augen. Langsam, ganz langsam sieht sie zurück zu Aszka.

    »Ich habe kein ... Herz für Maron. Oder Eldur. Oder Nares. Oder irgendeinen anderen der Männer«, sagt sie mit zitternder Stimme und ihre Hand findet Karas. Sie umfasst sie fest. »Ihr Norrvask liebt, um euch zu vermehren. Ich liebe aus …« Hilfesuchend sieht sie zu Maron.

    »Sehnsucht«, sagt er.

    »Ja«, antwortet sie.

    Kara blinzelt, dann schließt sie Aszka fest in die Arme.

    »Ich werde Eldur aufhalten, bevor er etwas dummes anstellt«, sagt Maron und streicht sacht über Karas Rücken. Dann sind sie alleine. Aszka wischt sich lächelnd eine Träne von der Wange.

    »Eure Freiheit hat mich … gelockt.«

    Kara lächelt. Dann schüttelt sie den Kopf und streicht die Träne von Aszkas Wange.

    »Du bist meine Schwester. Mein Herz schlägt auch für dich«, antwortet sie. »Aber … Aelion sagt, dass wir davon abhängig sind, dass jeder von uns seinen Teil tut.«

    »Teil wozu? Warum müsst ihr Kinder bekommen, die ihr dann auch in die Gefangenschaft all eurer Regeln zwingt?«

    »Damit alle überleben. Aszka, wir sind hier im Norden. Wir müssen zusammenhalten, um zu überleben. Unseren Regeln folgen. Wir beide könnten nie ...«

    Aszka schnaubt leise. »Ich habe ein Leben gesehen, in dem sich jeder blind den Regeln beugt«, sagt sie. »Ich habe gesehen, was passiert, wenn man die weg stößt, die man liebt, weil man glaubt, dass es das Richtige ist. Weil man nicht lieben kann, wen man damit verletzt.«

    In diesem Moment hören sie Marons Stimme. »Kommt raus! Das müsst ihr euch ansehen.«

    Die beiden Frauen wechseln noch einen Blick, dann treten sie vor das Haus und gehen den schmalen Weg zur Klippe hinauf, auf der Maron steht. Er deutet auf den Horizont.

    »Das kann doch nicht …«

    Ein Schiff hält auf Aldor zur. Größer als jedes Schiff, das Kara bisher gesehen hatte. Es ist nah. Nah genug, um zu erkennen, wer dort an Deck steht. Aelion. Der Sohn der Götter. Und hinter ihm dutzende Menschen mit brauner Haut und dunklem Haar.

    Pfad der Äschernen

    Autor: Jessica Arndt

    »Höret, Bürger Erastos! Ich verkünde Euch die weisen Worte unseres Herrschers Oube toh Heqeth toh Nael, Padisha von Ost-Stisia. In seiner ewig währenden Weisheit hat er Folgendes beschlossen:

    Vom heutigen Tage an gehen alle Frauen und Männer, die nicht gesegnet genug waren, um auf stisianischem Boden unserer verehrten Targutensi geboren zu werden, in den Besitz des Padishas von Ost-Stisia über. Sie werden all ihre Besitztümer der Stadt überlassen und gelten von nun an als Sklaven.

    Sklaven besitzen keine Bürgerrechte. Sie werden auf diesem Boden geduldet, aber ihnen ist persönlicher Besitz verboten, darunter zählen Geld, eine eigene Wohnung, Kleidung oder jeglicher Eigentum von Wert. Auch dürfen sie keine eigene Familie gründen, es sei denn, die Eigentümer des Paares willigen ein. In einem solchen Fall müssen sich die Eigentümer darüber im Klaren sein, dass die Frau in den Besitz der Familie ihres Mannes übergeht.

    Als ihr Eigentümer darf der Padisha darüber entscheiden, wem die Sklaven unterstellt sind. Dafür können sie gegen einen Pfand von 15 Goldstücken erworben werden. Der neue Eigentümer besitzt von da an das allumfassende Entscheidungsrecht über den Sklaven.

    Jeder, der erwägt, einen Sklaven zu erwerben, muss für dessen Wohlergehen sorgen. Er muss eine Unterkunft sowie Mahlzeiten zur Verfügung stellen. Sollte diese Regelung missachtet werden, geht der Sklave ohne Abfindung wieder in den Besitz des Padishas über.

    Hört auf diese Worte. Noch heute werden die Wächter der Stadt alle Flüchtenden registrieren. Wer sich den Gesetzen widersetzt, macht sich des Hochverrats schuldig!

    Dies waren die Worte unseres weisen Herrschers!«

    Das war ein schlechter Scherz. Hetep konnte nicht glauben, was er gerade gehört hatte. Er schaute in verwirrte Gesichter der Leute, die ebenfalls mit angehört hatten, was der Padisha beschlossen hatte. Einige hatten die Folgen der Gesetzesänderung anscheinend nicht verstanden, andere tuschelten aufgeregt und verärgert über diese Regelung.

    Langsam kehrte das Leben auf den Markt zurück. Händler priesen, zunächst zaghaft, dann in gewohnter Manier, ihre Waren an, doch viele der Kunden und Händler sahen beunruhigt aus. Es waren einige der Geflüchteten zugegen, die Besorgungen erledigten, oder für einen Hungerlohn als Aushilfen arbeiteten. Vermutlich konnten sie das Ausmaß der neuen Gesetze nicht begreifen, da sie der Sprache nicht mächtig genug waren.

    Hetep verspürte nichts als Abscheu seinem Herrscher gegenüber. Niemand benötigte diese Gesetze. Bis jetzt waren sie auch gut ohne sie ausgekommen. Und nun? Nun wurden die, die vor dem Krieg geflohen waren, nicht einmal mehr wie Menschen, sondern als Ware behandelt.

    Hetep löste sich aus seiner Schockstarre. Er musste Nisha erzählen, was geschehen war und welches Schicksal ihr bevorstand. Er musste sie retten. Irgendwie.

    Es dauerte eine Weile, bis Hetep den Rand der Stadt erreicht hatte. Nisha war in einer der Randwohnungen untergekommen.

    Aus Ermangelung an Platz wurden die Räumlichkeiten des äußeren Rings, die sonst als Verteidigungswälle dienten, kurzerhand zu Wohnungen umfunktioniert, als der Platz innerhalb der Stadt knapp geworden war. Nicht nur hier in Erasto, sondern auch aus dem ganzen Land war zu hören, dass die Menge an Menschen nicht nachzulassen schien.

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