Entdecken Sie Millionen von E-Books, Hörbüchern und vieles mehr mit einer kostenlosen Testversion

Nur $11.99/Monat nach der Testphase. Jederzeit kündbar.

Flügel für Ikarus
Flügel für Ikarus
Flügel für Ikarus
eBook452 Seiten5 Stunden

Flügel für Ikarus

Bewertung: 0 von 5 Sternen

()

Vorschau lesen

Über dieses E-Book

"Narben erzählen Geschichten. Unsere geht so: Du rettest mich."

Seit er vor zwei Jahren dem Horror seines Elternhauses entflohen ist, prostituiert sich Midian Hill im Dragon Cage. Als seine Vergangenheit ihre blutigen Schatten wirft und nach und nach seine Kollegen ermordet werden, rückt der Sonderling schnell in das Visier der ermittelnden Polizei. Für Midian wird die Luft immer dünner. Seine einzige Chance sieht er in Inspektor Alex Vandom. Zur Verführung des attraktiven Polizisten bricht Midian bald auch sein letztes Tabu. Doch aus dem Spiel wird Ernst und dann geschieht ein weiterer Mord …
SpracheDeutsch
Herausgeberdead soft verlag
Erscheinungsdatum14. Aug. 2016
ISBN9783960890201
Flügel für Ikarus

Ähnlich wie Flügel für Ikarus

Ähnliche E-Books

Schwulen-Literatur für Sie

Mehr anzeigen

Ähnliche Artikel

Verwandte Kategorien

Rezensionen für Flügel für Ikarus

Bewertung: 0 von 5 Sternen
0 Bewertungen

0 Bewertungen0 Rezensionen

Wie hat es Ihnen gefallen?

Zum Bewerten, tippen

Die Rezension muss mindestens 10 Wörter umfassen

    Buchvorschau

    Flügel für Ikarus - Swany Swanson

    Swany Swanson

    Flügel für Ikarus

    Impressum

    © dead soft verlag, Mettingen 2016

    http://www.deadsoft.de

    © the author

    Cover: Irene Repp

    http://www.daylinart.webnode.com

    Bildrechte:

    © Chaadaeva – shutterstock.com

    © Marius Prusaczyk – fotolia.com

    1. Auflage

    ISBN 978-3-96089-019-5

    ISBN 978-3-96089-020-1 (epub)

    Für alle, die mehr als nur ein Glas Milch wollen.

    Tausend Dank, Dude, für das jahrelange Mitfiebern,

    Danke für all die Snickers, Natalie!

    Und zuletzt der Kniefall vor meiner musikalischen Großinspiration:

    Zeromancer, Mesh und Razed in Black.

    1

    Eigentlich hatte der Tag für Midian wie jeder andere in den letzten zwei Jahren begonnen – perspektivlos. Die einzige Besonderheit bestand darin, dass er an diesem speziellen Morgen nicht aufgrund des immer gleichen Alptraums erwacht war. Stattdessen hatte ihn in aller Frühe ein Lärm hochgeschreckt, der alarmierender nicht hätte sein können. Barfuß und nur mit einem Bademantel bekleidet, machte er sich auf den Weg nach unten zur Bar.

    In der zentralen Sammelstelle des Clubs herrschte längst großes Gedrängel. Doch wie gewöhnlich beachtete Midian seine Kollegen gar nicht erst, sondern durchquerte geradewegs den Raum. Von der Zimmerdecke bis auf die Bodenfliesen hinab reflektierte in regelmäßigen Intervallen das Blaulicht der Polizeifahrzeuge. Die unnatürliche Helligkeit brannte in seinen Augen und das anschwellende Geheul der Sirenen tat in den Ohren weh. Schon am Lautstärkepegel erkannte er, dass hier ganz schweres Geschütz aufgefahren worden war. Kein Vergleich zu den sonst üblichen Razzia-Einsätzen der Polizei, die ihn persönlich ohnehin nichts angingen. Bei diesem Getöse schien es hingegen nicht so, als würde hier irgendwer verschont bleiben.

    Mit ein paar schnellen Schritten hatte Midian die Fensterpartie und damit den hellsten Punkt des Saals erreicht. Zuerst beäugte er das Geschehen draußen noch aus größtmöglicher Distanz, aber rasch war seine Neugier so stark geweckt, dass er die Finger in die Gitterstäbe verkrallte und fast frontal mit der Stirn angeschlagen wäre.

    Sein Herzschlag machte einen Satz, als er wenige Meter unterhalb seines Fensterplatzes das riesige Aufgebot von Polizei- und Rettungswagen erkannte. Das Signalhorn jaulte noch ein wenig erbärmlicher auf, während neben den Autos allerlei Uniformierte und Männer in Zivil ausschwärmten. Destination Dragon Cage. Ihm wurde flau im Magen.

    Das hier war etwas Großes. Sinnfällig wurde das spätestens, als ein Leichenwagen vorfuhr. Minutenlang überwachte Midian mit angehaltenem Atem, wie die Szene dann nach und nach wieder ihren gewohnten Gang nahm. Aus seiner Furcht wurde Groll.

    Hinter dunklen Wimpern sah er auf die inzwischen wieder beruhigte Verkehrsstraße hinab. Midian dachte an den ganzen Staub, den die Cops aufwirbeln könnten. Und daran, dass er diese Art von Grundfreilegung ganz und gar nicht gebrauchen konnte.

    Sein Puls hatte sich bis hierher fast normalisiert, als er im nächsten Moment erst so richtig außer Takt geriet. Eine Handvoll Menschen spazierte draußen noch frei herum, ohne ihn am Fensterbrett überhaupt zu registrieren. Da schaute einer der Polizisten zu ihm auf. Direkt und so selbstverständlich, als bestünde ein Zusammenhang zwischen ihm und dem, weshalb sie gekommen waren.

    Bestürzt wich er vom Fenster zurück.

    „Erde an Midian."

    Er fuhr jäh zusammen und sah im letzten blauen Lichtschein tatsächlich außerirdisch aus. Willkommen in der Realität. Vor ihm stand sein bester Freund, der ihn von Kopf bis Fuß musterte.

    „Hast du etwa bis eben geschlafen?, diagnostizierte Brian messerscharf angesichts seines halbnackten Gegenübers. „Dann hast du also gar nichts mitbekommen?

    „Ich seh’s. Geistesabwesend tippte Midian an die Scheibe. „Sag mal, hast du irgendwas gegen Kopfschmerzen dabei?

    Bevor Brian auf den Themenwechsel reagieren konnte, wurden die beiden hinterrücks von dem Rest des bunt zusammengewürfelten Freundeskreises überfallen. Dazu gehörte Amy, das einzige und ausschließlich hinter der Theke aufzufindende Mädchen im Club, sowie Lee Mathews, die personifizierte Zeitung. Wie um seinen Ruf zu verteidigen, sorgte der blonde Wirbelwind auch nun direkt für Aufklärung.

    „Es ist Benny! Benny hat’s erwischt!", rief Lee ganz außer Atem. Kreidebleich stand Amy daneben und nickte wie zur Bestätigung der Information.

    „Benny?", wiederholte Midian. „Heimapotheken-Benny?"

    Ächzend fasste er sich an die pulsierenden Schläfen, dachte an seinen Medizinmann und daran, dass dieser hin und wieder etwas von seinen reichlichen Vorräten an ihn abgetreten hatte. Immerhin war diese Hilfsbereitschaft ein Signal dafür gewesen, dass ihr Kriegsbeil begraben war. Und jetzt ... Mist! Was sollte da aus seinem Kopf werden?

    „Wo ist das passiert?", wollte Brian wissen.

    „Man hat ihn im Flur vor seinem Zimmer gefunden. Es gab wohl eine Menge Blut. Ich tippe mal auf Halsschlagader", mutmaßte Lee.

    Mord?"

    „Na klar, deshalb ja auch die Polizei."

    Obwohl Midians Nerven nach dieser Neuigkeit längst blank lagen, wurde zu allem Überfluss ein weiterer Hinterhalt auf ihn vorbereitet. Diesmal war es allerdings kein Freund, der sich an die Truppe heranschlich.

    „Reever, Lee. Der Störenfried lächelte und nickte, bis sein Blick Midian streifte. „Und Hill, klasse. Hass und sofortiger Vernichtungswille auf beiden Seiten.

    „Warum tust du uns nicht einen Gefallen und verziehst dich mit deinem dummen Gesicht woandershin, Flo?"

    „Was passt dir denn nicht an meinem Gesicht, du, arroganter Hurensohn?", lästerte Flo los. Midian reagierte wie aufs Stichwort und ging ihm sofort an die Gurgel.

    „Halt’s Maul!"

    Florian funkelte ihn böse an und erhob die Stimme über Amys Kreischen hinweg.

    „Wo sind deine Manieren? Hat deine Mami dir so gar nichts beigebracht?" Bevor er weiter über mütterliche Nachhilfe sticheln konnte, rammte Midian ihn hart gegen die Wand.

    „Mach, dass du wegkommst!"

    Seine Augen strahlten genügend Mordlust aus, um Florian in die Flucht zu jagen. Vorerst.

    Für die Schmach dieser Niederlage würde er sich noch rächen, das war sicher. Ein unberechenbarer Feind. Und so lange das schon zwischen ihnen ging, hatte Midian irgendwann vergessen, wie es eigentlich dazu gekommen war.

    Keiner seiner Freunde wagte es, einen Ton über den Blitzangriff zu verlieren. Die Stille war allerdings anklagend genug, um ihn die Augen verdrehen zu lassen.

    „Was? Der Typ macht mich irre."

    Brian hustete ein Offensichtlich und Amy hielt ihm eine ihrer typischen Standpauken.

    „Du musst endlich lernen, dich zusammenzureißen. Ich habe dir tausendmal gesagt, dass ich das Ryan nicht immer vorenthalten kann. Und du weißt, was dich dann erwartet."

    Sie musste das nicht ausführen. Immerfort erinnerte Amy ihn bei Regelverstößen daran, dass sein Zuhälter ihm im Nacken saß und ihm nur allzu gerne seine Vorschriften einhämmerte. Buchstäblich. Leider büßte die Mahnung aus Amys Mund ein wenig an Effektivität ein, da beide wussten, dass sie als seine kleine Übermutter die Drohung niemals wahrmachen würde.

    „Was hat der Trottel immer mit deiner Mutter?, fragte Brian mit Stirnrunzeln dazwischen. „Ich dachte, sie ist eine Arztgattin. Gegen sowas sieht Flos Mum garantiert alt aus.

    „Das mit dem Medizinstudium war mein Bruder, berichtigte Midian ihn zerstreut. „Mein Dad ist der Unternehmer.

    „Auch nicht übel. Wie auch immer, der kleine Stinker hat allemal eine Abreibung verdient."

    „Hört ihr mir eigentlich zu?, brüllte Amy dazwischen. „Du, leg dich nicht mehr mit Florian an, und du, hör auf, ihn auch noch zu bestätigen. Vor allem jetzt. Wie wäre es mit etwas Respekt vor der Sache?!

    „Welcher Sache?", wunderte sich Brian.

    „Dem Todesfall", murrte Lee von der Seite.

    „Ah. Richtig. Was passiert da jetzt eigentlich?"

    „Die Polizei ist bei Ryan. Wahrscheinlich wollen sie danach erst mit dem Personal sprechen."

    Midian musste über die Wortwahl grinsen, zügelte sich jedoch, als er Amys strafenden Blick erntete. Er wollte nicht, dass sie ihm am Ende vorwarf, herzlos zu sein. Obwohl das wahrscheinlich die harte Wahrheit war.

    „Bei Ryan. Unversehens begann Brian sein typisches Kichern, das ganz klein anfing und sich dann zum Fanfarenstoß blähte. „Der wird ordentlich Torero mit den Bullen spielen. Kann man ja fast Mitleid mit den armen Kerlen haben.

    Zu viert tauschten sie einen Blick aus und prusteten der Reihe nach los. Kurz nur, dann hielten sie tatsächlich alle für mehr als eine Schweigeminute lang den Mund.

    2

    „Guten Morgen, Mister Dawn. Mein Name ist Alex Vandom. Das ist mein Kollege Jerry Turner."

    Hände wurden geschüttelt. Man hieß sie auf zwei Ledersesseln vor dem Schreibtisch Platz nehmen. Schreibtisch? Es sah eher aus wie ein antiker Opferaltar. Ein Anblick, der Alex enorm befremdete. Wie die restlichen Möbel bestand auch dieses Schrein-Objekt aus demselben dunklen Holz, das sämtliche Wände im Raum vertäfelte. In filigraner Handarbeit waren darin unzählige Drachengestalten eingeschnitzt, die verteilt auf die einzelnen Platten eine Geschichte zu erzählen schienen, deren Anfang und Ende er jedoch nicht ausfindig zu machen vermochte.

    Das gesamte Büro schien geradewegs der Kolonialzeit entsprungen zu sein. Mit so einer Ausstattung hatte Alex nicht gerechnet, zumal der Eingangsbereich des Clubs hypermodern aufgemacht war. Aber immerhin entsprach der Eigentümer des Pomps ziemlich genau seinen Erwartungen.

    Ryan Dawn war auf den ersten Blick ein typischer Zuhälter. Auf den zweiten eigentlich auch. Mit dem geölten Lächeln, den schweren Goldringen und der Wildlederjacke, die sich über dem muskelbepackten Oberkörper standesgemäß spannte, bediente er alle Klischees. Von der breiten Stirn konnte Alex ihm seinen Charakter direkt ablesen: Big Boss.

    „Sie sind also der Leiter dieses Bordells?"

    Eine rhetorische Frage. Schon vor ihrem Eintreffen hatten sie sich über die rechtliche Grundlage schlau gemacht. Sowohl Dawn als auch der Laden, inklusive des Geschäftsformats, waren sauber. So sauber zumindest, wie es für diesen Sektor eben ging. Vor einigen Jahren hatte Dawn wegen Prostitution Minderjähriger im Knast gesessen und hielt sich seitdem brav ans Jugendschutzgesetz. Das Durchschnittsalter seiner Arbeitskräfte lag mit rund zwanzig Jahren allerdings noch immer akut niedrig. Alles, was über Fünfundzwanzig war oder so aussah, wurde gnadenlos aussortiert.

    „Ich würde mich eher als Geschäftsmann bezeichnen. Mir gehört das Dragon Cage und ich passe auf, dass hier alles in gesitteten Bahnen verläuft."

    „Da haben Sie bei Benjamin Miles wohl versagt", merkte Alex nüchtern an. Möglichst unauffällig massierte er sich die Schläfe. All das Holz im Raum sonderte einen so modrig süßen Geruch ab, dass er schon nach ein paar Minuten Kopfschmerzen bekommen hatte.

    Ryan Dawn räkelte sich unterdessen in seinem Chesterfield-Sessel wie auf einem Thron und lächelte gelangweilt. Von Beginn an hatte er ihnen gegenüber keinen Hehl daraus gemacht, wie wenig er von ihrer Gesellschaft hielt. Es fehlte nur, dass er laut losgähnte.

    „Dramatische Geschichte, das, behauptete Ryan mit unverkennbarem Spott in der Stimme. „Dabei können Sie sich gar nicht vorstellen, wie viel früher er gestorben wäre, wenn er weiter auf der Straße gelebt hätte.

    „Sie haben ihn also von der Straße geholt?" Während Alex wie üblich das Gespräch führte, verzeichnete Jerry jedes Wort ihres Gegenübers in seinem Schreibblock.

    „Möglich. Die meisten meiner Bediensteten kommen direkt aus der Gosse. Sie sind aus freien Stücken hier." Am Ende würde er ihnen noch erzählen, dass es der Herzenswunsch dieser Kids gewesen war, sich tagein tagaus für billigen Sex zu verscherbeln.

    „Es steht ihnen also frei zu gehen, wann sie wollen?"

    „Natürlich nicht. Das ist weder ein Spielplatz noch eine Bewahrungsstätte. Wasser, Strom, das alles kostet Geld. Nichts im Leben ist umsonst. Achtzehn Jungs, und jeder will versorgt sein. Nun ja, jetzt siebzehn."

    Es erschütterte Alex, in was für einem saloppen Ton der Zuhälter diese Korrektur in seinen Zahlen vornahm. Das einzelne Menschenleben schien in diesem Laden überhaupt keinen Wert zu haben.

    „Sie beschäftigen also keine Frauen?", hakte Jerry nach.

    „Haben Sie ein Problem damit?"

    Jerrys Gesicht färbte sich schlagartig rosa, während Alex der Provokation die Stirn bot.

    „Kein Problem, Mister Dawn. Wir würden gerne so bald wie möglich mit Ihrer Belegschaft sprechen. Unsere Ankunft wird sich wahrscheinlich längst herumgesprochen haben und ich finde, die Jungs haben ein Recht darauf zu erfahren, was mit ihrem Kollegen passiert ist. Schon damit keine Panik ausbricht, empfiehlt es sich, so früh wie möglich eine klare ..." Mitten im Satz schnitt Ryan ihm das Wort ab.

    „Wie lange soll das Ganze dauern?"

    „Das dauert so lange, wie es nun einmal dauert, bis jeder Ihrer Leute angehört worden ist."

    „Soll heißen?"

    „Ich kann Ihnen keine genaue Uhrzeit nennen, tut mir leid." Alex merkte, wie Ryan über seine vage Auskunft grollte und begriff allmählich den Grund für sein Beharren auf der Zeitfrage. „Aber es ist anzunehmen, dass das Dragon Cage für heute geschlossen bleiben muss. Falls es das ist, was Sie wissen wollen."

    Ryans pockennarbige Stirn warf noch tiefere Falten. Einen Moment lang hörten sie ihn konzentriert durchatmen, als müsse er sich neu sortieren.

    „Das hatte ich befürchtet", sagte er leise und strich sich mit diesem furchtbar überheblichen Grinsen eine Haarsträhne aus dem Gesicht. „Wie erkläre ich Ihnen das bloß so, dass Sie es begreifen ... Das Dragon Cage ist ein Nachtclub und als ein solcher gehört es sich, abends zu öffnen. Und zwar jeden Abend."

    „Danke. Wir wissen, was ein Nachtclub ist."

    „Erfreulich! Dann verstehen Sie sicherlich auch, dass das Dragon Cage nicht dicht machen wird. Weder heute noch in den nächsten Tagen, die Sie hier mit Ihren Ermittlungen zu verbringen gedenken. Obwohl er höflich blieb, war Ryans Ton scharf genug, um sie zu schneiden. Alex hatte bereits den Mund zum Protest geöffnet, da kam ihm der Bordellbesitzer zuvor. „Das bedeutet, dass Sie und Ihre Kollegen Ihre Befragungen doch bitte auf die Stunden des Tages beschränken. Ich denke, damit stehen Ihnen meine Jungs ohnehin lange genug zur Verfügung.

    „Bei allem Respekt, Mister Dawn, wir lassen uns unsere Arbeitszeiten nicht von Ihrem Haushaltsplan vordiktieren, entgegnete Alex. „Wie lange wir uns hier aufhalten, hängt allerdings auch ein Stück weit von Ihnen selbst ab. Je besser Sie mit uns kooperieren, desto eher haben Sie wieder Ihre Ruhe und all Ihre kostbaren Nächte für sich.

    „Eine Hand wäscht die andere, nicht wahr?" Garniert durch das Haifischgrinsen auf Ryans Gesicht klangen die Worte in Alex’ Ohren verdächtig nach einem Bestechungsversuch. Ehe er sich versah, unterbreitete der Hausherr ihm dann auch schon weitere Anreize für ein Einlenken zu seinen Gunsten.

    „Natürlich werde ich mein Menschenmöglichstes tun, um Sie bei Ihrer Arbeit zu unterstützen. Im Erdgeschoss ist für Sie ein Raum eingerichtet worden. Sollte Ihr Aufenthalt längerer Natur sein, dürfen Sie jederzeit gerne eine Übernachtungsmöglichkeit im Club wahrnehmen; es gibt ausreichend Platz. Sehen Sie sich einfach als mein Gast ... Auch wenn Sie dann und wann einmal das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden möchten."

    Allein der Vorschlag zeugte von einer derartigen Respektlosigkeit, dass es Alex schnell hintereinander heiß und kalt wurde.

    „Danke für die Einladung, aber wir setzen auf eine schnelle Aufklärung des Falls. Und nichts läge mir ferner, als irgendwelche Dienste Ihres Hauses in Anspruch zu nehmen", fügte er so schnell hinzu, dass der Ausspruch nicht halb so bestimmt geriet, wie gewollt.

    „Ihre Zuversicht freut mich. Letztendlich wollen wir doch alle dasselbe: Die Show muss weitergehen." Ryans Augen blitzten vor Vergnügen und Alex war froh, dass Jerry eingriff, bevor er sich noch richtig mit dem Zuhälter anlegen konnte.

    „Um wieder auf Benjamin Miles zurückzukommen ... Ungeduldig tippte Jerry mit dem Kugelschreiber auf das halbleere Blatt Papier in seinem Block. „Können Sie uns noch irgendetwas zu seiner Person sagen? Sie werden ihn doch bestimmt ein wenig gekannt haben.

    „Warum sollte ich ihn denn bitte gekannt haben?"

    „Haben Sie ihn etwa nicht eingestellt?", fragte Jerry und setzte den Stift ab.

    „Das werde ich wohl getan haben."

    „Na also. Wo lebte er beispielsweise früher?"

    „Was weiß ich. Irgendwo", entgegnete Ryan einfallslos.

    Die beiden Polizisten sahen einander an und Alex versuchte es zur Beruhigung inzwischen schon mit Entspannungsatmung. Für die vollständige Übung fehlte allerdings die Zeit.

    „Ist er vielleicht mal von hier abgehauen?", zischte er mit der Restluft aus seiner Lunge. Dass er diese Möglichkeit offen ansprach, schien Ryan eindeutig zu missfallen. Sofort verkniff er das Gesicht.

    „Hätte er das, würde ich mich bestimmt besser an ihn erinnern. Es kommt äußerst selten vor, dass einer meiner Angestellten ... Wie sagen Sie? ... abhaut. Ich vergesse da kein Gesicht."

    „Sie wissen also rein gar nichts über den Jungen?"

    „Sehe ich aus wie die Auskunft?", blaffte Ryan und verschränkte demonstrativ die Arme.

    Alex platzte über so viel Desinteresse der Kragen.

    „Verdammt nochmal, wir reden hier über den Mord an einem Ihrer Schützlinge und nicht über irgendeinen kleinkriminellen Übergriff! Das geht auch Sie etwas an. Haben Sie denn keine Unterlagen über Miles hier? Ein Archiv über Ihre Beschäftigten vielleicht?"

    „Da wird sich bestimmt etwas finden lassen." Als Ryan hinter sich einen Schrank öffnete und lauter Dokumente zum Vorschein kamen, konnte Alex es nicht glauben.

    „Sind Sie noch bei Trost? Die ganze Zeit bitten wir Sie um Informationen und Sie sagen nicht, dass Sie sie sogar schriftlich haben?"

    Mit einem genüsslichen Ausdruck sank Ryan in sein Sesselkissen. „Nun, Sie haben nicht danach gefragt."

    3

    Eine geschlagene Stunde später befanden sie sich auf dem Weg hinab in die Eingangshalle. Freundlicherweise hatte Ryan Dawn schließlich eingewilligt, seine Mannschaft dort für eine erste Polizeidurchsage zusammenzutrommeln.

    In Alex wallte eine Nervosität auf, die er bereits gespürt hatte, als der neue Auftrag in ihrer Polizeistation eingegangen war. Er ließ es sich nicht anmerken, doch das Engegefühl in seiner Brust hatte ihn fest im Griff. Dabei hatte er sich im Vorfeld solche Mühe gegeben, sein Unbehagen gegenüber diesem Ort abzuschütteln. Aber es half nichts, für einen Rückzieher war es längst zu spät.

    Die letzten Meter schritt er still neben Jerry her. Als er den drachenförmigen Türknauf zum Foyer betätigte, hatte Alex das ungute Gefühl, ein Tor in die Vergangenheit zu öffnen.

    Kaum hatten sie die Halle betreten, empfing sie ein aufgeregtes Geschnatter. Wenn in einem Bienenstock herumgestochert wurde und ein Angehöriger des Arbeitervolkes zu Tode kam, war bekanntlich die Hölle los.

    Aus sicherer Entfernung überflog Alex die Gesichter. Und auf Anhieb stach er ihm ins Auge. Erst hielt er ihn für ein Mädchen. Der Junge stand dicht umringt von den anderen in der Mitte des Saals. Das weiche Licht umfloss golden die kleine Schauergestalt. Nachtschwarzes Haar brach in Zacken in die bleiche Stirn. Fast alle Vorzüge waren ästhetisch überformt: Die Augen geschminkt, der Mund gepierct, der Teint gepudert. Sofort erkannte er ihn als die Gestalt wieder, die ihre Ankunft vom Fenster aus wie so eine verfluchte Sirene beobachtet hatte.

    Instinktiv hielt Alex den Atem an, als der Jüngling den weißen Hals in seine Richtung drehte und ihn mit einem markdurchdringenden Blick ansah. Als hätte er gespürt, dass er beobachtet worden war. Ihre Augen begegneten sich fast greifbar in der Luft. Die Gesichtszüge des Jungen spannten sich und verzogen die feminin geschwungenen Lippen zu einem geringschätzigen Grinsen. Innerlich ging ein Ruck durch Alex, der dann auch äußerlich wurde, als sich jemand von hinten an ihn schmiegte. Widerstrebend brach er das Siegel ihrer Blicke.

    „Jess, was machst du denn hier?"

    „Störe ich?", gab Jessica zurück und nahm ihre Hände wieder weg. Verwirrt stellte Alex fest, dass sie tatsächlich störte.

    „Du gehörst noch nicht zum Kommissariat und wartest deshalb bitteschön draußen."

    Jessica lächelte erbost zurück, verließ aber wie gebeten das Feld.

    Jerrys amüsiertes Schmunzeln erwiderte Alex mit einem kleinlauten „Entschuldigung" und wies ihn an, endlich etwas gegen die penetrante Geräuschkulisse zu unternehmen.

    „Alle hergehört!", trompetete Jerry dann auch schon los. „Wie ihr inzwischen sicher mitbekommen habt, ist euer Kollege Benjamin Miles ermordet worden. Wir ermitteln in dem Fall und jeder Einzelne wird noch heute zur Vernehmung gebeten. Bis das Protokoll von jedem von euch aufgenommen wurde, verlässt niemand diesen Raum. Einer unserer Kollegen wird euch nun nacheinander alphabetisch in unser Sprechzimmer in Raum Nummer Null rufen. Ich wiederhole, niemand verlässt den Raum! Danke."

    Seine Stimme hatte das Gequassel wie eine Axt ein Stück Holz zerschlagen. Jedenfalls kurz, denn sobald er geendet hatte, fuhr der Lautstärkepegel wieder hoch.

    „Dann mal frisch ans Werk."

    Alex folgte ihm in Richtung Ausgang, konnte es aber nicht lassen, sich noch einmal nach der Stelle umzudrehen, auf welcher der sonderbare Junge gestanden hatte. Dieser war nun in Begleitung eines muskulösen Burschen, der einen guten Kopf größer war. Im Moment seiner Umschau grinsten beide Jungs zu ihm herüber, woraufhin der Größere loskasperte und die beiden offensichtlich über ihn auflachten.

    Aufgewühlt lief Alex durch die Tür. Doch selbst da klingelte das Gelächter noch in seinen Ohren wie tausend Säbel.

    „Wir beginnen mit Denniz Balduin. Balduin ins Zimmer Null!"

    4

    Beim Betreten des winzigen Raums, dessen Mobiliar ausschließlich aus einem Tisch mit drei Stühlen bestand, wusste er, dass er hier noch nie zuvor gewesen war. Was Midian bemerkenswert erschien, denn er hatte geglaubt, mittlerweile jeden Winkel im Dragon Cage zu kennen. Aber gut, in sämtliche Abstellkammern hatte er bislang noch nicht hineingeschaut. Schleichend trat er auf den Tisch zu, hinter dem die beiden Polizisten saßen und ihre Notizen sortierten.

    Alex blickte erst auf, als er das Quietschen der Stuhlbeine vernahm. Sein Herz begann wie auf Kommando schneller zu schlagen. Irritiert musste er feststellen, dass er sich die ganze Zeit schon auf diese Person gefreut hatte.

    Jetzt war er beunruhigt und erleichtert zugleich, dass seine Sinne ihm nicht nur einen Streich gespielt hatten, denn selbst von Nahem kam ihm der Junge wie ein unwirkliches Nachtgespenst vor: Hellhäutig, wie er war, mit stechend grünen Augen, die stärker und dunkler geschminkt waren als die eines Fotomodels. In dem Gesicht mit fein gezeichneter Nase und Mund fehlten eindeutige Merkmale des Maskulinen. Man brauchte notwendigerweise einen zweiten Blick. Der Trick war, dass es bereits zu spät war, war die Neugier erst geweckt. Dann achtete man nur noch auf seine Schönheit und Jugend und nicht mehr auf das Geschlecht.

    „Du heißt Midian Hill, ist das richtig?", überspielte Alex seine Aufregung mit geübter Professionalität. Das dunkle Grün blieb schmerzfrei an seinen Pupillen kleben.

    „Ja, das stimmt."

    Er hatte eine ausgesprochen schöne Stimme, angenehm, wenn auch eine solche Kälte darin mitschwang, dass sich Alex die Nackenhaare aufstellten.

    „Und du bist achtzehn Jahre alt?"

    Damit zählte er zu den Jüngsten. Das Schockierende war, dass er sogar noch jünger aussah. Ein Grinsen ging über das androgyne Gesicht und wieder fiel Alex der Silberring in seiner Unterlippe auf.

    „Praktisch Neunzehn. Warum? Hätten Sie’s lieber jünger?" Dass er mit ihm wie mit einem Kunden sprach, frappierte Alex enorm. Gründlich hustete er ab.

    „Gibt es etwas, das du uns über Benjamin Miles erzählen kannst?"

    Der Junge legte die Fingerspitzen wie zum Gebet aneinander und ließ das Kinn darauf sinken. Ein paar Sekunden verharrte er in dieser Position, dass sich Alex schon Hoffnungen auf eine ausgiebige Antwort machte. Umso enttäuschender war das Resultat.

    „Da gibt es nichts, nein."

    „Gar nichts? Wie war denn dein Verhältnis zu ihm?"

    Das Smaragdgrün verweilte kurz, aber merklich auf seinen Lippen, huschte dann wieder auf Augenhöhe. „Wir waren nicht gerade die besten Freunde, wenn Sie das meinen. Es gab öfters Streitigkeiten." Midians Blick war so hypnotisierend, dass es Alex fast unangenehm war.

    Jerry für seinen Teil schien jedoch unsensibel genug, um nichts von der Schwingung zwischen ihnen mitzubekommen.

    „Und worum ging es bei diesen Streitigkeiten?"

    „Ich weiß nicht mehr. Irgendwas eben."

    „Irgendwas, oho, lästerte Jerry. „Dann sag uns doch mal, wo du in der Nacht vom 16. auf den 17. April warst.

    „Stehe ich hier etwa unter Mordverdacht?"

    Auf der anderen Tischseite spannte Alex nachdrücklich die Stirnmuskeln an. „Würdest du bitte einfach auf die Frage antworten?"

    Midian fixierte ihn bloß feindselig. „Du sollst die Frage beantworten", mischte sich Jerry ein. Prompt und außerdem zum ersten Mal seit der Jugendliche Platz genommen hatte, sauste das diabolische Grün nun einmal quer zu dem zweiten Polizisten.

    „Was weiß ich. Ich schätze, ich habe geschlafen."

    „Alleine?" Kein gutes Stichwort, wie sich zeigte.

    „Ja, alleine!"

    „Schreibst du bitte auf: kein Alibi?, kommentierte Alex die Aussage mit Blick auf die Papiere. „Das wäre dann jetzt deine große Chance, dich zu verteidigen.

    „Ich war es nicht."

    An Popularität war die Aussage kaum zu überbieten. Aber Alex hatte sie selten dermaßen monoton vorgetragen bekommen. „Ziemlich dünn, was?, meinte er in Richtung seines Schriftführers. „Und du kannst dir auch absolut nicht vorstellen, was deinem Kollegen zugestoßen sein könnte? Gab es böses Blut? Hatte er irgendwelche Probleme?

    „Ich war nicht so besonders dicke mit ihm."

    „Mit anderen Worten: Du weißt es nicht."

    „Ich bin untröstlich, aber ja", säuselte Midian in vollendeter Gefühllosigkeit, was die Sympathiepunkte mehr und mehr ins rote Minus fallen ließ.

    Der Kleine war respektlos, ohne wirklich respektlos zu sein. Im Gegensatz zu seinen Kollegen zeigte er nicht ein Fitzelchen Engagement oder gar Rührung über den gewaltsamen Tod eines Menschen, der mit ihm unter einem Dach gelebt hatte. Was er hier zum Besten gab, war geradezu Negativwissen.

    Alex verstand ihn nicht. Wenn sich ein Ryan Dawn nicht für die Aufklärung am Mord eines seiner Stricher interessierte, war das eine Sache. Dass aber einer der Jungs ihm so deutlich zeigte, wie wenig ihn dieser Fall kümmerte, war in seinen Augen geradezu absurd.

    „Ich muss sagen, du weißt herzlich wenig über deinen Kollegen", konstatierte er laut.

    „Das sagte ich ja."

    „Na schön, schloss Jerry und blätterte sinnbildlich eine Seite in seinem Block vor. „Das soll es fürs Erste gewesen sein. Bei weiteren Fragen melden wir uns umgehend zurück. Während er seine Notizen neu ordnete, beugte sich Midian ein Stück zu Alex vor.

    „Kann es kaum erwarten." Giftgrün fixierten ihn seine Augen. Mit einem Augenzwinkern der unmissverständlichen Sorte erhob sich der Junge dann und verließ den Raum.

    Alex war sprachlos. Midian Hill. Irgendetwas sagte ihm, dass er sich den Namen noch würde merken müssen.

    5

    „Sorry für die Verspätung!"

    Pro forma gab Alex der Frau einen Kuss auf die Wange und gesellte sich zu ihr an den Tisch. Die Vernehmung des Personals hatte sich reichlich in die Länge gezogen. Bei den letzten Gesprächen hatte sein Magen lauter geknurrt, als die Befragten gesprochen hatten. In jedem Fall hatten sie den Redebedarf der Jungs unterschätzt, wenn auch die Hälfte der Beiträge eher einem Luftmachen von Panik gedient hatte, als hilfreich für ihre Ermittlungsarbeit zu sein. Aber Alex konnte ihnen die Besorgnis nicht verdenken.

    Jessica blickte ihn derweil erwartungsvoll an und fühlte sich durch sein anhaltendes Schweigen offenbar dazu animiert, sich nach dem Verlauf der Sitzung zu erkundigen.

    „Und? Was sagt das Bauchgefühl?"

    „Hunger", meinte Alex geistesabwesend, während er der Auslieferung eines opulenten Hamburgers zum Nachbartisch hinterher gierte.

    „Ich meinte eure Session mit den leichten Jungs. Schon jemanden im Visier?"

    Leichte Jungs? Sagt man das so?" Alex übertönte ihre Antwort, indem er den Kellner zu sich herwinkte und spontan das Gleiche wie sein Tischnachbar bestellte. Im Kopf spielte er Gesichterkarussell und blieb bei Midian hängen.

    „Wir haben da ein Herzchen gefunden, das garantiert noch Ärger machen wird."

    „Na ja, ist doch klar, dass die Jungs ihre Grenzen austesten wollen."

    „Der Kleine weiß nicht mal, was Grenzen sind", behauptete Alex.

    „Du bist einfach zu schnell erwachsen geworden. Sei nicht zu streng mit ihnen."

    „Streng?! Ich könnte schwören, dass der Bengel mich vorhin angeflirtet hat!"

    Jessica lachte daraufhin aus vollem Halse, was Alex noch mehr verstimmte. Instinktiv schaute er sich um, doch wider Erwarten feindete sie bislang keiner der anderen Gäste wegen Ruhestörung an.

    „Genieß es. Jessica lachte nur unwesentlich verhaltener. „Allzu oft wird man ja nicht von so jungen Dingern angemacht. Außerdem ist das doch sein Job.

    Ihr Einwand verstörte ihn ein wenig, schließlich war sie mit ihren sechsundzwanzig Jahren nur unwesentlich älter als die meisten Jungs im Dragon Cage und für ihn damit praktisch ein ebenso „junges Ding" wie Midian. Der Gedanke an ihren Altersunterschied von fast zehn Jahren hinterließ unter diesem Licht einen besonders herben Geschmack in seinem Mund. Umso glücklicher war er, als endlich sein Essen gebracht wurde.

    „Es kam mir mehr wie eine Drohung als ein Kompliment vor", erklärte Alex, während er dankend seine Bestellung entgegennahm.

    Jessica blickte ihn schief an. „Muss ich mir Sorgen machen?"

    „Quatsch, ich komm schon klar." Als er sich über seinen Burger hermachte, reichte sie ihm mit gezwungenem Lächeln eine Serviette.

    „Mach erst mal den Mund leer. Weiß man schon, was genau eigentlich vorgefallen ist?"

    Viel zu ausgehungert, um sich von ihr den Knigge erläutern zu lassen, steckte Alex das Papier nur ein und biss stattdessen so herzhaft in den Hamburger, dass er sich fast die Zunge daran verbrannte. Er nahm einen Schluck aus Jessicas Cola und schüttelte grinsend den Kopf.

    „Keine internen Infos für dich, bis du dein Examen hast."

    Auf sein Augenzwinkern erntete er ein beleidigtes Augenrollen. „Jetzt sei bitte nicht so."

    „Die Leiche wird noch obduziert. Mehr gibt es sowieso erst mal nicht."

    Jessica wirkte unzufrieden mit der Auskunft. Doch das hielt sie nicht davon ab, über die Hintergründe der Tat zu spekulieren. „Ach, ich wette, es war einer seiner Kollegen. Wie hoch ist noch gleich der Prozentsatz für so einen Mord aus Neid?"

    Während Alex den Rest seines Abendbrots herunterschluckte, hatte sie ihre Pommes frites noch nicht einmal angerührt. Eiserne Disziplin. Jessica gehörte zu jener Art von Frauen, die niemals, wirklich niemals, während eines Gesprächs aßen. Weil er das Elend

    Gefällt Ihnen die Vorschau?
    Seite 1 von 1