Der Mensch ist gut, nur die Leute sind schlecht: Mit Karl Valentin Sinn und Wahnsinn des Lebens entschlüsseln
Von Martin Maier
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Über dieses E-Book
Martin Maier
Martin Maier, geboren 1960, trat 1979 in den Jesuitenorden ein. Er studierte Philosophie, Theologie und Musik in München, Paris, Innsbruck und San Salvador. 1988 wurde er zum Priester geweiht. Von 1989 bis 1991 war er in El Salvador Pfarrer einer Landgemeinde. 1993 wurde er zum Doktor der Theologie promoviert. Maier war von 1995 bis 2009 Redaktionsmitglied (seit 1998 auch Chefredakteur) der „Stimmen der Zeit“. Von 2009 bis 2014 war er Rektor des Berchmanskollegs in München. Von 2014 bis 2020 war er dann Beauftragter für Europäische Angelegenheiten im Jesuit European Social Centre (JESC) in Brüssel. Seit 2021 ist er Hauptgeschäftsführer des Lateinamerika-Hilfswerkes Adveniat in Essen.
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Buchvorschau
Der Mensch ist gut, nur die Leute sind schlecht - Martin Maier
Martin Maier
Der Mensch ist gut, nur die Leute sind schlecht
Mit Karl Valentin Sinn und Wahnsinn des Lebens entschlüsseln
Impressum
Die Zitate aus dem Werk Karl Valentins sind mit freundlicher Genehmigung des Verlags Piper entnommen aus: Karl Valentin, Sämtliche Werke in 9 Bänden. Hrsg. von Helmut Bachmaier und Manfred Faust © 1992 - 1997 Piper Verlag GmbH, München.
Für die Lizenzierung der Fotos danken wir Frau Anneliese Kühn als Erbin nach Karl Valentin sowie Herrn RA Gunter Fette.
© Verlag Herder GmbH, Freiburg im Breisgau 2012
Alle Rechte vorbehalten
www.herder.de
ISBN (
E-Book
): 978 - 3 - 451 - 33926 - 4
ISBN (Buch): 978 - 3 - 451 - 32497 - 0
Inhaltsübersicht
Vorwort
Besser ein schlechtes Wetter als gar keines
Fröhliche Wissenschaft
Wrdlbrmpft und Sxdnhpfdb
Gar nicht krank ist auch nicht gsund
Sein und Zeit
Zündelnde Feuerwehrleute
Sprachverzwickungen
Wie ein Papagei zum Rindvieh wird
Angeklagter, Sie sind unschuldig – Warum?
Wutbürger Valentin
König Herodes und die sieben Geißlein
Kein nicht uneinfacher Ehemann
Kunst und Wunst
Ein Lied mit Gesang
Sehen wie man nichts sieht?
»Wir werden diesem sauberen Herrn einen Brief scheiben«
Ein Oktoberfest im Oktoberfest
Wirklichkeitsverrückungen
Derweil schleicht sich ein Zufall ein ...
Wenn Sie natürlich alles philosophisch zerlegen ...
Tücken der Technik
Valentin, Papst Benedikt XVI. und der liebe Gott
Die letzten Dinge
Valentin hilft auch im 21. Jahrhundert
Verwendete Bücher
Vorwort
Karl Valentin erlebt seit seinem 125. Geburtstag am 4. Juni 2007 eine erstaunliche Renaissance. Die Deutsche Post brachte eine Sondermarke heraus, auf der er wie ein Fragezeichen gekrümmt auf einem Stuhl knieend dessen Fuß absägt – ein Motiv aus seinem frühen Stummfilm »Der neue Schreibtisch«. Die Stadt München, die ihn am Ende seines Lebens so stiefmütterlich behandelt hatte, besinnt sich auf ihren großen Sohn. Am Geburtstag selbst wurde in seinem Geburtshaus die Karl Valentin-Gesellschaft gegründet, die sein geistiges Erbe lebendig erhalten möchte. Sogar der »Spiegel« kam an dem »großen Wrdlbrmpfd« nicht vorbei.
Kaum jemand dürfte mit der Sprache, mit ihrem Sinn, Unsinn und Irrsinn mehr experimentiert haben, als der Münchner Komiker. »Teurer Rat ist gut«, heißt es da zum Beispiel – man stutzt, sinniert und bleibt hängen. Irgend etwas stimmt nicht. Durch die einfache Umstellung der Adjektive stellt Valentin ein bekanntes Sprichwort auf den Kopf. Eine Variante lautet: »Guter Rat war nicht billig.« Auf unsere Zeit angewendet kann man damit die gesamte Unternehmensberatungs- und Consultingbranche aufs Korn nehmen: je teurer die Beratung, desto angeblich besser.
Valentin selber schrieb einmal, dass die meisten seiner Stücke an keine Zeit gebunden sondern nur humorvoll seien. Und der Humor bleibe ewig, solange es Menschen gibt. Roswin Finkenzeller hat treffend festgestellt, Valentins Art zu denken sei von nahezu unbegrenzter Anwendbarkeit. In diesem Buch soll versucht werden, diese auf entscheidende Fragen des 21. Jahrhunderts anzuwenden. In mancherlei Hinsicht war Valentin seiner Zeit weit voraus. 1928, also 41 Jahre vor der ersten Mondlandung, inszeniert er zusammen mit Liesl Karlstadt die »technische Bühnenneuheit« »Der Flug zum Mond im Raketenschiff«. Alle Voraussetzungen für das Gelingen des Fluges sind da: »Mir sind da – das Flugzeug ist da – der Mond ist da.« Und auch die Hoffnung, dass sie wiederkommen, ist da: »Die Hoffnung ist das Wichtigste. Wichtiger, wie die Raketen und das Flugzeug. Wir haben halt 12 Raketen und 1 Stück Hoffnung.« Trotzdem endet der Mondflug mit einem hoffnungslosen Absturz.
Wie komme ich als Jesuit und Theologe dazu, mich mit Karl Valentin zu beschäftigen? Bereits im Alter von zehn Jahren habe ich mich für Valentin begeistert. Der Grund dafür war eine Hauptvorschlagsplatte. Allein aus diesem Wort hätte Valentin schon so allerlei gemacht. Wahrscheinlich hätte er die Assoziation mit dem Vorschlagshammer nicht ungenutzt gelassen, und das Haupt wäre nicht ungeschoren davongekommen. Das geschorene Haupt – die Glatze – wiederum heißt bei ihm Plattn. Sämtliche Unsinnsdimensionen der Platte schöpft er im Film »Im Schallplattenladen« aus, der bei dem Versuch, zerbrechliche Wachsplatten und die neuen, biegsamen Plastikplatten voneinander zu unterscheiden, in einem Destaster, pardon, Desaster endet.
Doch zurück zur Hauptvorschlagsplatte. Mein Vater war Mitglied des »Phono-Rings«. Hier konnte man Bücher und Schallplatten vergünstigt beziehen. Man verpflichtete sich in jedem Halbjahr zu einer Bestellung. Versäumte man diese, drohte einem der »Hauptvorschlag«. Dieser bestand 1970 aus zwei Platten – also schwarzen Platten mit Schall – von Karl Valentin. Ich hörte sie aus purer Neugierde – und war für immer verloren. Der Buchbinder Wanninger, Der Ententraum, Die Uhr von Löwe, und viele andere Valentin-Klassiker traten in mein Leben. Besonders angetan hatte es mir der Monolog »Beim Zahnarzt«. Dieser fängt mit einem leicht umgebogenen Zitat aus Schillers Glocke an: »Gefährlich ist’s den Leu zu wecken, verderblich ist des Tigers Zahn, doch der schrecklichste der Schrecken, ist der eigene hohle Zahn«. Dann setzt sich Valentin damit auseinander, wie einem ein hohler Zahn weh tun kann, da in diesem Zahn ja nichts drin ist, und einem das Nichts dann weh tun müßte. (Martin Heidegger läßt grüßen!) Diese Überlegung überträgt er auf die Stadträte, die dann ja ständig Kopfweh haben müßten. Beim Zahnarzt geht es in etwa so weiter: Das Reißen des Zahnes lehnt er ab, weil er dabei die Zähne nicht zusammenbeißen kann, das Ausbohren, weil der Zahn ja so schon hohl ist. Den Nerv darf der Zahnarzt unter Berufung auf das fünfte Gebot nicht töten. Lachgas geht nicht, weil seine Tante gestorben ist und er nicht lachen darf. Eine Goldkrone verweigert er, weil das ja in der Demokratie keinen Sinn mehr hat. Schließlich rechnet er vor dem Plombieren den Preis einer Messerspitze Zement mit einem Sack Zement bei einem Maurer auf und bescheidet dem Zahnarzt, da müsse er warten, bis ein Dümmrer kommt. Immerhin erkundigt sich der Zahnarzt zum Abschied, wann er dann wieder komme.
Diesen Monolog habe ich auswendig gelernt und bei der Schulfastnacht 1971 zum Besten gegeben. Ich erinnere mich heute noch an das Amüsement meines lieben Klassenlehrers Wolfgang Flötemeyer ob dieser Darbietung. Dazu sei gleich gesagt, dass ich ein Kopieren Valentins für äußerst schwierig halte. Die Aufführungen seiner Stücke etwa durch das Münchner Valentin-Theater sind sehr zu loben. Doch sie erreichen bei weitem nicht die Filme, die von Valentin und seiner kongenialen Partnerin Liesl Karlstadt gedreht wurden. Und die Filme dürften die Wirkung ihrer Original-Darbietungen bei weitem nicht erreichen. Dies kann man aus verschiedenen Beschreibungen der Aufführungen schließen.
Zur Entstehung dieses Buchs ist noch zu sagen, dass es aus der Freundschaft mit Dr. Karin Walter und Dr. Rudolf Walter gewachsen ist. Diese Freundschaft wiederum verdankt sich zu einem guten Teil unserer gemeinsamen Valentin-Begeisterung.