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Eisenhut: Ein spannender Regionalkrimi aus Österreich
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Eisenhut: Ein spannender Regionalkrimi aus Österreich
eBook265 Seiten3 Stunden

Eisenhut: Ein spannender Regionalkrimi aus Österreich

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Über dieses E-Book

Die Zaunreiterin Notburga ist verunglückt. Aber ihr Patenkind Regula will nicht an einen Unfall glauben, und Jemima Augusta, die wegen ihrer Großmutter in das Dorf Brunnegg in der Buckligen Welt zurückgekehrt ist, sieht sich genötigt, dem Mädchen zu helfen.
Zuletzt hat Notburga als Zugehfrau im nahegelegenen Jagdschloss bei der Familie von Suthen gearbeitet, und eine seltsame Notiz in Notburgas Tagebuch lässt Jemima einen Zusammenhang vermuten.
Kurz darauf taucht ein Mann auf, der vorgibt ein Tourist zu sein und mietet sich ein Zimmer in Jemimas geerbtem Bauernhof. Etwas scheint den neuen Gast mit den Suthens zu verbinden, und Jemima wird mit der verdrängten Vergangenheit von Brunnegg konfrontiert.
SpracheDeutsch
HerausgeberBooks on Demand
Erscheinungsdatum21. März 2018
ISBN9783746058566
Eisenhut: Ein spannender Regionalkrimi aus Österreich
Autor

Alauda Roth

Alauda Roth, seit 2004 als Autorin tätig, seit 2017 freischaffend. Diverse Veröffentlichungen von Kurzgeschichten und Lyrik in Magazinen und Anthologien, mehrere Bücher im Eigenverlag Edition ANDRANN und bei BoD. Lebt mit zwei- und vierbeiniger Familie im südlichen Niederösterreich.

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    Buchvorschau

    Eisenhut - Alauda Roth

    Zum Buch

    Die Zaunreiterin Notburga ist verunglückt. Aber ihr Patenkind Regula will nicht an einen Unfall glauben und Jemima Augusta, die wegen ihrer Großmutter in das Dorf Brunnegg in der Buckligen Welt zurückgekehrt ist, sieht sich genötigt dem Mädchen zu helfen.

    Zuletzt hat Notburga als Zugehfrau im nahegelegenen Jagdschloss bei der Familie von Suthen gearbeitet und eine seltsame Notiz in Notburgas Tagebuch lässt Jemima einen Zusammenhang vermuten.

    Kurz darauf taucht ein Mann auf, der vorgibt ein Tourist zu sein, und mietet sich ein Zimmer in Jemimas geerbtem Bauernhof. Etwas scheint den neuen Gast mit den Suthens zu verbinden und Jemima wird mit der verdrängten Vergangenheit von Brunnegg konfrontiert.

    Zum Autor

    Alauda Roth, seit 2004 als Autorin tätig, seit 2017 freischaffend. Diverse Veröffentlichungen von Kurzgeschichten und Lyrik in Magazinen und Anthologien, mehrere Bücher im Eigenverlag Edition ANDRANN und bei BoD. Lebt mit zwei- und vierbeiniger Familie im südlichen Niederösterreich.

    https://traumpfad.jimdo.com

    Die Nacht ist von der Farbe

    eines Frauenarms:

    Nacht, die weibliche,

    unerklärlich,

    duftend und geschmeidig,

    verbirgt sich selbst.

    Ein Teich schimmert,

    wie ein Armband

    geschüttelt in einem Tanz.

    The night is of the color

    Of a woman’s arm:

    Night, the female,

    Obscure,

    Fragrant and supple,

    Conceals herself.

    A pool shines,

    Like a bracelet

    Shaken in a dance.

    Wallace Stevens, Six Significant Landscapes

    Inhaltsverzeichnis

    Naturpark Seebenstein, 2017

    Kapitel 1

    Kapitel 2

    Kapitel 3

    Kapitel 4

    Wien Rudolfsheim-Fünfhaus, 2010

    Kapitel 5

    Wien Innenstadt, 2005

    Kapitel 6

    Kapitel 7

    Berlin Zehlendorf, 1945

    Kaptiel 8

    Kapitel 9

    Kapitel 10

    Kapitel 11

    Kapitel 12

    Brunnegg, 1978

    Kapitel 13

    Kapitel 14

    Kapitel 15

    Kapitel 16

    Kapitel 17

    Epilog

    NATURPARK SEEBENSTEIN, 2017

    Was für eine Weite! Notburga breitet die Arme aus. Der Wind streicht über ihre faltige Haut. Die Landschaft gleicht einer bunten Palette. Sie fröstelt und schwitzt. Ihr Blut pulst wie Eiswasser. Mit nackten Sohlen geht sie über Brombeerranken. Die Weite vertreibt das Rauschen in ihren Ohren. Die Weite erfüllt ihren Atem mit Vorfreude. Dies war der Ort, zu dem du letzte Nacht geflogen bist, nah herangeflogen ohne dich fortzuheben. Wo hat sie das gelesen? Bei wem? Egal. Dies war der Ort …

    Der Mauerbogen umrahmt die Weite. Ein Bildnis. Vergangenheit. Da war noch etwas. Etwas Unerledigtes. Der Gedanke verschwindet so rasch, wie er gekommen ist. Nur ein Mauersegler.

    Ein Krampf erstarrt sie. Nicht jetzt, doch nicht jetzt. Nicht so nah am Ziel! Notburga müht sich weiter. Dort vorn ist die Antwort. Sie hat die Frage vergessen. Trotzdem will sie zuhören. Sieh dich um, brauner Vogel, brauner Mond, der du zum Flug ansetzt. Immer wieder murmelt sie den Vers. Und dann ist es soweit. Sie fliegt. Die Felsen glühen in der Abendsonne. Notburga starrt in die Weite. In das Hügelwunderland.

    Die Burgruine verschwindet über ihr. Sie schlägt auf.

    1

    Metallisches Knacken biss in ihre Ohren. Das Eisentor der Justizvollzugsanstalt öffnete sich. Jemima hielt ihr Gesicht in die Sonne, atmete einmal tief durch, nickte dem Vollzugsbeamten in der Portierloge zu.

    Sie schlenderte durch das geöffnete Tor, in der Hand eine Reisetasche mit Lufthansa-Logo. Auf dem Parkplatz vor dem Frauengefängnis Schwarzau standen einige Fahrzeuge und ein Mann. Er betrachtete den Beiwagen der Moto Guzzi Mille GT, schrieb auf einen Notizblock. Jemima stoppte, steckte ihre Sonnenbrille in die Locken, fummelte eine Selbstgedrehte aus ihrer abgewetzten Capri-Jeans. Nachdem sie sich den Umhängriemen über die Schulter gezogen hatte, zündete sie sich die Zigarette an. Ging langsam Richtung Beiwagenmaschine. Der Mann war groß und kräftig, wirkte wie ein Arbeiter. Einen Schritt vor ihm blieb sie stehen. Er wendete den Kopf, steckte den Notizblock weg, strich sich durch die braunen Haare. Musterte sie und grinste: »Keiner da, der dich Hübsche abholt? Brauchst du eine Mitfahrgelegenheit?« Er deutete auf einen rostigen Golf GTI.

    Sie blies den Zigarettenrauch in seine Richtung. »Bist du eine männliche Knastelse?«

    Er zog die Brauen hoch. »Eine was?«

    »Bist du ein Häfengroupie?«

    Er kniff die Augen zusammen, zuckte mit den Schultern, verstand anscheinend nicht.

    »So ein Typ, der auf Häftlinge steht«, sagte Jemima.

    »Ah. Nein. Nur ein Höflichkeitsbesuch in der JVA.

    Die Nichte einer Bekannten.« Er log schlecht.

    »Wie anständig.« Sie sog an der Zigarette.

    »Also – brauchst du ein Taxi?«

    »Habe ich etwa eines gerufen?«

    »Vergiss es«, murmelte er und begann von einem Bein auf das andere zu steigen.

    Sie warf die Zigarette zu Boden, dämpfte sie aus, schob die Sonnenbrille über die Augen. Dann langte sie in den Beiwagen, holte eine Lederjacke und einen Halbschalenhelm heraus. Stopfte die Reisetasche stattdessen hinein. Sie zog Helm und Jacke über, schwang sich auf das Motorrad.

    »Das war übrigens die banalste Anmache, die ich seit langem gehört habe.« Sie startete die Moto Guzzi. Das Aufheulen des Motors verschluckte seine Antwort. Ohne ihn weiter zu beachten, drehte Jemima am Gasgriff, fuhr die Mauer des Schlossparks entlang bis zur Bundestraße 54 und steuerte die Beiwagenmaschine in Richtung Seebenstein. Ein Aufriss vor dem Gefängnis, das fehlte ihr noch. Als hätte sie nicht schon genug am Hals.

    Jemima bog in die Hofeinfahrt, prallte fast gegen eine blaue Tonne. Sie bremste scharf. Die Moto Guzzi gehorchte und stoppte abrupt. »Was zum Teufel hat …« Afra kam aus der Gaststube gelaufen und wedelte mit den Armen. »Ach du meine Güte. Tut mir leid. Die Kleine hat mich mit dem Ding stehen lassen. Ich finde keine Sackrodel.« Ihre lange, graue Stirnsträhne wehte wie eine Fahne vom Kopf.

    Jemima seufzte. Was war jetzt wieder in Regula gefahren? Sie steuerte die Beiwagenmaschine um das Metallfass und fuhr die Moto Guzzi in die Scheune. Stellte den Motor ab. Afra folgte ihr, strich die Strähne zur Seite, fuhr sich über die ansonsten millimeterkurzen Haare. Eine blaue Arbeitsschürze spannte sich um ihre breiten Hüften. Nur selten sah man sie ohne dem Teil und Jemima fragte sich manchmal, wie viele Afra davon besaß. Aus der Tasche der Arbeitsschürze ragten die Finger von fleckigen Lederhandschuhen. »Wo kommt das Fass hin?«

    »Wieso hat der Fahrer das nicht gleich ins Lager gestellt?«

    »Frag deine herzige Schutzbefohlene. Regula hat den Lieferschein unterschrieben.«

    Jemima seufzte wieder. Das Mädchen hatte bisher in der Stadt gelebt und frische Luft nur inhaliert, wenn sie von einer Location zur nächsten gependelt war. Aber sie hatte immerhin drei Jahre die HTL Rennweg besucht und gute Noten geschrieben. Jemima hatte gehofft, dass Regula bei der Arbeit am Hof ein wenig mitdenken würde.

    Afra stupfte sie in die Seite. »Bereust du es schon die Kleine am Hof zu haben?«

    »Das darf ich nicht. Ich habe es Notburga posthum versprochen.«

    »Wird schon werden. Regula ist ja erst ein paar Tage hier. Sie muss sich halt einleben.« Afra rieb ihre Gummistiefel aneinander und Gatsch bröselte aus dem Profil. Jemima zog die Sackrodel hinter dem Traktor hervor und gemeinsam schafften sie das Fass in den ehemaligen Stall, den Jemima umbauen hatte lassen. Zu einem Chemielabor.

    Sie achtete strikt auf ihre Privatsphäre. Anders war den Feriengästen nicht beizukommen, die oft meinten, mit der Zimmergebühr auch gleich sie gemietet zu haben.

    Der Mühlgrabenhof, den Jemima vor einem Jahr von ihrer Großmutter Emschi geerbt hatte, war einer dieser typischen Einzellagen, wie sie in der Buckligen Welt häufig vorkamen. Ein Hofverband aus mehreren Häusern, entstanden in einer Zeit, als die Bauern alle Gerätschaften selber herstellten und die Bauerngärten, die Obstbäume und der Stall die Großfamilie versorgten. Einer Zeit, als die Menschen vor den Hollerstauden den Hut zogen und den heilenden Strauch nur sorgsam beschnitten.

    Das einstöckige Haus an der Straße war einmal ein Gasthof gewesen, aber ihre Großeltern hatten vor Jahren die Gastwirtschaft aufgegeben und nur den Pensionsbetrieb weitergeführt. Die Gaststube diente seitdem als Versammlungsraum für verschiedene Vereine. Derzeit gehörte das Lokal der Zaunreiterin, einem Verein zur Pflege der traditionellen Heilkunde und des lokalen Kunsthandwerks, dessen Vorsitzende Notburga gewesen war. Jemima hatte die Zimmer der Pension im ersten Stock in kleine Wohnungen umgewandelt, vermietete diese wochenweise an Feriengäste, die auch den Hofbereich mit dem Grillplatz, den Naturgarten und das Schwimmbiotop nutzen durften. Das hintere Wohnhaus, die Wirtschaftsgebäude und der ummauerte Garten waren den Gästen verschlossen. Eine Reihe bepflanzte Betontröge und zwei Sitzbänke in der Mitte des Hofes markierten die Grenze.

    Nur Afra, die bei Jemima putzte, durfte unangekündigt in ihr Reich. Sie war ihre nächste Nachbarin und inzwischen wie eine beste Freundin, obwohl sie über zwanzig Jahre älter war als Jemima. Afras Tochter und Schwiegersohn führten mit ihren halbwüchsigen Kindern einen Bio-Bauernhof mit Ziegenhaltung und boten Lama-Wanderungen an. Trotzdem konnte die Familie jeden Zuverdienst brauchen.

    Seit ihrer Entlassung aus der JVA Schwarzau lebte jetzt auch Regula auf dem Mühlgrabenhof. Bis zu ihrer Volljährigkeit hatte Jemima die Obsorge über das Mädchen, nachdem sich herausgestellt hatte, dass deren Tante, bei der Regula seit dem Tod ihrer Eltern gelebt hatte, nicht mehr dazu in der Lage war. Ein weiteres Methadon-Schicksal. Auf der Suche nach einer nächsten Verwandten hatte das Familiengericht Jemima als Cousine zweiten Grades von Regulas Mutter ausfindig gemacht und ihr die Vormundschaft für das sechzehnjährige Mädchen angetragen. Zuerst hatte sich Jemima gefreut nicht mehr allein in dem großen Wohnhaus zu leben, allerdings hatte Regula andere Vorstellungen von Privatsphäre als Jemima. Ein vorprogrammierter Konflikt.

    »Hexan. Was ist das?«, fragte Afra, als sie das Fass endlich zwischen die anderen Chemikaliengebinde geschoben hatten.

    »Ein Lösungsmittel«, antwortete Jemima.

    »Für die Destillation?«

    »Nur manchmal. Vorwiegend für die Chromatographie und die Reinigung.«

    »Kann ich das auch verwenden?«

    »Eher nicht. Es ist brandgefährlich. Besser du bleibst beim Putzspiritus.« Jemima schloss die Tür hinter sich und Afra sperrte zu, gab ihr den Schlüssel.

    »Regula wollte gestern die Nase in deine Wunderkammer stecken«, sagte Afra.

    »Halt sie bloß fern. Ich habe noch keine ausreichende Löschanlage.«

    »Wie lange bleibst du im Probebetrieb?«

    »Bis ich die Rezepte durchgearbeitet habe. Ich stelle gerade von allem, wofür ich Zutaten habe, eine Auswahl her. An den Verkäufen sehen wir was ankommt und daraus stellen wir ein Sortiment für eine größere Produktion zusammen. Und dann muss ich zu kalkulieren beginnen.«

    »Brauchst du noch Nachtkerze? Ich habe noch ein Sackerl getrocknete Wurzeln.«

    »Nein. Mit diesen Mischungen bin ich schon fertig.«

    »Hast du schon den Badezusatz probiert?«, fragte Afra eifrig.

    »Ja. Ein wirklich berückendes Erlebnis.«

    Mehrtöniges Klingeln ließ sie herumfahren. Die Familie, die sich gestern in der vordersten Ferienwohnung eingemietet hatte, bog mit ihren Mountain-Bikes in den Hof. Sie winkten Jemima zu, lehnten die Räder gegen die Wand und verschwanden im Haus. Nach der Bettwäsche nahm Jemima die Shirts von der Wäscheleine, legte sie locker gefaltet in den Korb und stutzte: Zwischen den Khaki-Shorts und dem Lone-Star-Sweater klaffte eine Lücke. Sie schaute sich um, fand das fehlende Wäschestück aber nicht. Was war dort gehangen? Ein schwarzes Spitzentop. Regula, schoss es Jemima durch den Kopf. Schon einmal hatte sich das Mädchen an ihrem Kasten bedient. Aber Spitze entsprach nicht Regulas Stil. Noch einmal kontrollierte Jemima den Boden, ging auch den vorderen Teil des Hofes ab. Nichts.

    Sie trug den Wäschekorb ins Haus, stellte ihn neben das Bügelbrett in der Stube, öffnete den Bauernkasten, hinter dessen Türen sich die Mediengeräte verbargen. Während sie das DVD-Regal nach einem möglichst lauten Film durchsuchte, kam Regula herein. Heute trug sie ein kurzes Ed-Hardy-Shirt zu engen Jeans und Minirock, auf dem Kopf ein schwarzes Strickkäppi. Jemima legte R.E.D. in den Player, schaltete den Fernseher ein, steckte das Bügeleisen an. Regula fingerte ein Notizbuch mit dunkelgrünem Einband aus ihrem Rucksack und wedelte damit vor Jemimas Nase herum.

    »Hier – hier hast du es. Etwas stimmt nicht. Ganz und gar nicht.« Regula schlug das Notizbuch auf und las laut vor: »Ich habe etwas entdeckt. Ich glaubte das alles vergessen zu haben. Aber die Erinnerung hat wohl nur geschlummert. Ein Geruch in diesem Zimmer, mit all den toten Tieren – und alles war wieder da. Lebendig und klar und beschämend. Und wieder empfinde ich die Enttäuschung über die vergebene Chance. Wie kann man nur wegen so etwas Banalem ein vielversprechendes Leben wegwerfen?« Sie schaute auf, sagte mit schwerer Stimme: »Ein Zimmer mit toten Tieren – das gibt es nur im Jagdschloss. Notburga hat dort etwas gefunden. Sie wollte etwas aufdecken, da bin ich mir ganz sicher. Und du findet es nicht seltsam, dass kurz darauf der Unfall passiert ist?«

    Jemima zuckte mit den Schultern und legte eine Bluse auf das Bügelbrett. Regula hielt ihr das Notizbuch aufgeschlagen hin. »Und danach fehlen alle beschriebenen Blätter. Jemand hat die herausgerissen. Warum hätte jemand das machen sollen, wenn es nicht etwas zu verbergen gibt?«

    Nach einem Blick auf die grüngefärbten Seiten sagte Jemima: »Was immer Notburga im Jagdschloss gesehen hat – es geht uns nichts an.«

    »Wie kannst du nur so ignorant sein? Sie war die Cousine deiner Mama und sie hat dir bei der Pflege von deiner Oma geholfen. Sie war Familie!«

    »Ich vermisse sie mindestens genauso wie du. Aber anderen die Schuld zu geben, macht es nicht besser«, antwortete Jemima.

    »Aber was ist, wenn andere daran Schuld haben? Wenn es kein Unglück war? Und keiner macht was?«, rief Regula.

    »Die Polizei hat nichts Verdächtiges festgestellt. Willst du schlauer sein als die Beamten?«

    Das Mädchen schlug mit der Handfläche gegen die Türzarge. »Genau, unsere Justiz. Die ist ja so engagiert …«

    Anstelle einer Antwort ließ Jemima den Film anlaufen und drehte die Lautstärke hoch. Regula klappte Notburgas Notizbuch zu, packte ihren Rucksack, lief die Treppe hoch. Minuten später hörte Jemima trotz des Lärms der Autoverfolgungsjagd am Bildschirm einen Volksmusikschlager. Noch dazu die Schürzenjäger!

    Bis zum Ende des Films hatte sie einen guten Teil der Wäsche erledigt, Afra erlöste sie vom Rest. Während die Altbäuerin bügelte, holte Jemima den Karton mit ihrer bisherigen Produktion. Sie schlichtete die Gläser, Ampullen und Päckchen auf den großen Holztisch in der Stube, ordnete sie nach den drei Duftlinien. Nach mehreren Versuchen hatte sie sich für Wildkräuter, Sommerwiese und Bauerngarten entschieden. In jeder dieser Varianten hatte sie Badezusatz, Seife, Handpflege und Lotion auf Basis Ziegenmilch zubereitet und Lippenpflege aus Bienenwachs. Afra steckte das Bügeleisen ab und setzte sich zu ihr. Sie probierte eine der Handcremen, rieb eine kleine Menge ein. Schnupperte an ihrer Handfläche. »Gut ist das geworden. Richtig professionell.«

    Jemima lachte. »Ich bin ja auch ein Profi. Das alles kommt morgen in den Laden. Wir müssen es nur noch etikettieren.« Sie holte ein paar Bögen aus dem Karton.

    »War Regula schon mit dem Notizbuch bei dir?«, fragte Afra.

    »Ja. Sie hat mir was daraus vorgelesen.«

    »Was meinst du dazu?«

    »Da steht alles und nichts. Was sollen wir damit anfangen? Zu den Suthens gehen und sagen, wir wollen das Trophäenzimmer inspizieren? Nachschauen, ob der alte Marius dort etwas versteckt hat?« Jemima schüttelte den Kopf. »Regula soll sich auf den Laden konzentrieren und sich eine Ausbildung suchen. Sie braucht einen Abschluss.«

    »Komisch ist es aber schon …«

    Jemima verdrehte die Augen. »Nicht du jetzt auch!«

    »Ich hätte gern gewusst, was auf den fehlenden Seiten gestanden ist. Aber du hast schon recht – die jungen Suthens haben ihre Geschäfte in Wien und Marius ist Asche zu Asche.«

    Jemima beugte sich vor und legte Afra die Hand auf den Unterarm. »Ich vermisse sie jeden Tag. Sie hätte mir noch so viel zeigen können. Zuerst Emschi und jetzt Notburga. Meine Familie wird immer kleiner.«

    Eine Weile etikettierten sie schweigend die Gebinde. Noch immer grölten oben die Schürzenjäger. Jemima hasste Musikantenstadl. Und Regula wusste das.

    »Weißt du, was ich nicht verstehe?«, sagte Afra. »Sie hat dir ihr Rezeptbuch vererbt. Und ein Kisterl mit persönlichen Sachen hat Regula bekommen. Warum hat Notburga aber alles andere an den Schorsch vererbt? Gerade an den Schorsch?«

    »Warum nicht? Es war sowieso nicht viel.«

    »Das Stöckl nennst du nicht viel?«

    »Was fangt er denn damit an? Das Ausgedinge steht auf dem Pachtgrund vom Wirtshaus. Das Stöckl kann man nicht verkaufen. Und nützen kann er es allein auch nicht richtig. Er müsste alles für seinen Rollstuhl umbauen lassen.«

    »Die Rössler werden sich eine Ablöse schon was kosten lassen. Sie könnten ein Gästehaus daraus machen.«

    »Die kämpfen selber mit den Finanzen. Die Renovierung vom Wirtshaus war teuer«, erwiderte Jemima.

    »Aber sie müssen ihm schon was gezahlt haben. Er hat sich ein Elektroauto bestellt.«

    »Ein Elektroauto?«

    »Ja. So ein Mini-Auto bei dem hinten die Klappe aufgeht, man fährt mit dem Rollstuhl rein, der wird arretiert und schon geht es los. Hat mir mein Neffe erzählt. Der arbeitet im Mobilitätscenter.«

    »Dann wird er jetzt ein richtiger Turbo-Schorsch.«

    »Und geht uns noch mehr auf die Nerven«, maulte Afra. »Bis jetzt war er wenigstens in seinem Bewegungsradius eingeschränkt.«

    »Jetzt sei nicht so, Afra. Etwas Mitgefühl mit einem Behinderten.«

    »Bei Gott nicht! Ich hab’s nicht nötig falsch zu tun. Er ist ein Holzschädel. Das war er früher und er ist um nix gescheiter geworden.« Afra klatschte ein Etikett auf die Seife, das Papier riss.

    »Notburga hat eben Mitleid mit dem Schorsch gehabt.« Jemima packte die Blütenseife neu ein. »Er musste in einer aufgelassenen Garage leben. Hat oft nicht einmal genug Geld fürs Heizen gehabt. Sie hat ihn aufgenommen …«

    »Wie einen Straßenköter«, warf Afra ein.

    »… und wird sich gedacht haben, dass er das Stöckl dem Wirtshaus übergibt, wenn mit ihr was ist. Dass er sich mit der Ablöse eine behindertengerechte Seniorenwohnung mietet.«

    »Und was macht er? Bestellt sich ein Auto. Mannsbild eben. Es ist trotzdem komisch.«

    »Warum?«

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