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Unsere Freunde erzählen ihre Geschichten – Green Hill: Das Glück der Freiheit
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Unsere Freunde erzählen ihre Geschichten – Green Hill: Das Glück der Freiheit
eBook308 Seiten3 Stunden

Unsere Freunde erzählen ihre Geschichten – Green Hill: Das Glück der Freiheit

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Über dieses E-Book

Ein Buch, das den Lesern die zugleich tragische und glücklich endende Geschichte der Beagles von Green Hill vor Augen führt: die Befreiung der zu Tierversuchszwecken gezüchteten Hunde hat die Welt bewegt und ist zum Symbol der Freiheit geworden…

„Sie – die Hunde von Green Hill – warten auf dem nackten Boden zusammengekauert, in der Dunkelheit, im Schmerz und in der Stille der Verschwiegenheit. Ihre Stimmbänder sind beschnitten, aber unsere Stimme ist stark, laut und klar. Es ist die Stimme der menschlichen Würde, der moralischen Gerechtigkeit. Die Stimme der Wahrheit.“
(Aus einem Artikel der Autorin für das italienische Online-Portal „Kultural“, 2012)

Hier findet man aber noch mehr wahre Erzählungen, die von Hoffnung und Kampf sprechen, von Opfern und Erfolgen, von beharrlich verfolgten Zielen, von Gefühlen und Emotionen, die die Tiere aus eigener Sicht schildern, uns ihr Herz öffnend: ein Wolf schlägt eine Brücke zum Urfeind Mensch; der Schäferhund Paris rettet das Leben seines menschlichen Freundes; ein Erpel führt liebevoll seine blinde Gefährtin durchs Leben…
Diese und viele weitere Geschichten ziehen den Leser in ihren Bann. Eine beeindruckende Entdeckungsreise in die Welt der Tiere, die unser Leben begleiten.
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum12. Dez. 2016
ISBN9788822876171
Unsere Freunde erzählen ihre Geschichten – Green Hill: Das Glück der Freiheit

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    Buchvorschau

    Unsere Freunde erzählen ihre Geschichten – Green Hill - Amelia Impellizzeri

    gewidmet

    VORWORT

    Es ist nicht leicht, von Tieren zu schreiben und dem Leser das Gefühl des Erlebten zu vermitteln, das unsere tierischen Protagonisten hier selbst erzählen.

    Und vielleicht ist es gerade das, was unsere Freundin Amelia ausmacht: die Wärme der Liebe zu den Tieren durch starke, berührende, aber vor allem außerordentlich schöne Geschichten auszustrahlen – Geschichten, die sich wirklich so zugetragen haben.

    Unsere „Schriftstellerin der Tiere", die 2012 den renommierten Braille-Preis für ihre Erzählungen über Begleithunde erhielt – die höchste Auszeichnung, die vom italienischen Blindenverband an Personen aus Politik, Medien und Kultur für ihr Engagement zu Gunsten der Blinden verliehen wird –, entführt uns in die besondere Welt der Tiere: Hundewelpen, Katzen mit all ihren Abenteuern, sogar Tiere, die weniger Beachtung finden, wie das aus einem Schlachthaus geflüchtete Zicklein Cappuccino oder die Eseldame Ugdanella, die zum Maskottchen der UGDA (Ufficio Garante Diritti Animali Onlus) geworden ist, und des Weiteren verletzte Vögel, kleine wilde Säugetiere und stolze Wildtiere, wie die Protagonisten der beeindruckenden Geschichten des Wolfes und des Bussards, die die Leser in ihr Herz voller Emotionen und Gefühle eintauchen lassen.

    Tiere die, wie die Autorin sagt, „eine schöne und bunte Seele haben" und dank dem Einsatz von feinfühligen Menschen und aufmerksamen Bürgern dem Tod, der Folter und dem Schmerz entrissen werden.

    Berührend sind die Darstellungen der Not, der die Beagles ausgesetzt waren, die im „Lager" von Green Hill eingesperrt waren und heute frei sind, oder die Geschichte von Stella und ihren Welpen, die es geschafft haben, sich aus der Auffangstation in Serbien zu retten, wo es leider immer noch gang und gäbe ist, herrenlose Tiere, die nicht vermittelt werden, einzuschläfern.

    Genauso bewegend sind die Geschichten der Begleithunde, außergewöhnlich einfühlsame und wertvolle Tiere, und die der vielen Vögel, die verletzt aufgefunden und im „Centro Recupero Fauna Selvatica – LIPU" (Zentrum zur Erhaltung der wilden Fauna) in Rom gerettet wurden: ein Krankenhaus für Wildtiere, das einmalig ist in Italien hinsichtlich der Anzahl an geretteten und wieder in die Freiheit entlassenen Tieren.

    Und von allen Hilfsaktionen für die heimische Vogelwelt erinnere ich mich besonders gerne an den Kampf gegen die Zeit, um den Tod eines jungen Flamingos zu verhindern, der die Hauptrolle in einer dieser Geschichten spielt. Das ganze Team der LIPU war Tag und Nacht im Einsatz, um den furchtbar geschwächten Vogel zu retten. Nach vielen Tagen liebevoller Pflege hat der Flamingo vor den glänzenden Augen von Kindern und Erwachsenen seine Freiheit in den Sümpfen von Orbetello wiedergefunden. Ein Flug voller Hoffnung, der all die Mühen bei der täglichen Arbeit zur Rettung unserer tierischen Freunde wettmacht.

    Der Respekt vor den Tieren ist zu nobel und zu hoch, um nicht Teil des menschlichen Seins zu sein. Sogar der heilige Franziskus von Assisi hat alles hinter sich gelassen, einschließlich seines vorherigen Lebens, um ein Leben zu führen, das von Respekt und Liebe zu den Vögeln, Wölfen und all seinen anderen „kleineren Brüdern" geprägt war. Und das ist die Moral, die uns Amelia mit ihrem Buch vergegenwärtigen will: eine freigiebige, spontane und ehrliche Liebe gegenüber allen Lebewesen, ohne irgendeinen Unterschied zu machen.

    Wir von der LIPU bedanken uns aufrichtig bei der Autorin dafür, dass sie sich entschieden hat, die Hälfte der Verkaufserlöse dieses wundervollen Buches an unser Zentrum zur Erhaltung der Wildfauna in Rom zu spenden. Diese Geste geht über ihren symbolischen Wert hinaus, weil sie unser „Ehrenamt für die Natur" mit Hoffnung erfüllt.

    Wir hoffen sehr, dass diese glücklich endenden Geschichten die Bevölkerung in Sachen Tierschutz sensibilisieren, bis endlich auch in Italien ein moralischer Fortschritt entsteht und diejenigen bekämpft werden können, die immer noch furchtbare Verbrechen gegen die „am wenigsten beschützten Lebewesen" begehen. Mit schärferen Gesetzen, die härtere Strafen vorsehen für diejenigen, die Tiere misshandeln, Fauna vernichten, in Laborversuchen immer noch sinnlos lebende Tiere verwenden, können wir uns als ein besseres, ziviles und fortschrittliches Volk fühlen und uns auch so nennen.

    Mein persönlicher Wunsch an Amelia ist, dass sie weiter von Tieren und für Tiere schreibt! Durch ihre Erzählkunst und ihre Geschichten verbreiten wir die Liebe zu allen Lebewesen und die Ideale des Umweltschutzes und lassen uns tief bewegen … Auch nur ein einziges Tier einem grausamen Tod zu entreißen, macht unsere Welt zu einem besseren Ort.

    Fulvio Mamone Capria, Vorsitzender LIPU-Birdlife Italia

    DER GESCHICHTEN ERZÄHLENDE HUND

    Habt ihr jemals versucht, euch auf allen Vieren das Universum aus der Sicht einer Katze oder eines Hundes vorzustellen? Oder auch aus der Sicht… eines Pferdes? Oder… – warum nicht? – eines geflügelten Wesens?

    Ich erkläre es euch. Ich bin weiß, mit bernsteinfarbenen Flecken, meine Augen sind lebhaft und mein Schwänzchen immer in Bewegung. Man nennt mich … den Geschichtenerzähler unter den Hunden!

    Meine Hundehütte im Garten ist bequem und schenkt mir dieses Gefühl von Sicherheit, das für uns Hunde lebensnotwendig ist. Und hier lieg ich also, um euch schwanzwedelnd viele wahre Geschichten von tierischen Freunden zu erzählen.

    Ab und zu spitze ich die Ohren, denn vermischt mit dem Heulen des Windes erreicht mich aus der Ferne ein Bellen.

    Also … ihr müsst wissen, dass uns Katzen und Hunden einfach alles viel größer erscheint: merkwürdige, imposante Zweibeiner, von denen wir meistens nur Pfoten sehen, die in ständiger Bewegung sind, Stimmen hören, die irgendwie quietschig klingen und viel höher, als es sein müsste, Düfte und Gerüche riechen, die unwiderstehlich sind – oder furchtbar stinken! Doch dann … Regen, der auf unser Fell tropft, das Flüstern des Windes, das frische Gras, auf dem man sich wälzt, der nächtliche Sternenschein, zu dem man singt, als Antwort auf die Gesänge anderer, ähnlicher Kreaturen… der Napf, gefüllt mit feinstem Futter und Wasser zum Trinken oder zum Plantschen im Sommer, wenn es in kleinen Rinnsalen vom Himmel rieselt …

    Meine Freunde, die Pferde, sagen mir hingegen, dass sie die kleinen Zweibeiner von oben herab betrachten! Und jene rächen sich dann, indem sie sich mit ihrem ganzen Gewicht auf den Rücken der Pferde setzen, sie antreiben und ihre Mäuler hinter fürchterlichen Stangen einsperren. Manchmal, wenn die Geduld wirklich am Ende ist, hilft ein schönes Buckeln!

    Abgesehen von diesem grundlegenden Unverständnis mögen sie den Duft von frischem Heu, das sanfte Kitzeln des Grases unter den Hufen, den stürmischen Galopp durch aufspritzende Wellen, die Ohren immer aufgestellt, um der Melodie des Windes zu lauschen. Und die sanfte Hand, die ihnen nach dem gemeinsamen Galopp zum Dank ein Stückchen Zucker reicht.

    Ich weiß, ich weiß, das ist nur die Wahrnehmung der glücklichen Tiere. In diesem Buch, das unsere Geschichten sammelt, erzähle ich euch von Hoffnungen und Kämpfen, erlebtem Leid und Träumen von einem endlich erreichten Ziel.

    Ich hebe meine Schnauze zu jenem, der mich an jenem fernen Tag dem Vagabundenleben entriss. Unsere Blicke treffen sich und er senkt seine Hand, um meinen Rücken zu kraulen. Ich kuschele mich auf den Teppich vor dem warmen Kamin und seufze vor Glück.

    Draußen treibt der Winter sein Unwesen. Die letzte Geschichte widme ich einem für uns Tiere wundervollen Ereignis: der Befreiung der Beagle-Welpen aus Green Hill, dem Zuchtbetrieb auf den Hügeln Montichiaris, der nur zu Vivisektionszwecken gezüchtet hat. Diese Befreiung wurde durch ein paar unserer heldenhaften menschlichen Freunde erreicht.

    Ein Zeichen der Rettung und der Freiheit für uns, ein Zeichen auch des Einfühlungsvermögens und der Zuneigung unserer menschlichen Freunde.

    Also fangen wir an.

    DER HERR DER WÄLDER

    Ich bin der Wolf!

    Ich bin der Herr der Wälder und der weiten Ebenen, wo die Grashalme im winterlichen Wind flüstern und der Himmel dichte Schatten unter die Baumkronen zaubert.

    Ich bin der Protagonist von Märchen und Sagen, der furchterregende Wolf im dichten Pelzmantel, mit den Zähnen einer Bestie und deren gelben, schräg stehenden Augen.

    Ich bin derjenige, der in den sternenklaren Nächten seine Schnauze zum Mond hebt und klagend den Ruf seiner Brüder erwidert.

    Ich bin der freie Geist der Wälder, der lautlos durch den Schnee läuft und auch im Angesicht des Todes seine Würde behält.

    Der Mensch und ich – wir sind ewige Feinde. Er hat mich schon immer gejagt. Wegen meines Pelzes und meiner Knochen, um sein Vieh zu schützen oder einfach nur aus tief verwurzelter Angst. Seit Jahrhunderten kämpfen wir mit ungleichen Waffen und meist bin ich es, der den Kürzeren zieht. Nun jedoch verdanke ich dem Menschen mein Leben!

    Mit dieser Geschichte, die ich euch erzählen möchte, wird die blutige Epoche der Ungerechtigkeiten ein Ende haben.¹

    In jener Nacht hatte ich mich vom Rudel entfernt und streunte durch das Dickicht. Unterwegs schnüffelte ich an den Baumstämmen, die mir die Düfte des Waldes übermittelten. Ich habe meine Partnerin allein gelassen, während sie die Welpen säugte, die im Frühjahr geboren und noch nicht entwöhnt waren. Sie kletterten immer wieder erstaunt winselnd auf unseren Pelz und rangelten mit drolligen Grimassen und gespieltem Knurren… Normalerweise habe ich diese Klettertouren auf meinem rauen Fell immer geduldet, aber an diesem Abend hatte ich genug!

    Also erhob ich mich auf meine vier Pfoten und schüttelte die Welpen von meinem Rücken ab, die jaulend protestierten. Meine Partnerin warf mir einen vorwurfsvollen Blick zu, den ich mit einem kurzen Knurren erwiderte, der auf wölfisch besagte:

    „Ich bin eine Weile weg, kümmere du dich um die Kleinen!"

    Ich verließ das Rudel – um die zehn Einzeltiere, von jung bis alt –, das sich auf dem rötlichen Belag aus trockenen Blättern und dem Moos des Unterholzes hingelegt hatte; am Vormittag hatten wir ein Hirschkalb, das sich zu weit von der Gruppe entfernt hatte, gejagt und erlegt und hatten deswegen keinen Hunger. Ich hatte das Bedürfnis, in aller Ruhe herumzustreifen. Weit weg von dem durchdringenden Gekläffe der Welpen und dem leisen Knurren meiner Gefährten. Dann würde ich zurückkehren.

    Die Nacht war stockdunkel, ohne Mondschein, weil der Himmel von Wolken bedeckt war, die das Schimmern der Sterne auslöschten.

    Ich bin ein Wolf!

    Ich liebe es, im Dunkeln zu rennen, unter meinen Pfoten die frische Erde und die wegrollenden Steine zu spüren und die reine Luft der Berge zu schnuppern. Auf meinem Weg hinterlasse ich einen Hauch von Angst, der die Hasen und Kaninchen sich in ihrem Bau verstecken und die Vögel verstummen lässt. Nur die Eulen und Kauze lassen gelegentlich ihre gutturalen Rufe vernehmen und beobachten mich von den Ästen hoch oben in den Bäumen mit ihren riesigen, schillernden Augen.

    Ich rannte weiter durch die Nacht, ohne Furcht und ohne den Lauf zu verlangsamen. Plötzlich sah ich schemenhaft den dunklen Umriss zweier Bäume mit kräftigen Stämmen, einer vor dem anderen, sodass man zwischen ihnen durchgehen musste. Die seitlichen Büsche waren verschlungen und voller Dornen – zu hoch, um sie zu überspringen. Die Fallen der Menschen nicht kennend, stürzte ich mich dem engen Durchgang entgegen. Ein stechender Schmerz in den Hüften, ein Jaulen vor Schmerz und Überraschung und etwas, das mich festhielt und meinen Lauf unterbrach…

    Ich fand mich auf dem Rücken liegend wieder und wurde umklammert von einer Art metallischer Schlinge, die mir bei jedem Versuch, mich zu befreien, tiefer ins Fleisch drang, das dort, an der Unterseite des Bauches, nicht einmal durch Fell geschützt war. Ich schüttelte mich wie ein Besessener, meine Wut und meinen Schmerz in die schwarze, sternenlose Nacht hinausheulend, die sich um meine Seele schloss.

    In blinder Wut zog und zerrte ich an der verfluchten Schlinge, ohne zu verstehen, dass sie sich, je mehr ich zappelte, nur umso fester schlang und tiefe Wunden in mein Fleisch schnitt. Ein metallischer Ständer hielt die Schlinge zwischen den beiden Bäumen fest. Ich musste ihn durchbrechen. Ich zerrte weiter aus Leibeskräften, jaulend und winselnd, während das Blut zusammen mit meiner Lebenskraft auf die Erde floss, und endlich – wie viel Zeit war vergangen? – gab der Ständer nach. Ich war frei, aber die Schlinge fesselte mich immer noch. Ich schleppte mich blutend und benommen auf der kalten Erde voran, bis ich in die Nähe eines menschlichen Baus kam. Der Wind trug mir den Geruch von Stroh entgegen.

    Merkwürdigerweise ließ mich mein Instinkt nicht zum Sterben an einen Ort gehen, der weit weg vom ewigen Feind war, sondern führte mich mitten in den Schuppen, wo ich leblos auf dem Heu zusammenbrach, das sich schon bald mit meinem Blut vollsog.

    Ich war so müde. Ein rötlicher Vorhang flatterte vor meinen Augen … Der unverkennbare Geruch des Menschen. Des Feindes. Ich musste aufstehen, fliehen. Mich im Wald verstecken. Und doch …

    Ich sah wieder den Winter und den prasselnden Regen und den Wind, der uns peitschte, während ich das Rudel den holprigen Hang des Hügels hinunterführte, die wohlriechende Spur von Mist, Fellbüscheln und Hufen verfolgend.

    Was für ein Hunger. Das Gatter von Hunden bewacht, die Schafe blökend und wie von Sinnen im Kreis rennend. Der Mond verhüllt von Wolken, die Nacht so finster … und dann die Schüsse. Der Gefährte lag hingestreckt auf der Erde, ein letzter Gruß. Und dieser Hunger!

    Ein Murmeln ferner Stimmen, Wahnvorstellungen, Bruchteile von Sätzen, die keinen Sinn ergaben.

    „Ich habe sofort den Förster verständigt, der dann euch vom Auffangzentrum gerufen hat."

    „Schwer verletzt in einer Falle für Wildschweine, die von einem Wilderer aufgestellt wurde."

    „Wolf in komatösem Zustand, wir können ihn transportieren, ohne ihn zu betäuben."

    „Er muss sofort operiert werden."

    Ich blinzelte und richtete meinen Blick auf die hellen Augen der fremden Frau, die mich still beobachtete. Ich war wieder wach und fühlte mich einigermaßen gut, wenn auch schwach. Das verfluchte Stahlseil war verschwunden und ein dumpfer Schmerz pulsierte durch meinen Körper, aber den konnte ich ertragen.

    Ich beschnupperte das Fleisch, das sie mir gebracht hatte. Ich knurrte nicht und machte keine Anstalten, sie zu beißen. Wir starrten uns gegenseitig an: Ich mit meinem rätselhaften, goldbraunen Blick, sie scheinbar gleichgültig. Ich spürte ihre Angst, aber ich verstand auch, dass sie intuitiv erkannte, dass ich sie nicht angreifen würde. Wo war der Wald mit seinem durch das Blätterdach gefilterten Licht, der Unterschlupf des Rudels? Wo waren die Welpen … meine Partnerin?

    Schließlich wurde ich freigelassen, aber in einem riesigen Gehege, wo ich wieder anfing zu rennen und zu springen, mich zwischen den Büschen zu verstecken, um wieder Kraft zu tanken. Der Sommer ging in den Herbst über und ich wurde immer kräftiger. Eine mir unbekannte Unruhe drängte mich dazu, in der Nacht die eisigen Sterne anzuheulen. Aber niemand antwortete. Das Blut rann schnell durch meine Adern, meine Pfoten bebten vor dem Verlangen, mich in unendliche Weiten zu stürzen. Ich sah wieder den Schnee in Flocken vom Himmel fallen und meine Gefährten, die mit mir rennen, und der Mensch ist nur ein Schatten im Nebel, vor dem man flüchtet, ein uralter Feind.

    Ich war immer noch benommen, als ob mein Geist in einer grenzenlosen Dimension zwischen Wachsein und Schlafen schwebte, gefangen in einer Art Bau, der die Bäume schnell an mir vorbeiziehen ließ, so wie früher, wenn ich durch den Wald gerannt war. Sie hatten mich auf den Boden gelegt. Ich stand schwankend auf. Ich war frei: Vor mir eröffnete sich der neblige Horizont, nicht durchbrochen durch die massiven Bretter des Holzzauns, wie dort, wo sie mich während meiner Genesung eingesperrt hatten.

    Ich war frei!

    Ein letztes Mal fixierte ich mit meinem Blick die hellen Augen der Frau, die ich zu respektieren gelernt hatte, weil sie mich ernährte. Am Hals fühlte ich etwas Befremdliches, aber es störte mich nicht weiter.² Ich war frei. Ich drehte mich noch einmal um, um die Menschen anzusehen, und spürte ein verborgenes Gefühl, das von ihnen ausging.

    Ich begann zu rennen.

    Ich rannte und rannte, erst im Schein der untergehenden Sonne, dann im durchscheinenden Licht des Abends. Die Nacht sprenkelte das Firmament mit unzähligen Sternen. Die Luft war kalt, als ich mich stramm auf den Boden setzte und meine Schnauze zum Mond hob.

    Ich rief nach meinen Brüdern. Von weitem erreichte mich ihre jaulende Antwort. Ich erkannte die Stimme meiner Partnerin, die mich rief und mich einlud, mich wieder dem Rudel anzuschließen.³ Die Tage vergehen langsam, zwischen Sonne und Schnee, Wind und Regen, zwischen den gnadenlosen Jagden, um uns die lebenswichtige Nahrung zu beschaffen, und den langen Wanderungen, zwischen dem Spiel mit den Welpen und den kurzen Pausen an den Bächen. Meine Partnerin und ich lieben es, Seite an Seite durch die kalten Winternächte zu rennen. Und doch gibt es Tage, an denen ein dunkler Instinkt mich dazu bringt, mich vom Rudel zu entfernen.

    Dann suche ich mir einen einsamen Ort, lege mich hin, richte die Schnauze zum Mond und jaule die Schatten an, die mir eine flüchtige Erinnerung bescheren. Die Erinnerung an zwei Augen von himmelblauer Farbe, die mich ansahen, erst ein wenig ängstlich, dann voller Respekt.

    „Sie haben mich nicht getötet,

    sie haben mich dem Wald zurückgegeben."

    An diesem Tag war eine Brücke zwischen uns Wölfen und den Menschen gebaut worden.

    Dank an Francesca Manzia, Leiterin

    des „Centro Recupero Fauna Selvatica di Roma"

    (Zentrum zur Wiederherstellung der Wildfauna in Rom)

    LICHT UND SCHATTEN

    EINER WUNDERBAREN FREUNDSCHAFT

    Mein Name, Ruggero, erinnert an die mittelalterlichen Gedichte, durch die die Menschen den Mythos vom furchtlosen Ritter in strahlender Rüstung übermittelt haben, der seine eigenen Dämonen bekämpft, um den Freund aus einer misslichen Lage zu retten. Darum ist meine menschliche Freundin dazu übergegangen, mich bei meinem Spitznamen Ruggy zu rufen. Das klingt netter und weckt nicht so viele Erwartungen.

    Und doch muss ihr eine Ahnung meinen Namen eingeflüstert haben, denn eines Tages bin ich nicht nur meinem Freund Ruspy mit gutem Beispiel vorangegangen, einem streunenden Katerchen, das sich der Katzenkolonie anschloss, in der ich geboren bin - sondern auch menschlichen Freunden, denen wir ein Lächeln auf das Gesicht gezaubert haben, indem wir ihnen Zuversicht und eine fabelhafte Freiheit schenkten!

    Das Schicksal entwirft ein wechselhaftes Spiel im Leben eines jeden Wesens. Und mein Schicksal war schon in meinen Namen geschrieben.

    Ich bin dort geboren, wo die verschneiten Bergkämme mit dem Meer verschmelzen, das sich dem Horizont entgegenstreckt, und der Bora-Wind mit einem Ächzen durch die Wipfel der Bäume weht, das an den Gesang der Wölfe in den Winternächten erinnert. Manchmal scheint es mir, als würde ich ihre Rufe aus den Wäldern hören, die die Hänge von Trieste bekleiden. Ich fürchte sie nicht, denn ich bin mit ihren Geräuschen aufgewachsen, dem Windhauch des Gewitters in den Ohren und den Schneestürmen.

    Die Katzenkolonie, die im Garten einer Wohnanlage angesiedelt war, wurde von Nonna, der Matriarchin, und von ihren drei Kindern gegründet: zwei stolzen Katzen im schiefergrauen Tigerfell und einem roten Kater mit grünen, leuchtenden Augen, die einem ins tiefste Innere blickten. Nonna war eine wilde Waldkatze und liebte es, allein auf große Entdeckungstouren zu gehen. Ich war der Kleine einer ihrer Töchter und hatte keine Geschwister.

    Ich werde die Menschen nie verstehen und genauso wenig werde ich ihr wechselhaftes Temperament jemals durchschauen. Denn sonst hätte ich lernen können, wer mein Freund ist und von wem ich mich lieber fernhalten sollte - aber ich bin einfach zu naiv und offenherzig!

    Da ist zum Beispiel die Frau in dem kleinen Haus nebenan, die mit mir schmust und mir die Tür öffnet und mich einlädt, reinzukommen, ihr um die Beine zu streichen und

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