Ich schwamm dem Krebs davon: Eine Heilungsgeschichte
Von Beate Marquardt
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Buchvorschau
Ich schwamm dem Krebs davon - Beate Marquardt
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
31.3.2017
24.4.2017
31.5.2017
17.7.2017
5.8.2017
9.8.2017
9.10.2017
20.10.2017
31.10.2017
10.4.2018
1.5.2018
11.11.2018
13.11.2018
14.11.2018
17.11.2018
21.11.2018
29.11.2018
4.12.2018
8.12.2018
11.12.2018
29.12.2018
30.12.2018
15.1.2019
22.1.2019
31.1.2019
2.2.2019
6.2.2019
9.2.2019
12.2.2019
16.2.2019
17.2.2019
18.2.2019
Nachwort meiner linken Hand
Vorwort
Ich beschreibe in diesem Bericht meinen Weg durch meine Lungenkrebserkrankung. Ich tue das, weil ich hoffe, dass der eine oder andere Leidensgenosse ein paar Anregungen in meinen Aufzeichnungen finden kann, die ihm den Umgang mit seiner eigenen Erkrankung erleichtern. Es ist mir wichtig, voranzustellen, dass ich nicht über die letztendliche Wahrheit und Weisheit verfüge. Ich bin fest davon überzeugt, dass jeder Kranke am Ende seinen eigenen Weg hindurch finden und dann gehen muss. Aber manchmal kann man sich ein wenig bei anderen abschauen …
Ursprünglich hatte ich geplant einen Blog zu schreiben, den ich vorab fertigstellen wollte, damit ich beim Einstellen ins Internet nicht in Zeitschwierigkeiten kommen würde. Dann wurde das Ganze immer länger und länger. Eines Tages war klar, dass meine Aufzeichnungen für einen Blog gar nicht mehr geeignet sein würden. Aber aus diesem Grund gibt es jetzt keine Kapitel und ich habe mich entschieden, die Daten meiner „Schreibtage" sozusagen als Überschriften stehen zu lassen.
31.3.2017
Im Herbst 2011 hörte ich mit dem Rauchen auf. Ich war eine starke Raucherin gewesen und deshalb wunderte es mich zunächst nicht, dass ich weiterhin heftig hustete. Ich dachte immer: „Das ist nur logisch – der Dreck muss raus!" Als es aber nach Monaten nicht besser wurde, fand ich das langsam sehr seltsam. Gleichzeitig hatte ich entsetzliches Aufstoßen, so dass ich im Februar 2012 einen Arzt aufsuchte. Es wurde eine Magenspiegelung gemacht: ohne gravierenden Befund. Heliobacter Pylori wurde festgestellt, ich bekam Antibiotika, H. P. war weg. Mein Blutbild war ausgezeichnet, also schickte mich der Arzt als gesund nach Hause. Ich war natürlich nur erleichtert – und habe mein Gefühl, dass etwas überhaupt nicht stimmt, erst einmal beiseitegeschoben. Wenn der Doktor doch gesagt hat, dass da nichts ist, kann da auch nichts sein …
Im Laufe des Sommers wurde der Husten immer schlimmer. Mitte August sah ich dann in einer Meditation meinen verstorbenen Vater, der sagte, ich müsse jetzt zum Arzt. Das war so außergewöhnlich, dass ich innerlich wusste, dass es höchste Zeit war. Mein Hausarzt war im Urlaub – und das war mein Glück! Seine Vertretung schickte mich sofort zum Röntgen, wo man einen großen Tumor im linken oberen Lungenlappen feststellte. Ich war restlos geschockt. Konnte es gar nicht wirklich fassen. Schaltete aber dann schnell auf „Funktionsmodus", denn man sagte mir, dass ich keine Zeit zu verlieren hätte.
Danach ging alles ganz schnell. Noch am gleichen Morgen ließ ich ein CT machen. Der Röntgenarzt war sich sicher, dass es Krebs sei, und sagte, wenn ich mich sofort in Behandlung begäbe, hätte ich gute Chancen zur Heilung.
Zurück bei der Urlaubsvertretungsärztin ließ diese sofort einen Termin beim (wie ich inzwischen weiß) besten ortsansässigen Lungenfacharzt vereinbaren, der aber leider erst nach dem Wochenende stattfinden konnte, da der Arzt freitags zu einer Fortbildung war.
So hatte ich ein Wochenende, um mich mit dem Gedanken auseinanderzusetzen, dass ich jetzt Lungenkrebs hatte. Auch wenn noch keine Biopsie gemacht worden war, wusste ich das innerlich zu diesem Zeitpunkt schon. Zunächst lähmte mich das völlig. Ich versuchte herauszufinden, wie sich der Gedanke anfühlte, vielleicht bald zu sterben. Zu diesem Zeitpunkt war ich zwar bereits in Rente, hatte aber eine fast 90-jährige Mutter, die mich so in Anspruch nahm, dass ich das Gefühl hatte, im Grunde kein wirklich eigenes Leben zu haben. Ein Leben lang hatte ich immer hart gearbeitet, von meiner Rentenzeit noch gar nichts gehabt und jetzt sollte alles vorbei sein? Ich konnte es nicht fassen.
24.4.2017
Ich bin Therapeutin und habe ein Leben lang an mir gearbeitet. Nachdem ich den ersten Schock überwunden hatte, tat ich genau das auch jetzt. Ich machte mehrere Gestaltarbeiten mit oder zu diesem Tumor, der da in mir entstanden war, und musste feststellen: Ich hatte mich selbst verloren! Ich hatte mich aufgegeben. Mein Tumor saß unweit meines Herzens und auch das, fand ich, hatte eine Bedeutung: Mein Mangel an Selbstliebe hatte sich manifestiert!
Die letzten Zeilen habe ich zum Anlass genommen, die vielen Seiten zu lesen, die ich zu jener Zeit in mein Tagebuch geschrieben habe. Hauptsächlich habe ich mir selbst Rechenschaft darüber abgelegt, inwiefern ich mich selbst verleugnet hatte und ab welchem Zeitpunkt ich mein Herz verschlossen hatte, weil ich keine weiteren Verletzungen erleben wollte.
Unter dem Datum vom 12.8.2012 fand ich folgenden Eintrag: „Bin jetzt im Wohnzimmer in meinen üblichen Kreisen herumgelaufen und habe mich gefragt, was mir die Luft abdrückt. Dabei kam mir das Wort ‚Trauerkloß‘ in den Kopf. In meiner Brust sitzt ein Trauerkloß, der symbolisiert, wie entsetzlich traurig ich darüber bin, dass ich es zugelassen habe, dass mir die Luft abgeschnürt wird. Meine Trauer darüber, dass ich immer und immer wieder die ‚liebe Tochter‘ spiele (da muss ich jetzt erst mal weinen), die ich hasse zu sein. Ich habe auch meine innere Heilerin nicht wirklich groß werden lassen. Aber vor allem das Laute, Wilde, das über so eine enorme Lebenskraft verfügt, durfte nicht leben – stattdessen bin ich immer weniger geworden."
Mir hat es sehr geholfen, mir meine Krankheit auf allen nur möglichen Ebenen anzusehen. Ich habe auch Texte wie die von Rüdiger Dahlke in „Krankheit als Symbol" genau studiert. Ich habe mir meine Todessehnsucht angeschaut, meinen Überdruss, was meinen ewigen Lebenskampf angeht. Denn leicht war mein Leben nie gewesen. Es hatte immer irgendeine Problematik gegeben.
Kurz nach dem obigen Text habe ich wohl eine Pause eingelegt und dann eine erneute Arbeit gemacht, bei der ich meinen Krebs als meinen Dämon betrachtet habe, der nur eines anstrebte: meine vollkommene Vernichtung! An Ende der Beschreibung dieser Arbeit aber finde ich die Sätze: „Und dann habe ich mich für mein Leben entschieden! Ich glaube, das muss ich nun in der nächsten Zeit immer wieder tun. Mich für mich selbst entscheiden. Für die Kraft in mir. Für die Heilerin in mir, für die Liebende in mir."
Die Macht der Entscheidung – man sollte sie so hoch würdigen, wie es nur irgend geht. Ich habe im Laufe meiner Erfahrungen mit Entscheidungen während meiner Krankheit gelernt, dass ich auch das üben konnte. Ich habe mich viel mit den Lehren und Ansichten von Chuck Spezzano, einem amerikanischen Therapeuten, beschäftigt. Er hat viele Male gesagt, dass eine Entscheidung eine Sache von Sekunden ist, dass es darauf ankommt, dass man in der Lage ist, in einem einzigen Moment seine gesamte Energie auf diese eine Entscheidung zu konzentrieren, die man fällen will. Und so ist es – meiner bisherigen Erfahrung nach. Über Entscheidungen werde ich im Verlauf dieses Textes mit Sicherheit an anderer Stelle erneut schreiben.
Im Zusammenhang mit Krebs glaube ich, dass viele Menschen einfach aufgeben, wenn sie diese Diagnose hören. Oder total gelähmt sind und keinen klaren Gedanken mehr fassen können. Es war mein Glück, dass ich das nicht getan habe. Ich habe mir sehr schnell gesagt: Da musst du jetzt durch! Du hast dir die Suppe eingebrockt und nun musst du sie auslöffeln. Ich möchte unterstreichen, dass das meine persönliche Sichtweise ist und keine Allgemeingültigkeit hat. Ich schreibe es hier nur auf, weil dies mir geholfen hat.
Gleichzeitig habe ich versucht zu sehen, dass ich irgendwie immer Hilfe bekam. Das begann mit Dr. S., meinem Lungenfacharzt, zu dem ich sofort einen Draht hatte und er wohl auch zu mir. Na ja, anders geht es meiner Ansicht nach auch nicht, wenn die Zusammenarbeit erfolgreich sein soll. Er machte sich größte Sorgen wegen der Größe des Tumors, führte nach wenigen Tagen eine Bronchoskopie durch, die seine Diagnose bestätigte: Ich hatte ein Plattenepithelkarzinom.
Nächster Schritt war ein PET-CT in der Kerckhoff-Klinik in Bad Nauheim. Dort war eine liebenswürdige Betreuerin, die selbst mit einer Krankheit kämpfte und zu mir sagte: „Geben Sie niemals auf!" Ich habe tatsächlich später oft an sie und ihre Worte gedacht. Sie stellte auch fest, dass Dr. S. in der Eile vergessen hatte, ein MRT in Auftrag zu geben, und machte sofort einen Termin für mich noch am selben Tag.
Am Nachmittag des gleichen Tages traf ich auf einen jungen Arzt aus dem Kosovo, der mir wieder sagte, dass ich auf keinen Fall aufgeben dürfe. Weiterhin sagte er mir zu, mich am kommenden Tag sofort über die Entscheidung des Tumorboards telefonisch zu informieren. Das PET-CT zeigte nämlich, dass mein Tumor sehr groß war, ca. 8 cm, und vor allem, dass er kurz davor stand, innerlich zu zerfallen. Eile war also geboten, denn wäre das geschehen, hätte es keine Rettung mehr für mich gegeben.
Das war an einem Dienstag. Mittwochs teilte mir der junge Arzt mit, dass ich am Freitag in der Klinik erwartet wurde, damit noch einige Voruntersuchungen gemacht werden konnten. Der für mich vorgesehene Operateur war noch in Urlaub, kam sonntags zurück und erfuhr als Erstes, dass er einen riesigen Tumor operieren sollte. Man hatte mir ziemlich deutlich gemacht, dass kaum ein anderer Arzt in Deutschland es wagen würde, einen so großen Tumor noch zu