Das Reich aller gestillten Sehnsucht
Von Sandra Göbel
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Über dieses E-Book
Sandra Göbel
Aufgewachsen in einer Kleinstadt im Sauerland. Zwei Jahre Studium der Islamwissenschaft an der Universität Münster und vier Jahre Dolmetscher- und Übersetzerstudium der Arabischen und Französischen Sprache an der Universität Leipzig. Abschluss: Diplom-Dolmetscherin und Übersetzerin. Mit 22 Jahren geheiratet, ein halbes Jahr später zum Islam konvertiert. Seit 2006 in Marokko und an eigenen Übersetzungs- und Schreibprojekten tätig. Seit 2021 Zusammenarbeit als freiberufliche Übersetzerin mit diversen islamischen Verlagen und Vereinen.
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Buchvorschau
Das Reich aller gestillten Sehnsucht - Sandra Göbel
Das Reich aller gestillten Sehnsucht
I
Zu einer Zeit, die war, ist und noch sein wird, gab, gibt es und wird es geben einen unvergleichlich reichen und mächtigen König, der in uneingeschränkter Gerechtigkeit und mit beispielloser Barmherzigkeit über sämtliche Welten in sämtlichen Universen herrschte. Und es waren ihrer gar viele. In vollkommener Harmonie bewegten sie sich in ihren jeweiligen Sphären und Umlaufbahnen, ohne je aneinanderzustoßen, und boten den verschiedensten Arten von Geschöpfen ihren Lebensraum. Und in einer dieser unzähligen Welten in ihren unzähligen Universen lebten die Laternenwesen.
Es waren Wesen von ganz eigener Beschaffenheit. Wesen, die zwar zu einem großen Teil aus demselben Stoff bestanden wie die Welt, in der sie lebten, und ihr daher auch sehr zugetan und auf starke Weise mit ihr verhaftet waren, die aber darüber hinaus von dem König ein besonderes Gut anvertraut bekommen hatten, durch welches sie sich von sämtlichen Geschöpfen in sämtlichen Universen unterschieden. Es war ein kleines Flämmchen der Sehnsucht, welches der König jeder Laterne behutsam eingehaucht hatte. Und dieses Flämmchen war es, welches den Laternenwesen die Fähigkeit verlieh, eine unter allen Geschöpfen einzigartige Beziehung zu dem König einzugehen und zu pflegen.
Ja, das Flämmchen machte die Laternenwesen in den Augen des Königs so teuer, dass er inmitten seines unermesslichen Herrschaftsgebietes, dessen Grenzen kein Geschöpf in keinem der unzähligen Universen je erreicht hätte oder je erreichen könnte, einen besonderen Ort der Begegnung für sie erwählt hatte. Ein kleines Reich, welches die höchsten Gipfel eines majestätischen Gebirges krönte, und welches er liebevoll so wunderschön gestaltet hatte, wie keiner seiner vielen, verschiedenartigen Untertanen es sich wohl je hätte erträumen können.
Es war ein Reich, das keine zutiefst gehegte Sehnsucht, keinen noch so geheimen Wunsch offen ließ. Ein Reich, welches denjenigen, der es betrat, in eine nie zuvor gekannte Glückseligkeit eintauchen und alles, was vorher war oder was noch sein könnte, vergessen ließ. Niemand, der dieses Reich einmal betreten und die zauberhafte Aussicht von seinen hohen Gipfeln herab genossen hatte, wollte es je wieder verlassen.
Solange das Flämmchen auch nur leise flackerte, würde es in seinem Wirt, dem Laternenwesen, zumindest eine ferne Erinnerung an jenes Reich wachhalten. Es bräuchte nur ein Licht, an dem sich das Flämmchen neu entzünden und von dem es sich nähren könnte, und es würde seinem Wirt zu einem untrüglichen Kompass hin zu jenem Reich werden.
II
Deshalb nahm der König im Zuge der Überreichung dieses teuren Geschenks auch jedem einzelnen Laternenwesen das Versprechen ab, sein Flämmchen um jeden Preis am Brennen zu halten. Er seinerseits würde dann auch ein solches Licht in die Welt senden. Und wehe dem, der sein Flämmchen vernachlässigte!
So schienen die Flämmchen also auf unerklärliche Weise mit diesem Reich in Verbindung zu stehen. Ja, sie schienen einzig und allein darauf ausgerichtet zu sein, in ihrem Wirt Sehnsucht nach diesem Ort zu erwecken und auf ein solch leitendes Licht zu warten. Doch, ach, sie waren recht schwach und der übermächtigen Anziehung, welche die Welt mit all ihrer Schönheit, mit all ihren Verlockungen und Reizen auf die