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Predigten: Für die Sonn- und Feiertage im Lesejahr B
Predigten: Für die Sonn- und Feiertage im Lesejahr B
Predigten: Für die Sonn- und Feiertage im Lesejahr B
eBook326 Seiten6 Stunden

Predigten: Für die Sonn- und Feiertage im Lesejahr B

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Über dieses E-Book

* Autor bekannt und beliebt für seine ansprechenden Predigten
* Komplette Versorgung mit Predigtanregungen für das Lesejahr B

Wolfgang Raible bietet auch in diesem Band der Lesejahrreihe (hier: Lesejahr B) Predigten zu den Schrifttexten aller Sonn- und Feiertage. In ihrer Sprache und Anmutung atmen sie den Charme und ernsthaft gläubigen Humor der erfolgreichen "100 Kurzansprachen", Länge und Thematik orientieren sich dabei aber ganz am Gebrauch für die sonntägliche Praxis.
SpracheDeutsch
HerausgeberVerlag Herder
Erscheinungsdatum27. Sept. 2011
ISBN9783451338700
Predigten: Für die Sonn- und Feiertage im Lesejahr B

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    Buchvorschau

    Predigten - Wolfgang Raible

    Wolfgang Raible

    Predigten

    Für die Sonn- und Feiertage im Lesejahr B

    Impressum

    ©Verlag Herder GmbH, Freiburg im Breisgau 2011

    Alle Rechte vorbehalten

    www.herder.de

    Umschlaggestaltung Finken & Bumiller, Stuttgart

    Konvertierung Koch, Neff & Volckmar GmbH,

    KN digital - die digitale Verlagsauslieferung, Stuttgart

    ISBN (Buch): 978 - 3 - 451 - 34108 - 3

    ISBN (

    E-Book

    ): 978 - 3 - 451 - 33870 - 0

    Inhaltsübersicht

    Statt eines Vorworts

    Advent und Weihnachtszeit

    1. Adventssonntag: Bilden Sie sich ruhig etwas ein!

    2. Adventssonntag: Mit Ernst, o Menschenkinder

    3. Adventssonntag: Vor-läufer Jesu und Vor-bild der Kirche

    4. Adventssonntag: Ja, ist denn schon Weihnachten?

    Christmette: Wittgenstein contra Augustinus

    Weihnachten am Tag: Expedition Mensch

    Fest der Heiligen Familie: Der Wolf an der Krippe

    Neujahr – Hochfest der Gottesmutter Maria: Drei „fabelhafte" Wünsche

    2. Sonntag nach Weihnachten: Es kam ein Engel hell und klar

    Erscheinung des Herrn: Ein spannender Bibelabend

    Taufe des Herrn: Trinken müssen Sie selber!

    Fasten- und Osterzeit

    1. Fastensonntag: Eine Goldader in der Wüste

    2. Fastensonntag: Fenster putzen

    3. Fastensonntag: Tempelreinigungen 2012

    4. Fastensonntag: Die Quelle des Königs

    5. Fastensonntag: Der Lehrplan Gottes

    Palmsonntag: Die Ouvertüre zur Karwoche

    Gründonnerstag – Karfreitag – Osternacht: Auftrag, Herausforderung und Verheißung

    Osternacht: Jedoch: ich kann nicht

    Ostersonntag: Ostermarschierer

    2. Sonntag der Osterzeit: Österliche Menschen

    3. Sonntag der Osterzeit: Herr K. und die Auferstehung

    4. Sonntag der Osterzeit: Ein Herdenbrief

    5. Sonntag der Osterzeit: Ein provozierendes Bild: Prozession ohne Hostie

    6. Sonntag der Osterzeit: Liebes Christentum!

    Christi Himmelfahrt: Zwei Wege: Jesus zu Gott und wir zu den Menschen!

    7. Sonntag der Osterzeit: Rechenschaftsbericht und Hausaufgaben

    Pfingsten: Ein polyglottes Christentum

    Zeit im Jahreskreis

    2. Sonntag: Fragen – Wagen – Weitersagen

    3. Sonntag: Schneller – Größer – Pfiffiger

    4. Sonntag: Eine neue Sprache

    5. Sonntag: „Ein Leben in der Schachtel"

    6. Sonntag: Vielen Dank, Paulus!

    7. Sonntag: Ein pfiffiger Zubringerdienst

    8. Sonntag: Ich wollt’ ich wär’ ein Brief

    9. Sonntag: „Immer wieder sonntags kommt die Erinnerung …"

    10. Sonntag: Drei „unterbelichtete" Jesus-Bilder

    11. Sonntag: Ein Gleichnis – drei Akzente

    12. Sonntag: Riese und Zwerg

    13. Sonntag: Ein altes Handbuch der Lebensberatung

    14. Sonntag: Hat Jesus in seiner Kirche eine Chance?

    15. Sonntag: „Du aber sitzt an deinem Fenster …"

    16. Sonntag: Boxen oder einladen?

    17. Sonntag: Brot des Lebens – für alle ein KörnchenWahrheit

    18. Sonntag: Christliches „Outfit"

    19. Sonntag: Meine Wüste, mein Ginster, mein Engel, mein Horeb

    20. Sonntag: Ein singender Glaube

    21. Sonntag: Gott und Ziele

    22. Sonntag: Nicht sauber, sondern rein!

    23. Sonntag: Wir brauchen einen „Bilder-Schutz-Bund"!

    24. Sonntag: Geschichten zu unserer Geschichte mit Jesus

    25. Sonntag: Dienst-Plan und Dienst-Geheimnis

    26. Sonntag: Der Geist weht, wo er will

    27. Sonntag: Angebrannte Suppen und kalte Herzen

    28. Sonntag: Ist jeder Reiche ein Kamel?

    29. Sonntag: Ein erster Schritt auf dem Dienst-Weg

    30. Sonntag: Die Stadt der Blinden – die Gemeinde der Sehenden?

    31. Sonntag: Viel Vertrautes und drei kleine Überraschungen

    32. Sonntag: Jesus und ein unflätiger Papagei

    33. Sonntag: „Last Lecture"

    Feste im Kirchenjahr

    Dreifaltigkeitssonntag: Erklärst du noch oder lebst du schon?

    Fronleichnam: Evergreens und Ohrwürmer

    Allerheiligen: Ein Heiligen-Quiz für Fortgeschrittene – oder: Die etwas anderen Seligpreisungen

    Christkönigssonntag: Pilatus und Jesus: Weltliche Macht gegen göttliche Ohnmacht

    Verzeichnis der Bibelstellen

    Stichwortverzeichnis

    Anhang: Vom Himmel hoch, da komm ich her

    Fußnoten

    Statt eines Vorworts

    Eine rechte evangeliumsgemäße Predigt muss so sein, als ob man einem Kind einen schönen roten Apfel hinhält oder einem Durstigen ein Glas Wasser und fragt: „Willst du?"

    (nach Dietrich Bonhoeffer)

    Sag nicht den Menschen von heute, sie haben keinen Zugang zu dem, was Gott ist. Es ist nicht wahr. Nur müssen wir es ihnen anders sagen.

    (Mario von Galli)

    Fehlende Plausibilität des Glaubens macht es erforderlich, erfinderisch in dem Versuch zu werden, das Angebot der Frohen Botschaft in attraktiver Weise weiterzusagen.

    (Thomas Meurer)

    Statt eines Vorworts: Drei Hoffnungen, die mich beim Schreiben dieses Predigtbuchs begleitet haben:

    Die Hoffnung, dass Sie darin den einen oder anderen „roten Apfel oder hin und wieder ein „Glas Wasser für Ihre Predigtpraxis entdecken; und dass Sie auf die Frage „Willst du?" bei manchen Angeboten antworten können: Ja, ich will mich davon inspirieren lassen und daran weiterdenken.

    Die Hoffnung, dass die Beispiele Ihnen Mut machen, neue Predigtwege auszuprobieren und den Menschen von heute das vertraute Evangelium „anders" und unkonventionell zu sagen.

    Die Hoffnung, dass die Vielfalt der Predigtformen– Briefe, Liedmeditationen, Märchen, Gespräche, Bildbetrachtungen, Quiz– Ihre Phantasie weckt und Sie selbst animiert, „das Angebot der Frohen Botschaft in attraktiver Weise weiterzusagen".

    Wolfgang Raible

    Advent und Weihnachtszeit

    1. Adventssonntag

    Bilden Sie sich ruhig etwas ein!

    Jes 64,3 – 7

    Leute, die sich etwas einbilden, mögen wir in der Regel nicht.

    Wer von sich selbst ein viel zu schönes Bild hat, das mit der Wirklichkeit nicht übereinstimmt, der ist unsympathisch.

    Wer sich eine Krankheit einbildet, kann seiner Umgebung das Leben zur Hölle machen.

    Wer sich Erlebnisse, die er weitererzählt, nur eingebildet hat, der ist ein Träumer oder ein Lügner.

    Leute, die sich etwas einbilden, sind also mit Vorsicht zu genießen.

    Ich möchte Ihnen heute zeigen, dass das nur zum Teil richtig ist, und mein – vielleicht etwas eigenartiger – Adventswunsch für Sie heißt: Bilden Sie sich ruhig etwas ein!

    Es gibt nämlich Bilder, die es wert sind, dass wir sie ganz nah an uns heranlassen, dass wir sie in uns aufnehmen, dass wir sie verinnerlichen, dass wir sie uns – im wahrsten Sinn des Wortes – ein-bilden.

    Die Lesungen der Adventszeit sind in jedem Jahr voll von solchen wertvollen Bildern. Was der Prophet Jesaja uns anbietet, das ist, so könnte man sagen, ein Adventskalender für Erwachsene, eine Fülle von Bildern, die man sich gut einprägen, einbilden kann: Das Bild von der Wüste, die plötzlich zu blühen anfängt; vom abgehackten Baumstumpf, aus dem wieder ein junger Trieb herauswächst; von den Schwertern, die zu Pflugscharen umgeschmiedet werden.

    „Wir sind der Ton und du bist unser Töpfer" – dieses Bild aus der heutigen Lesung möchte ich mir zum Leitbild für die kommenden Tage und Wochen nehmen. Es ist vielleicht nicht so spektakulär, so farbenfroh wie die anderen, aber es regt mich an, über mich nachzudenken, und darüber, was Gott mit meinem Leben zu tun hat. Dieses Bild ist offen, es lässt genügend Raum, um immer neue Linien einzuzeichnen; es reizt zum Ausmalen.

    „Wir sind der Ton und du bist unser Töpfer" – das heißt: Du hast mit jedem von uns etwas vor. Du hast eine Idee für jede und jeden einzelnen und willst unserem Leben eine Form, eine Gestalt geben. Du willst an mir modellieren – durch Worte aus der Heiligen Schrift, die mich treffen; durch das Beispiel Jesu, der gezeigt hat, wie man wirklich Mensch sein kann. Du willst mich prägen – durch Menschen, denen ich begegne und die mich beanspruchen; durch Situationen, die mich herausfordern, mit meinem Glauben ernst zu machen. Du willst mich verändern – in der Stille, wenn ich über mich nachdenke; in der Hektik, wenn ich unzufrieden werde.

    „Wir sind der Ton und du bist unser Töpfer" – das heißt auch: Wir sind gedacht als deine Gefäße; als Menschen, die für deine gute Sache zu gebrauchen sind. Obwohl deine Phantasie, dein Einfallsreichtum für verschiedene Formen keine Grenzen kennt – jede und jeden von uns hast du so modelliert, dass wir etwas von deiner Güte in uns aufnehmen und wieder an andere weitergeben können. Wir sind zum Empfangen und Schenken geschaffen.

    „Wir sind der Ton und du bist unser Töpfer" – das heißt aber auch: Wir sind von der Erde genommen, zerbrechlich, unsere Zeit ist begrenzt. Aber weil du unser Schöpfer bist, glauben wir, dass du auch die Bruchstücke unseres Lebens annimmst.

    An diesem Bild vom Ton und vom Töpfer möchte ich im Advent weitermalen, immer wieder einen Pinselstrich hinzufügen, eine neue Farbe ins Spiel bringen.

    Und dieses Sinn-Bild, das Bild also, das mir hilft, über den Sinn, den Sinn meines Lebens und meines Glaubens an Gott nachzudenken, dieses Bild soll in den nächsten Tagen und Wochen immer wieder auftauchen:

    Ich möchte es hervorholen in Zeiten, wo ich müde und leer bin, und will dann sagen: „Ich bin der Ton und du bist mein Töpfer – nimm mich in deine Hand und mach etwas aus meinem Leben, mir fehlt die Kraft. Gib meinen Gedanken und meinem Tun wieder ein Profil, eine Gestalt."

    Dieses Bild möchte ich aber auch hervorholen, wenn ich voll Energie bin und etwas Neues anfangen will. Dann kann ich sagen: „Ich bin der Ton und du bist mein Töpfer – mach ein Gefäß aus mir, das deine Liebe aufnehmen kann. Lass mich davon abgeben und dabei reicher werden. Vielleicht kann jemand Hoffnung schöpfen aus meiner Freude; vielleicht spürt jemand durch meine Fragen, dass du dich für ihn interessierst."

    Morgens soll dieses Bild auftauchen, und ich will sagen: „Halte mich offen für das, was du und andere Menschen heute in mich hineinlegen werden. Und abends möchte ich versuchen zu beten: „Ich war der Ton – und ich bin dankbar, dass ich gespürt habe, in deiner Hand zu sein. Vielleicht war ich nicht wachsam genug für die Zeichen, mit denen du mich in eine andere Richtung führen wolltest – verliere nicht die Geduld mit mir! Ich möchte aber auch protestieren und klagen dürfen: „Wenn du mein Töpfer bist – warum hast du mich heute so gedrückt, gepresst und geknetet?"

    Zum Schluss noch einmal mein Wunsch: Bilden Sie sich doch auch etwas ein!

    Es muss nicht dieses Bild vom Ton und vom Töpfer sein. Vielleicht spricht Sie ein anderes aus dem Bilderbuch des Jesaja mehr an. Entdecken Sie Ihr eigenes Adventsbild, prägen Sie es sich ein, malen Sie es aus, holen Sie es immer wieder hervor, und – sagen Sie es weiter. Erzählen Sie in der Familie, bei Ihren guten Freunden, welches Bild Sie fasziniert und was es für Sie und Ihren Glauben bedeutet.

    In diesem Fall könnte man mit Fug und Recht behaupten: Einbildung ist auch eine Bildung! Denn wo einer dem anderen von seinem Leitbild erzählt, da bildet sich lebendige Gemeinde, und da hat Gott eine Chance, anzukommen – nicht nur im Advent.

    2. Adventssonntag

    Mit Ernst, o Menschenkinder

    Liedmeditation zu GL 113

    Der Advent ist eine Zeit des Singens und Musizierens, und viele freuen sich schon lange auf die vertrauten Lieder und Weisen, die uns durch diese Tage begleiten.

    Wenn wir im Gottesdienst miteinander singen, dann gelten unsere Lieder zum einen Gott: ihn wollen wir loben; ihm wollen wir danken; ihm wollen wir Antwort geben auf sein Wort, das er uns schenkt. Zum anderen aber singen wir für uns selbst. Man könnte sagen: ein Lied ist eine besondere Form der Verkündigung; eine Predigt, die wir uns gegenseitig halten.

    Ein Lied kann Worte, Verheißungen und Aufforderungen des Evangeliums auf eine Art und Weise an uns heranbringen, die über die begriffliche Vermittlung und Auslegung hinausgeht.

    Es gibt in unserem Gesangbuch nur ein einziges Adventslied, das den Gedanken des heutigen Evangeliums aufgreift; das die Bilder vom Straßenbauen und vom Wegbereiten aufnimmt. Deshalb möchte ich es heute mit Ihnen singen und versuchen, der Predigt, die dieses Lied enthält, auf die Spur zu kommen.

    „Mit Ernst, o Menschenkinder", so fängt dieses Lied an und Sie finden es im GL unter der Nr. 113. Obwohl die Melodie schon unabhängig vom jetzigen Text existierte, verdeutlicht und vertieft sie die Worte, die ihr knappe 100 Jahre später unterlegt wurden.

    Lassen wir zuerst einmal die Melodie allein auf uns wirken.

    GL 113: Cantus firmus (Orgel oder Flöte)

    Beides spiegelt sich für mich in dieser Melodie – die ernste Grundstimmung des Textes; der Bußruf Johannes des Täufers – aber auch die Zuversicht, dass Gott sein Versprechen wahr macht und den Retter in die Welt schickt. Die herbe Kirchentonart am Anfang unterstreicht den provokativen Klang der Umkehrpredigt des Johannes. Das tröstliche Schlussmotiv in der weicheren Moll-Tonart verstärkt die Hoffnung auf das Heil. Der kurze Dur-Teil nach dem Doppelstrich ist das Mittelstück der ganzen Melodie und hebt auch in jeder Strophe einen Kerngedanken hervor.

    Der Text, den der Königsberger Professor Valentin Thilo 1642 geschrieben hat, und dessen 3. Strophe 15 Jahre später überarbeitet wurde – dieser Text beinhaltet für mich so etwas wie einen adventlichen Drei-Stufen-Plan: Das Herz bestellen – den Weg bereiten – Jesus einziehen lassen. Das sind für mich die entscheidenden Themen der drei Strophen.

    GL 113,1

    Das Herz bestellen – das heißt:

    eine gründliche Innenrenovation meines Lebenshauses vornehmen;

    die Herz-Kammern aufräumen und freimachen;

    Wände herausbrechen, die mein Lebenshaus eng und dunkel machen;

    meine Abstellräume untersuchen auf Vergessenes und Verdrängtes, auf Ballast und Gerümpel;

    die Schubladen aufmachen, in die ich andere gesteckt habe;

    entdecken, was alles im Lauf der Zeit unter den Teppich gekehrt wurde.

    Das Herz bestellen – die erste Aufgabe im adventlichen Drei-Stufen-Plan. Die zweite heißt: Den Weg bereiten.

    GL 113,2

    Den Weg bereiten – das heißt:

    das Gelände um mein Lebenshaus herum begehbar machen;

    Zufahrtsstraßen bauen, damit Gott mit seinem befreienden und tröstenden Wort bei mir ankommen kann: die Zufahrtsstraße der Hl. Schrift; die Zufahrtsstraße der Stille und des Gebets; die Zufahrtsstraße des sozialen Engagements; die Zufahrtsstraße der Gottesdienstfeier;

    Steine aus dem Weg räumen, die Gott den Zugang zu meinem Lebenshaus erschweren: den Stein der Bequemlichkeit; den Stein der Gehetztheit und Ruhelosigkeit; den Stein der Überheblichkeit.

    Den Weg bereiten – der zweite adventliche Appell. Würde das Lied hier enden, würden wir uns beim Singen eine reine Moralpredigt halten. Bestell dein Herz, bereite den Weg! Auf das Tun folgt das Lassen. Wir haben Vorarbeit geleistet, jetzt dürfen wir warten und Jesus einziehen lassen.

    GL 113,3

    Jesus einziehen lassen – das heißt:

    ihm mein Lebenshaus zur Verfügung stellen;

    ihn nicht in Stall und Krippe links liegen und verkümmern lassen;

    ihm Wohnrecht bei uns geben;

    ihn in die verschiedenen Lebens-Räume hereinbitten – in den Arbeitsraum, in den Freizeitraum.

    Jesus einziehen lassen – die Erfüllung des adventlichen Drei-Stufen-Planes liegt nicht mehr in unserer Hand. Wir können das Herz bestellen und ihm einen Weg zu uns bereiten. Wir können Jesus einen Lebens-Raum bei uns anbieten – und wir dürfen mit Herz und Lippen danken, wenn wir spüren, dass er bei uns eingezogen ist und bei uns wohnt.

    3. Adventssonntag

    Vor-läufer Jesu und Vor-bild der Kirche

    Joh 1,6 – 8.19 – 28

    Zwei biblische Gestalten bestimmen – wenn wir die liturgischen Texte anschauen – die ersten Wochen der Adventszeit: Jesaja, der Prophet, und Johannes der Täufer.

    Vom einen kennen wir eine Fülle von wunderschönen Hoffnungsbildern:

    die Wüste, die zu blühen anfängt;

    der abgehackte Baumstumpf, aus dem ein neuer Trieb hervorwächst;

    das Kind, das ohne Angst am Versteck einer Natter spielen kann.

    Vom anderen kennen wir nur wenige Sätze und einige Details zu seinem Aussehen und Auftreten. Aber das, was wir wissen, hat es in sich. Dieser Johannes muss schon ein „besonderer Heiliger" gewesen sein – eine faszinierende Persönlichkeit; einer, der der Kirche eine ganze Menge zu sagen hat, obwohl er von einer Kirche überhaupt noch nichts ahnen konnte.

    Unter drei Überschriften möchte ich das bringen, was wir über ihn aus den Evangelien wissen:

    Johannes, der Provozierende;

    Johannes, der Vorläufer;

    Johannes, der Fragende.

    Eigentlich ist alles an diesem Johannes provozierend: Seine Kleidung, seine Lebensweise und seine Predigt. Er läuft mit seinem Kamelhaarmantel in der Wüste herum, ernährt sich von Heuschrecken und Wespenhonig und geht mit den Leuten, die zu ihm kommen und ihn hören wollen, nicht gerade zimperlich um: Ihr Schlangenbrut und Natterngezücht, nennt er sie.

    Provozieren – das heißt wörtlich übersetzt: heraus-rufen, herausfordern. Und das hat Johannes wirklich getan:

    Er hat die Leute aus den Städten und Dörfern herausgerufen in die Wüste und er hat sie herausgefordert zur Selbstbesinnung, zu Buße und Umkehr.

    Er hat sie herausgeholt aus ihrer Selbstzufriedenheit und Bequemlichkeit, aus ihren Abhängigkeiten und aus dem Gefängnis ihrer Selbstgerechtigkeit.

    Er hat so gepredigt, dass die religiösen und politischen Machthaber in Jerusalem kalte Füße bekamen und eine Abordnung losschickten, die ihn verhören musste: Wer bist du? Warum taufst du?

    Er hat die Sicherheit derer zerstört, die sich selbst für gut und fromm hielten, und er hat die in eine heilsame Unruhe versetzt, deren Leben festgefahren war, die nach dem Motto lebten: „Ein feste Burg ist unser Trott".

    Johannes – der Provozierende.

    Aber er ruft die Leute nicht in die Wüste heraus, um einen eigenen Fan-Club aufzumachen; um ihnen seine Ideen anzupreisen, sondern um sie auf einen anderen hinzuweisen; um sie wachzurütteln für das Kommen eines anderen.

    Er sieht sich nur als Vorläufer eines Größeren: „Ich bin es nicht, ein anderer ist es", predigt er. Jetzt geschieht noch nicht das Entscheidende. Das Endgültige oder der Endgültige kommt erst noch und da wird es dann feuriger zugehen.

    „Er muss wachsen, und ich muss kleiner werden", sagt er. Das heißt: Was ich mache, ist alles nur vor-läufig; was nach mir läuft und passiert, das ist wichtig.

    Als der Verheißene dann wirklich kommt, verliert sich die Spur des Predigers im Kamelfell im Sand der Wüste.

    Johannes – der Vorläufer.

    Wir begegnen ihm dann erst wieder im Gefängnis. Er ist unsicher geworden, ob er den Richtigen angekündigt hat, und er lässt fragen: „Bist du der, der kommen soll, oder müssen wir auf einen anderen warten?"

    Er hat einen Messias verkündet, der die Spreu vom Weizen trennt und reinen Tisch macht. Und nun hört und sieht er nichts von diesem Jesus. Seit Jahren sitzt er in Festungshaft und es ist noch nichts Umwerfendes geschehen.

    Entweder ist Jesus nicht der Messias oder er ist es, aber die Gottesherrschaft bricht dann ganz anders an, als er es erwartet hatte: nicht überwältigend, sondern ohnmächtig, im Kleinen und Verborgenen.

    Deshalb fragt Johannes; er stellt sich selbst und seine Predigt in Frage, und er fragt neu nach Jesus.

    Johannes – der Fragende.

    Mein Adventswunsch wäre, dass dieser Johannes vom Vorläufer Jesu zum Vor-bild der Kirche wird; dass wir immer mehr zu einer Johannes-Kirche werden.

    Eine Kirche, die sich die Wesensmerkmale des Johannes zu Eigen machen könnte, das wäre dann eine provozierende, eine vorläufige und eine fragende Kirche.

    Eine Johannes-Kirche – das wäre eine Kirche, die die Menschen wirklich provoziert, herausruft und herausfordert zum Umdenken; die mit ihrer Botschaft die Menschen trifft und betroffen macht; die ganz deutlich machen muss: Wir haben ein Evangelium zu verkünden, das die Wertmaßstäbe der Welt auf den Kopf stellt.

    Eine Johannes-Kirche – das wäre auch eine Kirche, die sich ihrer Vorläufigkeit bewusst ist; die weiß, dass sie noch nicht das Reich Gottes ist; die nicht sich selbst bespiegelt, sondern zum Fenster wird, durch das die Menschenfreundlichkeit Gottes zu sehen ist; die nicht Selbstzweck ist, sondern ihren Sinn nur darin hat, auf Jesus Christus hinzuweisen. „Johannes, nimm dich nicht so wichtig", hat der sympathische Papst Johannes XXIII. zu sich selbst gesagt, um der Gefahr zu entgehen, sich und sein Amt und nicht Christus in den Mittelpunkt zu stellen.

    Eine Johannes-Kirche – das wäre schließlich eine Kirche, die noch fragen kann und nicht nur Antworten gibt; die immer wieder neu nach dem Kern der Botschaft Jesu sucht und nicht einfach alte Katechismusantworten auf ein Podest stellt und beweihräuchert; die Fragen zulässt und auch sich selbst in Frage stellen kann; die sich fragt, ob sie dem Maßstab des Evangeliums gerecht

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