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Endstation. Schwabenkrimi
Endstation. Schwabenkrimi
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eBook229 Seiten3 Stunden

Endstation. Schwabenkrimi

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Über dieses E-Book

Plötzlich gerät der gemütliche Alltag der schwäbischen Kleinstadt Bärlingen aus den Fugen: In einem Lkw tauchen fünf Leichen auf, allesamt Bewohner des Altersheims Gertrudenstift. Dort wohnt auch Gerlinde Haller, die sofort ihre Spürnase einsetzt und sich daran macht, die kriminellen Machenschaften im so harmlos wirkenden Altersheim aufzudecken. Ihr Sohn, Hauptkommissar Georg Haller, übernimmt den Fall und merkt schnell, dass er es hier mit einem Gegner zu tun hat, der vor nichts zurückschreckt. Mit seiner Spezialeinsatztruppe hat allerdings niemand gerechnet und seine Oldies aus der Schubartstraße machen sich voller Eifer an die Ermittlungen für Spannung und Spaß ist also gesorgt! Und auch die Romantik kommt nicht zu kurz, denn im Laufe der Ermittlungen kommen sich Georg und seine Kollegin Lisa-Marie wieder näher. Doch die Hauptrolle ist einmal mehr für Gerda und Otto König vorgesehen. Das alteingesessene Friseurehepaar hatte sich eigentlich vorgenommen, die Polizeiarbeit künftig den Profis zu überlassen. Aber da sie ihre Friseurdienste traditionell auch im Gertrudenstift anbieten, haben sie eine Verbindung zu dem Fall. Ungewollt kommen sie dem Täter sehr nah, und geraten in tödliche Gefahr...

SpracheDeutsch
HerausgeberKlarant
Erscheinungsdatum3. Feb. 2015
ISBN9783955731960
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    Buchvorschau

    Endstation. Schwabenkrimi - Sabine Wierlemann

    Verlages

    1

    Der Fund

    Wie er das hasste, wenn jemand einfach so anrief, irgendwelche mehr oder weniger verständlichen Andeutungen machte und dann so schnell wieder auflegte, als ob er oder sie befürchtete, jeder Anruf zu ihm in die Dienststube würde über eine Fangschaltung nachverfolgt werden können. Das gab es vielleicht im Fernsehen, aber nicht in Bärlingen. Anrufe bei der Polizei gab es allerdings viele und gern auch anonym. Die einen schwärzten den ungeliebten Nachbarn an, die andere den entliebten Ehemann und wer niemanden zum Ärgern hatte, der suchte sich jemanden. Privat ernannte Ordnungshüter gab es zuhauf, denn in Bärlingen hielt man noch etwas auf diese etwas aus der Mode gekommenen Tugenden wie Recht und Ordnung. Nur manchmal schoss der eine oder andere eben übers Ziel hinaus, aber das kannte Georg. Dafür hatte er mit Bärlingen auch einen überaus angenehmen Dienstposten erwischt; jeder kannte jeden und die Welt war noch in Ordnung, bis auf ein paar Ausnahmen jedenfalls.

    Heute Morgen war Polizeihauptkommissar Georg Haller gerade auf dem Weg zur Arbeit, als ihn der umgeleitete Anruf auf seinem Handy erreichte. Schnell hatte er die Bäckerei verlassen, in der er sich seit der Trennung von Lisa-Marie angewöhnt hatte, ein schnelles Frühstück auf die Hand mitzunehmen. Die Krümel in seinem alten grünen Opel Ascona waren ein beredtes Zeugnis dafür, dass ihm das Single-Leben überhaupt nicht bekam und seine Esskultur dabei war, vor die Hunde zu gehen.

    „Ist da die Polizei?", so hatte sich eine Frauenstimme unsicher gemeldet. Sie sprach leise, als ob sie es vermeiden wollte, dass jemand ihr Gespräch belauschen konnte. Georgs Schätzung zufolge handelte es sich um eine ältere Dame; unwillkürlich musste er an seine Mutter denken. Sie hatte schon immer eine blühende Fantasie gehabt und das Verbrechen witterte sie auch an jeder Ecke, zumal es in Bärlingen in den letzten Jahren immer wieder Vorfälle gegeben hatte, die solchen Verdächtigungen Vorschub leisteten. Aber seine Mutter würde immer den direkten Weg wählen und ihn nicht als geheimnisvolle Anruferin überraschen.

    „Ja, Sie sprechen mit Hauptkommissar Georg Haller."

    „Bitte, es geht um Leben und Tod. Wir sind alle in Gefahr!"

    Georg hatte sofort die Bäckerei verlassen, denn schon reckte die Verkäuferin neugierig ihren Hals und die wartenden Kunden hatten sich umgedreht. Das hätte gerade noch gefehlt, dass er Öl ins Feuer einer neugierigen Menge goss. Vielleicht stellte sich die ganze Sache aber auch als weniger dramatisch heraus, als seine Anruferin ihn glauben machen wollte. Georg atmete tief durch und versuchte beruhigend auf die Frau einzureden und ihr konkrete Hinweise auf die Bedrohung zu entlocken. Da biss er allerdings auf Granit. Die alte Dame schien sich genau zurechtgelegt zu haben, was sie der Polizei mitteilen wollte, und davon wich sie keinen Deut ab. Fast kam es Georg so vor, als habe sie sich aufgeschrieben, was sie ihm zu sagen hatte, denn sie reagierte überhaupt nicht auf sein Gesprächsangebot, sondern flüsterte nur „Sie müssen sich beeilen, sonst war alles umsonst" in den Hörer.

    So friedlich, wie ihm sein Heimatstädtchen auf der Fahrt von zu Hause zum Bäcker erschienen war, so sehr hatte es für Georg sein Gesicht nach diesem Telefonat verändert. Plötzlich war er nicht mehr in einen Herbstmorgen gestartet, der hinter dem Frühnebel noch einen goldenen Sonnentag versprach, sondern die grauen Wolken hingen nun so dicht über den Häusern, dass Georg alles trist und grau vorkam. Auch sein Frühstück vermochte nicht, seine Stimmung zu heben. Es half nichts, er musste dieser Spur nachgehen, dafür war er da. Dass dieser Anruf kein Dummejugenstreich war, ahnte Georg; das ganze Ausmaß der Anzeige würde er allerdings erst beurteilen können, wenn er vor Ort war.

    Ausgerechnet heute hatte sich seine Kollegin Lisa-Marie krankgemeldet. Sie war mit Schmerzen zum Zahnarzt unterwegs und Georg gestand sich ein, dass er sie jetzt gern dabeigehabt hätte. Als er ihr großzügig freigegeben hatte für den Tag, hatte er nicht ahnen können, dass er keine Viertelstunde später entgegen aller Vorschriften allein im Auto saß und mit Blaulicht einem Lkw nachjagte, der in Richtung Autobahn unterwegs sein sollte und um dessen Fracht seine Anruferin so ein großes Geheimnis gemacht hatte. Georg griff zum Handy und informierte seine Kollegin wenigstens über den Anruf und das Ziel seiner rasanten Verfolgungsfahrt. Er erreichte zwar nur den Anrufbeantworter, aber er fühlte sich gleich besser. Egal, was ihn da gleich erwartete, jemand wusste, wo er war und was er vorhatte.

    Endlich konnte der alte Opel zeigen, was er unter der Haube hatte, und es gelang Georg tatsächlich, den Lkw in dem Waldstück vor der Autobahnauffahrt einzuholen. Er winkte ihn auf einen Waldparkplatz. Wieder einmal war er seinem Nachbarn, Herrn Ebert, dankbar für das hervorragende Tuning von Muttis altem Wagen. Seit sich Gerlinde Haller – für ihren Sohn völlig überraschend – in einem Altersheim eingemietet hatte, fuhr er den grünen Ascona. Er hatte Glück! Wäre Georg nur ein wenig später gekommen, dann wären seine Chancen, den Lkw zu erwischen, nur noch fünfzig zu fünfzig gestanden. Vielleicht hätte er die richtige Autobahnauffahrt gewählt, vielleicht wäre er aber auch in die falsche Richtung gefahren.

    Georg war sich sicher, dass er den richtigen Wagen angehalten hatte. Schließlich fuhren rund um Bärlingen nicht allzu viele Lkws mit russischem Kennzeichen und kyrillischer Schrift auf der Plane herum. Die Anruferin hatte den Transporter genau beschrieben. Der Hauptkommissar stieg aus und hoffte insgeheim darauf, dass er nach einer schnellen Kontrolle der Fahrzeugpapiere den Brummifahrer ziehen lassen konnte. Es wäre doch gut möglich, dass der anonyme Hinweis von einer Rentnerin stammte, die nicht mehr zwischen Realität und Fantasie unterscheiden konnte. Georg war solchen Damen schon im Gertrudenstift, in dem seine Mutter lebte, begegnet und er fühlte sich immer ein wenig befangen, wenn er in Kontakt mit solchen Heimbewohnern kam. Wenn er ehrlich zu sich selbst war, hätte er gut auf diese Begegnungen verzichten können. Jedenfalls war er heilfroh, dass seine Mutter noch so rüstig und geistig fit war und trotz Krimileidenschaft sicher Besseres zu tun hatte, als die Polizei aufgrund irgendwelcher abstruser Storys durch die Weltgeschichte zu schicken. Immerhin war seine Mutter frisch verliebt oder so ähnlich. Ganz genau wusste Georg nicht, wie sie ihr Verhältnis zu Herrn Mangold, ihrem neuen Nachbarn, bezeichnen würde. Heute Abend würde Georg vielleicht Näheres erfahren, denn ihren Jour fixe verbrachten Mutter und Sohn trotz des neuen Mannes im Leben von Gerlinde nach wie vor allein.

    Georg hatte genügend Gelegenheit, den Lkw von vorne zu mustern, als er auf die Fahrerkabine zuging. Sicher, der Lastzug hatte schon bessere Zeiten gesehen und Georg fühlte sich auch ein wenig hilflos, weil er nicht entziffern konnte, was auf der Plane stand, aber hier gleich das organisierte Verbrechen zu vermuten, dagegen sträubte sich die lange Erfahrung des Polizisten. Er hatte schließlich unvoreingenommen zu sein und die abgebildeten Lebensmittel ließen ihn Zuversicht schöpfen, dass sich die Sache als harmlos erweisen würde. Trotzdem war er nur aus einem einzigen Grund hier auf diesem einsamen Waldparkplatz und näherte sich der Fahrertür, die immer noch verschlossen war. Jemand hatte behauptet, die Fracht des Fahrzeugs sei alles andere als in Ordnung und Leben seien in Gefahr.

    Der Hauptkommissar musste vorsichtig sein. Weil er direkt von zu Hause kam, war er noch ohne Waffe unterwegs, die lag im Schließfach auf der Wache. Innerlich fluchte Georg und hätte jetzt viel lieber langweilige Akten in der Amtsstube bearbeitet, statt hier allein und unbewaffnet einer wie auch immer gearteten Überraschung ins Auge zu sehen. Der Hauptkommissar hatte es zwar jedes Mal genossen, wenn es wieder ein bisschen brenzliger und krimineller in Bärlingen geworden war und sein Spürsinn und Mut gefragt waren, aber ohne die Phasen der Erholung – unspektakulärer Dienst nach Vorschrift zwischen den Kriminalfällen – hätte Georg wohl den Glauben an das Gute im Menschen verloren. Diesen trug er jetzt wie einen Schutzschild vor sich her, als er an die Fahrertür trat und anklopfte.

    Der Fahrer öffnete die Tür und gab Georg den Blick frei in einen Mikrokosmos des Kitschs: Fransengardine über der Frontscheibe und blinkende Lichtspiele rund um eine Ikone. Georg zeigte dem Fahrer seinen Ausweis und ließ sich die Fahrzeugpapiere geben. Der Fahrer, ein bulliger Typ mit rasiertem Schädel, wirkte nervös, er schien es eilig zu haben. Als Georg ihm sagte, dass die Papiere in Ordnung seien, war er sichtlich erleichtert und streckte bereits die Hand nach den Unterlagen aus. Georg allerdings wies mit dem Kopf in Richtung Ladefläche. Von der Fracht wollte er sich selbstverständlich auch noch ein Bild machen, bevor dieser zwielichtige Geselle irgendwo in den Weiten Osteuropas verschwand.

    Nach dem reibungslosen Beginn der Fahrzeugkontrolle war Georg umso mehr überrascht, dass sein Gegenüber sich gar nicht kooperativ zeigte, sondern ihn stattdessen mit einem gezielten kräftigen Fußtritt zu Boden streckte und sich aus der Fahrerkabine schwang. Georg blieb, durch die Wucht des Aufpralls kurz benommen, ein paar Sekunden reglos auf dem Boden liegen. Als er wieder Luft bekam, rappelte er sich auf und setzte dem flüchtigen Fahrer nach. Scheiße! Jetzt hieß es rennen, denn er konnte sich nicht einfach auf einem „Polizei, halt, stehen bleiben oder ich schieße" ausruhen, das war ohne Waffe nicht drin. Georg wusste, dass er den Russen schnell würde stellen müssen, denn für lange Sprintdistanzen war er nicht fit genug. Lisa-Marie hatte oft genug über seine fehlende Kondition gelästert und ihn zum Joggen überredet. Aber seit ihrem Beziehungsaus gab es so gut wie keinen Sport mehr in Georgs Leben und das bekam er jetzt deutlich zu spüren. Verlässlich rasch stellte sich heftiges Seitenstechen ein und Georg begann zu keuchen. Dem Russen, der eher aus der Gewichtsklasse der Ringer als aus derjenigen der Leichtathleten kam, erging es ähnlich und so konnte Georg den Flüchtenden bald einholen. Der Russe fackelte nicht lange und ehe Georg sich’s versah, befand er sich in einer handfesten Schlägerei. Der Lkw-Fahrer war nicht zimperlich und Georg steckte Schläge ein, wie er sie in seiner Laufbahn als Polizist noch nie erlebt hatte.

    Für den Gedanken, dass ihm dieses Ungemach mit seiner Dienstwaffe nicht passiert wäre, hatte Georg gar keinen Raum. Er hatte keine Zeit für ein „Was wäre, wenn?", und dass ein Umweg über die Wache sinnvoll gewesen wäre, hatte er sich schon eingestanden, als er den Lkw auf dem einsamen Waldparkplatz zum Halten gebracht hatte. Jetzt hatte Georg keine Zeit, mit sich zu hadern oder in Selbstmitleid zu verfallen. Er konnte sich weder vorwerfen, dass er vielleicht doch nur zum harmlosen Dorfbullen tauge und nicht aus dem Holz sei, um der kriminellen Realität tatsächlich ins Auge zu schauen, noch, dass er schlichtweg einen Fehler gemacht hatte, diesem Anruf einfach alleine nachzugehen. Für ihn war jetzt nur wichtig, den nächsten Schlag zu parieren und gelegentlich einen verzweifelten Zufallstreffer auf der breiten Brust des Gegners zu landen. Hatte er es hier mit einem Killer zu tun? Wenn nicht bald ein Wunder geschah, so glaubte Georg, würde er sein Leben in diesem einsamen Waldstück aushauchen, ohne dass auch nur eine Menschenseele davon Notiz nehmen würde.

    „Halt, aufhören! Polizei! Nehmen Sie die Hände über den Kopf oder ich mache von der Schusswaffe Gebrauch!"

    Georg spürte, dass sein Angreifer sofort von ihm abließ. Er selbst fiel wie ein nasser Sack zu Boden, wo er liegen blieb. Er krümmte sich erschöpft zur Seite und beobachtete aus den Augenwinkeln heraus, dass Lisa-Marie mit gezogener Waffe vor ihnen stand und sich anschickte, dem Russen Handschellen anzulegen und ihn am Lkw zu fixieren.

    „Georg, hörst du mich?" Lisa-Marie beugte sich über ihn, sodass ihr Gesicht dem seinen ganz nah kam. Georg stöhnte. Nicht, weil ihm seine Kampfverletzungen übermäßig wehtaten, sondern weil er hoffte, ihre Nähe so noch ein wenig länger genießen zu können.

    „Ich bin so froh, dass ich dich gefunden habe", flüsterte sie und gab ihm einen raschen Kuss auf die Wange.

    Georg schlug die Augen auf. „Geht schon wieder", murmelte er und rappelte sich auf. Sie waren schließlich im Dienst und er war ihr Chef. Da konnte er nicht zusammengeschlagen auf dem Waldboden liegen und sich von ihr bemitleiden lassen. Das ging zu weit.

    „Der Kerl hat dich ganz schön zugerichtet!"

    Während Georg merkte, wie ihm das warme Blut über die Schläfe lief, hatte der Lkw-Fahrer seine Hiebe anscheinend problemlos weggesteckt. Geschont hatte er seinen Gegner jedenfalls nicht.

    „Danke übrigens für vorhin, dafür hast du was gut bei mir. Aber jetzt lass uns die Ladung in Augenschein nehmen, deshalb sind wir nämlich hier. Ich bin schon sehr gespannt, was so brisant ist, dass es diese Tracht Prügel wert war."

    Georg ging um den Lastwagen herum und öffnete die Tür der Ladefläche. Die beiden Polizisten konnten nichts Verdächtiges erkennen. Offensichtlich handelte es sich bei dem Lkw tatsächlich um einen Lebensmitteltransporter, denn neben Paletten mit Obst und Gemüse, die in der Nähe der Laderampe mit Folie umwickelt und mit Haltegurten fixiert standen, befanden sich im Inneren des Lkws etliche Kühlfächer für die schneller verderblichen Waren.

    „Da stimmt was nicht, Georg! Deshalb ruft doch niemand anonym bei der Polizei an." Lisa-Marie wies mit dem Kopf in Richtung Ladefläche.

    „Der Meinung bin ich allerdings auch. Vor allem schlägt man einem Polizisten wegen ein paar Salatköpfen nicht beinahe den Schädel ein. Los, das schauen wir uns genauer an."

    Georg erklomm trotz seiner Schmerzen behände den Lkw und half seiner Kollegin, ihm hinterherzukommen. Nachdem die Obst- und Gemüsefracht auch bei genauerer Inaugenscheinnahme in Ordnung zu sein schien, wandten sich die beiden Polizisten den Kühlfächern zu. Als Georg den schweren Hebel des ersten Fachs umlegte und die Klappe öffnete, entfuhr Lisa-Marie ein Schrei. Entsetzt wandte sie sich ab und auch Georg trat einen Schritt zurück. Er traute seinen Augen kaum. In dem Kühlfach vor ihnen lag ein menschlicher Körper, nur nachlässig in ein Leintuch eingeschlagen.

    „Heiligsblechle! Jetzt verstehe ich, warum es der Fahrer so eilig hatte zu verschwinden. Das ist ja ein Ding – ein Toter im Kühltransporter!"

    Nur der Vollständigkeit halber wollte Georg die Ladung der restlichen Fächer überprüfen und konnte es selbst kaum fassen, als er in vier weiteren Kühlfächern ebenfalls Leichen fand. Der Fahrer schien nicht sonderlich überrascht, als die Polizisten ihn mit seiner brisanten Fracht konfrontierten. Unumwunden gab er in gebrochenem Deutsch zu, dass er den Auftrag hatte, seine „Ladung" im Altersheim Gertrudenstift abzuholen und dort morgen wieder abzuliefern. Mit den Toten hätte er sonst nichts weiter zu schaffen, die gingen ihn genauso wenig an wie die Kohlköpfe und die Schweinekoteletts, die er transportiere. Einen Auftraggeber konnte er Georg nicht nennen, seine Einsätze bekäme er per Post mitgeteilt und so würde er auch bezahlt. Georg hatte genug gehört, jetzt musste er sich schleunigst auf den Weg machen.

    „Lisa, ich muss so schnell wie möglich ins Altersheim. Wer weiß, was da gerade los ist. Sei so gut und warte so lange, bis die Kollegen unseren Brummifahrer hier abholen und sein Fahrzeug übernehmen."

    „In deinem Zustand solltest du dich erst einmal ärztlich behandeln lassen, Georg. Du siehst wirklich schlimm aus."

    „Alles halb so wild. Ein paar Pflaster werde ich auch im Heim bekommen können. Ich muss mich unbedingt davon überzeugen, dass die alten Leutchen dort wohlauf sind. Ich muss wissen, was da los ist, sonst habe ich keine ruhige Minute mehr. Meine Mutter lebt schließlich auch im Gertrudenstift."

    „Das kann ich verstehen. Pass nur gut auf dich auf, versprich mir das! Wer so einen Transporter auf den Weg schickt, dem ist noch ganz anderes zuzutrauen."

    „Natürlich, ein zweites Mal lasse ich mich bestimmt nicht so vermöbeln."

    Lisa-Marie umarmte Georg zum Abschied und dieser spürte, dass er nur schwer der Versuchung widerstehen konnte, sie an sich zu drücken und zu küssen. Das Thema Lisa-Marie war noch lange nicht beendet für ihn. Seiner Kollegin dagegen schien es nicht schwerzufallen, zur kollegialen Normalität zurückgekehrt zu sein. Georg dachte noch oft an ihre gemeinsame Zeit zurück und wurde sich in Momenten wie diesem des Verlustes schmerzlich bewusst. Aber das hatte er vergeigt, selber Schuld! Lisa-Marie riss ihn aus seinen melancholischen Gedanken.

    „Ich kümmere mich auch um die Gerichtsmedizin. Die werden sich freuen, wenn sie mal wieder zu uns in die Provinz dürfen."

    „Und sag denen, sie sollen uns ihr schnellstes Team schicken. Das ist schließlich nicht irgendein ungeklärter Todesfall, das sind fünf Tote, die bestimmt nicht auf eigenen Wunsch in einem Kühltransporter durch die Gegend gefahren wurden."

    2

    Ermittlungen I

    Nachdem er sich im Rückspiegel seines Autos das ganze Ausmaß der Kampfblessuren angesehen hatte, war Georg überzeugt davon, dass er im Altersheim nicht ohne

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