Mehr Gerechtigkeit!: Wir brauchen eine neue Bodenordnung – nur dann wird auch Wohnen wieder bezahlbar
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Über dieses E-Book
Hans-Jochen Vogel setzte sich lange Jahre für eine neue Bodenordnung und soziale Gerechtigkeit ein. Er macht klar: Boden ist keine beliebige Ware. Das Gemeinwohl muss über die Regeln des Marktes gestellt werden. In seinem letzten großen Bestseller wirft er einen Blick in die Vergangenheit und zeigt auf, wie es zur aktuellen Situation kommen konnte. Er formuliert konkrete Vorschläge für die Zukunft, um die Situation hierzulande zu verbessern.
Lange Jahre fristete das Thema bezahlbarer Wohnraum ein Schattendasein. Zuletzt drängte es wieder in die Öffentlichkeit. Für viele ist angemessener Wohnraum infolge der steigenden Mieten unbezahlbar geworden. Längst betrifft das Thema nicht mehr nur einkommensschwache Milieus. Bis weit in die Mittelschicht hinein stellt sich vielen die bange Frage, wie lange sie sich ihre Wohnung, ihr Heim, noch leisten können.
In den letzten Jahrzehnten gehen die Preise nur noch nach oben – sowohl in Großstädten als auch in ländlichen Regionen. Die bisherigen Maßnahmen, wie etwa die Mietpreisbremse, erweisen sich als stumpfes Schwert gegen die scheinbar unaufhaltsame Verteuerung des Wohnens. Denn den eigentlichen Grund hinter der Preisexplosion hat lange Zeit kaum jemand wahrgenommen: die dramatische Steigerung der Baulandpreise.
Erst Hans-Jochen Vogels beharrlicher Kampf setzte das Thema wieder auf die Tagesordnung: Dieses Buch ist das Vermächtnis eines renommierten und weithin geschätzten Politikers, der sein ganzes politisches Leben lang für die Sicherung von bezahlbarem Wohnraum für alle Menschen gekämpft hat.
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Buchvorschau
Mehr Gerechtigkeit! - Hans-Jochen Vogel
Warum ich neuerdings auf einem Arbeitsgebiet aktiv bin, das mir schon vor 50 Jahren wichtig war
Die Suche nach einer gerechteren Bodenordnung und die Frage, wie der seit Jahrzehnten unablässig andauernden Steigerung der Baulandpreise Einhalt geboten werden kann, haben in meinem politischen Leben schon vor fast 50 Jahren in meinen Funktionen als Münchner Oberbürgermeister (1960–1972) und dann als Bundesminister für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau (1972–1974) eine zentrale Rolle gespielt. Waren doch schon damals die Baulandpreise auf der Bundesebene im Durchschnitt von 7,58 Euro pro Quadratmeter im Jahre 1962 – erst von da an wurden die Preise auf dieser Ebene erfasst – auf 15,72 Euro pro Quadratmeter im Jahre 1970 und damit um 107 Prozent gestiegen. In München – dort begann die Erfassung schon 1950 – betrug der durchschnittliche Quadratmeterpreis hingegen in diesem Jahr 3 Euro und 1970 70 Euro. Er hatte sich also seit 1950 sogar um 2234 Prozent erhöht. Diese Entwicklung hat sich in der Folgezeit kontinuierlich fortgesetzt.
Eine ganz ähnliche unheilvolle Entwicklung wie damals ist dann vor allem seit 2010 wieder im Gang. Die Baulandpreise pro Quadratmeter stiegen in dieser Zeit bundesweit von 156,63 Euro pro Quadratmeter im Jahre 2016 auf 174,94 Euro pro Quadratmeter im Jahre 2017. Für München betrugen die entsprechenden Zahlen 1700 und 1876 Euro pro Quadratmeter.
In den Medien und auch in der Politik wurde jetzt aber nur über die rapide Steigerung der Mieten und den zunehmenden Mangel an bezahlbaren Wohnungen diskutiert. Das – für sich betrachtet – durchaus zu Recht. Denn die Angebotsmieten stiegen im Bundesdurchschnitt pro Quadratmeter von 6,81 Euro im Jahre 2015 auf 7,09 Euro im Jahre 2017. In München stiegen sie sogar von 12,60 Euro auf 13,10 Euro. Es wurde auch versucht, dem durch eine sogenannte Mietpreisbremse, das heißt durch ein Mietrechtsnovellierungsgesetz abzuhelfen, das am 1. Juni 2015 in Kraft trat und für Gebiete mit angespanntem Wohnungsmarkt – diese Gebiete wurden durch Landesverordnungen bestimmt – nur Mieten zuließ, die zu Beginn des Mietverhältnisses die ortsübliche Vergleichsmiete um höchstens zehn Prozent überstiegen. Da diese Regelung nicht genügend Wirkung zeigte, wurde sie schon wenig später durch ein Bundesgesetz vom 29. November 2018 verschärft. Aber auch dieses konnte weitere erhebliche Steigerungen der Mietpreise nicht verhindern.
Keine Rede ist hingegen von einer ganz wesentlichen Ursache der Mietpreissteigerungen, nämlich dem enormen Anstieg der Baulandpreise. Diese Verbindung zwischen beiden Entwicklungen wird besonders deutlich, wenn man sich vor Augen führt, dass in München 1962 von den Kosten eines Wohnungsbaus auf die Grundstückskosten im Jahre 1961 acht Prozent und auf die Baukosten 92 Prozent entfielen. 1970 machten hingegen die Grundstückskosten in diesen Gebieten bereits 16 Prozent und die Baukosten 84 Prozent aus. Inzwischen betragen die Grundstücksanteile in München im Jahre 2018 79 Prozent und die Baukosten 21 Prozent.
Dies alles brachte mich dazu, das Thema Baulandpreise und damit auch das Gesamtthema Bodenordnung ungeachtet meines Lebensalters – ich stehe nun immerhin in meinem 94. Lebensjahr – noch einmal aufzugreifen. Das tat ich im Jahre 2017 in einem Aufsatz unter dem Titel »Bedarf es wirklich keiner Bodenrechtsreform? Ein verdrängte Herausforderung«, der im November 2017 in der Süddeutschen Zeitung veröffentlicht wurde. In diesem Aufsatz schilderte ich die soeben wiedergegebene Baulandpreisentwicklung und ging dann ausführlich auf meine früheren Bemühungen auf diesem Gebiet und das Ergebnis dieser ein. Darüber und über den damaligen Umgang der Politik mit diesem Thema will ich im Folgenden zunächst einmal detailliert berichten. Dies erscheint mir notwendig und nützlich, weil heutige Bemühungen um eine Eindämmung der Bodenpreise und der Bodenspekulation aus den damaligen Erfahrungen und aus den Fehlern, die seinerzeit und bis heute gemacht wurden, Nutzen ziehen können.
Ein Blick in die Vergangenheit: Frühere Ansätze für eine neue Bodenordnung
Eine immer lebhaftere Diskussion über die damalige Bodenpreisentwicklung begann in München – aber auch in weiteren Teilen der alten Bundesrepublik – schon in der zweiten Hälfte der Sechzigerjahre des vorigen Jahrhunderts. Im Stadtrat kam es nach längeren Vorgesprächen am 18. November 1970 zu einem von mir angeregten Stadtratsbeschluss, der die Ausarbeitung konkreter Reformvorschläge und die Vorbereitung eines Appells an den Bundesgesetzgeber zum Ziel hatte. Der dem Beschluss vorausgehende Vortrag des zuständigen Referenten – es war dies der Berufsmäßige Stadtrat Werner Veigel als Leiter des Kommunalreferats – liest sich