Stier und Löwe: Ein Märchenbuch
Von Tommi Horwath
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Über dieses E-Book
PS: Und natürlich sind die meisten Märchen, aus einer nicht ganz so erfolgreichen Liebeswerbung entstanden und ich farg mich: Wo soll man denn sonst hin mit den ganzen schönen Gefühlen für diese Frauen ?
Der Leuchtturm und das Meer
Die enttäuschte Burg
Die eitle Tochter
Drache und Stern
Die Königin und der Mönch
Der Ritter und die Gämse
Die drei Väter
Die Blumenwiese im Klassenzimmer
Die Hexe erwacht
Stier und Löwe
Des Kaisers neue Spiritualität
Der einsame Zwillingsbruder
Die Wölfin im Schafspelz
Der blaue Stein
Tommi Horwath
http://www.tommitomate.com/
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Buchvorschau
Stier und Löwe - Tommi Horwath
Amber)
Der Leuchtturm und das Meer
(für Marina
Es war einmal ein Leuchtturm. Der stand, wie es sich für einen Leuchtturm gehörte, auf einer Klippe. In alten Zeiten waren Leuchttürme für die Schiffe sehr nützlich gewesen, die in der Nacht unterwegs waren, denn so wussten sie, wo das Riff war. Dieser Leuchtturm war ein sehr stolzer Leuchtturm und er stand Tag für Tag und Nacht für Nacht auf seiner Klippe. Er hatte schon unzähligen Schiffen das Leben gerettet. Wie viele konnte man nicht sagen, denn das wusste ja keiner. Ein Unglück, das nicht passiert war, konnte auch als Nicht-Unglück nicht gezählt werden. Trotzdem war der Leuchtturm stolz auf seine Aufgabe und freute sich jede Nacht, wenn er sein Licht anknipsen konnte.
Eines Tages sah das Meer den Leuchtturm. Das mächtige und große Meer. Das Meer kannte zwar viele Leuchttürme, doch dieser Leuchtturm gefiel dem Meer. Warum, wusste im Nachhinein keiner mehr und doch war es so gewesen. Erst fing das Meer damit an, die Klippe des Leuchtturms mit einer sanften Gischt zu umspülen. Der Leuchtturm bemerkte das natürlich sofort, ließ sich aber nichts anmerken. Er stand stramm da und rührte sich nicht von der Stelle. Zu wichtig war seine Aufgabe. Da ließ das Meer größere Wellen an die Klippen tragen, doch der Leuchtturm ließ sich wieder nichts anmerken und stand einfach stramm da. Da wurde das Meer wütend und jedes Mal, wenn sich dem Leuchtturm in der Nacht ein Schiff näherte, schlug das Meer so große Wellen, dass es das Schiff verschlang und dieses nie wieder auftauchte. Doch der Leuchtturm stand nur da und rührte sich nicht von der Stelle.
Da versuchte es das Meer mit einer List. Das Meer änderte jeden Tag sein Aussehen und richtete sich für den Leuchtturm besonders schön her. Einmal ließ es eine Schule Babydelfine in der Abendsonne am Horizont vorbeiziehen. Ein anderes Mal schimmerte es dem Leuchtturm etwas in allen erdenklichen Grüntönen vor. Doch der Leuchtturm stand stramm da und tat so, als würde er es nicht bemerken. Da kräuselte sich das Meer in eine riesige Wasserhose, in der lauter Meerjungfrauen tanzten und der Leuchtturm gab sich immer noch uninteressiert. In der Nacht reflektierte das Meer, das Licht des Leuchtturms in tausenden kleinen Wellen und leuchtete zurück zum Leuchtturm. Das Licht, mit dem die kleinen Wellen spielten und das auf den Wänden des Leuchtturms zu sehen waren, gaben den Anschein, der Leuchtturm würde mittanzen. Doch der Leuchtturm tanzte nicht mit.
Da wurde es dem Meer zu blöd und es zog sich zurück. Auch das rührte den Leuchtturm nicht, außerdem musste das Meer mit der Flut ohnehin wieder zurückkommen, das hatte der Mond schon vor langer Zeit beschlossen. Also musste das Meer immer zur Zeit der Flut zu dem Leuchtturm zurückkehren. Und so sah der Leuchtturm dem Meer und bei allem, was es unternahm, um auf sich aufmerksam zu machen, zu. Doch der Leuchtturm rührte sich nicht von der Stelle, stand stramm da und knipste jede Nacht sein Licht an. So vergingen die Jahre und egal, was das Meer machte, der Leuchtturm reagierte nicht.
Da kamen die neuen Zeiten und der Leuchtturm wurde nicht mehr gebraucht. Es wurde ihm sogar verboten, in der Nacht sein Licht anzuknipsen. Es gab niemanden mehr, der sich um den Leuchtturm kümmerte, und so wurden auch seine Bodensteine durch Wind, Sturm und Salzwasser immer lockerer. Schließlich fingen sie an, zu wackeln, und brachen heraus. Der Leuchtturm, der sein ganzes Leben lang stramm auf der Klippe gestanden hatte und sich nicht bewegt hatte, fing an, zu wackeln, erst ein bisschen, dann immer mehr. Es dauerte nicht lange und der ganze Leuchtturm fiel krachend von seiner Klippe hinunter ins Meer. Langsam sank er immer tiefer und lag schließlich am Grund des Meeres. Da kam das Meer, stellte ihn wieder auf und erlaubte ihm, sein Licht anzuknipsen.
„Na, Meer, hast du jetzt endlich, was du wolltest?"
„Nein, antwortete das Meer. „Was soll ich denn mit einem Leuchtturm, den keiner mehr braucht?
Das war das erste Nicht-Unglück des Leuchtturms, das er zählen konnte.
*****
Die enttäuschte Burg
(für Majda)
Es war einmal vor langer, langer Zeit, man weiß es nicht mehr, war es gestern oder war´s heut, da stand im fernen, fernen Mazedonien eine Burg. Es war eine schöne Burg, eine prächtige Burg und ihr Anwesen war bis weit über die Grenzen des Landes hinaus bekannt für ihre Anmut und ihre Schönheit. Viele Ritter hätten diese Burg gerne erobert, um sie ihr eigen zu nennen, doch galt sie gerade deshalb so geheimnisvoll, weil sie bis jetzt nie erobert werden konnte. Niemand hatte je in das Innere der Burg gesehen, niemand wusste, was sich hinter den schroffen und steilen Burgwänden befand. So gab es viel Geheimnisse, die erzählt wurden: dass sie uneinnehmbar wäre, dass dahinter viele Jungfrauen eingesperrt wären (was natürlich viele tapfere Ritter anlockte), ja, dass sogar ein böser, alter Drache die Burg verteidigen würde, sollte es jemand schaffen, die Zinnen der Burgmauern zu überwinden (was natürlich viele nicht so tapfere Ritter abhielt). Aber nichts von alledem stimmte.
Die Burg war einfach davon überzeugt, dass sie erst erobert werden musste, bevor sie jemandem ihr Geheimnis preisgab. Ihr gefielen die Geschichten der Spielleute, die jene Herren besangen, die bei dem verzweifelten Versuch, die Burg zu erobern, scheiterten. Je mehr edle Ritter scheiterten, umso schöner und größer kam sich die Burg vor. Das wurde den neugierigen und mutigen Männern mit der Zeit zu anstrengend und alle anderen Männer verließ schon beim bloßen Anblick der Mut. In kürzester Zeit umgab die Burg der Ruf uneroberbar zu sein. So sehr ihr das einerseits auch gefiel, manchmal, kurz vor dem Sonnenuntergang, wenn der Mond schon zu sehen und die Sonne noch nicht ganz verschwunden war, regten sich leise Zweifel in ihr, ob es denn wirklich so vorteilhaft wäre, so gar nicht zu erobern zu sein. Die Zweifel schob sie dann schnell wieder beiseite, um sich am Scheitern des nächsten Ritters zu erfreuen.
So zogen viele Jahre ins Land. Im Geheimen aber, manchmal war das sogar so geheim, dass es die Burg vor sich selbst geheim hielt, wünschte sich die Burg dann doch endlich auch einmal erobert zu werden. Vielleicht, so dachte sich die Burg irgendwann, muss ich mein Handeln noch einmal überdenken. Vielleicht sollte ich etwas nachhelfen und einfach mal jemanden hereinlassen und abwarten, was passieren würde. Da kam sich die Burg sehr, sehr mutig vor, denn wie jeder weiß, sitzt das Herz einer Burg direkt in ihrem Burgtor. Ist es einmal geöffnet, kann derjenige ein- und ausgehen und das kann dann eine sehr komplizierte Sache werden. Trotzdem öffnete die Burg ihr Tor. Nur einen ganz kleinen Spalt. Doch niemand bemerkte es. Nach einer Zeit als die Burg des Wartens überdrüssig geworden war, war sie auch ein wenig mutiger geworden und sie öffnete das Tor ein Stückchen mehr, gerade soviel, dass ein Ritter samt seiner Rüstung, aber ohne Pferd – denn das wäre der Burg dann doch etwas zu schnell gegangen – sich durchzwängen konnte.
Es dauerte nicht lange, da kam auch schon ein Ritter daher, der auf der Suche nach einer Burg war. Er hatte schon viel über diese Burg in Mazedonien gehört, und dass sie als absolut uneinnehmbar galt. Er wunderte sich darüber, dass das Tor offenstand. Der Ritter zwängte sich in seiner ganzen Rüstung durch den Spalt im Tor. Kaum aber stand er im inneren des Burghofes, sah er die Schönheit der Burg.
„Verhext, dachte sich der Ritter, „die Burg, die als uneinnehmbar gilt, ist eine wahre Schönheit in ihrem Inneren! Moment mal! Kein Drache hier? Nun ist‘s mir ein so ein Leichtes hier einzudringen? Das ist hier Teufelswerk! Ich will sehen, was ich an Schätzen und Bauwerk mitnehmen kann, um mir damit eine eigene Burg zu bauen.
Mit einem Fußtritt öffnete er das Tor ganz weit und beförderte alles, was er brauchen und tragen konnte, nach draußen. Krachend fiel das Tor zu und ein dicker Balken verriegelte das Tor auf „Nimmer-wieder-Öffnen."
„Ich verfluche dich Burg!", rief der Ritter zum Abschied und ritt davon.
Die Burg aber klagte laut, so sehr schmerzte sie es, dass der Ritter sie enttäuscht hatte, und sie fühlte sich bestätigt, dass sie niemals mehr würde ihr Tor öffnen, nämlich für immer und für gar niemanden. Die Burg war tief verletzt, und weil sie so klagte, sagten die Leute im Dorf bald, dass es eine verfluchte, spukende Burg war, mit verfluchten, spukenden Gespenstern, der sich niemand nähern sollte.
*****
Nun kam es, dass ein Spielmann des Weges kam, und eben, als er den Hügel zur Burg aufstieg, ein heftiger Regen einsetzte. Er stellte sich unter das breite Burgtor, um vor dem strömenden Regen Schutz zu