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Schattenfluch: Feuersänger-Trilogie III
Schattenfluch: Feuersänger-Trilogie III
Schattenfluch: Feuersänger-Trilogie III
eBook309 Seiten4 Stunden

Schattenfluch: Feuersänger-Trilogie III

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Über dieses E-Book

Nach der Vernichtung seines ganzen Clans hat Feuersänger eine neue Familie und eine neue Heimat gefunden. Seit einigen Monden jedoch warnen ihn dunkle Träume, dass die mörderischen Schatten ihm gefolgt sind.
Kann es sein, dass er seinem neuen Clan Tod und Verderben bringt?
Feuersänger muss einen Weg finden, seinen Clan zu schützen, selbst wenn das bedeutet, dass er dazu die Götter selbst herausfordern muss.
SpracheDeutsch
HerausgeberMachandel Verlag
Erscheinungsdatum20. Okt. 2016
ISBN9783959590341
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    Buchvorschau

    Schattenfluch - Tina Alba

    1: Sternenaufgang

    Sieben Jahre später

    Feuersänger streckte sich genüsslich im Wasser des heißen Quellteichs und betrachtete seine Hand. Wasser perlte von der Haut und ließ die vielen Zeichen schimmern, die er sich unter Schmerzen, Enttäuschungen und Gefahr verdient hatte.

    Das war er.

    Die Zeichen erzählten die Geschichte seines Lebens. In der letzten Nacht hatte er ein neues empfangen. Es vereinte Runen für Neugier, Suche, Weisheit, Stärke und Aufmerksamkeit auf seinem rechten Handrücken. Ein Zeichen für seine Zukunft und den Weg, den er für sich gewählt hatte: Kundschafter und Kämpfer, Gelehrter und Suchender. Silbersangs und Sternenglanz’ Hände hatten das Zeichen gemeinsam gewoben und danach Feuersängers alte Zeichen nachgezogen, bis alle drei miteinander im Sternenfeuer verglüht waren.

    Feuersänger schloss die Augen bei der Erinnerung an diese Zeit und ließ gedankenverloren die Hände über seine Haut wandern. Er fühlte sich wohl. Sein Leben war wunderbar.

    „Feuersänger? Ta’nesha, wir warten auf dich!" Silbersang lugte grinsend durch die Büsche, die das flache Steinbecken des Quellteichs umgaben.

    „Gebt mir noch einen Moment!" Feuersänger war gespannt, was er vorfinden würde. Sternenglanz und Silbersang taten schon den ganzen Abend so geheimnisvoll. Sie hatten ihm seine besten Roben in die Hand gedrückt und ihn zum Quellteich geschickt. Nach dem Bad würden sie ihn an ihrem Lieblingsplatz erwarten – einer kleinen Lichtung nahe dem Götterhain. Feuersänger sah Silbersang nach, als er zwischen den Bäumen verschwand. Er kletterte mit einem bedauernden Seufzen aus dem Becken, rubbelte sich trocken, zog dann die Seidenrobe mit weiten Ärmeln und silberbestickten Säumen an und legte seinen Gürtel mit dem Jagdmesser um.

    Das Tuch und die getragenen Kleider stopfte er in einen Korb, legte seine Schuhe darauf und ging damit barfuß zur Lichtung. Sie lag zwischen Quellteich und Götterhain, ein wenig versteckt. Nicht nur Feuersänger und Silbersang kamen oft hierher, um sich zu entspannen, alle aus dem Dorf kannten und liebten diesen Platz. Dennoch konnte jeder, der es wollte, hier allein sein. Am Zugang zur Lichtung lag ein flacher Stein, dessen eine Seite mit Ruß schwarz gefärbt war. Lag diese Seite oben, war das ein Zeichen dafür, dass jemand auf der Lichtung war, der nicht gestört werden wollte. Jetzt lag die geschwärzte Seite oben.

    Feuersänger sah schon von weitem die Lichter. Auf dem Tischfelsen brannten Kerzen in Windlichtern aus buntem Glas. Gläser und eine bauchige Flasche, deren Inhalt Feuersänger nur zu gut kannte, standen auf einem roten Tischtuch, daneben mehrere zugedeckte Schalen und Körbe. Silbersang und Sternenglanz warteten Seite an Seite neben dem Steintisch. Beide hatten ihre Handschuhe abgelegt, trugen aber ihre Masken.

    Ein erwartungsvolles Kribbeln kroch Feuersängers Rücken entlang, die feinen Haare in seinem Nacken sträubten sich. Er stellte seinen Korb am Rand der Lichtung ab und näherte sich den beiden langsam. Sternenglanz trat einen Schritt vor und streckte ihm die Hände entgegen.

    „Komm näher, Sha’ir. Ich rufe dich als dein Sharass. Für das, was hier nun geschehen soll, ist Silbersang Zeuge."

    Jetzt verstand Feuersänger. Sein Herz schlug schneller. Er musste sich zwingen, langsam auf Sternenglanz zuzugehen und dessen Hände zu nehmen. Aus den Augenwinkeln sah er Silbersang breit grinsen und ihm zublinzeln.

    //Mistkerl//, schossen Feuersängers Gedanken. //Du hast es gewusst!//

    //Ja und?//, kam es trocken von Silbersang. //Sollte ich dir die Überraschung verderben?//

    Feuersänger versuchte, seine Gesichtszüge zu bändigen.

    //Wir sprechen uns noch, Ta’nesha!//

    //Das will ich hoffen!//

    Sternenglanz’ schmales Gesicht blieb unbeweglich. Wenn er die lautlose Unterhaltung mitbekommen hatte, zeigte er es nicht. Fest umschloss er Feuersängers Hände und sah ihm in die Augen.

    „Ich habe dich gerufen, an diesen Ort und zu diesem Zeugen, um dich aus dem Stand des Sha’ir zu entlassen. Du hast Wissen erworben unter Enttäuschung, Schmerz und Verlust. Du bist durchs Schmiedefeuer gegangen. Aus dem rohen Eisen, das sich in meine Hände gegeben hat, ist eine Klinge geworden. Du erfüllst mein Herz mit Stolz, Feuersänger. Alle sollen es sehen. Komm und empfange das Zeichen, das dich zum Mann macht."

    Sternenglanz lockerte seinen Griff und trat zur Seite. Feuersänger sah die ausgebreiteten Schleicherfelle auf dem Gras. Er drückte stumm Sternenglanz’ Hände und blickte ihm in die Augen. Dann zog er seine Hände zurück. Langsam streifte er seine Robe und das Lendentuch ab und legte sich rücklings auf die weichen Felle, die Arme ausgebreitet, als wolle er den Himmel umarmen. Er atmete tief die laue Nachtluft ein. Sternenglanz kniete sich an seiner linken Seite ins Gras, Silbersang an seiner rechten. Sternenglanz beugte sich über ihn.

    „Ich bin stolz auf dich, Sha’ir, flüsterte er. „Du bist eine gute Klinge. Das warst du schon, als ich dich als Sha’ir annahm. Seine Hand wanderte durch Feuersängers Haar, streifte sein Ohr, glitt den Hals hinab und begann, auf seiner Brust das Zeichen zu weben, das aus dem Heranwachsenden einen Mann, aus rohem Stahl eine Klinge machte. Bis zu dieser Nacht war diese eine Stelle auf Feuersängers Brust frei geblieben. Feuersänger hielt Sternenglanz‘ Blick fest, als dieser ihn berührte. Was er in den rot leuchtenden Augen seines Sharass sah, machte ihn stolz.

    Seine Haut brannte ungewohnt heftig unter Sternenglanz’ Fingern, als sei dieses Zeichen anders als alle anderen. Sternenglanz wob es so fein, dass es lange dauerte, es fertigzustellen. Als Sternenglanz die letzten feinen Linien zog, krallte Feuersänger seine Finger stöhnend in die weichen Felle. Ihm war, als sei sein ganzer Körper in das göttliche Feuer eingehüllt. Jede noch so kleine Berührung ließ ihn zusammenzucken und keuchend nach Atem ringen. Als Sternenglanz begann, seine alten Zeichen nachzuziehen, wie das Ritual es als Abschluss verlangte, konnte er nur noch die Augen schließen und sich hingeben. Das Sternenfeuer verbrannte die Vergangenheit. Feuersänger nahm seine Kindheit und Jugend, all das Schöne und vor allem all das Schreckliche, und warf es ins Feuer. In den Flammen sah er seine Eltern, die ihm die Arme entgegenstreckten, Nachtläufer, der ihn voller Stolz anblickte, und den Anführer seines gefallenen Clans, der ihm seinen Segen gab. Stimmen erfüllten Feuersängers Ohren wie das Rauschen des Windes in den Blättern. Feuersänger öffnete die Augen, blickte zu den Sternen, und er wusste, dass all die Legenden seines Volkes die Wahrheit sprachen. Die Nithyara waren Kinder der Sterne. Er nahm die Tränen kaum wahr, die ihm über das Gesicht rannen. Sternenglanz zog ihn an sich. Silbersang setzte sich zu ihnen und nahm Feuersängers Hand in seine. Eine Weile saßen sie stumm da und betrachteten die Sterne. Feuersängers Atem beruhigte sich nur langsam wieder. Er fuhr sich mit der Hand über die feuchte Maske und lehnte sich an Sternenglanz. Silbersang strich ihm über die Wange.

    Sternenglanz sah Feuersänger in die Augen. „Ich habe dir nichts mehr beizubringen, Sha’ir-ethár. Von dieser Nacht an bist du frei."

    Feuersänger sah den Stolz in den Augen seines Lehrers, als er ihn seinen „ehemaligen Schüler" nannte. Einen Erwachsenen, der keinen Lehrer mehr brauchte.

    „Ich bezeuge, was dein Sharass gesagt hat, Feuersänger. Ich habe dich auf deinem Weg als Sha’ir begleitet, auch von mir hast du vieles gelernt. Ich bezeuge, dass du das Zeichen der Freistellung zu Recht erhalten hast. Du hast deine Kindheit hinter dir gelassen. Von nun an sollst du alle Rechte und Pflichten der Erwachsenen als die deinen betrachten." Auch Silbersang sah Feuersänger aus leuchtenden Augen an.

    Feuersänger richtete sich auf, bis er vor Sternenglanz und Silbersang kniete. Sein Blick wanderte zu seinem ehemaligen Sharass.

    „Ich werde nie aufhören zu lernen. Ich werde nie vergessen, was du für mich getan hast. Du hast mein Leben gerettet und mich aufgerichtet. Ich danke dir." Er atmete tief und sein Blick wanderte zu Silbersang.

    „Ich danke dir ebenso, Ta’nesha. Für alles."

    „Ich habe dir zu danken." Silbersang zog Feuersänger an sich und der lehnte sich dankbar an ihn. Sternenglanz umarmte beide.

    „Dann werde ich wohl anfangen müssen, mir ein Haus zu bauen." Feuersänger versuchte, seine Stimme fröhlich und stolz klingen zu lassen, aber er hatte sich so daran gewöhnt, bei Silbersang und Sternenglanz zu leben, dass ihn der Gedanke an ein eigenes Haus eher erschreckte als glücklich machte.

    Sternenglanz strich ihm durchs Haar. „Es braucht sich nichts zu ändern, wenn du es nicht willst."

    Feuersänger seufzte erleichtert. „Das ist gut. Ich will weiter mit euch leben. Aber es wird doch sehr angenehm sein, nicht mehr immer derjenige zu sein, der als Erster aufzustehen hat!" Er spürte, wie seine Anspannung einer angenehmen Müdigkeit wich, die nicht nach Schlaf verlangte, sondern nach Gemütlichkeit, Nähe und einem guten Essen, und lachte befreit auf.

    Sternenglanz boxte ihn freundschaftlich in die Seite. „Gib es zu, nur darum hast du darauf gewartet, freigestellt zu werden!"

    Feuersänger machte sich immer noch grinsend los. „Was hast du denn gedacht, Sharass?"

    „Undankbarer!" Sternenglanz lachte und stürzte sich auf Feuersänger, Feuersänger zog beim Ausweichen Silbersang mit sich, und wenig später wälzten sie sich als Knäuel in den Nachtschleicherfellen. Ihr Lachen erfüllte die Nacht.

    Sternenglanz war der Erste, der aufstand und zu dem steinernen Tisch trat. Er öffnete die Schalen und Körbe, und der verführerische Duft süßer Früchte und würzigen Fleisches strömte über die Lichtung. Feuersänger schnupperte. Silbersang richtete sich auf, küsste Feuersänger auf die Nasenspitze und warf ihm seine Roben zu.

    „Komm, lass uns essen. Du musst hungrig sein!"

    „Wie ein Schleicher!" Feuersänger schlüpfte in die Roben und setzte sich zusammen mit Silbersang an den Tisch aus Stein. Sternenglanz hatte die Gläser gefüllt, Wein duftete süß und schwer. Er hob sein Glas.

    „Al-Hai’re, sagte er lächelnd. „Auf die Sterne und auf dich, Feuersänger, Sha’ir-ethár.

    Feuersänger neigte den Kopf. „Nein. Auf dich, Sharass-ethár. Und auf dich, Silbersang, Ta’nesha. Ohne dich wüsste ich nicht, wie es sich anfühlt, wirklich ganz zu sein!"

    Sie stießen an, das melodische Klirren der Gläser klang wie das Lied der Sterne. Feuersänger genoss den Wein. Er schmeckte wie das Leben selbst. Süß, schwer, nach Beeren, Gewürzen, Honig und Wald, und doch war tief verborgen in diesem Geschmack ein Hauch von saurer Bitterkeit, die ihn daran erinnerte, dass das Leben nicht nur aus Festen bestand. Der Gedanke war flüchtig, er schob ihn beiseite. Diese Nacht war eine Nacht zum Feiern. Gemeinsam aßen und tranken sie, fütterten sich gegenseitig mit den verschiedenen Köstlichkeiten. Süßsauer eingelegtes Fleisch stand auf dem Tisch, gebraten und mit scharfen, fruchtigen Saucen gereicht, honigtriefendes Gebäck, das an Fingern und Zähnen klebte, frisches Kräuterbrot mit eingebackenen Nüssen, eine Creme aus zermahlenen Nüssen und in Honig eingelegten Früchten. Feuersänger naschte für sein Leben gerne von dem Honiggebäck, immer wieder fischte er sich ein Stück davon aus der Schale. Silbersang lachte.

    „Wenn du so weitermachst, wirst du fett und träge wie ein Airah!"

    Feuersänger grinste weinselig und warf ein Stück Kräuterbrot nach Silbersang, das ihn weit verfehlte. So träge wie diese Tiere, die ständig nur reglos in den Bäumen hingen, würde er nie sein!

    „Das ist mir vollkommen gleichgültig, brummelte er mit schwerer Zunge und leckte sich den Honig von den Fingern. „Im Augenblick weiß ich nur, dass ich mich gut fühle, auch wenn ich euch wirklich dankbar wäre, wenn ihr die Wiese daran hindern könntet, sich zu drehen.

    Silbersang lachte und sah Sternenglanz an. „Vielleicht ist dieser junge Mann doch noch nicht ganz so erwachsen", sagte er und strich Feuersänger durchs Haar. Feuersänger schnaubte verächtlich, lehnte sich dann an Silbersang, ließ er sich an ihm hinunterrutschen und legte den Kopf in den Schoß seines Ta’nesha. Er schnurrte zufrieden. Diese Nacht sollte nie enden!

    „Nenn mich wie du willst, ich bin so glücklich, dass mich nichts stört!"

    Silbersang küsste Feuersängers Lippen. Feuersänger schloss die Augen.

    „Du schmeckst nach Honig, murmelte Silbersang. „Ich beschwere mich nie wieder. Du schmeckst gut!

    Sternenglanz lachte. Er stand auf und begann, die Sachen zusammenzuräumen. Feuersänger merkte, dass sein ehemaliger Sharass ihn und Silbersang liebevoll beobachtete. Es erfüllte ihn mit Glück, dass Sternenglanz und Silbersang Freunde geblieben waren, auch wenn er, Feuersänger, zu Silbersangs Ta’nesha geworden war. Still betete er zur Sternengekrönten und dem Nachtschatten, dass sich zwischen ihnen niemals etwas ändern möge. Er war glücklich mit diesen beiden Männern, die sein Leben verändert und erneuert hatten.

    Am nächsten Abend erwachte Feuersänger in Silbersangs Armen. Sternenglanz war verschwunden, ebenso die Körbe und die Überreste des Festessens. Feuersänger streckte sich, gähnte und kuschelte sich an seinen Ta’nesha. Silbersang hauchte ihm einen Kuss auf die Lippen.

    „Guten Abend, Langschläfer!"

    Feuersänger räkelte sich in den Decken. „Wo ist Sternenglanz?"

    „Zurück zum Dorf, schon sehr früh. Er wollte mit Mitternacht sprechen." Silbersangs Augen funkelten. Feuersänger richtete sich auf.

    „Ist etwas passiert?"

    „Ja."

    „Was? Legendensänger, mach es nicht so spannend!"

    Silbersang lachte. „Immer noch so ungeduldig, Feuersänger? Wir sollten dich Feuerseele nennen. Sternenglanz wollte Mitternacht von deiner Freistellung berichten, denn du musst dich heute Nacht noch einmal dem Rat vorstellen und den Treueschwur gegenüber Mitternacht erneuern. Wenn du das willst."

    „Natürlich will ich. Aber wenn ich vor den Rat trete, dann sollte ich vielleicht vorher schnell noch ein Bad nehmen."

    Sie liefen zum Quellteich, wuschen sich und kehrten zu Silbersangs Baumhaus zurück. Sternenglanz wartete bereits auf sie. Er umarmte beide zur Begrüßung.

    „Silbersang hat dir gesagt, was noch zu tun ist?"

    „Wann ist es soweit?" Feuersänger musste sich zusammennehmen, um nicht vor Aufregung von einem Fuß auf den anderen zu treten.

    „Wenn der Mond seinen höchsten Stand erreicht hat. Bereite dich in aller Ruhe vor. Du hast Mitternacht bereits einmal die Treue geschworen, aber damals hat sie Zeugen und Bürgen gebraucht. Wenn du dieses Mal schwörst, wird dein Wort allein genug sein."

    Bis es Zeit für die Zeremonie war, zog Feuersänger sich in den Schlafraum zurück, um sich auf den Schwur vorzubereiten. Die anderen ließen ihn allein. Silbersang spürte ohnehin immer, was er gerade brauchte, und Sternenglanz kannte ihn inzwischen so gut, dass er es ihm ansehen konnte.

    Feuersänger wählte schlichtes Schwarz für seine Kleidung. Er war eine einfache Klinge, die zum Kampf geschmiedet war. Alle sollten es sehen.

    Als der Mond hoch am Himmel stand, beendete er seine Meditation und stieg langsam die Leiter zum Wohnraum hinunter, wo Silbersang und Sternenglanz ihn erwarteten.

    Diesmal schritt er voran, als sie zum Versammlungsplatz aufbrachen, und die anderen folgten ihm. Wie schon bei seinem ersten Schwur war der ganze Clan in einem großen Halbkreis am großen Feuer versammelt. Mitternacht stand vor ihnen, wie immer zu feierlichen Anlässen in ihr silberdurchwirktes Gewand gehüllt, den Silberreif auf der Stirn. Sie blickte Feuersänger ruhig entgegen. Feuersänger trat näher. Er fühlte, wie die Versammelten ihn musterten. Vereinzelt wehten geflüsterte Worte an seine Ohren.

    Wie groß er geworden ist. Wie reif er geworden ist. Ich weiß noch, wie er aussah, als Sternenglanz ihn hier anschleppte, ein zerzauster Welpe war er, und seht ihn euch jetzt an! Was nur sieben Jahre aus einem halben Kind machen können!

    Ja, er hatte sich verändert. Er war gewachsen, seine Schultern waren breiter geworden, die Hüften schmaler, das feingeschnittene Gesicht kantiger und die Zeichen auf seiner Haut waren sehr viel zahlreicher als bei seinem ersten Schwur. Sie wanden sich unter den Rändern seiner Maske hervor, schimmerten auf seinen Händen und Armen. Damals war ein halbes Kind vor den Rat getreten, unsicher und schüchtern. Jetzt stand Feuersänger als Mann vor der Königin. Er sah sie an, neigte respektvoll den Kopf und wartete.

    „Feuersänger. Warum bist du hier?" Mitternachts Stimme jagte ihm noch immer Schauer über den Rücken.

    „Um mich dir zu geben, Königin."

    Mitternacht lächelte.

    „Dann leiste deinen Schwur, Feuersänger. Als Angehöriger meines Clans und als starke Klinge."

    Feuersänger sah noch einmal zu Mitternacht auf, dann sank er auf ein Knie und nahm Mitternachts Hand in seine.

    „Ich erneuere den Eid, den ich dir als Sha’ir gegeben habe. Ich schwöre dir Treue, Königin und Clanmutter. Ich schwöre, für die Hainhüter zu kämpfen, sie zu schützen und ihnen zu helfen. Dafür nehme ich mit Freuden Hilfe und Schutz des Clans an. Ich schwöre bei den Sternen, dem Mond, der Sternengekrönten und dem Nachtschatten, dass ich deinem Clan und dir dienen werde, bis meine Seele zu den Sternen geht."

    Feuersänger berührte Mitternachts Hand mit der Stirn, dann hauchte er einen Kuss auf die behandschuhten Finger und ließ sie wieder los.

    „So lasse mich deinen Schwur in deine Haut zeichnen." Mitternacht deutete auf die zu ihren Füßen ausgebreiteten Felle.

    Feuersängers Herz begann, schneller zu schlagen, als er mit geschmeidigen Bewegungen sein Hemd ablegte und sich auf die Felle kniete. Er spürte, wie die Blicke der anderen über seine zeichengeschmückte Haut glitten. Es erfüllte ihn mit Stolz.

    Als Mitternacht hinter ihn trat, ließ er sich auf dem Bauch zu Boden gleiten und breitete liegend die Arme zu beiden Seiten aus. Mitternacht streifte ihre Handschuhe ab und zog das Zeichen seines ersten Schwurs nach, das Clanzeichen, das sich seine Wirbelsäule entlangzog. Er spürte, dass sie nicht überall den feinen Linien exakt folgte. Hier und da nahm sie Linien fort – er fühlte den scharfen Schmerz, als sie Teile des Zeichens mit dem Sternenfeuer ihrer Hände löschte, dann glitten die zeichnenden Fingerkuppen wieder über seine Haut und woben das Zeichen seines Schwurs neu. Feuersänger schloss die Augen und ließ es geschehen. Er nahm den Schmerz und verwandelte ihn. Er ließ sich fallen in Lust und Pein.

    Mitternacht ließ sich Zeit. Ihre Finger tanzten über Feuersängers Haut und schrieben mehr als nur ein Zeichen. Es war eine Geschichte, die sich unter Mitternachts Händen entspann. Feuersänger konnte jedes einzelne Wort spüren, jedes Kapitel, das unter den Berührungen der Clankönigin seinen Lauf nahm. Bilder rauschten durch seinen Verstand wie Wind durch die Blätter der Silberbäume über ihm. Zeit verlor ihre Bedeutung. Er fiel.

    Er sieht Schnee. Der Hain glitzert unter Eis. Kälte greift nach Feuersänger. Schatten ziehen an ihm vorbei, er erkennt Gesichter. Mitternacht, Silbersang, Sternenglanz, Mondsichel. Auf dem Götterstein erhebt sich die Gestalt eines Mannes, der alles und doch nichts von allem zu sein scheint: Nithyara, Kha’da’sena, Dunkelelf. Harfenklänge zerreißen die Luft. Feuersänger muss nicht hinsehen, um zu wissen, wer die Harfe spielt und den Winterfluch des Mannes, der in den Legenden der Nithyara Ascheherz heißt, in Fetzen reißt.

    Das Bild verschwimmt, ein anderes taucht auf. Mitternacht und die anderen Nithyara beraten sich, neue Bänder werden geknüpft, alte gelöst – Feuersäger sieht, wie aus dem Bündnis zwischen Hainhütern und Waldrandclan zwei neue Clans erstehen. Er sieht die lächelnden Gesichter seiner Großeltern, die in den Wirren des Kampfes gegen den Winterfluch Liebe fanden.

    Wieder verschwimmt das Bild. Feuersänger ist wieder ein Kind, er spürt die Berührung seiner Mutter, eine sanfte Hand an seinem Rücken, die ihn in Nachtläufers Arme schiebt. Feuersänger ist wieder ein Sha’ir, er sieht sich selbst lernen, streift noch einmal bei seiner ersten Jagd mit Nachtläufer durch den Wald, nur, um bei seiner Rückkehr seinen Clan verloren zu finden. Der Schmerz ist überwältigend.

    Wind streift seinen Körper, unter seinem Rücken spürt er Stein, kühl und doch pulsierend und voller Leben. Eine weiche Pfote berührt ihn. Feuersänger schlägt die Augen auf und findet sich im Götterhain wieder, rücklings liegt er auf dem Götterstein und blickt in den sternenklaren Himmel. Neben ihm hockt eine Waldkatze, klein und zart, das Fell mondsilbern, die Augen tiefblau und voller Sterne.

    //Sternenkind//, raunt eine Stimme in Feuersängers Gedanken. Die Katze reibt ihren Kopf an seiner Schulter, springt vom Stein und ist im nächsten Augenblick eine Frau, die lächelnd auf Feuersänger hinabblickt und sein Haar streichelt.

    Herrin", flüstert er, denn er weiß genau, vor ihm steht keine andere als Ti’shanari selbst, die Sternengekrönte.

    Feuersänger, flüstert sie. „Sternenkind. Sturmwind. Die Finsternis wird nicht mehr lange schlafen, und es ist an dir, die Zeichen ihrer Rückkehr zu erkennen. Lerne, Sturmwind, und lehre deinen Clan. Du wirst durch Schmerz gehen und du wirst leiden, doch du wirst wachsen an jedem Leid, das dich trifft. Du wirst Einsamkeit finden, und du wirst an ihr wachsen, damit du sein kannst, wofür ich dich ausersehen habe. Du bist eine Klinge, Feuersänger. Sturmwind. Und ich werde bei dir sein, wo auch immer du bist. Meine Botin wird dich leiten. Sieh die Zeichen und deute sie weise.

    Noch einmal spürt Feuersänger die Hand der Herrin auf seinem Haar, hört ihr silbriges Lachen, ihre Lippen berühren seine Stirn in einem liebevollen Kuss. Sterne füllen Feuersängers Blick. Und dann Dunkelheit.

    Er liegt auf dem Bauch, das Gesicht in weiches Nachtschleicherfell gedrückt, der Duft von Fell und Wald füllt seine Sinne, und eine Hand schreibt auf seinem Rücken eine Geschichte.

    Feuersänger stöhnte in das Nachtschleicherfell. Seine Hände hatten sich fest in die weichen Haare gekrallt, während Mitternacht die Zeichen auf seinen Rücken schrieb, die eine Geschichte und ein Schwur zugleich waren. Als sie schließlich ihre Hand zurückzog und Feuersänger leicht über das Haar strich, brannte seine Haut. Die Bilder seiner Visionen flimmerten hinter seinen geschlossenen Lidern. Sein Körper stand in Flammen, und er rang nach Atem wie nach einem langen Lauf. Er hatte sich lange nicht so lebendig gefühlt. Langsam stemmte er sich mit den Armen hoch und kam schwankend wieder auf die Beine. Mitternacht fasste seinen Arm und stützte ihn. Funken tanzten in ihren Augen. Ihr Lächeln war wie ein warmer Sommernachtwind. Sie umarmte ihn. „Noch einmal und für alle Zeit willkommen, Feuersänger! Ich bin froh, dass du hier bist." Sie zog ihn noch näher an sich.

    „Komm morgen Nacht mit Silbersang und Sternenglanz zu mir. Ich hatte wieder Träume und ich will sie mit dir teilen, denn ich weiß, du wirst sie verstehen. Mein Legendenbewahrer und mein erster Kundschafter sollen dabei sein. Ich brauche dein Wissen, Feuersänger."

    Feuersänger neigte den Kopf. „Ich habe den Winterfluch gesehen, während du mich gezeichnet hast", murmelte er in ihr Ohr, „ich habe gesehen, wie Harfenklänge ihn zerrissen. Ich habe mein Leben noch einmal gelebt und sah meinen

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