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Die Silberne Stadt: Zeitenstrahl-Saga, Band 3
Die Silberne Stadt: Zeitenstrahl-Saga, Band 3
Die Silberne Stadt: Zeitenstrahl-Saga, Band 3
eBook884 Seiten11 Stunden

Die Silberne Stadt: Zeitenstrahl-Saga, Band 3

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Über dieses E-Book

Álimos, die Silberne Stadt, erhebt sich auf einem Felsen inmitten des Nichts.
Jenseits aller Reiche soll hier das Licht bewahrt werden. Doch die Finsternis kommt stetig näher. Der Winter umklammert Eldodrim und droht die Waldelda langsam zu ersticken.
Derweil kämpft Prinz Haftrab gegen einen Feind, gegen den seine Axt nichts ausrichten kann.König Konfried versucht einen Krieg abzuwenden, doch was kann ein Einzelner ausrichten, wenn die Welt andere Pläne zu haben scheint?
In Nyss regieren Kriegsherren auf einer Stufe mit den Erls. Adogen, als Waise in Ler-Aras aufgewachsen, kann sich vor Arbeit nicht retten. Denn er ist ein Söldner. Aber auch Waisenjungen haben eine Abstammung, der sie nicht entgehen können.
Die spannende Fortsetzung der Zeitenstrahl-Saga. Stürzen die Welten zusammen?
www.zeitenstrahl-saga.de
SpracheDeutsch
HerausgeberXinXii
Erscheinungsdatum29. Jan. 2020
ISBN9783945668535
Die Silberne Stadt: Zeitenstrahl-Saga, Band 3

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    Buchvorschau

    Die Silberne Stadt - Kristofer Hellmann

    Kristofer Hellmann

    Die Silberne Stadt

    13. Ilathello 2Ä2011 bis 09. Narengar 2Ä2011

    Roman

    Die Zeitenstrahl-Saga

    Band 3

    Edition Schattenrufer

    Copyright © 2019 Edition Schattenrufer

    Die Edition Schattenrufer ist ein Imprint des Verlags Rad und Soziales

    www.radundsoziales.de

    Covergestaltung: © Michael Schmitz

    unter Verwendung eines Composings von Stefan Keller

    www.kellerwelten.com

    www.zeitenstrahl-saga.de

    ISBN 978-3-945668-52-8 (eBook)

    ISBN 978-3-945668-53-5 (Buch)

    Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen

    Nationalbibliografie

    Alle Rechte vorbehalten

    E-Book Distribution: XinXii

    www.xinxii.com

    Inhaltsverzeichnis

    Prolog

    Heimat

    Wir sind alle Schauspieler

    Der Angriff auf die Rodhiëlla

    Der Wächter im Norden

    Rabenschwingen und finstere Sterne

    Der Innere Kreis

    Jenseits der Wellen wollen wir sterben

    Unglücksritter

    Ich bin kein Soldat

    Gefahr aus den Schatten

    Drei Köpfe

    Der Mann, den sie Klaue nannten

    Die Spur eines Bluteids

    Von Adlern, Fasanen und Raben

    Die Finsternis ist mein Zuhause

    Die Last des Erbes

    Blut hat Macht

    Wolfsjagd

    Der Erbe

    Der Schutz der Siegel

    Kriegsvorbereitungen

    Arimaspen

    Das wird nicht reichen

    Picaz

    Drohende Finsternis

    Verfall

    Keine Überlebenden

    Unsere Zeit ist vorbei

    Ein schöner Traum

    Alte Legenden

    Geboren in Sternenglanz

    Das Grab am tiefsten Punkt

    Eine schreckliche Waffe

    Abschiede

    Kampfesbrüder

    Licht und Schatten

    Ein umgestürzter Stuhl

    Haltet stand!

    Nur Fassade

    Die letzte Nacht

    Der letzte Kampf

    Epilog

    Anhang

    Die Hochelda

    Die Tiefelda Alimos

    Die Menschen des Herzlandes

    Die Delmori

    Die Leandi

    Die Thraks

    In Geril Uabalm

    Der König und seine Untertanen

    Die Mietklingen

    In Picaz

    Unklare Parteien

    Pereno

    Rabenmark

    Gorothan

    Bedetangorod

    Die Luthohithi/ Delrohithi

    Die Ersten Könige/ Drychen

    Die Brut Zeogherras

    Die Gulgogh

    Schauplätze

    Glossar

    Wörterbuch

    Zeitenstrahl

    Der Kalender Eras´

    Der Kalender der Zwerge

    Prolog

    Langsam und vorsichtig öffnete Adogen seine Augen. Das gleißende Licht der Sonne direkt über ihm rammte ihm sengende Speere in den Schädel und rang ihm ein schmerzverzerrtes Stöhnen ab. Sein Kopf dröhnte wie nach einer durchzechten Nacht. Prüfend tastete er über den Boden. Er lag auf einer Wiese, das Gras war gerade so lang, dass sich seine Finger darin verkrampfen konnten, als eine erneute Welle der Kopfschmerzen über ihn hinwegrollte.

    Was ist nur geschehen? Allein diesen Gedanken zu formen bereitete ihm Schmerzen, als würden diese vier Wörter nicht mehr in seinen Kopf passen.

    Undeutlich kroch die Erinnerung in ihm hoch. Da war eine Festung, eine alte Burg. Ein Bergfried und eine umgebende Mauer, mehr nicht. Er hatte diese Burg mit einer Handvoll Graumänteln an seiner Seite verteidigen sollen. Da waren noch andere Krieger, doch die hatten ihn schon damals nicht interessiert. Keiner von ihnen würde an einen Graumantel heranreichen können.

    Wie hieß diese Festung noch gleich? Adogen gab es schnell auf, über den Namen der Burg oder ihres Besitzers nachzugrübeln. Es gab so viele von dieser Sorte in Nyss und am Ende interessierte es doch keinen. Noch dazu kamen und gingen sie schneller als die Gezeiten.

    Adogen schloss die Augen und kämpfte gegen den Schmerz in seinem Kopf an.

    Wenn ich nun hier liege, kämpfte er sich langsam durch die glühend heiße, zähe Masse in seinem Kopf zu den Gedanken durch, kann das doch nur eines bedeuten.

    Langsam, mit geschlossenen Augen, ballte er seine rechte Faust, streckte Zeige- und Mittelfinger und reckte den Arm in den Himmel. Er blinzelte, wehrte sich gegen den Kopfschmerz und zwang seine Augen schließlich ganz auf. Verträumt beobachtete er, wie das Licht der Sonne seine ausgestreckten Finger verschwinden ließ.

    Ein Grinsen huschte über sein Gesicht.

    Unwillkürlich dachte er daran, wie ein Beobachter ihn nun sehen musste. Wie ein hirnloser Narr muss ich aussehen oder wie ein Kätzchen, das mit einem Wollfaden spielt. Und für einen Moment war ihm diese Möglichkeit peinlich.

    Doch nur für einen kurzen Moment. Dann wurde ihm wieder bewusst, was dieser Anblick bedeutete. Was er wirklich bedeutete.

    Noch immer betrachtete er seine Finger.

    Dann brach er in schallendes Gelächter aus.

    Die Schlacht war verloren, doch das war egal.

    13. Ilathello 2Ä2011

    Heimat

    Sein Puls raste, die kühle Luft brannte in seinen Lungen. Isenth wich einen Schritt zurück und der Hieb verfehlte sein Ziel. Doch konnte er den Luftzug der Klinge auf seinem Gesicht spüren. Mit der Geübtheit jahrhundertelangen Trainings drehte er sich um die eigene Achse und ließ seine Klinge hochschnellen. Er spürte den Treffer seinen gesamten Arm emporvibrieren.

    Sein Gegner hatte den Schlag mühelos pariert und stieß den Tiefelda nun von sich. Isenth hörte seine eigenen Schritte von den Wänden der Häuser widerhallen, während er versuchte, das Gleichgewicht wiederzuerlangen. Die geschlossenen Fenster und Türen starrten ihm hinterher.

    Eine gefühlte Ewigkeit verging, während er darauf wartete, dass sein Gegner nachsetzte.

    Doch nichts geschah.

    Schließlich korrigierte Isenth noch einmal den Griff um sein Schwert, ehe er selbst nach vorn sprang. Die Klingen der Tiefelda waren uralt, geschmiedet und im Kampf getragen von den Amariten, die auch Álimos einst erbauten. Sie hatten diese weißen Häuser lange Jahre bewohnt, doch nun war nichts mehr übrig außer ihren Waffen, Rüstungen, Staub und Knochen.

    Obwohl die Amariten keine Elda waren, war ihre Schmiedekunst der Glorindas mindestens ebenbürtig. Und die Schwerter sahen sich sogar ähnlich, auch Isenth‘ Thao, wie diese Klingen genannt wurden, war leicht gebogen. Doch war bei ihr der Ort, die Spitze, wesentlich breiter. Das Thao war eine Schlagwaffe und dann besonders tödlich, wenn es vom Rücken eines Pferdes aus geschwungen wurde.

    Isenth saß nicht auf einem Pferd. Und er schwang das Thao auch nicht. Er stieß zu und er wusste, dass er seinen Gegner damit überraschen würde. Er zielte auf den Hals. Dabei vermied er es, sich durch ein scharfes Luftholen, ein Grunzen oder irgendeinen anderen Laut zu verraten.

    Er wird diesen Treffer nicht erahnen können, dachte er. Es würde ein sauberer Treffer werden, elegant und präzise. Und absolut tödlich.

    Die Klinge hatte ihr Ziel fast erreicht, als sein Gegner sich plötzlich duckte. Sehr tief duckte. Er rammte Isenth, der sich noch immer im Sprung befand, die Schulter gegen Hüfte und Oberschenkel.

    Er hat es gewusst, wurde dem Tiefelda klar, während er über seinen Gegner hinweg stürzte und sich zu überschlagen drohte. Er hat gewusst, dass ich auf ihn zuspringen würde.

    Die Welt drehte sich um ihn herum, die weißen, zinnengekrönten Häuser wirbelten im Kreis, bis er schließlich hart auf das weiße Pflaster prallte.

    Noch während er atemlos versuchte, sich aufzurichten, bemerkte Isenth einen schmalen Schnitt, der sein Gewand direkt über der Brust zierte. Mit einem Lächeln ließ er sich zurücksinken und genoss die Kälte des Straßenpflasters, die durch seine Trainingskleidung hindurch seinen Körper kühlte.

    »Ihr wart heute langsamer als sonst, Golodrim«, brachte er schwer atmend hervor.

    Er kämpfte sich auf die Beine, las sein Schwert auf und schob es zurück in die Scheide. Dabei lächelte er noch immer.

    Golodrim hatte sein Schwert gesenkt, starrte mit verschlossenem Gesicht auf einen Punkt irgendwo weit in der Ferne und sagte noch immer kein Wort. Er sah aus, als sei er derjenige, der den Übungskampf gerade verloren hatte.

    Dabei war es mehr als erstaunlich, dass er trotz seiner Blindheit noch immer ein derart brillanter Schwertkämpfer war. Selbst jetzt noch würde er keinen Kampf scheuen müssen. Doch Isenth wusste – im Gegensatz zu den meisten anderen – auch, dass Golodrims Fähigkeiten stark abgenommen hatten. Sicher, er war noch immer gut, doch vorher, vor dem Verlust seines Augenlichtes, war er noch besser gewesen. Wie genau er sich jetzt in der Welt zurechtfand, darüber schwieg er sich aus. Er trug keinen Stab bei sich, verließ er sich also wirklich nur auf seine Ohren? Oder war das Teil des Instinktes, den jahrhundertelanges Schwertkampftraining gebildet hatte?

    Isenth schreckte aus seinen Gedanken, als Golodrim sich ohne ein Wort umdrehte und mit immer noch finsterer Miene den Platz verließ.

    »Worüber grübelt Ihr nach?«, rief Isenth ihm noch hinterher, doch der ehemalige Hauptmann der Truppen König Ainus antwortete nicht.

    Er sieht das Leben mit uns noch immer als Strafe, dachte der Tiefelda. Er versteht nicht, an was für einem Ort er ist und was wir hier tun.

    Doch vielleicht würde er das irgendwann, wenn Isenth nur genug Geduld hatte.

    Zeit ist für Laimori bedeutungslos. Sein Lächeln schwand etwas, während er sich seinen Weg durch die engstehenden Häuser Álimos' suchte.

    Burg Hochstolz. Das war ihr Name. Eine Zitadelle im Westen Nyss', nur wenige Stunden Fußmarsch von der Küste entfernt. Errichtet von irgendeinem König aus irgendeinem Grund. Dieser Grund war vermutlich irgendein Krieg gewesen. Zumindest diesen Zweck hatte sich Hochstolz erhalten. Wenn auch sonst nicht viel geblieben war.

    Die Festung bestand aus einem massiven Bergfried, der sich drei Stockwerke hoch innerhalb einer Mauer erhob, die aus denselben Steinen errichtet worden war. Diese Steine stammten von irgendwo aus dem Landesinneren, vermutlich von den Quellbergen.

    Hochstolz ist mit Steinen aus dem Herzen Nyss‘ errichtet, dachte Negius. Und mit Blut aus dem Herzen seiner Bewohner befleckt.

    Er kicherte über diesen poetischen Gedanken, verstummte jedoch jäh, als ihn der stechende Schmerz in seiner Seite in die Wirklichkeit zurückholte.

    Von Stolz war auf Hochstolz nicht viel geblieben. Der Boden war getränkt von Blut, das sich zwischen den Toten und Verwundeten in Pfützen sammelte, es stank nach Tod und Exkrementen und die Luft war erfüllt vom Summen der Fliegen, dem Krächzen der Raben und den Schreien der Menschen.

    Negius blickte finster zum Bergfried hinüber. Das Tor stand offen und der Innenhof der Festung war so klein, dass es von der Mauer, an der Negius lehnte, kaum zweihundert Schritt bis dahin waren. Er könnte aufspringen und hätte den Hof halb durchquert, ehe die Krieger mit ihren Schwertern überhaupt begriffen, was geschah. Er könnte er schaffen, er könnte in den Bergfried eindringen und Machral töten. Und ohne einen Anführer, der sie befehligte und – noch viel wichtiger – bezahlte, würde keiner der Männer, die sich jetzt als Sieger feierten, das Schwert gegen ihn erheben. Nein, sie würden dem Geld folgen und ohne zu zögern überlaufen. Selbst jetzt noch.

    Das einzige, was Negius von seinem Plan abhielt, waren das Gatter, in das er und einige andere Männer gesperrt waren, und die Fesseln an Händen und Füßen. Er war ein Gefangener und seine Überlebenschancen würden deutlich höher sein, wenn er sich damit abfand.

    Von der anderen Seite des Hofes hallte ein hölzernes Klopfen herüber, gefolgt von einem Schrei. Negius zuckte jedes Mal zusammen, bemerkte es jedoch kaum noch.

    Er schielte an einem breitschultrigen Mann mit Zweiräder vorbei zu dem Hackblock. Dort stand ein noch breitschultrigerer Mann mit einer Axt in der Hand und einem Holzeimer neben dem Fuß. Gerade schleiften zwei weitere Männer – Brüder, vermutete Negius – einen der erfolglosen Verteidiger davon. Nur wenige Augenblicke später wurde der nächste zum Richtblock geführt. Sein Vorgänger hatte geschrien und sich gewehrt, doch dieser war völlig ruhig.

    So abschreckend dieses Schauspiel auch war, Negius konnte den Blick nicht abwenden. Er sah zu, wie der Gefangene, sein Kamerad, auf die Knie gezwängt wurde. Er starrte den Mann mit der Axt fest an.

    »Die Zehn wird überschätzt, findest du nicht?«, fragte der Axtmann mit einem fiesen Grinsen, das seine braunen Zähne entblößte. »Es reicht, wenn man bis acht zählen kann.«

    Bei diesen Worten befreiten die beiden Brüder die rechte Hand des Gefangenen aus der Fessel und drückten sie auf den blutverschmierten Hackblock. Eine Weile fummelten sie daran herum, dann blickten sie zu der Axt empor.

    Negius sah, wie der Gefangene tief Luft holte.

    Das schartige Blatt der Axt sauste hinab.

    KLOCK

    Kurz herrschte Stille, dann stieg ein Schrei zwischen den Mauern in die Höhe. Der Gefangene wand sich am Boden und hielt seine rechte Hand umklammert.

    Der Hackblock war zu weit entfernt, als dass Negius es hätte erkennen können, doch er wusste, dass dort zwei Finger lagen.

    Zum Glück bevorzuge ich das Schwert, dachte er. Da sorgt die Axt dafür, dass es danach keine Schmerzen mehr gibt.

    Er sah sich in dem Pferch um. Die Männer waren mürrisch, niedergeschlagen, wütend, doch keiner hatte Angst. Wieso sollten sie auch, sie waren Söldner. Das bedeutete nicht, dass sie keine Angst kannten, es bedeutete nur, dass sie genug Erfahrung hatten, um zu wissen, wie der Ablauf war.

    »He!«, rief Negius einem der Männern zu, die den Pferch bewachten. »He, du! Bring mich zu Machral.«

    Der Mann starrte ihn einen Augenblick fassungslos an, dann verstärkte sich der Griff um den Speer, den er wie einen Spazierstock schwang.

    »Erl Machral«, korrigierte er ihn. »Und du kannst mich.«

    »Machral ist zum Erl aufgestiegen? Nein, wahrscheinlich nennt er sich bloß so.« In Nyss nannte sich jeder, der mindestens eine Burg besetzt hielt, Erl, wenn er nicht gleich ein König war.

    »Und, tust du es?«, fragte Negius mit einer etwas freundlicheren Stimme.

    »›Du kannst mich‹ bedeutet ›Nein‹.« Er setzte seinen Weg den Pferch entlang fort.

    »Du solltest es aber tun!«, rief Negius ihm nach.

    »Wenn du das sagst«, entgegnete die Wache über die Schulter.

    »Mein Name«, brüllte er so laut, dass ihn jeder hören konnte, »ist Negius von den Waldschlangen.«

    Der Mann hielt inne und einige weitere sahen sich zu ihm um. Er spürte auch die Blicke seiner Mitgefangenen in seinem Rücken. Erst jetzt fiel ihm ein, dass das vielleicht keine gute Idee war. Ein erfolgreicher Söldner zu sein bedeutet auch, ein hohes Kopfgeld zu haben.

    Die Wache kam zurück und baute sich vor ihm auf. Mit dem Speer in der Hand und der Eisenrüstung wirkte dieser Krieger eher wie ein Kind, das man in eine Rüstung gesteckt hatte.

    Negius' Blick fiel auf den zarten Pflaum auf seinen Wangen. Es war ein Kind, das man in eine Rüstung gesteckt hatte!

    »Du bist Negius?«, fragte der Bengel misstrauisch.

    Negius nickte und wischte sich etwas Dreck und Blut von der zerlumpten Kleidung, die man ihm gelassen hatte.

    »Von den Waldschlangen?«

    Er nickte erneut.

    Der Junge blickte sich im Pferch um. »Und wo sind dann die anderen Waldschlangen?«

    »Wir sind hier nicht im Wald, oder?«

    »Wenn du wirklich der Anführer der Söldnerbande namens ›Die Waldschlangen‹ bist …« Er wartete, bis Negius wieder nickte. »… dann sollten hier noch weitere Waldschlangen sein.«

    Der Söldner seufzte. »Ich wollte damit nicht sagen, dass sie nicht hier sind, weil wir nicht in einem Wald sind«, erklärte er. »Natürlich sind sie mit mir hierher gekommen und haben hier gekämpft. Ich wollte damit auf unseren Ruf hindeuten, dass wir in unserem Wald unbesiegbar sind.« Den letzten Teil des Satzes sagte er so leise, dass nur der Bengel ihn verstehen konnte. Es musste ja nicht jeder von seiner Schande erfahren.

    »Du meinst …?«

    Negius deutete auf verschiedene Stellen im Hof, an denen die Gefallenen in mehr oder weniger ordentlichen Reihen lagen. »Dort ist Marrat. Dort ist Herlf. Dort drüben liegen Jehwa, Hulod und Aharn. Und Pemenus liegt dort, dort und ich glaube auch dort hinten.«

    Der Bengel war seinem Finger eifrig gefolgt und nickte jetzt langsam. Dann schien ihm etwas einzufallen und wandte sich wieder zu seinem Gefangenen um.

    »Und was sollte Erl Machral von einem Söldneranführer ohne Söldner wollen?«

    Ja, das ist die große Frage. Ich wünschte, ich wüsste die Antwort, dachte er. »Das ist doch offensichtlich.« Er wartete, bis der fragende Gesichtsausdruck des Bengels eine lächerliche Größe angenommen hatte. »Für dich sollte jedoch nur wichtig sein, wie wütend der große Erl werden wird, wenn er erfährt, dass du mich wissentlich von ihm ferngehalten hast.«

    Der Junge überlegte einen Moment, dann sah er sich hilfesuchend nach seinen Kameraden um, die überall verstreut waren, um die eroberte Festung oder die Leichen der Gefallenen zu plündern.

    »… und wie großzügig er sich gewiss zeigen wird, wenn du mich zu ihm bringst.«

    Er schien den Wink zu verstehen und hörte auf, nach seinen Kameraden zu sehen.

    Jeder Söldner ist ein gieriges Schwein, dachte Negius, während der Bengel sich an dem Tor des Pferchs zu schaffen machte. Aber wieso sagen das eigentlich immer alle so, als wäre es etwas Schlechtes?

    Leider ließ er sich nicht erweichen, dem Anführer der Waldschlangen die Fesseln abzunehmen und so musste Negius den Weg zum Bergfried in winzigen Schritten zurücklegen, die ihn aussehen ließen, als würde er glänzendes Gold in seinem Hintern verstecken und hätte Angst, es könnte herausfallen.

    Das ist es!

    Im Bergfried war es finster, doch wenigstens stank es hier nicht so erbärmlich. Als das Tor gefallen war, hatte sich das gesamte Massaker im Innenhof und auf den Mauern abgespielt und Hochstolz war erobert, bevor auch nur ein Krieger einen Fuß hier hinein gesetzt hatte. Nun streiften die Plünderer umher, doch niemand behelligte Negius und seinen Wächter. Im Gegenteil, ein Mann, der einen Gefangenen herumführte, konnte ihnen keine Wertsachen vor der Nase wegstehlen.

    Sie fanden Machral – Erl Machral – natürlich in der großen Halle des Bergfrieds, wo er sich jeden Winkel genauestens ansah, eine Handvoll Berater im Schlepptau. Zwei von ihnen kannte Negius sogar, er hatte sie einmal in irgendeiner Schlacht dieses endlosen Bürgerkriegs kämpfen sehen, konnte sich jedoch nicht an ihre Namen erinnern.

    Der Bengel blieb in respektvollem Abstand zu der Gruppe stehen und stieß den Knauf seines Speeres hart auf den Steinboden.

    Machral drehte sich um, sah zu dem Jungen, dann zum Knauf des Speeres und wieder zu dem Jungen.

    »Ja?« Er war heiser, wahrscheinlich, weil er die vergangene Schlacht damit verbracht hatte, Befehle zu brüllen.

    »Dieser Gefangene wünscht, Euch zu sprechen!«, verkündete der Bengel.

    Machral sah jetzt zum ersten Mal zu Negius und die Ablehnung lag ihm schon auf der Zunge, als er verwirrt innehielt.

    »Dies ist Negius von …«

    »Ich weiß, wer das ist.« Er fixierte den Söldner mit eisigem Blick. »Lasst uns allein. Ihr alle.«

    Seine Begleiter verschwanden ohne zu zögern und murmelten etwas von anderen Räumen, die sie begutachten werden. Der Bengel schien kurz auf seine Belohnung zu sprechen kommen zu wollen, überlegte es sich dann jedoch wieder anders und eilte ebenfalls hinaus.

    »Was willst du?«, fragte Machral unumwunden.

    »Ich will aus dieser Burg raus. Und zwar lebendig und frei.«

    »Du weißt, dass man in dieser Zeit eine eroberte Festung nur äußerst selten auf eine dieser Arten verlässt.« Er grinste schief.

    Negius erwiderte das Grinsen.

    »Du hältst dich für unglaublich schlau«, stellte der selbsternannte Erl fest. »Merkwürdig, da ich derjenige bin, der diesem Narren Unario Burg Hochstolz soeben entriss. Und du bist nur jemand, der in Fesseln liegt.«

    »Ich stehe«, widersprach Negius. »Und die Sache mit den Schwertern war nicht meine Idee. Die Waldschlangen starben mit Klingen in ihren Händen.«

    »Und in Brust und Bauch.«

    Negius schluckte seinen Zorn herunter. Es würde ihm nichts nutzen, sich jetzt mit seinem alten Bekannten anzulegen. Denn er hatte recht, Machral hatte eine Menge Krieger hinter sich und auch wenn sie allesamt Söldner waren, so würden sie doch für ihn kämpfen. Negius hingegen hatte nur die Lumpen an seinem Körper und die Fesseln an seinen Gelenken.

    Er seufzte und blickte sich in der Halle um. Sie war größtenteils leer. Wie alle Burgen Nyss' war auch Hochstolz im letzten Jahrhundert mehrfach geplündert worden.

    »Du hast viele Söldner«, stellte er fest, als könnte er sie durch die grauen Steinwände sehen.

    »Und du nicht.«

    »Genau das ist der Punkt«, stellte Negius fest und hob bedeutend den Finger. Wegen der Fesseln war er dabei gezwungen, beide Hände zu heben. »Du hast Söldner, die du bezahlen musst, meine Männer hingegen haben ihren Lohn bereits erhalten.« Er lächelte.

    »Worauf willst du hinaus?«

    »Ich sage es dir ganz klar, so wie es ist: Ich will mich freikaufen.«

    Machral umrundete ihn mit gemessenen Schritten und begutachtete ihn dabei wie eine Sau auf dem Wochenmarkt.

    »Und von welchem Gold? Du siehst nicht wie jemand aus, der viel davon hätte.«

    »Ich habe es natürlich auch nicht dabei! Aber ich besitze welches.«

    »Wo?«

    Nun konnte er ein entnervtes Augenrollen nicht länger unterdrücken. »Im Versteck der Waldschlangen natürlich.«

    »Und wo ist das?«

    Negius lachte schallend. »Du denkst, dass ich es dir verrate, damit du mich dann abstechen und es dir holen kannst?«

    Machral stellte sich vor ihm hin, plötzlich hatte er ein Messer in der Hand. Ihre Blicke trafen sich und der Söldner musste sich zwingen, diesen kalten, blauen Augen standzuhalten.

    »Nein«, sagte der selbsternannte Erl schließlich.

    Die Klinge zuckte vor.

    Das raue Seil fiel leblos zu Boden.

    Negius stand einen Augenblick wie betäubt, dann rieb er sich die schmerzenden Handgelenke. »Ich wusste, dass du kein Narr bist.«

    Machral wandte ihm den Rücken zu und durchquerte die Halle, wobei er interessiert die kahlen Wände begutachtete.

    »Du wirst das Gold holen.«

    »Versprochen. Wir teilen Halbe-Halbe. Jetzt habe ich ja keine Nichtsnutze mehr zu bezahlen.«

    »Nein. Du holst alles

    Der Söldner holte Luft, um zu widersprechen, doch der Blick, den Machral ihm zuwarf, ließ ihm die Worte im Hals stecken bleiben.

    »Einige meiner Männer werden dich begleiten. Um dir beim Tragen zu helfen. Und aufzupassen, dass du auch den Rückweg findest.«

    An diesem Morgen ging die Sonne groß und hell hinter den Bergen auf; die angenehme Kühle der Nacht war schon nach kurzer Zeit vergessen. Die Luft begann über den Straßen zu flimmern – und auch über der sandigen Ebene, die sich jenseits der Felder bis zu den Bergen erstreckte. Der Himmel war strahlend blau und es würden wohl auch keine Wolken mehr aufziehen. Südland drohte ein weiterer heißer Tag.

    Konfried folgte der Abzweigung und dann dem Kiesweg zwischen den Hecken hindurch. Die Gärten seines Palastes waren noch immer so wie zu seiner Kindheit: Saftiges Grün, bunte Blumen, alle möglichen Arten von Düften und hier und da einige Insekten, die von Blüte zu Blüte summten.

    Hier hat sich nichts verändert, dachte er zufrieden.

    Dafür hatte sich das Reich, das er seit zwanzig Jahren regierte, umso mehr verändert. Das Land, seine Hauptstadt, die Völker, die hier lebten, alles war anders als damals, als er den Thron von seinem Vater geerbt hatte.

    Eine seiner ersten Amtshandlungen war es gewesen, das von seinem Vater erlassene Menschen-Melferit wieder abzuschaffen. Der Erlass hatte allen nichtmenschlichen Völkern die Einreise nach Südland untersagt. Alle, die bereits hier gelebt hatten, Minotauren, Faune, Zwerge, Elda – viele von ihnen hatten geholfen, dieses Land einst den Thairesh zu entreißen – waren verbannt worden. König Rhoim hatte befürchtet, dass durch den Zustrom von Flüchtlingen aus Nyss bald Wohnraum und Nahrung knapp werden würden.

    Konfried war dieses Risiko eingegangen. Es war ihm ungerecht erschienen und er hatte die von seinem Vater sogenannten Nicht-Menschen immer gemocht. Außerdem, so hatte er sich gesagt, musste der Strom der Flüchtlinge doch einmal irgendwann versiegen. Und an Nahrung hatte es Südland noch nie gemangelt, die gesamte Ebene zwischen dem Meer und den Weißen Bergen war Acker- und Weideland.

    Es war ein Risiko gewesen. Und der Ausgang stand immer noch offen.

    Noch immer kamen die Flüchtlinge. Nicht mehr so viele wie vor zwanzig Jahren, doch sie kamen. Die Wesen Eldodrims waren hingegen kaum zurückgekehrt. Nur einige Leandi, Tiermenschen, waren durch die Portale hierher gereist.

    Dabei waren die Ernten in den letzten Jahren immer schlechter ausgefallen. Das Klima in Piodrim schwankte extrem. Tagsüber wurde es zunehmend heißer, nachts hingegen immer kälter. Nachtfrost hatten sie nahezu jedes Mal. Durch die sengende Sonne schrumpfte das Ackerland, von den Bergen her dehnte sich eine karge Wüste Stück für Stück immer weiter in Richtung der Stadt aus.

    Längst war Südland von Nahrungsmittelimporten abhängig. Rhoim, Konfrieds Vater, hatte dabei stets auf Nyss vertraut, doch das Land befand sich noch immer im Bürgerkrieg – nunmehr seit einhundertzwanzig Jahren – und die blutgetränken Felder wurden kaum noch bebaut. Daher hatte Konfried seine Boten ausgeschickt.

    Nicht nach Nordosten, dort lauerten die Rabenmarker, und südlich davon Pereno, dessen Verbindung zur Mark unklar war. Doch im Südwesten lag das Reich Salaam und obwohl es zum größten Teil aus Wüste bestand, erlaubten der Fluss und die fruchtbaren Küstenstreifen ihnen, Nahrungsmittel zu verkaufen.

    Konfried war stolz auf diese Beziehung. Er hatte sie allein aufgebaut und damit die Leben seiner Untertanen gerettet. Gold hatte Piodrim wahrlich mehr als genug!

    Der Süden ist kein Problem, dachte der König, während er einen Raben beobachtete, der ihn von den Ästen einer Buche aus musterte, Die Raben sind es.

    Irgendwo im Norden, noch weit hinter dem ehemaligen Delmorireich, lag die Rabenmark. Mehr wusste Konfried nicht. Nur, dass es irgendwo da war, und dass mehr und mehr Schiffe von ihnen nach Süden kamen. Noch hatten sie sich nicht weiter als bis vor die Küste Nyss' gewagt, doch alles Weitere war nur eine Frage der Zeit. Konfrieds Spione berichteten – wenn sie denn Bericht erstatteten – dass sich das Land auf einen Krieg vorbereitete.

    Er seufzte und ließ sich auf eine steinerne Bank fallen.

    Einen Krieg kann ich jetzt nicht gebrauchen.

    Nicht, dass er einen Krieg sonst gebrauchen konnte. Doch sollten die Erls von Nyss' sich plötzlich daran stören, dass er die Insel Nibius in sein Reich eingegliedert hatte, so würde er einen Angriff, selbst von allen zusammen, problemlos abwehren können. Bei der Rabenmark war er sich nicht sicher.

    Nyss war gespalten in einem ewigen Bürgerkrieg. Die Kriegsherren gaben Unmengen von Gold aus, um in Südland geschmiedete Waffen zu kaufen, damit sie die Männer statt an eine Schmiede an die Front stellen konnten. Es schmerzte Konfried, dass er den Reichtum seines Landes mit dem Blut eines anderen erkaufte, andererseits würden seine Untertanen sonst verhungern. Und er hatte schon früh gelernt, dass man als König auch Opfer bringen musste. Meist sogar höhere und schrecklichere, als der normale Mann.

    Rabenmark war im Gegensatz zu Nyss politisch stabil. Es hatte einen fähigen Herrscher und eine erfahrene Armee, zumindest musste Konfried das annehmen.

    Der König erhob sich von der Bank und schlenderte weiter durch die Gärten. Er wollte diesen Moment der Ruhe voll auskosten. Es gab wenig genug davon. Doch selbst wenn er wollte, er konnte nicht so tun, als sei er nicht der König eines Landes. Nicht einmal für einen Moment. »Deswegen bist du ein so guter König«, sagte Karyn dann stets.

    Wenn ich kein guter König wäre, wäre ich wahrscheinlich glücklicher.

    Er schüttelte energisch den Kopf. So etwas durfte er gar nicht erst denken!

    Konfried drehte sich um und betrachtete die Rückseite seines Palastes. Der Palast von Sernyskal galt als Juwel des Landes und war weithin berühmt. Dabei galt ganz Sernyskal ebenfalls als Juwel, die Erls von Nyss blickten neidisch nach Süden, wann immer sie ihre Augen von ihrem Bürgerkrieg um die Vorherrschaft in dem zerrütteten Land lösen konnten.

    Ich werde sie schützen, dachte Konfried und sah dem Raben nach, der sich krächzend aus der Buche erhob und davonflog. Ich werde die Menschen Piodrims vor allen Gefahren schützen.

    Und wenn das Krieg bedeutete? Dann würde er nicht vor dem Kampf fliehen! Wenn die Rabenmark anfing, seine Fänge nach Nyss und Piodrim auszustrecken, dann würde Konfrieds Schwert sie abschlagen!

    Die Mobilmachung würde im Ernstfall nicht lange dauern, das wusste er. Südland besaß ein stehendes Heer, nur für den Fall, dass Nyss doch einmal angreifen sollte. Und seine Soldaten waren gut ausgebildet, auf Eluebs Rat hin hatte er vor einigen Jahren veranlasst, dass jeder Mann beim Eintritt in das Erwachsenenalter eine Ausbildung zum Soldaten über sich ergehen lassen musste. Wenn es zu einem Krieg kam, würde jeder Mann Südlands ein Soldat sein.

    Doch wird das reichen? So wenig sie über Rabenmark wussten, Konfrieds Spione und Berater wussten zumindest, dass es größer war als Piodrim. Größer bedeutete mehr Soldaten, mehr Rohstoffe, mehr von allem.

    Ich brauche mehr Krieger, wurde Konfried bewusst.

    Doch woher sollte er die nehmen? Salaam würde keine Soldaten abstellen, sie brauchten ihre Armee zum Schutz gegen ihre eigenen Feinde. Und außer Salaam und Nyss gab es keine weiteren Reiche in der Nähe. Eldodrim hatte vor zwanzig Jahren, als das Menschen-Melferit in Kraft gesetzt wurde, jeden Kontakt abgebrochen und ihn offiziell niemals wieder aufgenommen.

    Danke Vater, dachte Konfried verbittert. In deiner Engstirnigkeit hast du uns womöglich alle getötet.

    Er atmete tief ein und wieder aus und zwang sich, sich zu beruhigen.

    Noch ist überhaupt nichts passiert, sagte er sich.

    Dann beschloss er, einfach nicht länger an Staatsgeschäfte und Politik zu denken. Und weil er wusste, dass er nicht an nichts denken konnte, dachte er an Karyn. Ein Lächeln erschien auf seinem Gesicht.

    Der Tag war ereignislos verstrichen und noch nie zuvor war Adogen so froh darüber gewesen. Nun war die Sonne nur noch wenige Fingerbreit vom westlichen Horizont entfernt, doch er lag noch immer ausgestreckt auf der Wiese.

    Adogen holte tief Luft und schwang sich in eine sitzende Haltung. Seine Kopfschmerzen waren verebbt, zurückgeblieben war nur eine leichte Mattigkeit. Die war wohl auch der Grund dafür, dass er sich an so gut wie nichts aus der vergangenen Schlacht erinnern konnte. Wie war er überhaupt hierher gekommen, mitten ins Nirgendwo?

    Er sah sich um, doch er erkannte nichts an diesem Ort wieder. Es war eine weite, grüne Wiese, wie sie überall in Nyss sein konnte. Zu seiner Rechten war in einiger Entfernung eine Ansammlung von Bäumen zu sehen, doch auch diese sahen aus, wie Bäume überall im Land. Nirgends gab es eine Straße oder ein Gehöft oder auch nur irgendein Anzeichen von Zivilisation.

    Er drehte sich um und stutzte. Dort ragten hellgraue Gebilde in den Himmel, die wie das Skelett eines Palastes aussahen. Gebrochene Torbögen, Säulen, grasüberwachsene Treppenstufen und alles von einer unglaublichen Eleganz.

    Immerhin Zivilisation, dachte Adogen grinsend. Wenn auch vor Tausenden von Jahren untergegangen.

    Er kannte diese Art von Ruinen und er erkannte auch diese ganz spezielle Ruine. Es war der Rest der Stadt Yathaladar, eine der unterirdischen Städte der Deamori.

    Adogen kam auf die Beine und schlenderte auf die Ruine zu. Dort würde er weder Gastfreundschaft noch ein weiches Bett oder warmes Essen finden, doch immerhin würden ihn die Säulen und Bögen vor dem Wind schützen.

    Ruinen wie diese gab es überall in Nyss. Sie waren der an der Oberfläche sichtbare Teil ganzer Städte, die in die Erde gegraben waren. Wobei der Begriff ›gegraben‹ bedeutend unglücklich war, denn diese Hallen waren hoch und gut belüftet und diejenigen, die sie betraten, behaupteten, sie wären von feinem Nebel erfüllt, der im Schein leuchtender Kristalle glitzerte.

    Doch es gab nur wenige, die sich in diese Städte wagten, denn die Deamori hatten der Nachwelt haufenweise Fallen hinterlassen. Magische und mechanische Fallen, die das Verständnis jedes Menschen überstiegen. Was ihnen jedoch nichts von ihrer Tödlichkeit nahm.

    Adogen erklomm die Stufen, die auf die Wege hinaufführten. Der oberirdische Teil dieser Städte bestand größtenteils aus Säulengängen, die wie ein Podest etwa zwei Schritt über den Boden aufragten. Vermutlich waren diese Säulen einst überdacht gewesen. Oder die Bögen galten zur Zeit der Deamori einfach als architektonisch besonders schön.

    Diese Säulengänge hatten gleich mehrere Vorteile gehabt. Zum einen mussten die Ebenen-Elda – wie die Deamori von den Menschen genannt wurden – nicht auf dem Gras oder im Dreck laufen, sie hatten also den gleichen Effekt wie die Straßen der Menschen. Durch ihre erhöhte Lage schützten sie aber gleichzeitig den inneren Hof vor dem Eindringen wilder Tiere und anderer Angreifer. Sicher nicht vergleichbar mit einer Mauer, doch Adogen wusste, dass es gegen Banditen ausreichte. Wenn es denn damals, zur Zeit der Herrschaft der Elda, Banditen gegeben hatte. Auf die Wege zu klettern war schwierig und man war Angriffen von oben oder den berüchtigten Bogenschützen der Elda völlig ausgeliefert. Der einzige echte Angriffspunkt waren also die Treppen.

    Wenn es jemanden gegeben hätte, der die Deamori angriff.

    Vor der Rebellion natürlich.

    Doch diese oberirdischen Teile waren ohnehin eher schmückendes Beiwerk gewesen. Eine Art Empfangshalle oder Vorflur, wo die Herrscher dieser Städte Besucher empfingen, ehe sie sie ins unterirdische Herz geleiteten. Davon abgesehen hatten hier oben nur die Sklaven der Deamori gelebt. Die Menschen.

    Dies war auch der Grund, warum die Ruinen weitab von nahezu allen Straßen, Wegen und Höfen waren. Nachdem die Menschen ihre Herren allesamt in einem blutigen Massaker ausgelöscht hatten, wollten sie so weit wie möglich von den Orten ihrer Herrschaft weg.

    Adogen schritt die Treppe in den Innenhof hinunter und sah sich nach einer windgeschützten Nische um. Alles hier war aus großen, weißgrauen Quadern gefertigt, die nahtlos ineinander griffen. Woher diese Steine kamen, wusste niemand. Sie waren zu hell für die Steinbrüche Nyss'. Adogen selbst vermutete Zauberei dahinter.

    Er fand eine Nische nahe eines der runden Pavillons, die so etwas wie die Ecktürme der äußeren Galerien waren. Er ließ sich gegen den kühlen Stein sinken und glitt zu Boden. Er mochte die Ruinen. Vermutlich wusste er deshalb auch so viel über sie. Unwillkürlich verspürte er eine leichte Traurigkeit darüber, dass er mit niemanden über die Deamori fachsimpeln konnte. Keiner seiner Kameraden bei den Graumänteln interessierten sich für dergleichen.

    Adogen runzelte die Stirn. Prüfend ließ er den Blick durch den Innenhof der Ruine gleiten, die einst Yathaladar gewesen war. Das Gras wuchs hier nicht besonders hoch, es gab nahezu kein Unkraut, außer etwas Moos an den Steinen. Zwei Bäume wuchsen mit schnurgeraden, dünnen Stämmen in die Höhe, ihre Kronen waren beinahe kreisrund. Auch dieses gepflegte Aussehen war der Magie der Deamori zu verdanken, die noch immer an diesem Ort nachwirkte. Aber das war es nicht, was Adogen nervös machte. Er fragte sich, ob er noch immer mit Verfolgern zu rechnen hatte.

    Er wusste, dass sie die Schlacht um Burg Hochstolz verloren hatten und Adogen und einige andere, darunter auch die anderen vier Graumäntel, hatten das einzig Vernünftige getan: Sie waren davongelaufen. Welcher Söldner blieb schon, wenn die Schlacht verloren war? Die Antwort: Ein dummer. Denn wenn die Schlacht verloren war, war auch die Bezahlung verloren. Und meist auch die Leben der Verlierer.

    Er hatte bislang angenommen, dass sie ihn nicht weiter verfolgen würden. Den ganzen Tag lang war ihm niemand begegnet und es würde auch niemand merken, dass ausgerechnet er fehlte. Die Sieger waren mit Plündern beschäftigt und die Verlierer tot. Und es gab natürlich auch keine Listen über die Besatzung.

    Doch was, wenn sie noch immer da draußen waren – wer auch immer es war, gegen die Adogen und die anderen Hochstolz hatten verteidigen sollen? Auch sie würden wissen, dass die Ruine einen guten Unterschlupf für die Nacht darstellte und wenn sie ihn schon nicht hier suchten, würden sie vielleicht selbst hier lagern wollen.

    Ich sollte nicht bleiben, beschloss er. Aber ich muss mich ein wenig ausruhen.

    Er lehnte sich zurück und blickte an einer schmalen weißen Säule entlang in den Abendhimmel. Mittlerweile wagten sich die ersten Sterne hervor. Hier, wo der Wind ihn nicht erreichen konnte, versprach es eine angenehm milde Sommernacht zu werden.

    Direkt über Adogen war er. Die Bauern nannten ihn ›Doppelstern‹, die Städter bekamen ihn häufig aufgrund der Laternen, die nachts aufgestellt wurden, gar nicht zu Gesicht.

    Der Doppelstern.

    Genau genommen waren es zwei Sterne, die sehr nahe beieinander standen und sich gegenseitig mit ihrem zarten Licht gegen die schwarze Nacht zu schützen schienen. Sie waren heller als viele der anderen Sterne, doch Adogen glaubte, sie leicht flackern zu sehen, wenn er nur lange genug hinsah. Als wären sie nur kleine Flammen, die beim nächsten Windhauch zu erlöschen drohten.

    Für den Graumantel hatte dieser Doppelstern etwas Beruhigendes an sich. Außerdem erinnerte es ihn an seine Kindheit, daran, wie er das zweite Mal die Regeln gebrochen hatte.

    Er war als Waisenkind in einem der Heime in Ler-Aras aufgewachsen. Früher, als noch kein Bürgerkrieg gewütet hatte, hatten die Erls Kinderheime unterhalten, damit elternlose Kinder nicht auf den Straßen hungern oder stehlen mussten. Als der Bürgerkrieg dann ausbrach, hatten sich die Heime rasend schnell gefüllt, denn unzählige Familien waren durch Raubzüge und Schlachten nahezu ausgelöscht worden.

    Irgendwann war dann jemand auf die Idee gekommen, wie die überfüllten Kinderheime entlastet werden konnten: Die älteren Kinder wurden von den Heimen in die Kasernen verfrachtet und dort zu Soldaten ausgebildet.

    Soldaten, die wiederum Familien zerstörten, ob sie das nun beabsichtigten oder nicht.

    Es war ein Teufelskreis und die Waisenhäuser wurden nie wirklich leerer. Bald bekam man als Kind auch dort kaum noch etwas zu essen, denn die Versorgung der Armee war für viele Erls wichtiger, als das Stopfen von Kindermäulern.

    In Ler-Aras, so wie in den anderen Städten Nyss' auch, entschieden sich die Waisen schließlich dazu, sich ihr Essen selbst zu holen und so stahlen und bettelten sie wie zweihundert Jahre zuvor, als es noch keine Waisenhäuser gegeben hatte.

    Adogen war solch ein Waise gewesen. Und irgendwann hatten er und einige andere beschlossen, abends einfach nicht mehr ins Heim zurückzugehen. Auf der Straße zu schlafen war nicht viel schlechter, als in den harten, miefigen, überfüllten Betten der Waisenhäuser.

    Das war das erste Mal gewesen, dass Adogen die Regeln gebrochen hatte.

    Ab da hatte es für ihn keine wirklichen Regeln mehr gegeben, doch auch für Waisenkinder auf der Straße galten Richtlinien, ungeschriebene Regeln.

    Bestehle niemanden, der arm ist.

    Verrate keine anderen Waisen.

    Töte nicht.

    Und verlasse niemals die Stadt.

    Woher diese letzte ungeschriebene Regel kam, konnte Adogen heute so wenig sagen wie damals. Das war auch der Grund, warum er sich irgendwann einfach an den Wachen vorbei und vor die hohe Mauer Ler-Aras' geschlichen hatte.

    Und da hatte er ihn das erste Mal gesehen: Den Doppelstern.

    In diesem Moment hatte Adogen beschlossen, die Stadt ganz zu verlassen und woanders hinzugehen. Irgendwann, irgendwie, irgendwohin. Und schließlich hatte er es geschafft.

    Jetzt bin ich ein Söldner, dachte er stolz. Und das ist in diesen Tagen der ertragreichste und gefragteste Beruf. Und ich bin nicht irgendein Söldner, ich bin Mitglied des Inneren Kreises der Graumäntel!

    Das Besondere an den Graumänteln war, dass sie nicht bloß irgendwelche hirnlosen Schlächter waren, sondern Meister der Tarnung und des Fernkampfes. Mit der Zeit hatte Cuben sie zu einer Gruppe von solcher Schlagkraft geschmiedet, dass die Kriegsherren sie oft schon deshalb anheuerten, um nicht gegen sie kämpfen zu müssen.

    Denn das war eine der Regeln der Graumäntel. Sie verkauften ihre Klingen, doch sie verkauften sie nicht an beide Seiten.

    Als Söldner hatte man in Nyss einen nahezu krisensicheren Beruf, gerade weil das Land eine einzige Krise war. Die Erltümer kämpften bereits seit Ewigkeiten um die Vorherrschaft in dem Land, das vor über einem Jahrhundert seines Königs beraubt worden war. Und zwischen ihnen hatten sich unzählige Räuberbanden aufgeschwungen, hatten Festungen erobert und griffen nun selbst nach der Macht. Die meisten der Dutzenden Herrscher in Nyss überlebten kaum einen Mondzyklus, ehe sie umgebracht wurden. Dann trat jedoch sofort ein neuer an ihre Stelle.

    In solch einem Krieg waren Söldner unkomplizierte Soldaten. Sie mussten nicht versorgt werden und je mehr Söldner man hatte, umso mehr eigene, echte Soldaten hatte man nach der Schlacht übrig.

    Es war ein Geben und Nehmen. Gold gegen vorübergehende Treue.

    Trotzdem ist es lebensgefährlich. Da machte sich Adogen nichts vor.

    Als Söldner im Dienste eines siegreichen Kriegsherren oder Erls war man ein reicher Mann. Als Söldner im Dienste eines unterlegenen Kriegsherren oder Erls war man ein toter Mann. Selbst wenn der Sieger die Todesstrafe – warum auch immer – ablehnte, verloren die Bogenschützen, die gefangen genommen wurden, oft Zeige- und Mittelfinger der rechten Hand, damit sie nie wieder einen Bogen spannen konnten.

    Adogen grinste und betrachtete seine eigenen Finger. Er war schnell genug gewesen. Und selten hatte er sich so darüber gefreut, bis zehn zählen zu können.

    Er blickte erneut in den Himmel, der nun völlig schwarz war, nur erleuchtet von einem Meer aus Sternen und dem Mond, der irgendwo außerhalb seiner Sicht war.

    Es ist Zeit, aufzubrechen, beschloss er.

    Yathaladar war nur etwas mehr als einen Tagesmarsch von der Heimat der Graumäntel entfernt und er wollte nicht doch noch seinen eventuellen Häschern in die Arme laufen.

    Er erhob sich schwungvoll und suchte sich seinen Weg aus der Deamori-Ruine heraus.

    Auf nach Hause, dachte er.

    Die Sonne war schon lange am Horizont verschwunden, doch Remulest fand keinen Schlaf. Und er wusste, dass würde so bleiben.

    Vielleicht ist es das, was mich wachhält, dachte er, der Gedanke daran, wieder … Er unterbrach sich, da ihn der Juckreiz an seiner Schulter fast zum Wahnsinn trieb. Wie nahezu alle Waldelda trug er jetzt ein dickes, langes Gewand zum Schutz gegen die Kälte. Und wie nahezu alle Waldelda fand er den Stoff unangenehm. Stoff war etwas für Lyshacni und Menschen! Er vermisste das Gefühl des Windes und der Sonne auf seiner Haut und das Streicheln der Blätter und Äste, wenn er durch den Wald lief.

    Doch er hatte keine andere Wahl. Der Winter hatte sich kalt und weiß wie ein Leichentuch über den Wald gelegt, dessen kahle Bäume gespenstisch an bloßgelegte Knochen erinnerten. Normalerweise schützte der Zauber Geril Uabalms die Waldelda vor der schlimmsten Kälte. Nicht vollständig, denn auch wenn die Kälte unangenehm war, so gehörte sie doch zur Natur und zum Leben, ebenso wie der Wind, das Wasser und die Wärme. Doch half ihnen diese kleine magische Dämpfung, nicht zu erfrieren, sollte es ein besonders strenger Winter werden. Gleichzeitig konnten sie dem Wald nahe sein, ohne gefühllosen Stoff dazwischen, der wie eine Barriere war.

    So würde es in einem normalen Winter ablaufen. Doch dies ist kein normaler Winter. Die Jahreszeit selbst ist anders, aber auch die Umstände sind es.

    Die Jahreszeiten in Eldodrim hielten seit der Spaltung länger an, als in der abgespaltenen Zweiten Welt. Das war nichts Besonderes. Frühling, Sommer, Herbst, Winter, jeder von ihnen war mehrere Jahre lang. Doch der letzte Sommer hatte einhundert Jahre angedauert! Und so unnatürlich lang der Sommer gewesen war, so kurz war dagegen der Herbst mit nur etwa zwanzig Jahren gewesen. Immer noch etwas zu lang für einen normalen Herbst in Eldodrim, doch diese Schwankung war es, die Remulest beunruhigte. Ihm wäre vermutlich wohler gewesen, wenn auch der Herbst einhundert Jahre gedauert hätte.

    Der Winter dagegen war erst vor kurzem über das Land hereingebrochen, dafür jedoch umso härter. Es war schlagartig kälter geworden und es hatte fast einen halben Mond lang ununterbrochen geschneit. Wie viele Jahre der Winter nun bleiben würde? Es konnten noch Hunderte sein.

    Wieder verspürte Remulest den nervtötenden Juckreiz des Stoffs. Er seufzte schwer, während er einen großen Schneehaufen umrundete.

    Das alles hier ist ganz und gar nicht gut, dachte er finster. Wir stehen am Rande des Abgrunds und der Wind zerrt an uns und diesen verfluchten Wintergewändern.

    Die Reihen der Waldelda waren ausgezehrt, durch den Krieg der zwei Welten, aber auch jenen gegen die Lyshacni. Bald standen die Überfälle der Leandi an, die Geril Uabalm jeden Winter auf der Suche nach Nahrung heimsuchten. Der Hunger trieb sie in Gegenden, von denen sie sich sonst fernhielten. Und nun war auch Fenris nicht mehr da, der die Leandi und die Tierreiche durch den ewigen Krieg, den die beiden Völker in der Kanaleth geführt hatten, gebunden hatte.

    Außerdem war König Orodin ermordet worden und einige Waldelda hatten beobachtet, wie der Namenlose und Basheal über seiner Leiche gefochten hatten. Auch diese beiden waren wieder verschwunden. Dabei war Basheals Auftauchen außerordentlich mysteriös, denn er war der erste Herrscher der Waldelda gewesen, vor Tausenden von Jahren. Das war auch für Mori eine lange Zeit der Abwesenheit. Eigentlich hieß es, er wäre tot.

    Wieder seufzte Remulest. Es ändert ja doch nichts, ein Ereignis ist schlimmer als das andere und es nimmt kein Ende.

    Der Namenlose hatte ihm die Aufgabe übertragen, sein Volk zu führen. Die Roshaci hatten ihn zum Tethealoth ernannt, eine Art Thronwächter, und nun sollte er der Platzhalter für einen König sein, den es wahrscheinlich niemals geben würde.

    Wenn wenigstens Geril Uabalm zu uns sprechen würde! Doch der Baumfürst blieb seit dem Herbst stumm und er ließ sie noch nicht einmal zu sich vor! Remulest hatte ihn das letzte Mal sprechen hören, als er die Tierreiche in den Wald eingelassen hatte. Über zwanzig Jahre nicht ein einziges Wort.

    Der Tethealoth verharrte einen Augenblick und richtete sein Gewand. Der schwarze Stoff ließ seine vom Winter bereits ausgeblichene Haut nur noch weißer erscheinen. Die Farbe erinnerte an einen zugefrorenen See. Ein Anblick, den er immer gehasst hatte. Doch das war der Lauf der Dinge. Im Winter verloren die Bäume ihre Blätter und die Roshaci ihre warme Hautfarbe und sogar die grünen Adern unter ihrer Haut wurden blasser.

    Etwas auf dem schneebedeckten Waldboden zog Remulest’ Aufmerksamkeit auf sich und ließ ihn innehalten. Direkt vor seinen Füßen lag eine Dryade, das Maul weit aufgerissen, die knorrigen Glieder von sich gestreckt, als sei sie niedergeschlagen worden. Den dunklen Augenhöhlen fehlte das unheimliche, glutrote Licht.

    Sie ist leer, erkannte der Tethealoth. Nein, sie ist tot.

    Der Geist der Dryade hatte den weltlichen Körper verlassen, doch anders als bei den Giganten konnte eine Dryade sich keinen anderen Baum als Behausung suchen. Und da es keine Setzlinge, keine Nachkommen gab, waren die Dryaden Wesen, die bald vom Angesicht der Welt verschwunden sein würden.

    Vielleicht holen sie deswegen … Er schüttelte den Kopf, um den Gedanken zu vertreiben. Nicht noch eine Sorge mehr!

    Remulest versuchte stattdessen sich vorzustellen, wie die Dryade wohl lebendig ausgesehen haben mochte. Doch es gelang ihm nicht. Er sah in dem hohlen Baum nur noch eine tote Fratze.

    Er hatte einmal von Menschenkindern gehört, die nachts, wenn sie sich ängstlich im Wald verlaufen hatten, in jedem Baum eine bösartige, unheimliche Fratze sahen. Er hatte das nie verstanden, doch nun konnte er sich entfernt vorstellen, wie so etwas zustande kam.

    Remulest ließ die Dryade hinter sich und nur wenig später hatte er sein Ziel erreicht. Ayatalar schälte sich ohne Vorwarnung direkt vor ihm aus dem dunklen Wald. Es war die größte Siedlung der Waldelda in Geril Uabalm und doch war sie nahezu unsichtbar, wenn man nicht bereits mitten in ihr stand. Sie befand sich im Herzen des Waldes, wo die Bäume dicker waren und höher, als die Schlösser und Türme der Menschen und Elda.

    Remulest verharrte einen Augenblick und ließ das Bild auf sich wirken.

    Überall an den Bäumen waren Hütten aus Ästen, Blättern und sogar gebogenen Stämmen angelehnt. Gewaltige Treppen wanden sich an Bäumen empor, die zwanzig Mann nebeneinander nicht umfassen konnten, und mündeten schließlich in einem Geflecht aus losen Brücken und Plattformen, die ebenfalls von Hütten gespickt waren. Selbst in den Kronen einiger Bäume befanden sich Wohnstätten. Magische Fackeln und umherschwirrende Baumgeister tauchten alles in ein blaues und oranges Licht.

    Die Stadt selbst jedoch wirkte verlassen und leer.

    Die meisten Waldelda hielten sich in ihren Hütten auf; der harte Winter zwang sie dazu. Die Enge eines Raumes war das kleinere von zwei Übeln und hölzerne Wände waren besser als steinerne.

    Remulest erschauderte, als er an die Kerker unter dem Blaufels zurückdachte. Für einen kurzen Moment glaubte er, erneut das zermürbende Tropfen zu hören. Er schüttelte energisch den Kopf und lauschte auf das Pfeifen des Windes, um sich abzulenken.

    Nur eine Handvoll Männer und Frauen schritten vor ihm über die unsichtbaren Straßen zwischen den Bäumen. Ihre Gewänder ließ sie aussehen, als würden sie schweben, während die Kapuzen, die einige zum Schutz gegen Kälte und Schnee aufgesetzt hatten, ihnen den letzten, unheimlichen Schliff verliehen.

    Wir sind kaum mehr als Geister in diesen hölzernen Hallen, ging es ihm durch den Kopf.

    »Du bist noch unterwegs?«, fragte ein Waldelda, der genau auf Remulest zukam. Seine schwarzen Haare verschmolzen gänzlich mit seinem Gewand, doch die grünen Augen funkelten wie blasse Sterne in der Nacht.

    »Sethuol, es ist schön dich zu sehen«, lächelte Remulest. Sie schlossen einander in die Arme.

    »Ich habe dich schon lange nicht mehr gesehen«, bemerkte Sethuol vorwurfsvoll. »Gehst du uns aus dem Weg?« Ein freundliches Lächeln entschärfte seine Worte.

    »Die Bäume haben ihre Blätter abgeworfen, doch die Pflichten haben es sich auf mir nur umso bequemer gemacht.«

    Der Roshac nickte verständnisvoll und klopfte Remulest auf den Rücken. »Was hältst du davon, wenn wir einen oder zwei Becher Baumsaft heben? Wie in den guten alten Zeiten, als die Welt noch in Ordnung war.«

    Remulest überlegte nur kurz, dann folgte er seinem Freund eine nahe gelegene Treppe hoch und in eine der größeren Hütten. Die Luft im Innern war warm und schwer, doch sie war ihm damit immer noch lieber, als die Kälte des Winters.

    Längliche Tische waren in dem Raum verteilt, jeder flankiert von zwei Bänken. Das Holz würde sich wahrscheinlich unter dem Gewicht der vielen Waldelda biegen, die sich auf den Bänken drängten, wäre es nicht von Natur aus mit mehr Magie durchsetzt, als das Holz außerhalb Geril Uabalms. Dieser magische Hauch an allem war das letzte Lebenszeichen des verstummten Baumfürsten. Doch vielleicht war es auch nur noch ein Nachhall …

    Die Luft war erfüllt von den Gesprächen der Männer und Frauen, die Schulter an Schulter vor ihren Holz- oder Lehmbechern saßen.

    Remulest folgte seinem Freund durch das Gedränge der jungen Diener, die die Gäste mit immer neuem Baumsaft versorgten, zu einem Tisch in der Mitte des Raumes. Nur vier weitere Waldelda hatten es sich hier bequem gemacht und so konnten Remulest und Sethuol zumindest etwas ungestört reden.

    Nur die neugierigen Blicke musste der Tethealoth weiterhin ertragen.

    Es war nicht so, als wäre er erst über Nacht bekannt geworden; viele Waldelda kannte er schon sein ganzes Leben. Doch es schien, als sei einem Tethealoth, einem Stellvertreter des toten Königs, kein normales Leben zuzutrauen.

    »Jetzt schau nicht immer so betrübt.« Sethuol lächelte ihn aufmunternd an.

    Remulest versuchte, ein fröhliches Gesicht zu machen, versagte jedoch völlig. Hier hat es damals begonnen, dachte er. In diesem Raum befreite sich der Namenlose von dem Bann, den ich seinem Geist auferlegte. Und damit nahm alles seinen Anfang.

    Es dauerte nicht lange, bis die beiden Waldelda jeder einen der hölzernen Becher vor sich hatten und nachdem Remulest seinen zur Hälfte geleert hatte, schien sein Kopf zumindest etwas leichter.

    Das süße, klebrige Getränk verfehlte seine Wirkung nicht.

    Er senkte den Kopf und lauschte in die Gespräche. Es waren schon lange immer dieselben Themen, die die Wirtshäuser heimsuchten.

    Wie lange würde der Winter noch dauern?

    Würden die Vorräte reichen?

    Könnten die Wächter die Angriffe der Leandi abwehren?

    Was geschah mit dem Baumfürsten?

    »Hast du schon etwas Neues von Fenris gehört?«, fragte Sethuol über den Rand seines Bechers hinweg.

    Remulest schüttelte den Kopf. »Der Wolf gibt mir Rätsel auf«, gab er zu. »Noch im Herbst war er für beinahe einen Mond verschwunden, dann tauchte er plötzlich völlig abgehetzt am Waldrand auf.«

    »Ich habe davon gehört«, nickte Sethuol. »Er hat zwei Wächter beinahe zerrissen, als sie ihn angriffen, und erst von ihnen abgelassen, als siee ihm ihre Waffen zu Füßen legten. Dann soll er nur verkündet haben, dass er Nachem und Aliénna geholfen hatte und war weitergestürmt. Als schuldeten wir ihm dafür irgendwelche Anerkennung.«

    »Er hat danach noch mit mir gesprochen. Er erzählte mir, er müsse sich mit seinem Volk beraten.« Dabei verschwieg Remulest die Verletzung, die Fenris den ganzen Herbst über gelähmt und ihn beinahe das Leben gekostet hatte. Kein anderer Waldelda hatte Fenris mehr gesehen, nachdem Geril Uabalm ihn eingelassen hatte. Und auch Remulest hatte ihn nur ein einziges Mal in diesem verwundeten Zustand auf der Lichtung erblickt. Fenris hatte ihn verjagt und Remulest war nie zurückgekehrt.

    Als der Wolf dann plötzlich vor dem Wald gestanden hatte, war der Tethealoth ebenso überrascht gewesen wie seine Wächter. Er hatte angenommen, der Wolf sei, wenn nicht tot, so zumindest noch immer im Wald. Niemand hatte ihn ihn verlassen sehen! Doch als er wieder zurück war, war die klaffende Wunde nur noch eine weitere blasse Narbe im struppigen Fell. Und es waren noch einige andere Verletzungen hinzugekommen, über deren Ursprung der Wolf sich allerdings ausschwieg.

    »Um ehrlich zu sein«, sagte Sethuol schließlich leichthin. »Ich glaube, er plant etwas.«

    »Natürlich plant Fenris etwas! Sein Volk hat seine Heimat verloren und es hat nie lange bleiben wollen.«

    »Noch streift der Großteil der Tierreiche durch unser Reich. Auch wenn sie sich ruhig verhalten, Fenris ist ohne sie losgezogen.«

    »Er wird einen Grund haben.«

    »Ich wage aber zu bezweifeln, dass sie wieder in die Ödnis ziehen werden. Da gibt es nun wirklich nichts, zu dem man zurückkehren könnte! Nur Staub und Sand. Sie werden sich ein neues Gebiet suchen, ein neues Revier.«

    »Das hat uns nicht zu interessieren, solange sie Geril Uabalm und uns keinen Schaden zufügen.«

    Remulest leert seinen Becher. Er hatte schon mit seinem eigenen Volk genug Sorgen, er musste sich nicht auch noch um die Tierreiche kümmern! Fenris war ein fähiger Anführer und trotz seines düsteren Äußeren konnte man ihm vertrauen. Meistens. Er würde den Wald nicht bedrohen. Nicht mehr, als jedes andere wilde Tier.

    Jeder in Eldodrim lernte früh, dass die Tierreiche sich anders verhielten, als normale Nachbarn. Irgendwann würden sie Geril Uabalm angreifen. Ein Wolfsrudel, das sein Jagdglück im Wald suchte, oder etwas Ähnliches. Doch das durfte man nicht als Kriegserklärung betrachten. Auch wenn sie sich an Regeln hielten und einige, wie Fenris, sogar andere Sprachen beherrschten, so waren die Tierreiche noch immer genau das. Raubtiere.

    Eine zeitlang lauschten Sethuol und Remulest dem Gemurmel der anderen Roshaci, eher der Wächter erneut das Wort ergriff. »Nur zwischen uns beiden«, begann er leise. »In welchem Zustand sind unsere Streitkräfte? Ich meine, in welchem Zustand sind sie wirklich

    Remulest seufzte. »Wollten wir nicht über die guten alten Zeiten reden?«

    »Sie wirken schwächer als sonst«, ignorierte Sethuol den Einwand. »Müde. Erschöpft.«

    »Zwei Kriege laugen aus.«

    »Doch ihnen fehlt auch die Moral.«

    Remulest bemerkte zu spät, dass er sich auf Sethuols Gespräch eingelassen hatte und was sein alter Kamerad wirklich ansprechen wollte. »Ich vermute, es liegt an Orodins Ermordung. Und an den Gerüchten über den Namenlosen und Basheal. Ich höre die anderen Soldaten reden.«

    Remulest zuckte nur mit den Schultern und starrte auf seinen leeren Becher, als sprächen sie über das Wetter. Dies sind Dinge, um die sich ein Tethealoth kümmern muss, dachte er bei sich, und kein Grenzwächter.

    »Den Waldelda schwinden Hoffnung und Mut«, fuhr Sethuol eindringlich fort. »Remulest, sie folgen dir! Auch in diesem Punkt! Sie …« Er verstummte, als eine Waldelda in einem schwarzen Gewand und mit langem silbernem Haar Remulest einen neuen Becher hinstellte.

    »Remulest«, fuhr er fort, als sie wieder gegangen war. »Du musst ihnen wieder Zuversicht geben!«

    Doch der Tethealoth hörte nicht mehr zu. Seine Augen waren auf die silberhaarige Waldelda gerichtet, die gerade einige Holzbecher in einer Schale abwusch.

    Ihr Blick ist so teilnahmslos, fiel ihm auf. Als würde sie all die anderen um sich herum gar nicht wahrnehmen. Und dann glaubte er zu erahnen, was sie war. Das kann nicht sein, denn dann wäre sie nicht hier.

    14. Ilathello 2Ä2011

    Wir sind alle Schauspieler

    Der Morgen brach klar und frisch über die Rabenmark herein. Der Geruch nach Tau und feuchter Erde hing in der Luft. Und nach der klammen Nässe, die sich zwischen den Mauern Schwarzsteins hing.

    Die Herzogsfestung der Mark war aus massiven dunklen Steinen errichtet worden, die aus dem Gebirge stammten, an dessen Flanke sie sich erhob. Eine hohe Mauer umschloss die Häuser der Hauptstadt, die entweder aus dem gleichen Fels bestanden oder – die neueren – aus hellerem Stein und schwerem Holz. Außerhalb der Mauer, auf einer Anhöhe im Schatten der Berge, erhob sich die Festung, die der Stadt ihren Namen gab:

    Schwarzstein.

    Es hieß, sie war noch von den alten Thimori errichtet worden sein, die einst über dieses Land geherrscht hatten, ein Bollwerk gegen ihre Feinde in diesen Landen. Welche Feinde dies waren, war heute genauso vergessen, wie die Fähigkeiten des alten Eldavolkes und sein Geschick in der Bearbeitung von Stein und Metall.

    Heute war Schwarzstein der Herrschaftssitz des Herzogs der Rabenmark und eine er wenigen großen Städte in einem Land, das ansonsten von Gehöften und Dörfern dominiert wurde.

    Herzog Sehon war wie immer früh aus dem Schlaf erwacht. Soweit er zurückdenken konnte, erwachte er stets beim ersten Sonnenstrahl. Er konnte keinen Grund dafür benennen, weder fand er sein Bett besonders unbequem noch plagten ihn irgendwelche Sorgen. Abgesehen von den üblichen Sorgen, die jeder Herrscher mit sich trug. Doch in den letzten Jahren waren genau diese Sorgen zweifellos zahlreicher geworden.

    Nur mit einem langen Gewand bekleidet schlüpfte er aus seinem Schlafgemach, nicht jedoch, ohne vorher noch einen letzten Blick auf Elaina zu werfen, die friedlich weiter schlummerte.

    Seine Pantoffeln, ein Geschenk eines Botschafters aus einem Wüstenreich weit im Südwesten, ließen ihn lautlos durch die dunklen, kalten Flure Schwarzsteins wandeln. Als er an der Küche vorbeikam, hörte er die Köche und Dienstmädchen drinnen hektisch das Frühstück vorbereiten. Das Klappern von Rüstungen erklang, als einige Wachen sich auf den Weg machten, um ihre Kameraden von der Nachtschicht abzulösen. Dennoch begegnete Herzog Sehon nur Mondemo, seinem Verwalter, der die Arbeiten der Diener überwachte. Der ältere Mann nickte dem Fürsten freundlich zu. Sehon erwiderte den Gruß.

    Er kannte Mondemo bereits sein ganzes Leben, als einfacher Kammerdiener war er rasch zum Verwalter aufgestiegen. Dies lag vor allem daran, dass er instinktiv zu spüren schien, wann sein Herr nicht gestört werden wollte – und wann seine Entscheidung in einer Sache unverzichtbar war.

    Der Herzog schritt eine breite Treppe hinauf und durch eine schwere Eichentür hinaus in die kühle Morgenluft.

    Mit nun langsameren Schritten trat er an das schwarze steinerne Geländer und ließ seinen Blick wie jeden Morgen über sein Land schweifen. Unter ihm breitete sich die Burgstadt aus, jenseits der Mauer lag die Mark, die sich bis zum Horizont erstreckte, wo er glaubte, in der schnurgeraden Linie den Ozean erkennen zu können.

    Irgendwo dort ist es, dachte er.

    Seit einigen Jahren vergällte der Anblick des südlichen Horizonts ihm nun schon die Aussicht. Und das selbe galt für den Anblick der Stadt, in der seine Untertanen lebten.

    Aber eben nicht nur.

    Es hatte zwei Jahre nach seiner Thronbesteigung begonnen. Einige Jahre mit überdurchschnittlich guter Ernte hatten der Rabenmark einen gewissen Überfluss beschert, der es Sehons Vater ermöglicht hatte, den Schiffsbau voranzutreiben. Die Raben der Mark waren mit hölzernen Schwingen über das Meer ausgezogen und hatten Handelsbeziehungen vertieft und nach neuem Land gesucht.

    Viel neues Land hatten sie nicht gefunden, die Meere schienen so gut wie leer – abgesehen von Pereno im Süden. Im Südwesten aber waren die Expeditionen von Erfolg gekrönt gewesen. Doch noch ehe die ersten Boten mit düsteren Nachrichten über Bürgerkriege und feindselige fremde Völker zurückgekehrt waren, war etwas anderes über das Meer gekommen.

    Spione.

    Sehon verzog das Gesicht. Ihm wurde übel, wenn er nur daran dachte. Man hatte den ersten Spion recht schnell entdeckt, doch viel erschütternder war, dass er bis dahin bis in die Festung hatte vordringen können. Der Spion hatte sich als ein Diener getarnt! Sehens Flüsterte, dessen Aufgabe die Abwehr solcher Leute war, war noch immer mehr als bestürzt.

    DieserMann hätte mich töten können, wäre er mit finstereren Absichten gekommen.

    Was seine wahren Absichten allerdings gewesen waren, dessen konnte sich Herzog Sehon nicht sicher sein. Während der Befragung hatte der Mann – den Namen hatte Sehon mittlerweile vergessen – zugegeben, ein Spion zu sein, sein Auftrag habe darin bestanden, herauszufinden, ob Rabenmark seiner Heimat feindlich gesinnt war.

    Er könnte gelogen haben, dachte er. Allerdings gibt es nicht viele, die unter Folter lügen. Nein, eher geben sie mehr zu, als nötig.

    Es beschämte den Fürsten, dass der Gefangene gefoltert worden war. Er hatte Dokumente, Notizen, bei sich gehabt, doch zunächst hatte nichts darauf hingedeutet, dass er dem Herzog nach dem Leben trachtete. Zunächst.

    Der Spion war gestorben und seine bestialischen Foltermeister ebenso. Nein, so etwas konnte Herzog Sehon nicht gutheißen. Auch wenn die Folter im Nachhinein vielleicht eine angemessene Strafe gewesen wäre.

    Er hatte nicht vorgehabt, wegen dieses Zwischenfalls allzu viel zu unternehmen. Das Land des Spions, Südland genannt, war reich und mächtig und eine heimliche Nachforschung war kein Grund, einen Krieg vom Zaun zu brechen.

    Es war Roshalor, der alles aufgedeckt hatte. Er hatte nicht nur den Brief in den Gemächern des Spions gefunden, in dem von einem Mord am Herzog die Rede war. Er hatte ihnen außerdem das wahre Gesicht Südlands gezeigt. Roshalor war ein

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