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Blue Planet Meta Defcon – Teil 2
Blue Planet Meta Defcon – Teil 2
Blue Planet Meta Defcon – Teil 2
eBook691 Seiten11 Stunden

Blue Planet Meta Defcon – Teil 2

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Über dieses E-Book

Nach den dramatischen Ereignissen in Chicago haben sich die Wege der Kraterkämpfer getrennt. Während die Welt noch immer mit den Konsequenzen des Invasionskrieges zu kämpfen hat, tut sich in den Tiefen des Alls bereits eine neue Bedrohung auf.
Eine Bedrohung, die das Ende allen Lebens auf der Erde herbeiführen könnte.
Wie viele Helden sind noch in der Lage, der Apokalypse entgegenzutreten?
Alex Rodig setzt die Geschichte konsequent und kompromisslos fort.
Neue Freundschaften werden geschlossen, Pläne geschmiedet und erneut Hoffnung geschöpft.
Doch wie viele Opfer sind nötig, um die Welt ein zweites Mal zu retten?
SpracheDeutsch
HerausgeberBooks on Demand
Erscheinungsdatum19. Dez. 2018
ISBN9783748161554
Blue Planet Meta Defcon – Teil 2
Autor

Alex Rodig

Alex Rodig wurde in Süddeutschland geboren, wo er bis heute lebt und unter anderem als Logistiker und Qualitätsmanager tätig ist. Seine Reiselust und sein Kulturinteresse brachten ihn in jungen Jahren an Orte in Südspanien, Finnland und Japan. Dies stellt den ersten Roman seiner Buchreihe dar.

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    Buchvorschau

    Blue Planet Meta Defcon – Teil 2 - Alex Rodig

    März 2014, Chicago West. Nach einem epischen Kampf, der weltweit live übertragen wurde, ging Mobula über die Landungsbrücke aus dem Krater heraus. Ihr Gesicht war geschwollen, Blut tropfte auf ihre weiße Oberbekleidung. Mühsam schleppte sie sich den metallenen Steg hinauf und betrat einen alten U-Bahn-Tunnel, als der Reporter Richard Flows mit seinem Kameramann zu ihr eilte und sie fragte: » Mobula! Sie sind die Gewinnerin! Herzlichen Glückwunsch! Was werden Sie nun mit den besagten Generatoren machen, um die es hier ging? « Mobula lief weiter, schaute nicht in die Kamera und antwortete erschöpft: » Wir werden die Generatoren studieren und zum Wohle der Menschheit nutzen. Alles Weitere hierzu, wird Ihnen mein Teamleiter, Mister Cinderlake, erklären können. « Eine Heerschaar von Sanitätern rannte an ihr vorbei, um die schwer zugerichtete Rawhide, die noch draußen im Krater lag, zu versorgen. Es herrschte ein reger Betrieb in den stillgelegten Schächten. Ein Arzt fing Mobula im Gang ab und brachte sie in einen Erstversorgungsraum, der provisorisch eingerichtet worden war. » Mein Name ist Doktor Miller. Bitte setzen Sie sich. « Mit einer Handgeste bot er Mobula einen Stuhl an. Er schloss die Tür und fing sofort an sie zu untersuchen. Mit einer kleinen, medizinischen Leuchte schaute er in ihre zugeschwollenen Augen. » Ihre Pupillen reagieren äußert langsam, Mobula. Ich fürchte, Sie haben sich ernst zu nehmende Kopfverletzungen zugezogen. « » Doktor, wo sind die anderen aus Team Silversonic? «, fragte sie, während Doktor Miller ihren Schädel abtastete. » Sie werden in einem Militärkrankenhaus behandelt. Dort werden Sie auch einige Tage verbringen müssen. « » Ist es etwas Schlimmes? «

    » Ob es etwas Schlimmes ist? Sie haben da draußen Schläge auf Ihren Kopf abbekommen, die den Krater erzittern ließen. Schläge, deren Aufschlaggeräusche sich mit Schallgeschwindigkeit ausgebreitet haben. Ich weiß nicht, wie das auf einen normalen Menschen gewirkt hätte und ich will mir es auch gar nicht vorstellen. Für mich grenzt es an ein Wunder, dass Sie noch am Leben sind. « » Na, dann kann ich ja gehen «, sagte Mobula und stand auf. » Nein, Sie können nicht gehen. Ich muss Sie ins Krankenhaus einliefern, zur Beobachtung. Der Wagen steht schon bereit. «

    » Sagen Sie mir einfach wo dieses Krankenhaus ist, damit ich meine Freunde finden kann. «

    » Das ist unverantwortlich, dieses Verhalten! «, sagte der Doktor aufgebracht. Mobula stützte ihre Hände in die Hüften und schaute ihn mit leicht schräger Kopfhaltung an. » Ich wurde gerade von einer Metahumanen nach allen Regeln der Kunst verdroschen. Ich habe jetzt wirklich keinen Nerv mehr, mich wegen solchen Belanglosigkeiten zu streiten. «

    » Militärkrankenhaus Chicago Nord. Es liegt am Stadtrand. Sie können es nicht verfehlen «, sagte Doktor Miller etwas beleidigt. Mobula ging aus dem Zimmer und lief den Tunnel entlang. Noch immer herrschte reges Treiben. Dann erreichte sie die U-Bahn-Station, die an die Oberfläche führte. Hier standen Soldaten und sicherten das Gebiet ab. Sie ging die Treppe nach oben. Von dort konnte sie bereits hören, wie sich eine Menschenmasse versammelt hatte und heftigen Lärm machte. Mit jeder Stufe, die sie nach oben ging, wurde der Lärm lauter. Nun sah sie die ersten Soldaten, die hinter der einen Meter breiten, metallenen Absperrungen versuchten, die Menschenmenge fernzuhalten. Als die Menschen Mobula sahen, brach ein lauter Jubel aus. Sie war völlig überrascht und konnte nicht fassen, wie viele Menschen sich ihretwegen hier versammelt hatten. Sofort entfachte ein Blitzlichtgewitter, denn Journalisten und Fernsehteams, die nicht zu Leitners Konzern gehörten, hatten sich hier versammelt. Sie alle hofften darauf, einen der sogenannten „Kraterkämpfer" vor die Linse zu bekommen. In den letzten Stunden gingen die Bilder um die Welt, die alle Beteiligten berühmt gemacht hatten. Mobula ging direkt hinter der Absperrung vorbei und löste bei den anwesenden Menschen fast eine Art Hysterie aus. Viele streckten sich über die Absperrung, um sie zu berühren. Die Soldaten des US-Militärs hatten alle Hände voll zu tun, um die aufgebrachte Menge zurückzuhalten. Als sie im Begriff war, den Rand der Sperrzone zu verlassen, weil ihr Weg sie wieder in das Innere des Sperrgebietes führte, wurde sie von einem Herren angesprochen. Er stand ganz vorne am Absperrgitter, am Rande einer Hauswand, hinter der Mobula gerade verschwinden wollte. » Mobula! Mobula! Bitte warten Sie einen Moment! «, rief er gegen die kreischende Menge an. Sie drehte sich nach ihm um. Er war circa dreißig Jahre alt, hatte schwarzes, kurzes, am Kopf anliegendes Haar und war einen Meter und achtzig groß. Er war elegant gekleidet, trug eine schwarze Stoffhose, schwarze Lederschuhe und einen schwarzen Stoffmantel mit Kunstfellbesatz. Seine Haut war bleich und er sah sehr gepflegt aus. Seine braungrünen Augen bildeten einen Kontrast zu seinem dezenten Oberlippenbart. » Ich gebe keine Interviews «, sagte Mobula. Ihre Aussprache war wegen ihren geschwollenen Wangen etwas undeutlich.

    » Oh nein, ich bin kein Reporter und ich bin auch kein Fan, der Ihnen ein Autogramm entlocken will «, sagte der Mann und versuchte, sich noch etwas weiter über das Geländer zu beugen. » Lassen Sie mich Ihnen nur etwas zeigen. Ich verspreche Ihnen, es wird sich für Sie lohnen «, ergänzte er. Mobula grübelte kurz und sagte:

    » Tut mir leid, ich habe gerade keinen Nerv für so etwas. Ich will nur... «

    » Sie wollen zu Ihren Freunden ins Krankenhaus, das ist mir schon klar. Bitte, sehen Sie sich das an. « Er reckte sich so weit er konnte über das Geländer und streckte ihr den Arm entgegen. In seiner Hand hielt er ein Foto. Mobula beugte sich leicht zu ihm und nahm es an sich. Sie schaute es an und drehte den Kopf etwas dabei. Auf dem Foto war sie zu sehen, wie sie gerade in die Militärbasis von Kandakova eindrang. Sie blickte den Mann an und fragte: » Gehören Sie zum russischen Geheimdienst? «

    » Nein «, lächelte er. » Dieser Gebäudekomplex steht auf meinem Land. Eine Überwachungskamera hat dieses Foto aufgenommen, als Sie es letztes Jahr ohne Erlaubnis betreten haben. «

    » Okay. Und was wollen Sie von mir? Soll ich Ihnen den Zaun ersetzen? «, fragte Mobula. Der Mann lachte. » Sie haben echt Humor! Aber nein, diesen finanziellen Aufwand kann ich gerade noch ausgleichen. « » Und worum geht es dann? «

    » Ich weiß, wonach Sie dort gesucht haben. Und ich kann Ihnen bei Ihrer Suche helfen. «

    » Ich wage zu bezweifeln, dass Sie das wissen. Aber um Sie zu beruhigen: Ich habe meine Suche aufgegeben. Ich werde Ihr Grundstück nicht mehr betreten. « » Das ist sehr schade. Ich hatte gehofft, Sie auf meinem Anwesen begrüßen zu dürfen «, sagte der geheimnisvolle Mann. » Sehe ich so aus, als würde ich mit jedem fremden Mann mitgehen, der mich anspricht? «

    » So habe ich das nicht gemeint. Bitte entschuldigen Sie. Mein Name ist Ivanov, Vladimir Ivanov. Mein Angebot steht. Ich habe Aufzeichnungen der Basis in Kandakova. Sie reichen zurück bis in die Fünfzigerjahre. Ich habe das Land vor ein paar Jahren gekauft und brachte es nicht übers Herz, diese geschichtsträchtigen Gebäude abreißen zu lassen. Ich wusste, dass es sich eines Tages auszahlen würde, allerdings nur, wenn Sie zusagen. « Mobula musste bei dieser charmanten Bemerkung etwas lächeln. Inzwischen aber dachte sie tatsächlich darüber nach, das Angebot anzunehmen. Sie wurde neugierig und wollte die Aufzeichnungen sehen. » Und wie soll das Ganze ablaufen? Sie sehen ja, wie ich zugerichtet bin, Mister Ivanov. «

    » Wir steigen in meinen Wagen, fahren zum Flughafen und fliegen mit meinem Jet nach Kandakova. Von dort aus ist es nicht mehr weit bis zur ehemaligen Militärbasis. Ein Hubschrauber wird uns zu meinem Schloss fliegen. « » Schloss? «, intervenierte Mobula. » Ja. An Bord meines Privatjets gibt es eine Dusche, saubere Kleidung und alles, was Sie sonst noch benötigen. Ich habe so gehofft, dass Sie zusagen und habe an alles gedacht. Auf meinem Schloss kann ich Ihnen auch einen Arzt besorgen, wenn Sie möchten.«

    » Sie sind ziemlich vorausplanend, wie? Was soll ich davon halten? «

    » Ich bitte Sie, Mobula. Ich bin ein Gentleman. Es wäre mir eine Ehre und ein Vergnügen, Sie auf meinem Anwesen begrüßen zu dürfen. «

    » Was haben Sie davon? Ich meine, wenn ich mitgehe und mir von Ihnen helfen lasse? «

    » Wissen Sie, unter meinen Freunden und mir hat Geld keine Bedeutung mehr. Wir übertrumpfen uns schon seit Jahren gegenseitig. Aber es gibt eine Sache, die nicht käuflich ist: Prestige. Wenn ich erzählen kann, dass die metahumane Mobula bei mir zu Gast war, ist das mehr, als alles Käufliche. Und wie gesagt, ich helfe Ihnen bei Ihrer Suche. Die Archive stehen bereit. « Mobula stemmte die Hände in die Hüften und seufzte. » Das Angebot klingt schon gut, um ehrlich zu sein. Ich meine übrigens das Archiv. Aber momentan... «

    » Ich weiß, ich weiß, was Sie sagen wollen «, unterbrach sie der Russe, der völlig dialektfrei sprach. » Sie sind abgekämpft und müde. Sie wollen jetzt eigentlich nur Ihre Ruhe haben. Das alles kann ich Ihnen bieten. Ein abgeschiedenes Stück Land, wo man herrlich ausspannen kann. Bedenken Sie, Mobula. Egal wo Sie jetzt hingehen werden, man wird Sie überall erkennen. Die Reporter werden Sie jagen wie einen Popstar. Kommen Sie mit mir. Ich gebe Ihnen so viel Zeit, wie Sie brauchen, um sich auszuruhen. Ich werde Sie nicht belästigen, Sie nicht einmal ansprechen, wenn Sie das nicht wünschen. « Mobula lächelte etwas. » Und sobald es Neuigkeiten aus dem Krankenhaus gibt, lasse ich Sie zurückfliegen, damit Sie Ihre Freunde sehen können. Momentan werden Sie dort sowieso nicht viel tun können, außer zu warten «, sagte er überzeugend. » Na schön «, sagte Mobula, während sie lautstark ausatmete. » Aber ich warne Sie: Sollte mir irgendetwas seltsam vorkommen, dann... « » Keine Sorge, ich werde mich doch nicht mit einer Metahumanen anlegen. Wie gesagt, ich bin ein Gentleman der alten Schule. « Mobula lächelte wieder. Sie sah abgekämpft und müde aus. » Wohin? «, fragte sie. » Gehen Sie zum Haupteingang des Sperrgebiets. Dort werde ich Sie mit meinem Wagen abholen «, sagte er glücklich und drängte sich durch die Menschenmassen hindurch, zurück zu seinem Wagen. » Alles klar «, sagte Mobula. Langsam ging sie zum Haupteingang, der von schweren Militärfahrzeugen und dutzenden Soldaten besetzt war. Nicht lange, und eine schwarze, gepanzerte Limousine fuhr vor. Vladimir stieg aus, eilte um das Fahrzeug herum und öffnete Mobula die Tür. Beide nahmen hinten Platz. Vorne am Steuer saß eine Frau. Sie hatte schulterlanges, rotes Haar und trug eine Chauffeurmütze. Mehr konnte Mobula nicht erkennen. » Mary, zum Flugplatz «, sagte Vladimir und öffnete ein Fach, was unter seiner Armlehne integriert war. Er reichte Mobula eine Flasche Wasser und Erfrischungstücher. » Danke. Haben Sie Angst, dass ich Ihr teures Auto schmutzig mache? «, fragte sie. Vladimir sah sie etwas perplex an. » Nein, natürlich nicht. Ich dachte nur, Sie wollen sich vielleicht etwas erfrischen. «

    » Schon gut, Mister Ivanov. Ich wollte nur einen Scherz machen. « Sie wischte sich etwas Blut aus dem Gesicht und blickte dabei aus dem Fenster. Sie passierten gerade ein Schild, auf dem die Richtung und Entfernung zum Flughafen angezeigt wurde. » Ist der Flughafen überhaupt schon wieder geöffnet? «, fragte sie. » Für Privatpersonen schon «, sagte Vladimir und ergänzte: » Ich habe Ihnen noch gar nicht zu Ihrem großartigen Sieg gratuliert. « » Da gibt es auch nichts zu beglückwünschen, Mister Ivanov «, sagte sie nachdenklich, trank etwas Wasser und blickte aus dem Fenster.

    Zur gleichen Zeit im Krater kam Rawhide zu sich. Sie öffnete die Augen und sah, wie sich über zehn Ärzte und Schwestern über sie beugten und an ihr herumfummelten. » Was soll das? «, fragte sie mit schwacher Stimme. Sie fing an sich zu wehren. » Hey! Finger weg! «, sagte sie etwas lauter und mit ermahnender Betonung. Sie lag bereits auf einer Bahre und verschiedene Ärzte klebten ihr Dioden, überall am Körper, an. » Verdammt noch mal! Flossen weg! «, schrie sie und riss sich die Verkabelungen ab. Die Mediziner schreckten zurück und ließen von ihr ab. Langsam erhob sie sich und stieg von der Bahre herunter. Taumelnd ging sie in Richtung Kraterrand, wo ihr Team gestanden hatte. » Misses Rawhide, wir wollen Ihnen doch nur helfen «, rief ihr einer der Mediziner hinterher. » Lasst mich in Ruhe, ihr Quacksalber! «, sagte sie verärgert. Keiner folgte ihr, als sie weiterhin schwankend zur Kraterwand ging. Es war dunkle Nacht und es wehte ein kühler Wind. Sie hob ihre Jacke auf, schüttelte sie etwas aus, um sie vom Sand zu befreien und zog sie an. Sie schloss den Reißverschluss, denn außer ihrem BH hatte sie keine Oberbekleidung mehr darunter. Mit dem Handrücken drückte sie kurz gegen ihren Unterkiefer. Alles tat ihr weh und sie war wie benebelt. Sie hatte nicht mitbekommen, wie urplötzlich Roy und Richard hinter ihr standen. Das Mikrofon wurde ihr entgegenstreckt und Richard bat um ein Interview. Das Einzige was sie dazu in einem sehr ernsten Ton sagte, war: » Wenn ihr mir noch mal auflauert, verwandle ich euch in zwei Fleischhaufen! « Roy schluckte, als sie es mit bösem Blick direkt in die Kamera sagte. Sie ließ die beiden stehen, drehte sich um, ging noch ein paar Schritte und hob dann in die Lüfte ab. Ihr Flug sah sehr wackelig und unsicher aus.

    Einige Tage später, am selben Ort. Das Militär hatte sich aus Chicago West größtenteils zurückgezogen. Tagsüber beherrschten hier nun Baufahrzeuge und Aufräumtrupps das Bild. Nachts war es ruhig. In der Dunkelheit kletterten zwei schwarz gekleidete Männer aus einem der U-Bahnschächte in den Krater hinab. » Schnell, schnell. Das Wetter schlägt um «, sagte der eine hektisch. Er kam als erster unten an und zog ein kleines Gerät aus seinem Rucksack. Er schaltete es ein und betätigte ein paar Tasten. » Ist die Luft rein? «, fragte er seinen Kollegen. Dieser schaute sich um und suchte den oberen Kraterrand ab. » Okay. Keiner da «, flüsterte er. Der andere schaltete das Gerät ein und betätigte den Abzug. Ein breit gefächerter, grünfarbener Laser scannte den Boden ab. » Schneller! Die Wolken sind schon über uns «, sagte der andere und zog ein paar Laborutensilien aus seinem Rucksack. » Ich mach ja schon «, flüsterte der Mann, der mit dem Scanner den Boden absuchte. Plötzlich gab das Gerät einen Piepton von sich. » Bingo. Da ist was. « » Dann nichts wie hin. Die ersten Tropfen kommen schon runter. « Der Wind blies kräftig und man konnte ein entferntes Grollen hören. Der Mann mit den Utensilien kniete sich auf den Boden und krempelte seine schwarze Baumwollmaske etwas nach oben. Er steckte sich die Taschenlampe in den Mund und suchte damit den Sandboden in der Dunkelheit ab. Schließlich fand er, wonach die beiden gesucht hatten. In der Händen hielt er ein Reagenzglas und ein kleines Schäufelchen. Damit entnahm er dem Sand eine Probe, füllte sie in das Reagenzglas und verstaute es in einer Schutzvorrichtung, die sich in seinem Rucksack befand. Es begann zu regnen. » Scheiße! Wir haben erst eine. Was machen wir jetzt? « » Es regnet. Wir können nichts mehr tun. Nichts wie weg von hier, bevor uns noch jemand sieht. « Beide packten hastig zusammen und kletterten ungesehen wieder aus dem Krater heraus.

    Zu später Stunde betrat Protonicman einen Nachtklub in einer Großstadt. Die Luft war vernebelt, es stank nach Zigarettenrauch und abgestandenen, alkoholischen Getränken. Aus den Boxen dröhnte ein neumodischer, stylischer Elektrotrack, mit viel Bass, verspielten Tieftönen und einer anrüchigen Frauenstimme, die ihre Textpassagen aufreizend dazu hauchte. Er sah sich um. Dass er das Striplokal mit seinem Einsatzanzug betrat, störte niemanden. Er ging zur Mitte des Raums. Dort befand sich der Steg, auf dem die Mädchen durch einen Vorhang nach draußen liefen und ihre Beweglichkeit beim Poledance unter Beweis stellten. Direkt davor setzte sich Protonicman in einen Sessel. Er blickte nach links. Im Sessel nebenan saß ein alter Mann, er hatte graue Haare, schien schon über siebzig zu sein und fuchtelte wild mit seinem Geld herum das er in den Händen hielt. Rechts von ihm saß ein jüngerer Mann, etwa Anfang vierzig. Er war sportlich gekleidet und sah nicht so aus, als würde er häufiger in solchen Etablissements verkehren. Plötzlich wurde das Licht gedämpft und ein Spot schien auf den Vorhang, hinter dem die Tänzerinnen immer hervorkamen. Protonicman blickte nach vorne. Eine zarte Frauenhand hob den Vorhang beiseite und ein Mädchen stieg in den Lichtkegel welches ihm sehr bekannt vorkam. Es war Aristonia. Ihr schwarzes Lederdress, was teilweise den Blick auf ihre Pobacken freigab, ihre kniehohen, schwarzen Stiefel und das auffällige Make-up. Alles war genau so, wie am ersten Tag, als er sie kennengelernt hatte. Gebannt starrte er auf sie. Grazil schritt Aristonia zur Stange und vollführte ihre ersten Figuren daran. » Ja, Schätzchen! Weiter so! «, rief der alte Mann zu seiner Linken und wedelte mit seinen Geldscheinen umher. Protonicman blickte ihn kurz an, dann blickte er zu Aristonia. Diese warf ihm mitten in ihrer Performance einen heißen, verführerischen Blick zu. Protonicman schaute kurz nach rechts. Dort saß nun ein anderer Mann. Er sah aus wie Jack, nur jünger. Protonicman verzog kurz das Gesicht und blickte dann verwirrt auf seinen Nebensitzer. Dieser sah ihn an und sagte: » Was schaust du mich an, Jack? Da spielt die Musik! « Er zeigte auf die Bühne, wo Aristonia einige sexy Moves an der Stange vollführte. Protonicman sah nach oben zu Aristonia. Sie tanzte und sah ihm dabei ins Gesicht. Sie lächelte und flirtete mit ihm, ohne dabei aus dem Konzept zu kommen. Er blickte nach links. Der alte Mann neben ihm hing regungslos in seinem Stuhl. Das Geld, was er mit vollen Händen präsentiert hatte, steckte in seinem Mund. Der Mann sah aus, als wäre er tot. Protonicman blickte zu Aristonia auf die Bühne. Sie tanzte, bewegte sich zur Musik und lächelte. Er sah wieder nach rechts. Der junge Mann, der eben noch dasaß, war verschwunden. An seiner Stelle saß nun ein alter Mann, Anfang sechzig. Er trug den Einsatzanzug von Protonicman. Entsetzt blickte er zurück zu Aristonia. Sie bewegte sich aufreizend an der Stange entlang und bot ihre Beweglichkeit dar. Hastig blickte er nach links. Dort saß nur noch ein Skelett, was Geldscheine im Mund stecken hatte. Schnell atmend und schwitzend riss er den Kopf herum und blickte nach rechts. Seine entspannte Körperhaltung im Sessel war bereits durch eine aufrechte, nervöse Sitzhaltung ersetzt worden. Seine Finger krallten sich in die Armlehnen des Sessels. Rechts von ihm saß nun auch ein Skelett im Sessel. Es hatte seinen Einsatzanzug an. Geschockt blickte er auf die Bühne. Dort zeigte Aristonia mit dem Finger auf ihn und fing an zu lachen. Es war ein lautes, gemeines Lachen, was ihn zutiefst verletzte. Dann schreckte er plötzlich auf und fand sich in einem Krankenhausbett wieder. » Verdammte Scheiße, was für ein Albtraum! «, flüsterte er aufgebracht. Sein Herz raste und er war schweißgebadet. Er blickte sich um, außer ihm befand sich niemand in dem Zimmer. Jack stand auf und ging langsam zum Fenster. Er hatte Kopfschmerzen und ihm war etwas übel. Zudem war er noch sehr wackelig auf den Beinen und bemerkte, dass er nur Unterwäsche und ein Krankenhemd trug. Der Kampf mit Rawhide steckte ihm noch ordentlich in den Knochen. Er bog die Jalousien etwas herunter und spähte nach draußen. Jack sah, dass er sich im dritten oder vierten Stockwerk befand. Draußen sah er einen großen Platz, auf dem kaum Leute waren und dahinter erkannte er eine Wiese, die an einen Wald angrenzte. Nichts von all dem kam ihm bekannt vor. Er ging langsam in das Toilettenzimmer, was im Krankenzimmer integriert war. Jack stellte das Wasser an und wusch sich vorsichtig das Gesicht. Er blickte in den Spiegel und betrachtete sich. Seine große Brandwunde war noch immer da, sah aber schon etwas besser aus. » Verdammt, wo bin ich hier? Und wie lange bin ich schon hier? «, sagte er zu seinem Spiegelbild und fuhr sich dann mit den nassen Händen durch die verstrubbelten Haare. Jack ging wieder ins Hauptzimmer und durchsuchte die Schränke. Er fand nur eine Jeans und ein weißes T-Shirt, was ungefähr seine Größe hatte. Unten in der Ablage fand Jack noch ein paar abgetragene Sneaker, die ihm passen sollten. Seinen Einsatzanzug konnte er nicht finden. Gerade wollte er die Klamotten aus dem Schrank holen und sich anziehen, da ging die Zimmertür auf. Jack schloss die Schranktür schnell und blickte auf die Tür. Ein Arzt betrat das Zimmer. Er war etwa einen Meter und achtzig groß und hatte eine Glatze mit dem für ältere Herren typischen Altherrenkranz drum herum. Er trug eine kleine Brille mit ovalförmigen Gläsern. In der Hand hielt er ein Klemmbrett mit diversen Blättern darauf. » Mister Habsburger. Sie sind schon aufgestanden. «, sagte er feststellend. » Ja. Und... Sie sind? «

    » Doktor Jay. Bob Jay «, sagte der Mediziner und blickte auf sein Klemmbrett. » Da haben Sie einiges abbekommen. Als Arzt würde ich Ihnen raten, sich wieder ins Bett zu legen und zu erholen. Sie brauchen vor allem Ruhe. «

    » Doktor, wo bin ich hier? «

    » Sie befinden sich im Militärkrankenhaus Chicago Nord «, sagte der Doktor, als er Jack leicht am Unterarm ergriff und ihn zu seinem Bett zurückführte. » Wie lange bin ich denn schon hier? «, fragte Jack etwas perplex. » Seit Ihrer Einlieferung sind sechs Tage vergangen. « » Was? Sechs Tage? Wann darf ich hier wieder raus? « » Nun, zuerst müssen Sie sich noch ein paar Fragen stellen lassen. Die Regierung hegt ein großes Interesse an Ihnen und Ihren Freunden. Danach können Sie das Krankenhaus auf eigene Verantwortung verlassen. « » Die Regierung? Was wollen die denn von mir? « » Das wird Ihnen ein Herr vom FBI beantworten können. Ich werde ihn anrufen und ihm sagen, dass Sie vernehmungsfähig sind. Bis dahin, ruhen Sie sich noch etwas aus, Mister Habsburger. «

    » Na gut «, sagte Jack einwilligend und legte sich ins Bett. Kaum war der Arzt aus dem Zimmer draußen, riss er die Decke zur Seite und sprang auf. Er ging zum Schrank, zog sich hastig die fremden Klamotten an und öffnete die Tür, um durch einen kleinen Spalt auf den Flur zu linsen. Hinter dem Rücken einer Reinigungskraft schlich er aus dem Zimmer heraus und betrat den Treppengang. Weg. Nichts wie weg von hier, dachte er sich. Als er jedoch einen Stock tiefer durch die gläserne Treppengangtür schaute, sah er, wie gerade ein Krankenbett vorbeigeschoben wurde. Darin lag jemand, den er kannte. Das war doch... Alocasia. Er blickte den Treppengang hinunter. Noch zwei Stockwerke und wäre draußen. Dann blickte er zurück zur Glastür. Was ist, wenn Sie hier auch gegen ihren Willen festgehalten wird? Sie wird bestimmt auch vom FBI verhört werden. Scheiß drauf. Sie gehörte zur anderen Seite. Soll sie zusehen wie sie selbst klarkommt. Gerade wollte er die Treppe hinunterlaufen, um in den angrenzenden Wald zu fliehen, da sponn er seinen Gedankengang weiter. Aber eigentlich hatte ich nie etwas gegen die Limits. Und Rawhide hat mich verschont, als sie mich leicht hätte töten können. Vielleicht waren wir im Unrecht. Vielleicht war Jason auf dem Holzweg und hätte auf die Limits hören sollen. Er ging schließlich durch die Tür und betrat das Stockwerk. Weiter hinten im Gang konnte er sehen, wie zwei Schwestern das Bett, in dem Alocasia lag, in einen Raum schoben. Jack ging bis zur Herrentoilette weiter, betrat sie und versteckte sich dort. Nach ein paar Minuten hörte er die Schritte der Krankenschwestern, wie sie zurück zu ihren Stationen gingen. Er öffnete die Tür einen Spalt weit und spähte hindurch. » Okay jetzt «, flüsterte er vor sich hin und lief leise zum Krankenzimmer, in das Alocasia gebracht wurde. Als er es betrat, erkannte er, dass nur sie dort untergebracht war. Leise schloss er die Tür und ging an ihr Bett. Alocasia schlief. » Hey, wach auf. «, sagte Jack leise. Er stellte sich neben das Bett und berührte sie leicht am Arm. » Alocasia. Komm schon, wach auf. « Mit einem sanften Rütteln an ihrem Unterarm versuchte er sie zu wecken. » Alocasia, bitte. Wenn du nicht aufwachst, muss ich dich zurücklassen. Ich habe keine Zeit. « Alocasia verzog das Gesicht. Mit Nasenrunzeln und heruntergezogenen Augenbrauen wachte sie langsam auf. Ihre Augen öffneten sich ebenfalls nur sehr langsam. » Gut so. Komm zu dir. Du musst schnell aufstehen «, sagte er und ging zum Kleiderschrank des Zimmers. Alocasia hatte Kopfschmerzen, ihr Blick war noch getrübt und sie fühlte sich, als ob sie noch zehn Stunden Schlaf gebrauchen konnte. » Autsch, mein Kopf «, stöhnte sie, während sie sich langsam umsah und im Bett aufsetzte. » Schnell jetzt. Zieh das an. Wir müssen los. «, flüsterte Jack aufgebracht und warf ihr ein paar Klamotten auf das Bett. » Jack? Was machst du denn hier? Wo sind wir hier überhaupt? « » Keine Zeit für Erklärungen. Bitte, steh jetzt auf und zieh das an. Wir müssen los! «, mahnte er hektisch. Alocasia nahm die Klamotten und begutachtete sie. » Das ist Herrenbekleidung. Wieso sollte ich das anziehen? «, fragte sie noch immer etwas desorientiert. » Es ist nichts anderes da. Ich bitte dich, reiß dich zusammen und steh auf. Das FBI ist bestimmt gleich da. « Alocasia richtete sich auf und setzte sich an den Bettrand. Ihre Arme und Beine wiesen überall blaue Flecke und Schrammen auf. Am Oberarm hatte sie eine schlecht verheilte Narbe, die von einem Streifschuss verursacht wurde. Sie zog die übergroßen Baggy Pants an, die Jack in dem Schrank gefunden hatte. Dazu zog sie ein kariertes Hemd an und setzte sich eine Baseballmütze auf. » Hier, die Schuhe. Schnell «, sagte er, während er sich hinkniete und versuchte, ihr die etwas zu groß geratenen Sneaker anzuziehen. » Das sind die Klamotten eines Sechzehnjährigen «, sagte Alocasia gähnend, als sie an sich herabblickte. » Scheiß drauf. Nichts wie weg von hier «, sagte Jack, nahm sie an die Hand und zog sie hastig vom Bett herunter. » Langsam, langsam Cowboy! Ich bin mir nicht sicher, ob ich irgendwelche schweren Verletzungen habe «, sagte sie. » Wenn du nicht mitkommst, nimmt dich das FBI auseinander. Sie werden dich ausquetschen und eventuell harte Methoden anwenden, um alles über dich und deine Schwestern zu erfahren. Willst du das? Ich glaube nicht! Also hör jetzt auf rumzujammern und reiß dich endlich zusammen, Alocasia. «

    » Meine Schwestern... weißt du, wo sie sind? «, fragte sie ihn besorgt. » Keine Ahnung. Du kannst hierbleiben und nach ihnen suchen, oder mit mir mitkommen «, sagte er, während er zur Tür ging, um sie leise zu öffnen. Er blickte durch den Türspalt. » Warte kurz. Ich versuche sie zu orten. Wenn sie hier sind, werde ich ihre Präsenz spüren. « Alocasia legte die Zeige- und Mittelfinger an die Schläfen und schloss die Augen. Nach nur zwei Sekunden riss sie die Augen auf und starrte ungläubig auf Jack. » Was ist? Hast du sie geortet? «

    » Sie sind weg «, sagte sie geschockt.

    » Deine Schwestern sind weg? «, fragte Jack.

    » Nein, meine telepathischen Kräfte sind weg. Ich... ich bin meiner Kräfte beraubt worden «, stellte sie fest. » Da bist du nicht alleine, Alocasia. Willkommen im Klub «, sagte er zynisch, nahm sie wieder an die Hand und zog sie mit sich auf den Krankenhausflur. » Dort rüber, zur Treppe «, flüsterte er, während er sie zügig hinter sich herzog. » Ich... bin ohne meine Kräfte... nutzlos «, flüsterte sie. » Schon klar. Jetzt sind wir ganz normale Leute, die nicht vom FBI erwischt werden wollen «, sagte Jack. Sie erreichten die Glastür, die zum Treppengang führte. Während sie leise aber zügig die Treppe hinuntergingen, kam ihnen eine Krankenschwester entgegen. Sie trug gerade irgendwelche Tücher nach oben und schaute die beiden skeptisch an. » Wir gehen nur mal an die frische Luft «, sagte Jack, während er hastig weiterging. Alocasia stolperte, konnte sich aber wieder fangen und zog sich die Mütze etwas tiefer ins Gesicht. Die Schwester sah genau hin und sagte: » Moment mal, sind Sie nicht... «

    » Nein, sind wir nicht «, sagte Jack im Vorbeigehen. Beide gingen immer schneller, obwohl Alocasia noch recht wackelig auf den Beinen war. Als sie die Treppe, die zum Erdgeschoss führte, erreichten, sah Jack zwei Wachsoldaten am Eingang stehen. » Scheiße «, flüsterte er und zog Alocasia an der Hand wieder zurück, als er umdrehte und in den ersten Stock zurückging. » Was jetzt? «, fragte sie. » Durch das Fenster. «

    » Was? Im ersten Stock? Das sind vier Meter! Mindestens! «

    » Ich mach das schon, vertraue mir. «

    » Ich seh uns schon im Verhör beim FBI sitzen, mit gebrochenen Fußgelenken «, sagte Alocasia sarkastisch. Sie betraten hastig den Flur im ersten Stock, gingen zu einem Krankenzimmer an der Nordseite und betraten es ohne anzuklopfen. Jack zog sie hinein, schloss die Tür hinter sich, lehnte sich mit dem Rücken dagegen und atmete erst einmal durch. Alocasia sah sich im Zimmer um. Es war nur ein Bett belegt. Dort lag ein Mann, etwa siebzig Jahre alt. Er schlief und hatte Schläuche in der Nase. Sein Gesicht war von Verbrennungen gezeichnet. Als Alocasia langsam vor sein Bett ging und ihn ansah, öffnete er langsam die Augen. Jack horchte derweil, ob sich jemand näherte. Er presste sein Ohr an die Tür und lauschte, was im Flur vor sich ging. Alocasia sah den alten Mann an und sagte: » Entschuldigen Sie bitte. Wir wollten Sie nicht wecken. Wir sind gleich wieder weg. « Der Mann sah sie an und sagte mit einer schwachen, dünnen Stimme: » Der Feuerball... der Feuerball hat meine Familie ausgelöscht. «

    » Sie sind im Westen von Chicago gewesen, als die Explosion stattgefunden hat? «, fragte Alocasia. » Ja, weil ich hier gearbeitet habe, aber meine Familie lebte in Albany. « Alocasia schreckte auf und hielt sich die Hand vor den Mund. » Es tut mir so leid «, sagte sie flüsternd. Tränen bildeten sich in ihren Augen. » Ich wünschte, ich wäre bei Ihnen gewesen... «, sagte der Mann. Eine Träne lief ihm seitlich die Wange herunter. Dann atmete er noch mal durch und schloss die Augen wieder. Er war wieder eingeschlafen. Alocasia wischte sich die Tränen aus den Augen. Jetzt begriff sie erst richtig, wie viele Schicksale sie mit ihrer Aktion besiegelt hatte. Jack kam zu ihr und berührte sie von hinten and der Schulter. Er sah den Mann und sagte: » Ich dachte das hier ist ein Militärkrankenhaus. Was macht denn ein Rentner hier? « Er hatte nicht mitbekommen, was gesprochen wurde und auch Alocasias Tränen sah er nicht. Er ging weiter zum Fenster des Zimmers, öffnete es und blickte hinunter. » Sehr gut. Hier geht es. « Jack kletterte über den Fensterrahmen, hielt sich mit den Händen daran fest und hing nun draußen an der Hauswand. Von seinen Füßen bis zum Boden waren es nur noch zweieinhalb Meter. Er stieß sich etwas von der Wand ab und ließ los. Stampfend landete er auf einer angrenzenden Wiese. Der Wald, den er von seinem Fenster aus gesehen hatte, war nicht weit weg. Er blickte nach oben und sah zum Fenster. Alocasia streckte den Kopf heraus und blickte nach unten. » Komm schon, ich fang dich «, sagte er und streckte ihr die Arme entgegen. » Super Plan, Jack. Vertraue mir, ich mach das schon! «, äffte sie ihn nach. Sie stieg auf den Fensterrahmen und setzte sich darauf. Scheiße ist das hoch. Der Blick an ihren Füßen vorbei auf den Boden ließ sie fast erstarren. » Jetzt komm schon! Ich fang dich auf! «, sagte Jack, der langsam die Geduld verlor. Alocasia zögerte noch immer. Plötzlich hörte sie, wie die Tür im Zimmer aufging und eine Stimme sagte: » Da! Das ist sie! « Es war die Schwester, die die beiden im Treppenhaus gesehen hatte. Sie kam mit zwei Wachsoldaten in das Zimmer und zeigte auf Alocasia, die noch immer auf dem Fensterrahmen saß. Diese blickte wieder nach vorne und stieß sich vom Fensterrahmen ab. Sie schloss die Augen dabei. Der Fall fühlte sich an, als würde er ewig dauern. Mit einer leichten Rückenlage wartete sie auf den Aufprall. Plötzlich spürte sie Jacks Arme, wie sie sie an Kniekehlen und Rücken berührten und schließlich ihren Fall abfingen. Sie öffnete die Augen und blickte ihn direkt ins Gesicht. » Alles gut, ich hab dich «, sagte er nur und ließ sie herunter. » Was jetzt? «, fragte Alocasia. » Zum Wald, schnell «, sagte Jack, als er sie an die Hand nahm und mit ihr losrannte. Oben blickten ihnen die Krankenschwester und die beiden Wachsoldaten hinterher. » Wahrscheinlich wird gleich der Alarm losgehen «, sagte Alocasia schwer atmend. Sie rannten über die Wiese und erreichten den Waldrand. Jetzt vernahmen sie ein Alarmsignal was auf dem gesamten Krankenhausgelände ertönte. Jack und Alocasia rannten panisch durch den Wald. Äste und Zweige schlugen ihnen ins Gesicht. Beiden raste der Puls und sie spürten das Adrenalin in ihrem Körper. Dann erblickte Jack eine Mauer am Ende des Waldstücks. Er ließ Alocasia los, rannte so schnell er konnte darauf zu und sprang hoch. Mit einem Bein landete er an der Mauer und stieß sich von da aus nochmals nach oben ab. Am oberen Mauerende fanden seine Hände halt, doch er bemerkte auch einen stechenden Schmerz. Er zog sich an der Mauer hoch und als sein Kopf über die Mauer blickte, sah er, dass er in eine Stacheldrahtumzäunung gefasst hatte. Er erklomm die Mauer komplett und legte sich mit dem Bauch auf das obere Ende. Mit einem Arm hielt er sich fest, den anderen streckte er nach unten. Alocasia nahm Anlauf, sprang hoch und ergriff seine Hand. Jack zog sie mit einem Arm nach oben. Der Stacheldraht, auf dem er lag, bohrte sich in seine Haut. Alocasia hing an der Mauer. Sie wollte seitlich an ihm vorbeiklettern, da schrie Jack unter Schmerzen: » Nein! Über mich drüber! « Sie erkannte nun, dass der obere Teil mit Stacheldraht verkleidet war und kletterte über Jack hinweg. Auf der anderen Seite blickte sie kurz hinunter, um die Höhe zu prüfen und sprang. Es waren etwa zwei Meter und zwanzig. Sie landete auf den Füßen und rollte sich geschickt ab. Unten angekommen, hörte sie, wie Jack hinter ihr heruntersprang und ebenfalls weiterlief. Beide rannten nun auf eine große Waldlichtung zu. Unweit davon führte ein Schotterweg zu einem Parkplatz. » Das muss der Besucherparkplatz sein «, sagte Jack. Alocasia erreichte ihn kurz vor ihm und versuchte sofort das erste Auto zu öffnen. » Mist! Verschlossen! « Auch Jack machte sich daran, bis ihm ein alter Wagen ins Auge stach, der etwas Abseits am Parkplatz stand. Er war ein beigefarbener, angerosteter Chevy mit einem hellblauen Kotflügel vorne links. Ein Relikt aus den Siebzigerjahren. Er rannte hin und zog am Türgriff. Der Wagen war offen. » Ja! «, sagte er, als er die Tür aufzog und sich auf den Fahrersitz setzte. Alocasia kam nur ein paar Sekunden später und setzte sich auf den Beifahrersitz. » Hast du schon mal einen Wagen kurzgeschlossen? «, fragte sie. » Nein, aber das kann ja nicht so schwer sein, bei solch einem alten Wagen «, sagte er angestrengt, als er die Verkleidung an der Lenksäule aufbog und das Plastik zum Bersten brachte. Nervös blickte sich Alocasia um, während Jack an den freigelegten Kabeln herumhantierte. » Blau und rot «, sagte er, als er zwei Kabel miteinander verband. Es geschah nichts. » Mach schon! Ich glaube da hinten kommen sie bereits «, sagte Alocasia nervös. » Blau und braun, komm schon! «, sagte Jack, während er die Kabel hektisch zusammenzwirbelte. Ein Rumpeln und ein Bollern war aus dem Motorraum zu hören, dann sprang der alte V8-Motor an. » Sehr gut! «, sagte Alocasia. Jack fuhr vom Parkplatz herunter direkt in den Wald. Ein schmaler, matschiger Traktorpfad bot die einzige Möglichkeit vom Gelände zu entkommen, ohne dabei die Wachen passieren zu müssen. Das Auto schlingerte auf dem weichen Untergrund hin und her. Alocasia schaute permanent nach hinten. » Vielleicht haben sie nicht gesehen, dass wir in dem Auto sitzen. « » Ich gehe trotzdem auf Nummer sicher «, sagte Jack und fuhr recht schnell den Waldpfad entlang. Als das Heck abermals ausbrach und einen Baum leicht touchierte, fragte Alocasia: » Wohin geht es da überhaupt? « » Keine Ahnung. Hauptsache weg vom Krankenhaus. « Nach einer viertel Stunde kamen sie an eine ausgebaute Straße. Ein schwach befahrener Freeway, der ihnen zwei Möglichkeiten aufbot. Jack hielt an, schraubte das Fenster herunter und schaute sich um. » Wohin sollen wir jetzt? «, fragte Alocasia. » Zu Jason. Zum Tower «, sagte Jack. » Was? Kannst du vergessen. Er wird ausrasten wenn er mich sieht. Wie beim letzten Mal. Außerdem wird uns das FBI doch bestimmt genau dort suchen, oder nicht? Die überwachen den Tower bestimmt schon. «

    » Ja, da könntest du recht haben «, grübelte Jack. Er lenkte das Steuer hart ein und bog nach links ab. Sie fuhren somit aus Chicago raus in Richtung Norden. » Wohin fährst du? «, fragte sie. » Nach Craig «, sagte er. » Okay. Und was machen wir dann da? «

    » Dort ist mein altes Apartment. Ich habe da gewohnt, als ich noch als Abrissarbeiter tätig war. «

    » Ich dachte, du hättest bei Jason im Tower gewohnt. « » Das stimmt schon. Ich habe das Appartment in Craig aber nie gekündigt. Ich hab's irgendwie vergessen. « » Dann hast du vollkommen umsonst Miete gezahlt? «, lachte Alocasia. » Ich habe bei Jason sehr gut verdient und hatte echt andere Sorgen als das. Außerdem bin ich jetzt froh, dass ich es nie gekündigt habe. «

    » Hast du denn die Schlüssel noch? «

    » Nein, nicht dabei. Aber das macht nichts. «

    » Da bin ich ja mal gespannt, Jack «, sagte sie leicht feixend. Jack sah das Schild und wechselte die Spur Richtung Craig. » Noch sechsunddreißig Meilen «, sagte er, während er sich auf das Fahren konzentrierte.

    » Hey Jack? «

    » Was? «

    » Danke... fürs Rausholen «, sagte sie, während der Motor des Wagens dröhnte und Luft durch das leicht geöffnete Beifahrerfenster drang.

    » Ja, kein Thema. Ich dachte, es wäre das Richtige. Musst du nicht zurück nach... wie hieß das noch gleich? « » Wasibia. Ich komme aus Wasibia. «

    » Ja richtig. Und dein richtiger Name war Alexandra? « » Ja, du hast es, Jack. «

    » Sorry, mein Namensgedächtnis ist nicht so gut, weißt du? «

    » Schon gut, Jack. Ich weiß noch gar nicht, wie es weitergehen soll. Ich muss die anderen finden, ich muss den Druiden Rede und Antwort stehen und muss ohne meine Kräfte auskommen. Ich hab keine Ahnung wie das gehen soll. «

    » Wir fahren jetzt erst mal zu mir. Dort sind wir sicher, hoffe ich. Dann können wir in Ruhe überlegen was wir machen. «

    » Klingt nach einem Plan. «

    » Ich dachte nur, Jason würde so handeln. Ich meine, wenn er in meiner Lage wäre. «

    » Du hältst große Stücke auf ihn, wie? «

    » Er ist ein Visionär. Ein Stratege. Ein Mann mit Grips. Er ist großzügig und gerecht. Ich würde für ihn meine Hand ins Feuer legen. Allein was wir auf Hainan zusammen erlebt haben «, schwärmte Jack von seinem Chef und Freund.

    » Glaubst du auch, dass es falsch war, das Mutterschiff zu zerstören? «

    » Ich kann das nicht beurteilen. Ich war nicht da oben und habe alleine gegen eine Invasionsarmee gekämpft. Kann sein, dass ich einiges anders gemacht hätte, aber... keine Ahnung, Alexandra. «

    » Wieso jetzt Alexandra? «

    » Das ist doch dein Name, oder nicht? «

    » Doch natürlich, aber... «

    » Ach komm, ohne das grüne Leder und die Stirnmaske ist nicht viel von der großen Alocasia zu sehen «, scherzte Jack. » Ja. Vielleicht nie wieder «, sagte sie leise und schaute aus dem Seitenfenster.

    Einige Zeit später kamen sie in Craig an. Jack war froh, dass die Fahrt vorbei war, denn er hatte Kopfschmerzen und rieb sich ständig das Nasenbein. Er parkte das Auto unter einer Brücke, wo sich immer irgendwelche Jugendlichen herumtrieben. Sie stiegen aus und gingen Richtung Stadtkern. Alexandra schaute sich etwas um. Der komplette Unterbau der Brücke war mit Graffitis besprüht worden. » Schön hier «, sagte sie, während sie sich weiterhin umsah. » Das ist eine Arbeiterstadt «, sagte Jack betonend. » Hier gibt es nichts umsonst. Wie im Leben. «

    » Wenigstens bin ich schon richtig gekleidet für diese Stadt «, sagte Alexandra. Oberhalb der Brücke gingen sie auf einem Bürgersteig weiter. Vorbei an älteren Mehrfamilienhäusern, die ebenfalls mit Graffitis besprüht waren, erreichten sie nach zehn Minuten das Zentrum. Viele Jugendliche trieben sich auf der Straße herum. Rap und Hip Hop tönte aus so manchem Fenster. » Da vorne ist meine alte Wohnung «, sagte er und zeigte auf einen der großen Wohnblöcke inmitten der City. Inzwischen war es circa zwölf Uhr und ziemlich warm. Jack ging an der Haustür vorbei und zog die Feuerleiter herunter. » Da hoch? Echt jetzt? «, fragte sie. » Anders kommen wir nicht rein, Prinzessin. « Jack kletterte voraus und erreichte den ersten Stock. Von da aus ging es zur nächsten Feuerleiter. Sie passierten ein Fenster im zweiten Stock. Eine ältere, füllige, schwarze Frau war gerade dabei Essen zu kochen. Jack schaute kurz durch das Fenster und sagte: » Hey Misses Omar. Wie geht’s? «

    » Jack? Lässt du dich auch mal wieder blicken. Wo warst du denn so lange? «

    » Lange Geschichte, Misses Omar. Was machen die Kinder? «

    » Ach! Meine Enkel treiben sich den ganzen Tag auf der Straße herum «, sagte sie und winkte ab. Dann ergänzte sie: » Warte kurz. Ich habe noch etwas für dich. « Sie ging aus der Küche in den Flur. Inzwischen war auch Alexandra bei Jack angekommen. » Na endlich. Wo bleibst du denn? «, scherzte er. » Bist du schon mal mit Baggy Pants eine Leiter hochgeklettert? «, fragte sie leicht entnervt. Misses Omar kam zurück und reichte Jack noch ein paar Briefe durch das Fenster. » Hier, Junge. Hast wohl keinen Nachsendeantrag gestellt, wie? «

    » Oh, vielen Dank, Misses Omar. Muss ich irgendwie vergessen haben «, sagte er und nahm den Briefstapel entgegen. » Da hast du aber ein hübsche Freundin, Jack. Aber aus dem Alter, wo man sich die Feuerleiter hochschleicht, bist du doch raus «, scherzte sie und zwinkerte. » Oh, nein, das ist nicht meine... also vielen Dank noch mal, Misses Omar und... bis bald «, stammelte er unsicher. Alexandra war diese Situation peinlich. Sie winkte schüchtern, als sie das Küchenfenster der alten Dame passierte. Jack war bereits auf der nächsten Leiter und sagte: » Das war Misses Omar. Sie wohnt unter mir. Nette alte Dame. «

    » Ja «, erwiderte sie. Als Jack das nächste Geländer erreichte, ging er an das Fenster und zog es langsam nach oben. » So, da wären wir «, sagte er, überstieg den Fensterrahmen und betrat sein altes Apartment. » Komm ruhig rein «, sagte er als er drinnen war. Sie überstieg den Rahmen, bückte sich unter dem hochgezogenen Fenster hindurch und stand dann mitten in seinem Wohnzimmer. Eine alte, durchgelegene, braunfarbene Couch, ein alter, kleiner Röhrenfernseher und ein Wohnzimmertisch stachen ihr als erstes ins Auge. Überall standen leere Flaschen. Pizzakartons und Zeitungen lagen auf dem Boden verteilt. » Nett «, sagte sie mit hochgezogenen Augenbrauen, als sie sich weiter umsah. » Wie gesagt: Ist eine Arbeiterstadt «, sagte Jack. Er war in einem Nebenraum verschwunden und machte dort irgendetwas. Sie blickte an das andere Ende des kleinen Zimmers und sah eine schmale Küchenzeile neben der Wohnungstür. Ein kleiner, alter Herd mit zwei Kochplatten und eine winzige Arbeitsfläche stellten seine ganze Küche dar. Zwischen Eingangstür und Küchenzeile stand ein Kühlschrank. Sie öffnete ihn und sah sich an, was Jack so alles darin gelagert hatte. Pizza, Dosenbier und Ketchup. Als sie die Kühlschranktür schloss und sich umdrehte, sah sie den Eingang zur Toilette. Auch hier warf sie einen kurzen Blick hinein. Dusche, WC, ein kleines Waschbecken mit Spiegel und ein Miniwandschrank. » Wenigstens ist das halbwegs sauber «, sagte sie. » Was hast du gesagt? «, rief Jack aus dem kleinen Schlafzimmer, dessen Eingang sich schräg gegenüber vom Badezimmer befand. » Was machst du da eigentlich? «, fragte sie und kam zurück ins Wohnzimmer. Dabei stellte sie fest, dass die ganze Wohnung nicht mehr als fünfundzwanzig Quadratmeter groß sein musste. » Ich mache das Bett. Komm lieber nicht rein. «

    » Wieso machst du jetzt das Bett? «

    » Willst du in einem benutzten Bett zwischen Bierflaschen und Männerzeitschriften schlafen? «, fragte er und streckte den Kopf aus dem Zimmer. » Ich kann auch die Couch nehmen. Wir werden hier ja wohl nicht Weihnachten zusammen feiern, oder? «

    » Ich weiß nicht, wie lange wir hierbleiben müssen, Alex. «

    » Alex? «, wiederholte sie und runzelte die Stirn dabei. Jack bezog das Bett weiter und sagte: » Also irgendwann muss ich nach Fieldwork Banks und nach Jason, Aristonia und den anderen sehen. Keine Ahnung wie deine Pläne aussehen. «

    » Das weiß ich selbst nicht so genau. Wann willst du nach Fieldwork Banks? «

    » Sobald meine Protonenenergie wieder da ist. Ist doch klar. «

    » Darf ich den Fernseher einschalten? «

    » Natürlich! Fühl dich ganz wie zu Hause «, rief er aus dem kleinen Schlafraum. Alexandra setzte sich auf die Couch und fand die Fernbedienung unter einem Stapel von Zeitschriften. » Ich habe hier eh nur drei oder vier Kanäle empfangen «, rief er wieder ins Wohnzimmer. Sie schaltete das TV-Gerät ein und suchte nach einem Nachrichtensender. » Weißt du eigentlich, was danach noch alles geschehen ist? «, fragte sie unsicher. » Nach was? «, rief er aus dem Schlafzimmer. » Nachdem wir uns gegenseitig bekämpft haben. «

    » Keine Ahnung. Wie du vielleicht noch weißt, war ich als erstes dran – mit Rawhide. «

    » Oh ja. Sie hat dich ganz schön vermöbelt, was? «, scherzte sie. » Ja! Lustig! «, rief er etwas angesäuert aus dem Nebenraum. Schließlich fand sie einen Nachrichtensender und stellte den Ton lauter.

    Eine weibliche Nachrichtensprecherin verlas die Tagesmeldungen:

    » Washington D.C.: Minister Costello wird morgen im Konferenzraum des Oval Office als Übergangspräsident vereidigt. Gleichzeitig legt er damit sein bisheriges Amt als Minister für Gesundheit und Familienschutz nieder. Er ist somit der zweite Minister in der Geschichte der USA, der die Amtsnachfolge eines Präsidenten aufgrund eines Attentats antritt.

    Rapid City: Die Firma Ontogeny hat drei Kandidaten für ihr Genki Projekt ausgewählt. Aus über vierzigtausend Bewerbern konnten nun drei geeignete Personen ausgefiltert werden. Von nun an wird das Projekt unter Ausschluss der Öffentlichkeit fortgeführt, um die ausgewählten Teilnehmer zu schützen. Die ganze Firma freut sich, nun endlich mit dem eigentlichen Projekt beginnen zu können, so Firmeninhaber und Projektleiter Kyle Butman.

    Nevada: Das Meta-Space-Travel-Programm der NASA wurde überraschend vorgezogen. Geplant war der Start des Programms für Mitte Juni. Der Pressesprecher erklärte heute, dass sich einige glücklichen Umstände ergeben haben, was den Vorzug des Starts erlaube. Er ging nicht näher auf Einzelheiten ein. Wir übertragen den Start live, der nun für Ende Mai angesetzt ist, sollte das Wetter halten.

    Alaska: Auf Saint Lawrence Island haben heute die Bauarbeiten für die bewachte Unterkunft der troneticanischen Kriegsgefangenen begonnen. Nördlich von Saint Lawrence wird eine künstliche Insel errichtet, auf der die verurteilten Troneticaner untergebracht werden sollen. Menschenrechtler forderten eine artgerechte Unterbringung und protestierten regelmäßig vor dem Parlament und dem Gerichtshof, wo troneticansiche Gefangene seit März verurteilt werden. Die Verurteilung des Anführers ist auf nächsten Monat angesetzt. Er soll laut Angaben des FBI Pressesprechers Donald Mahoni noch am Leben sein.

    Chicago: Der Westteil der Stadt befindet sich in einer gewaltigen Aufräum- und Präaufbauphase. Nach der Explosion konnten keine überhöhten Strahlungswerte gemessen werden. Nachdem man tagelang nach Überlebenden gesucht hatte und die Aufräumarbeiten durch die sogenannten Kraterkämpfe verzögert wurden, gab das Militär, sowie der Bürgermeister von Chicago, grünes Licht für die Aufräumarbeiten. Bei dem Angriff mittels einer troneticanischen Massenvernichtungswaffe sind über dreiundzwanzigtausend Bewohner umgekommen. Über achttausend Menschen werden noch vermisst.

    Honduras: Das Ungeheuer, was unter dem Namen Fumetsura bekannt ist, lieferte sich gestern bis in die späten Abendstunden einen Kampf mit dem Heer. Dabei wurden große Teile des Dschungels bei San Pedro Sula in Brand gesetzt. Seit dem Auftauchen Fumetsuras in Honduras gab es immer wieder heftige Auseinandersetzungen mit dem Militär. Der Präsident von Honduras hat mittlerweile den Ausnahmezustand über das Land verhängt. Er rechnet mit weiteren Einsätzen und mahnt gleichzeitig Abenteuertouristen und Schaulustige, das Gebiet um San Pedro Sula zu meiden.

    Das Wetter: Es wird für April überdurchschnittlich warm und es erwartet uns einer der heißesten Sommer, seit Beginn der Wetteraufzeichnungen... «

    Alexandra schaltete den Fernseher aus. » Das war es? Wir wurden nur als Behinderung der Aufbauarbeiten erwähnt? «

    » Sieht so aus «, sagte Jack mit hochgezogenen Augenbrauen. Er ging zum Kühlschrank und holte sich ein Dosenbier heraus. » Auch eins? «

    » Was soll's. Ja. « Jack kam zurück, gab ihr das kühle Bier, setzte sich auf einen Campingstuhl, der an der Stirnseite des kleinen Wohnzimmertisches aufgestellt war und sie öffneten ihre Dosen gleichzeitig.

    » Auf was trinken wir? «, fragte sie. Jack überlegte kurz. » Auf den Wiederaufbau von Chicago West. «

    » Auf den Wiederaufbau von Chicago West «, wiederholte sie. Sie stießen an und nahmen jeweils einen kräftigen Schluck. » Wie sieht dein Plan aus. Was willst du als nächstes tun? «, fragte sie. » Ich werde warten, bis meine Kräfte zurückkehren. Es hat jedes Mal länger gedauert, weißt du? Ich hoffe, sie kommen überhaupt noch mal zurück. « Alexandra nickte und starrte ihre Bierdose an, während sie nach vorne gebückt auf dem Sofa saß. Jack fuhr fort: » Danach werde ich umgehend zum Tower gehen. Wenn ich meine Kräfte habe, kann mich das FBI nämlich am Arsch lecken. Dann lasse ich mir von denen nichts mehr vorschreiben. Egal, ob sie den Tower beschatten oder nicht. Ich werde dort hingehen. « » Klingt überzeugend «, sagte sie. Jack trank aus, zerquetschte die Dose in seiner Hand und warf sie in den Mülleimer, der im Wohnzimmer zwischen TV-Rack und Fenster stand. » Und dann werde ich Aristonia endlich wiedersehen. « Sein Blick war ernst und irgendwie wirkte er weggetreten, als er das sagte. Er schaute sie an und fragte: » Was hast du eigentlich noch von den Kraterkämpfen mitbekommen? Weißt du, was mit den anderen passiert ist? «

    » Ich habe die Kontrolle über Fumetsura verloren. Er musste gegen den grünschwarzen Drachen antreten. « Als sie sich bewusst daran erinnerte, schmerzte ihr Kopf etwas. Ihr Blick wurde ernst und stechend. Ihre Stirn rümpfte sich. » Fumetsura hat ihn ziemlich übel zerlegt. Ich weiß nicht, ob er es überlebt hat. Als sie ihn heraustrugen, war er bereits wieder in seiner menschlichen Gestalt. Er war nackt und bewegte sich nicht mehr. Er sah aus wie tot. « Ihre Augen kniff sie jetzt stark zusammen. Ihr Blick war noch immer auf die Bierdose in ihrer Hand gerichtet, doch vor ihrem inneren Auge holten sie nun die Erinnerungen ein. » Dann musste ich rein. Diese goldgelbe Echse trampelte in die Kratermitte. Ich kontrollierte die primitive Kreatur mit einem simplen Kontrollzauber. Es war so einfach, dass ich sogar noch Zeit hatte herumzualbern. « Sie blickte jetzt ganz scharf auf die Bierdose. Ihre Atmung wurde unruhig und sie biss die Zähne zusammen. » Dann... dann hat er sich plötzlich meinen Befehlen widersetzt und eine immens laute Stimme drang in meinen Kopf ein. Scheiße! Diese Schmerzen! Ich dachte... er bringt meinen Kopf zum Platzen. « Sie zerquetschte die Dose in ihrer Hand und das Bier lief über den Tisch, als sie plötzlich zu sich kam und erkannte, was sie angerichtet hatte. » Oh shit! Sorry. Ich wische es weg. « Etwas geschockt und überrascht zugleich blickte Jack sie an. » Was? Ich sagte doch, dass es mir leidtut. Hast du was zum Wegwischen da? « Jack schaute sie ungläubig an, stand langsam von seinem Campingstuhl auf und zeigte mit dem Finger auf sie. » Du! «, sagte er. » Was ist denn? «, fragte sie verdutzt. » Du wurdest von Makkura fertig gemacht? « Er brach in ein lautes, schallendes Gelächter aus. » Du hast dich von einer Eidechse besiegen lassen! «, brüllte er lauthals lachend. Er stolperte rückwärts über den Campingstuhl, lag am Boden und krümmte sich vor lachen. » Ich glaub es nicht. «

    » Du bist ein Idiot «, sagte sie genervt und ging in die Küche, um einen Lappen zu suchen.

    Einige Stunden später kam Alexandra nur mit einem Badetuch bekleidet aus der Dusche. Jack stand am Fenster und beobachtete den Himmel. Ihm war schlecht und er hatte wieder etwas Kopfweh. Für Ende März war es in der Tat ziemlich warm. Nur selten blies ein kühler Wind durch die Straßen. » Du wartest auf deine Wolke, stimmt's? «, sagte sie, während sie sich noch ihre roten Haare trocknete. » Ja. So langsam habe ich meine Zweifel, ob sie zu mir zurückkehren. «

    » Du solltest beim nächsten Mal einfach auf den Ausstoß verzichten. «

    » Du bist gut. Das habe ich nicht freiwillig getan. Es passierte einfach. «

    » Ich denke, du kannst lernen es zu kontrollieren. Wenn du willst, helfe ich dir dabei. «

    » Erst müssen sie wieder da sein. Dann können wir weiterreden. «

    » Da gebe ich dir recht, Jack. Gute Nacht «, sagte sie und ging in das kleine Schlafzimmer nebenan.

    » Gute Nacht, Alex «, sagte er, ohne den Blick vom Abendhimmel abzuwenden.

    Ein Tag später in Kandakova. Mobula erwachte in einem großen, prunkvollen Raum. Ihr Satinbett, was Platz für zwei Personen bot, hatte einen Himmel aus Seidenstoff. Sie streckte sich und gähnte. Echt komisch. Müdigkeit habe ich schon seit Jahren nicht mehr empfunden. Es lag wohl an dem kräftezehrenden Kampf gegen Rawhide. Sie hat mich verletzt, also braucht mein Körper Regeneration. Das muss die Erklärung sein. Sie stand auf und ging zum großen Fenster. Draußen sah sie eine kalte, aber wunderschöne Eislandschaft. Was dieser Vladimir wohl von mir will? Will er etwa bei mir landen? Oder braucht er wirklich nur etwas zum Herumerzählen bei seinen schwerreichen Freunden? Egal. Er hat das Archiv des Stützpunktes. Nur darauf kommt es an. Sie drehte sich und betrachtete die Wände, die mit Ölgemälden verziert waren. Außer dem riesigen Bett waren nur noch eine kleine Schminkecke mit Kommode und ein Wandschrank in dem Raum. Daran hing ihr Einsatzanzug. Gereinigt und perfekt geglättet. Jetzt bin ich schon ein paar Tage hier. Ich schlafe viel, lasse mir das Essen von Mary auf dieses Zimmer bringen und schaue aus dem Fenster. Er hat Wort gehalten und mich in keinster Weise belästigt. Vielleicht wartet er darauf, dass ich auf ihn zukomme. Als sie an dem Spiegel vorbeiging, betrachtete sie ihr Gesicht. Es sah schon wesentlich besser aus, als noch vor ein paar Tagen. Die Schwellungen waren zurückgegangen und der blutige Cut war nur noch eine verkrustete Schramme. Sie zog ihr seidenes Schlafgewand aus und suchte sich etwas Passendes aus dem großen Schrank, der über die ganze, acht Meter breite, Wand verlief. Ihre Einsatzuniform ließ sie einfach hängen. Als sie das Zimmer verließ, hatte sie knöchelhohe Wildlederstiefel mit Fellbesatz an, eine eng sitzende, schwarze Jeans und einen weiten, grauen Kaschmirpullover mit Rollkragen. Dann mal los. Das Archiv wartet. Sie ging eine große Treppe herunter. Von hier aus konnte man auf den großen Empfangsraum herunterblicken. Das Anwesen von Vladimir Ivanov war recht imposant. Als sie unten ankam, hörte sie klassische Musik, die wohl von einem Grammophon abgespielt wurde. Sie folgte den Klängen und betrat schließlich einen großen, hellen Raum im Erdgeschoss. Dort saß Vladimir an einem reich gedeckten, übergroßen Frühstückstisch und aß. Als er Mobula bemerkte, stand er sofort auf, um sie zu begrüßen: » Da sind Sie ja! Ich dachte schon, Sie kämen nie herunter. Bitte, nehmen Sie Platz und frühstücken etwas mit mir. «

    » Das ist sehr nett von Ihnen, Mister Ivanov. « Sie setzte sich an die Stirnseite des Tisches, als Vladimir ihr den Stuhl zurechtrückte. Dann begab er sich an die gegenüberliegende Seite des vier Meter langen Tisches, nahm dort Platz und trank etwas Tee. » Sie müssen doch hungrig sein, nach so viel Schlaf «, sagte er und deutete auf das dekadente Buffet. » Ich habe in der Tat sehr lange geschlafen. Das ist mir noch nie passiert. «

    » Das ist ganz normal. Regeneration braucht ihre Zeit. Auch bei Metamenschen. «

    » Sie haben Kenntnisse darüber? «, fragte sie erstaunt. » Nicht direkt «, sagte er und lächelte. » James Garner. Ich habe sein Buch gelesen. « Mobula schaute ihn fragend an. » Oh? Sie haben es nicht gelesen? Ich kann es Ihnen wirklich nur empfehlen. Gerade Sie, als Metahumane, sollten ein gewisses Interesse daran haben «, sagte er und aß ein Stück von seinem Croissant. » Ich kann es Ihnen gerne mal ausleihen. Es befindet sich in meiner Bibliothek. Mary soll es später heraussuchen. « Mobula nickte nur und trank etwas Kaffee. Okay. Will der mich zum Narren halten? Ich durchschaue diesen Typen einfach nicht. Vielleicht meint er es ernst und will mir wirklich nur helfen. Aber wieso dann das Affentheater? Glaubt er, er könnte mich mit seiner Neureichenmasche beeindrucken? Scheiß drauf. Wenn ich das Archiv gesehen habe, bin ich hier so was

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