Code-Geweihte leben länger: Transhumanistische Strategien, dem Tod ein Schnippchen zu schlagen
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Über dieses E-Book
– Zoltan Istvan, US-Präsidentschaftskandidat
Istvan ist Teil einer wachsenden Zahl von Leuten, die sich selbst als Transhumanisten verstehen, jene, die danach streben, den fehlerbehafteten menschlichen Zustand zu überwinden: Sie wollen mehr werden als bloße Menschen. Das Ergebnis transhumaner Anstrengungen wird folglich der posthumane „Mensch“ sein.
Der Mensch ist nicht genug
Transhumanismus kann als wissenschaftliches, philosophisches und politisches Gedankenmodell verstanden werden, das die Menschheit als sich selbst weiterentwickelnde Spezies begreift. Dieser Spezies stünde dann, bei geschicktem wissenschaftlichen Eingriff, irgendwann auch die Tür zum ewigen Leben offen.
„Jeder Tod vor dem Hitzetod des Universums ist ein frühzeitiger. [...] In dieser Angelegenheit ist Zeit gleich Leben und zwar in einer Rate von ungefähr 70 Menschen pro Minute. Mit einem solch gespenstisch-bedrohlichen Zähler im Hintergrund sollten wir in jedem Fall aufhören, herumzutrödeln.“
– Nick Bostrom, Professor an der Fakultät für Philosophie in Oxford und Gründungsdirektor des Future of Humanity Institute
Wird Sterben irgendwann eine bloße Option sein? Oder ist der Transhumanismus lediglich ein weiterer beruhigender Weg, den beängstigenden Fakt des Todes zu leugnen? Diese sozialpsychologische Betrachtung stellt transhumanistische Denkansätze zur Lebensverlängerung dar und nimmt sie mittels der naturwissenschaftlichen Perspektive unter die Lupe des Machbaren.
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Buchvorschau
Code-Geweihte leben länger - Dennis M. Barmann
1. Einleitung: Wie natürlich ist natürlich?
Für die meisten ist die menschliche Vergänglichkeit etwas Unabänderliches, mit dem besser früher als später Frieden zu schließen ist. Entspringt sie einem ewigen natürlichen Gesetz, das dem Menschen eine beschränkte Zeit gibt, seine Ziele zu erreichen, um dann letztendlich seinen Platz für die nächste Generation, versehen mit der gleichen Chance, zu räumen? Altern und Sterblichkeit sind selbstverständlich und doch stellen einige ihre Unvermeidbarkeit oder sogar Natürlichkeit infrage: Der Transhumanismus will mit alten Glaubenssätzen und der Hinnahme der menschlichen Flüchtigkeit brechen. Dabei formuliert er einige Ideen des Fortschritts, die oft als Heilsversprechen an die Menschheit erscheinen, sie in absehbarer Zukunft vom Übel des Alterns und vielleicht sogar vom Tod selbst zu befreien. Im Folgenden soll betrachtet werden, ob und inwiefern der Transhumanismus in Zukunft und womöglich sogar schon heute Einfluss auf die menschliche Vergänglichkeit und unsere Vorstellung von ihr nehmen kann. Dabei werden auch Annahmen darüber berührt, was natürlich ist, wo Natürlichkeit aufhört und wo Künstlichkeit beginnt.
Noch geht der Tod ausnahmslos jeden etwas an. Die Weise, in der sich Menschen mit dem Tod – auch dem eigenen – befassen, variiert jedoch stark und ist unter anderem von der Sozialisation, der eigenen Kultur und der Politik sowie den Gesetzen abhängig. Ist in manchen Kulturen der Umgang mit dem Tod fester und akzeptierter Bestandteil des gesellschaftlichen Lebens, wird er in anderen Kulturkreisen tabuisiert und nur im nötigsten Maße behandelt.
Betrachten kann man etwa die Praxis des Volkes der Toraja auf der indonesischen Insel Sulawesi, das ihre toten Vorfahren zu jährlichen Feierlichkeiten exhumiert, wieder unter die Lebenden bringt und sie im Rahmen des Ma’Nene-Fests (vgl. Bennett, 2016) wäscht und frisch einkleidet. Die Toraja wandern sodann mit ihren toten Verwandten von deren Heimatdorf zu dem Ort, an dem sie einst verstorben sind. Nachdem den Toten auf diese Weise Respekt gezollt wurde, erfolgt die erneute Beisetzung in ihren Steingräbern. Für Personen des westlichen Kulturkreises ist es häufig unvorstellbar, die Toten aus rein feierlichen Gründen bei ihrer Grabruhe zu stören – bereits an dieser mitteleuropäischen Vokabel wird das dahinterstehende Bild vom Tod als nicht zu störenden Schlaf deutlich. Dennoch zeigt sich in Reliquienprozessionen der katholischen Kirche eine zumindest in gewissen Aspekten ähnliche Praxis. Bei den Toraja wirkt das Ma’Nene-Fest hingegen wie eine jährliche Familienzusammenführung. Die Beziehung zu den geliebten Menschen scheint selbst mit ihrem Tod nicht zu enden.
Es geht aber auch anders: An der vor allem in Japan verbreiteten Naturreligion Shintō fällt auf, dass deren Anhänger weitaus diesseitsbezogener sind und in den meisten Fällen keine eigenen Begräbniszeremonien abhalten. Sie lassen die Bestattungen und die damit verbundenen Rituale von Buddhisten praktizieren. Shintōistische Schreine werden während der Trauerzeremonien verhangen, um die Schreingottheit nicht zu verärgern. Dieses Todestabu kann ein Ergebnis historischer Arbeitsteilung sein, doch sehen sich Shintō-Priester zahlreichen Regeln (auch spiritueller) Reinlichkeit verpflichtet, die den Tod und seine Abwicklung betreffen (vgl. Scheid, 2019a und 2019b).
Die Bereitschaft, sich im internationalen Westen mit dem Thema Tod zu befassen, ist zwischen diesen beiden östlichen Beispielen verortet, doch dürften wir uns näher an einer Tabuisierung des Themas (dazu später in Kapitel 3 mehr) befinden, als dass wir unsere toten Vorfahren, den Toraja ähnlich, körperlich in unseren Reihen begrüßen würden. Die eigene Sterblichkeit und die der Angehörigen und Freunde ist etwas, das im Alltag gedanklich in die ferne Zukunft geschoben wird. Selbst, wenn der Tod auch in der westlichen Tradition, z. B. zu Allerseelen, seinen kulturellen Platz hat, bleibt er häufig fremd und scheint die Lebenden nur wenig anzugehen.
Derjenige, der den Tod thematisiert und den gesellschaftlichen Diskurs mit Vehemenz auf dieses Thema lenkt, ist nicht selten harscher Kritik ausgesetzt. Ideen des Transhumanismus gänzlich abzulehnen, könnte ein Reflex sein, der ebendiesem Tabu entspringt.
Wer die jüngeren Entwicklungen in den Biowissenschaften verfolgt oder sich zumindest unregelmäßig mit den Neuigkeiten aus der Medizin befasst, wird bemerken, dass Jahrzehnte andauernde Bemühungen, gesundheitliche Problemfragen – seien es Krebs oder Erkrankungen des Alters – zu lösen, nun beginnen, Früchte zu tragen. Kürzlich bestimmten die Immunologen James Allison und Tasuku Honjo – nun beiderseits Nobelpreisträger – die Schlagzeilen: Die Mediziner haben effektive Wege entdeckt, die menschliche Immunabwehr gegen eine bestehende Krebserkrankung zu aktivieren. Die Erfolge in Versuchsläufen mit Menschen geben Grund zur Hoffnung,