Frauen in den Medien: Immer schön gelassen bleiben
Von Marijke Amado
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Buchvorschau
Frauen in den Medien - Marijke Amado
Danksagung
Vorwort
Wenn Sie dieses Buch in Händen halten, gehe ich davon aus, dass Sie mich kennen und an der Welt des Fernsehens interessiert sind. Diesem Medium, dem ich mein Leben verschrieben habe, seit 1978. Für uns Frauen hat sich sehr viel verändert, von damals bis heute.
Ich blicke zurück auf viele Ereignisse, auf viele Begegnungen und Menschen, die ich getroffen und mit denen ich zusammengearbeitet habe oder immer noch zusammenarbeite. Es gab Enttäuschungen und Glücksgefühle, Höhen und Tiefen, wie im richtigen Leben. Wahrnehmungen und Veränderungen – und darum soll es in diesem Buch auch gehen. Die Rolle der Frau in den Medien und das, was wir Frauen in diesen 40 Jahren teilweise miterlebt und verändert haben. Etwas, in dem sich die „älteren" Leserinnen vielleicht wiederfinden, von denen die jungen lernen können und worauf die männlichen Leser vielleicht zum ersten Mal aufmerksam gemacht werden.
Keine Angst, dieses Buch ist keine Abrechnung, sondern der Versuch zu erklären, was war, was sich verändert hat und was sich noch verändern sollte. Und dieses Buch ist natürlich das, was ich am besten kann: Unterhaltung.
Viele haben mir bei diesem Buch geholfen, insbesondere meine wunderbaren Kolleginnen hinter und vor der Kamera, mit denen ich spannende Gespräche führen durfte. Dafür bin ich dankbar. Eine Beobachtung durch die Zeit. Wir Frauen sind ganz weit gekommen in diesen 40 Jahren und es hat sich vieles zum Positiven verändert. Unterhaltung zu machen ist eine wunderbare Sache und es gibt nichts Schöneres, als ein Lächeln in Ihr Wohnzimmer zu zaubern.
Ich hoffe, mit diesem Buch einen unterhaltsamen, lehrreichen und im besten Fall zum Nachdenken anregenden Stoff mit auf den Weg zu geben.
Ihre Marijke Amado
Kapitel 1
Eine Weltreise ins deutsche Fernsehen
Spätestens mit dem Schulabschluss muss jeder Mensch entscheiden, wie sein Leben weiter verlaufen soll – auch ich. Meine Entscheidung ist jedoch schon sehr früh gefallen, denn bereits seit meinem 13. Lebensjahr wollte ich auf die Bühne und Schauspielerin werden. Inspiriert dazu hat mich der niederländische Kabarettist Paul van Vliet, zu dessen Theaterprogramm „Ein Abend am Meer mein Vater mich als junges Mädchen einmal mitgenommen hat. An diesem Abend sang er auch das Lied „Mädchen von 13
, in dem er genau beschrieb, wie man sich als Dreizehnjährige fühlt: in der Mitte zwischen Kind und Frau, alles wächst und gedeiht, nur leider nicht immer in die so sehnlichst gewünschte Richtung, alles ist schön, nur der erste BH nicht. Man bekommt das Gesamtpaket an Weiblichkeit knallhart serviert, ohne dass man wüsste, wie man damit ein Leben lang fertig werden soll. Da ich gerade selbst so stark im Umbruch war, körperlich wie auch geistig, habe ich mich sehr über dieses einfühlsame Lied gefreut – und meinem Vater nach der Veranstaltung mitgeteilt, dass so eine Bühne doch ein wunderbarer Ort sei, um seine Gefühle und Emotionen auszudrücken. Denn dieser Paul van Vliet verstand, warum es geht.
In meiner Schule gab es jedes Jahr einen „Großen Abend – für mich das Highlight des Jahres! Ein Sammelbecken an Kreativität und Einfallsreichtum, und eigentlich war ich das ganze Jahr über damit beschäftigt, wie ich dieses Highlight umsetzen könnte: mit Gesang, einer Musical-Nummer, einem kabarettistischen Auftritt … Meine Begeisterung und meine künstlerische Ader waren geweckt und wurden jedes Jahr reichlich befeuert. Meine Freundinnen – auch alle im Umbruch – und ich, wir gaben uns den Namen „Keeters
, was so viel heißt wie „Lausmädels". In der Schule erlangten wir so über die Jahre eine gewisse Berühmtheit für unsere Auftritte, die nicht von allen Lehrern begeistert aufgenommen wurden.
Inzwischen schwenkte ich auf die Zielgerade ein und stand kurz vor meinem Abitur. Gerade in dieser Zeit entwickelten sich in den Niederlanden die ersten Drogenkontrollen. Mein Vater war deshalb strikt dagegen, mich die Schauspielschule besuchen zu lassen. „Nein! Da sitzen die ganzen Kreativen und gerade die fliehen täglich aus der Realität". Kinderversorgung und Erziehung, das sei das Richtige für mich. Mit diesem Studium konnte man einen Kindergarten leiten. Denn Mädchen heiraten sowieso, am besten einen Zahnarzt oder Anwalt, und bekommen dann Kinder. Ich hatte da wenig zu sagen und wurde an einer Universität in Amsterdam eingeschrieben – wo sie mich allerdings nie zu Gesicht bekommen haben. Und auch aus der restlichen Vorhersage meines Vaters wurde nichts, nach all den männlichen Fettnäpfchen in meinem Leben …
Nach acht Monaten besuchte mein Vater die Uni, um mal nachzufragen, wie es so lief, und bemerkte dabei, dass ich dort noch nie aufgetaucht war.
Mein Leben in Amsterdam war wie eine Neugeburt und es gab viel zu viel Energie von außen, um in einer Uni zu sitzen und langweiligen Themen zu lauschen, wie dem Wechseln von Windeln oder wie man Kindern beibringt, sich zu benehmen. Viel inspirierender fand ich die „Dolle Minas, eine Frauenrechtlerinnen-Gruppe, die für eine neue Welt und die Freiheit der Frau kämpfte, für „Baas in eigen Buik
(Herrin über den eigenen Bauch) und das Recht zur Abtreibung. Das war viel interessanter und dem widmete ich viel lieber meine Zeit. Leider strich mein Vater daraufhin meine finanzielle Unterstützung – und so musste ich erst einmal selbst sehen, wo ich blieb.
Das habe ich dann auch getan. Ich habe mich für eine Ausbildung zur Goldschmiedin eingeschrieben und nebenbei in einer Diamantschleiferei gearbeitet, um das Ganze zu finanzieren. In meinem letzten Jahr habe ich dann in einem der bekanntesten Schmuckläden Amsterdams gearbeitet, der einem sehr liebenswerten älteren jüdischen Mann gehörte. Wir verstanden uns sehr gut und er plauderte viel über das Leben. Nach etwa 1 ½ Jahren rief er mich in einer ruhigen Minute in sein Kämmerlein: Ich sei viel zu neugierig auf die Welt und müsse mich suchen, finden und entdecken. Ich könne viel zu gut singen für eine Goldschmiedin und sei sehr talentiert für Sprachen, kreativ und künstlerisch. Er zeigte mir eine Annonce der Firma Neckermann-Reisen: „Reiseleiter gesucht". Er bezahlte mir die Reise nach Frankfurt und ich bekam, als Bonbon, obendrein noch vier Monatsgehälter mit auf den Weg. Noch heute könnte ich ihn dafür küssen!
Und so saß ich dann auf einmal im Hotel „Taurus Park" an der Costa Brava. Immer beobachtet von der Guardia Civil, die uns bei allem über die Schulter schaute, denn es war die Zeit von General Franco.
In diesem Jahr wurden die ersten Automatisierungen im Büro vorgenommen, aber keiner wusste natürlich wie man damit umgeht. Flüge gab es zwar genug, nur Betten nicht. So lebte ich mit einer Überbuchung von 30–40 % und musste die deutschen Gäste auch auf Militärbetten in der Diskothek unterbringen.
Direkt vor dem Hotel floss die gesamte Kanalisation Barcelonas ins Meer und man konnte keinem Gast empfehlen, auch nur eine kleine Runde zu schwimmen. Da war dann Improvisation und Entertainment gefragt. Neben dem Hotel befand sich eine kleinere Stierkampfarena, in welcher ich täglich mehrere Stunden Programm auf die Beine stellte. Ich wollte den Menschen, die meist das ganze Jahr für die Reise gespart hatten, eine schöne Zeit machen. Mein Programm bestand aus Stierkämpfen ohne Stiere, gemeinsames Singen bei Kerzenlicht und Tango tanzen – mit mir. Herr Llambi hätte sich über meine Darbietung gefreut und statt der mickrigen drei Punkte, die er mir 40 Jahre später bei „Let’s dance zuwies, bestimmt zehn Punkte gegeben. Die Neckis – also die Neckermann-Touristen – waren begeistert, was ich aus dieser dämlichen Situation, in der wir uns befanden, noch zu kreieren versucht habe. Mein Deutsch war damals noch nicht so gut wie heute. Aber Niederländer werden die deutsche Sprache auch nie ganz beherrschen, da sich die Sprachen zwar ähneln, aber zu viele gleiche Wörter eine ganz andere Bedeutung haben. „Bellen
bedeutet im Niederländischen z.B. klingeln oder telefonieren.
Jeden Tag gab es einen Empfangscocktail für die Gäste, zu dem ich die Neckis immer mit folgendem Fauxpas zu meinen Arbeitszeiten eingeladen habe: Ich bin jeden Tag geöffnet von 9.00 bis 12.00 Uhr und nachmittags von 15.00 bis 20.00 Uhr.
Die Gäste schrieben ausführliche Briefe an die Geschäftsstelle Frankfurt: Sie hätten zwar kein Bett, aber die Holländerin würde ihnen das Leben wirklich nett gestalten. Nach einigen Monaten kam der für die Küste zuständige Chef zu mir und fragte mich, ob ich in der nächsten Woche Zeit hätte, in sein Büro zu kommen. Es handele sich um einen neuen Einsatz.
Bei dem Gespräch einige Tage später teilte er mir auf einem Zettel mit, dass ich nach Montserrat versetzt würde. Montserrat ist ein Kloster in den Bergen über Barcelona und ich konterte sofort, dass ich wohl keine Lust hätte, zwischen Mönchen in einem Kloster eingesetzt zu werden. Vielleicht sollte ich noch einmal genauer hinschauen, meinte er. Und so sah ich dann die Abbildung eines Schiffes, die „Donna Montserrat", ein Kreuzfahrtschiff, das zwischen Manila und Singapur verkehrte. Damit wurde ich die jüngste Reiseleiterin, die Neckermann zu dem Zeitpunkt nach Asien schickte. Mir blieb noch gerade genug Zeit, meine Eltern zu informieren, dass ich in der nächsten Woche über Bangkok nach Manila fliegen würde und für mindestens ein Jahr dort bleiben sollte. Mein Vater gab mir dann noch die nötigsten Ratschläge mit auf den Weg, z.B. dass ich meinen Koffer nie aus den Augen lassen sollte, denn in Asien gäbe es auch reichlich Drogenkonsumenten. Bei dem Zwischenstopp in Bangkok setzte ich mich vor dem Flughafen auf meinen Koffer, wie es mir mein Vater geraten hatte, um auf ein Taxi zu warten. Der Taxifahrer lud auch mein Gepäck hinten ins Auto, winkte mir noch einmal freundlich zu und fuhr dann einfach mit dem gesamten Gepäck fort. Ich hatte nichts mehr außer meiner Handtasche, dem Pass und einem Flugticket. Am nächsten Tag brauchte ich nicht mehr groß einzuchecken und kam schon bald auf den Philippinen an.
Es wurde für mich zu einer der wichtigsten Zeiten in meinem Leben. Neue Kulturen, Religionen, Länder, eine unbekannte Flora und Fauna eröffneten sich mir.
Ich blieb ein Jahr auf dem Schiff und mit meinen philippinischen Kollegen, deren Nation meiner Meinung nach zu der musikalisch talentiertesten der Welt gehört, war das Leben an Bord jeden Tag eine große Show-Bühne. Jeden Abend konnte ich mit meiner Band ein eigenes Programm gestalten. Neckermann verkaufte seine Ausflüge damals noch nicht aus dem Prospekt und als Reiseleiterin hatte man die vollständige Freiheit, diese selbst zu gestalten und dafür ein Honorar abzurechnen. Ich war die erste Reiseleiterin, die mit einer Gruppe deutscher Touristen zu den einheimischen Bewohnern der Insel Celebes, nach Torajaland, dem heutigen Sulawesi, fuhr. Der Animismus war der verbreitete Glaube dort und es ist das mystischste Fleckchen Erde, das ich jemals besucht habe. Die Reiseroute verlief von Manila über Cebu, Zamboanga, Celebes, Bali, Java, Borneo nach Singapur und wieder zurück.
Jeden Tag gab es etwas Neues zu entdecken und zu lernen. Das Leben war eine große Bühne des Ausprobierens, Aufnehmens, Genießens und des Absorbierens der schönen Seiten der Welt.
So wurde ich Spezialistin für buddhistische und hinduistische Tempel und Franchipani-Blüten und Orang-Utans kreuzten in Borneo wöchentlich meinen Lebensweg – ich genoss es in vollen Zügen.
Nach einem Jahr wurde ich zu einem neuen Einsatz in den Senegal versetzt, wo ein neuer Club eröffnet werden sollte. „Club Aldiana" – dort, wo die Glücklichen wohnen.
Es gab noch wenig, eigentlich gar nichts, und ich habe in dieser Phase meines Lebens gelernt, etwas völlig Neues in einer Ecke dieser Welt aufzubauen, in der es kaum etwas gab. Natürlich mit vielen anderen zusammen. Wir gründeten eine Hotelschule für das Personal, das wir in den kleinen Dörfern rundherum selbst rekrutierten. Ich lernte dafür extra ein klein wenig der einheimischen Sprache, Wolof. Rundalows – bessere runde Hütten – wurden gebaut und eine Rinder-, Schweine- und Hühnerzucht ins Leben gerufen. Es war das Jahr 1975 und alle Rinder sollten einen Namen und eine Nummer erhalten. Ich hatte so ein kleines Gerät, mit welchem ich die Nummern ins Ohr setzte und diese dann in einer Liste erfasste. Nummer 1 nannte ich Hitler, Nummer 3 Goebbels, Nummer 7 Goethe und Nummer 20 Bernhard der Niederlande. Irgendwann kam dann der einheimische Koch aus der Küche und teilte mir mit, dass Hitler auf dem Buffet lag.
Ich war einmal die Reiseführung für Mali, Gambia und den Senegal und damals die erste Frau, die mit einer Gruppe deutscher Touristen nach Mali reiste. Und in Bamako hatte man noch nie so viele Touristen auf einmal gesehen. Es war damals sehr außergewöhnlich und gefährlich – wie heute leider auch wieder.
Im Club gestaltete ich im Tam Tam, der Club-Disco, das Abendprogramm und legte so jeden Abend den Grundstein für meinen späteren Beruf. Ich schrieb Lieder wie „Aldiana ist so herrlich, Aldiana ist so schön" und mit den einheimischen Trommlern trommelten wir gemeinsam ein Multi-Kulti-Programm zusammen.
Heile Club-Welt abseits der Menschen
Auf meiner Reise durch diese drei Länder habe ich immer wieder feststellen müssen, dass man im Club eine heile Welt kreiert, die mit der Welt außerhalb nichts zu tun hat. Ich frage mich heute immer noch, ob die Tourismusindustrie nur Gutes gebracht hat.
Ich denke zum Beispiel an einen 17-jährigen Jungen, den ich damals zum Eisverkaufen am Aldiana-Strand aus seiner Hütte geholt habe – heute verkauft er in Ghana seinen Körper an ältere Touristinnen und trägt Rolex-Uhren. Oder an die deutschen Touristinnen, die den Joghurt vom Frühstücksbuffet in ihren Rucksäcken verstauten, um in M’bour billig an eine Holzarbeit zu kommen.
Frauen starben bei Geburtskomplikationen am Straßenrand, da es, außer in Dakar, kaum Krankenhäuser gab. Ich hab dies selbst am eigenen Leib erfahren: Mein Blinddarm ist im OP-Saal einer Klinik in Dakar geblieben.
Ich habe die Stärke und Ausstrahlung der senegalischen Frauen nie vergessen, die ihre Bubus und Kopftücher in bunten Farben für 1,50 Euro wie Chanel-Kostüme trugen. Diese Stärke und Ausstrahlung habe ich sehr bewundert und nie vergessen. Für die Frauen im Senegal habe ich in meinen erfolgreichsten Zeiten eine eigene Geburtsstation eröffnet, Marijke Amado Materinté, die heute von der UNESCO weitergeführt wird. Kinder im Senegal bekommen immer den Namen ihres Geburtsortes und so ist der Name Marijke heute im Senegal weit verbreitet.
Nach einem Jahr Einsatz in Afrika ging meine Reise weiter und ich landete für einen Einsatz im damaligen Ceylon, dem heutigen Sri Lanka. Über Colombo ging es nach Nuwara Eliya, Polonnaruwa Sigiriya, Hukaduwa, Anuradhapura und Kandy. In Sri Lanka habe ich einen Monat in einem Kloster an der Ostküste in Trincomalee gelebt, um mehr über die Religion des Hinduismus zu lernen. Jahrelang konnte man aufgrund des Bürgerkrieges zwischen den Tamilen und anderen Bevölkerungsteilen dort nicht hinreisen.
Dann ging es über Süd-Indien, die Malediven, Nepal nach Bangkok. Es war die Zeit der Kegelclubreisen und so nannte man die Hinflüge „Bumsbomber und die Rückflüge „Klipper Tripper
. Ich habe dort mit ansehen müssen, wie grausam junge Mädchen und Frauen behandelt wurden, die mit einer Nummer auf ihrer Jacke hinter Glasscheiben saßen und z.B. von einem Kegelbruder