Olive nadelfrei: Weihnachtskolumnen
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Über dieses E-Book
Karsten-Thilo Raab
Mit seinem Dreitagebart sieht KarstenThilo Raab nicht gerade aus wie der Weihnachtsmann. Gleichwohl hat er dem rot-bekittelten Rauschebart in zahlreichen Kolumnen, die in verschiedenen Tageszeitungen erschienen sind, augenzwinkernd über die Schulter - oder besser gesagt - in den Jutebeutel geguckt.
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Buchvorschau
Olive nadelfrei - Karsten-Thilo Raab
Der Autor
Mit seinem Dreitagebart sieht Karsten-Thilo Raab nicht gerade aus wie der Weihnachtsmann. Gleichwohl hat er dem rot-bekittelten Rauschebart in zahlreichen Kolumnen, die in verschiedenen Tageszeitungen erschienen sind, kräftig auf die Finger geschaut. Auch was sonst so Kurioses, Verrücktes und Unbegreifliches mit dem Fest der Feste sowie dem Jahreswechsel einhergeht, hat er in den vorliegenden Buch liebevoll auf die Schippe genommen.
Be naughty - save Santa the trip!
(Unbekannt)
Inhaltsverzeichnis
Leise kriselt der Baum
Krabbeltanne
Vorfestliche Verwirrung
Geschenkmarathon
Herrenwahl
Säge-Segen
Glühweineinmaleins
Geschenkschnüffler
Amnestree International
Geschenkplastinate
Kalenderschnäppchen
Vorbereitungstretmühle
Dezemberangst
Hengstweib
Locker flockig
Fertighausvorbehalte
Weihnachtsgeschäftwahrheiten
Aufgussfesttagsschmaus
Weihnachtsversicherung
Trendmodell Trauer-Tanne
Sommer-Weihnacht
Weihnachtsbaumformel
Bäumchen-wechsele-dich-Spiel
Freundschaftsgaben
Vorweihnachtspinocchios
Olive, nadelfrei
Ferienbaum
Nikoerzeuger
Geiler Gabengeiz
Miese-Geschenke-Hitliste
Teurer Festtagsschmaus
Verpackungsmisere
Weihnachtsakku
Schockgefroren
Zwangsshopper
Kernobstverlangen
Mehrwertzeitung
Warten auf das Hermes-Kind
Weihnachtsmarktknigge
Spätgeschenkesucher
Weihnachtsplanung
Pfundsgemeiner Advent
X-mas im 2.0-Zeitalter
Nadelhormon
Kollektiver Gedächtnisverlust
Weihnachtszoff-Hitliste
Streitverschiebung
Fallswa-Schomma-Zeit
Weihnachtszeitbilanz
Sargschönheiten
Blick zurück nach vorn
AntiPro
Neujahrsplanung
Neujahrsgrußflut
Leise kriselt der Baum
Viel besungen ist er, der Tannenbaum. Seine Nadeln rieseln nach zwei Wochen im Wohnzimmer genauso still und leise wie der Schnee, verstopfen Staubsaugersäcke und fangen, wenn mit echten Kerzen bestückt, gerne mal Feuer. Dennoch sind wir Feuer und Flamme für den Weihnachtsbaum. Als Kind sind wir alle beim Anblick des geschmückten Nadelgehölzes vor Ehrfurcht erstarrt. Doch diese Ehrfurcht verschwindet spätestens, wenn man selber mit der Baumspitze auf Augenhöhe ist. Denn die Welt scheint nur dann größer, wenn man kleiner ist.
Wann genau der Christbaum in unseren Breiten salonfähig wurde, lässt sich nicht mit Bestimmtheit sagen. Fest steht, schon die alten Römer sollen zum Jahreswechsel ihr Domizil mit Lorbeerzweigen verziert haben. Die Tradition des Weihnachtsbaums soll hingegen vor gut 400 Jahren von einigen Dreikäsehochs im Elsass erfunden worden sein.
Diese sollen in der Kirche das Paradiesspiel aufgeführt haben. Sie wissen schon, als Eva den leichtgläubigen Adam bezierzte und nötigte, einen Apfel zu essen, damit er noch morgen kraftvoll zubeißen könne. Quasi der Beginn der Zahnpastawerbung.
Für die Aufführung in der Kirche sollen die Kinder einen Tannenbaum mit Paradiesäpfeln geschmückt haben und an die Zweigen Kerzen befestigt haben, um den nachgebauten „Stall zu Bethlehem" zu beleuchten. Dabei hätten doch allein die funkelnden Kinderaugen genügt.
Nichtsdestotrotz könnte man mit dieser Version der Baumgeschichte auf dem Holzweg sein, zumal der erste Weihnachtsbaum nachweislich 1539 im Straßburger Münster aufgestellt worden ist.
Gut, werden sie nun denken, Straßburg gehört ebenfalls zum Elsass. Und, dies ist allerdings lediglich eine Vermutung, als die trockenen Zweige des Tannenbaums in jenen Tagen Feuer fingen, entstanden die ersten Bratäpfel und Elsässer Flammkuchen.
Nun ja, 1780 soll in Berlin der erste Christbaum gestanden haben. Dieser ist nach dem Gebrauch wohl in die Spree geworfen, dann in die Nordsee gespült worden und hat wohl Welle für Welle langsam den Atlantik überquert. Denn erst 1891 wurde vor dem Weißen Haus in Washington erstmals ein Christmas Tree aufgestellt.
In der Zwischenzeit hatte das Volk der Dichter und Denker bereits einen weiteren Schritt Richtung Perfektionierung des Baumschmucks unternommen. 1878 nämlich wurde in Nürnberg erstmals Lametta entwickelt. Sinn und Zweck der Übung: Die silber- oder goldfarbenen Fäden sollten glitzernde Eiszapfen simulieren.
Heute hängt alles, einfach alles im Weihnachtsbaum. Kugeln, Süßigkeiten, CDs, Geschenke. You name it, we have it. Hängende Äste nicht ausgeschlossen.
In diesem Jahr nun steht Weihnachten unter einen anderen Stern. Die angespannte wirtschaftliche Lage lässt angeblich die Geschenkberge schrumpfen. Und als ob dies noch nicht genug sei, nein, auch die Tannenbäume werden teurer.
Schuld daran ist ausnahmsweise nicht die SPD, sondern die mickrige Baumernte. Zum Schnäppchenpreis wird es weder die Nordmanntanne noch Fichte blau in diesem Jahr geben: Spätfröste in den bedeutenden Anbaugebieten und ein genereller Anbaurückgang sorgen für Preisaufschläge von 20 bis 25 Prozent. Es droht akuter Baummangel.
Tausende von Bäumen fehlen. Im Kampf um die letzte Edeltanne sind Handgreiflichkeiten unausweichlich. Die Bundeswehr wird von den Auslandseinsätzen zurückgeholt, um Waldgebiete und Schonungen zu bewachen, nach dem ganze Heerscharen von Plünderern mit Axt und Säge vermutlich bewaffnet durch die Forste ziehen.
Aufblasbare Plastikbäume sind eine mögliche Alternative. Wer sich diese nicht leisten kann, dem bleiben als Trost Fotos und Videos vom letzten Weihnachtsfest. Mitfeierzentralen werden in den nächsten Tagen und Wochen fast zwangsläufig wie Pilze aus dem Boden schießen.
Wir müssen nicht nur die Gürtel enger schnallen, sondern auch enger unter den Bäumen zusammenrücken. Ich sehe schon, wie sich unsere Nachbarn freuen, wenn wir Heiligabend zusammen mit der 26-köpfigen Großfamilie und 30 unserer engsten Freunde bei ihnen einkehren.
Ja, Weihnachten ist das Fest der Liebe. Geben ist seliger als Nehmen. Ja, eine Tannenbaumkrise hat zweifelsohne auch ihre schönen Seiten. Was bleibt ist die Frage, wenn Weihnachten das Fest der Liebe ist, warum ist dann Weihnachten nur an Weihnachten?
Krabbeltanne
Laut Angaben von Statistikern stehen auch in diesem Jahr insgesamt wieder rund 26 Millionen Weihnachtsbäume in unseren Wohnzimmern. Die wenigsten davon allerdings auf eigenen Füßen oder, wie es biologisch heißen müsste, auf eigenen Wurzeln.
Und obschon mit dem Einsatz der Kettensäge oder Axt der Tod auf Raten für den Nadelbaum eingeläutet wird, sprüht dieser vor Leben. Gemeint sind damit nicht die Nadeln, die nach und nach im Kampf mit der Erdanziehungskraft unterliegen, um sich dann zu einem verklebten Nadelhaufen für das Staubsaugerrohr zusammen zu rotten.
Nein, gemeint sind Kleinstlebewesen, die sich ein jeder von uns mitsamt dem Baum in die gute Stube holt.