Der echte Jesus: Seine historischen Taten und Worte. Ein Lesebuch
Von Gerd Lüdemann
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Über dieses E-Book
In seinem großen analytischen Werk 'Jesus nach 2000 Jahren' legte Gerd Lüdemann vor mehr als einem Jahrzehnt den Stand der exegetischen Forschung zugrunde und fand nur wenige echte Jesustaten und -worte in den Evangelien.
Er präsentiert nun diese Minderheit der echten Taten und Worte Jesu in einem neuen, handlichen Buch, das sich auf einen breiten wissenschaftlichen Konsens berufen kann, und hofft, auf diese Weise dem Mann aus Nazareth historisch näher zu kommen.
Gerd Lüdemann
Gerd Lüdemann, Jahrgang 1946, ist Professor emeritus für Geschichte und Literatur des frühen Christentums an der Georg August Universität in Göttingen und Visiting Scholar an der Vanderbilt University in Nashville, Tennessee, USA. Er ist der Gründer des Archivs »Religionsgeschichtliche Schule« an der Theologischen Fakultät der Universität Göttingen. 1998 wurde ihm als ausgewiesenem Neutestamentler die Bezeichnung seines Lehrstuhls als Lehrstuhl für Neues Testament vom Präsidenten der Universität Göttingen als Folge der Beanstandung seiner Lehre durch die Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen verboten, weil er sich in seinen Veröffentlichungen und in seiner wissenschaftlichen Arbeit zu kritisch mit Fragen des evangelischen Bekenntnisses auseinandergesetzt hatte. Bei zu Klampen veröffentlichte er »Im Würgegriff der Kirche« (1998), »Jesus nach 2000 Jahren« (1999, 2004, 2012, 2014), »Das Unheilige in der Heiligen Schrift« (2001), »Paulus, der Gründer des Christentums« (2001, 2014), »Die Auferweckung Jesu von den Toten« (2002), »Die Intoleranz des Evangeliums« (2004), »Altes Testament und christliche Kirche« (2006, 2014), »Das Jesusbild des Papstes« (2007), »Der erfundene Jesus« (2008), »Jungfrauengeburt?« (2008), »Die ersten drei Jahre Christentum« (2009), »Die gröbste Fälschung des Neuen Testaments« (2010), »Wer war Jesus?« (2011), «Der große Betrug« (2011), »Der älteste christliche Text« (2011), »Der echte Jesus« (2013) und »Ketzer« (2016).
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Buchvorschau
Der echte Jesus - Gerd Lüdemann
Gerd Lüdemann
DER ECHTE JESUS
Seine historischen Taten und Worte
Ein Lesebuch
© 2013 zu Klampen Verlag · Röse 21 · D-31832 Springe
info@zuklampen.de · www.zuklampen.de
Umschlag: © Stefan Hilden, www.hildendesign.de
Motiv: Shutterstock.com
Satz: thielen VERLAGSBUERO, Hannover
1. digitale Auflage: Zeilenwert GmbH 2013
ISBN 9783866742949
Bibliografische Information Der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über ‹http://dnb.d-nb.de› abrufbar.
VORWORT
Die mythische Eschatologie ist im Grunde durch die einfache Tatsache erledigt, daß Christi Parusie nicht, wie das Neue Testament erwartet, alsbald stattgefunden hat, sondern daß die Weltgeschichte weiterlief und – wie jeder Zurechnungsfähige überzeugt ist – weiterlaufen wird.
RUDOLF BULTMANN
Neues Testament und Mythologie,
1941, S. 16.
Jesus von Nazareth ist für das christliche Abendland die zentrale Gestalt. Über ihn sind so viele Bücher geschrieben worden, dass diese ganze Bibliotheken füllen. Die meisten Jesus-Bücher sind jedoch nur von begrenztem Wert, da sie den österlichen Jesus mit dem geschichtlichen Jesus gleichsetzen und sich zugleich weigern, die historisch-kritische Methode in vollem Umfang anzuwenden.
Inzwischen ist sich die internationale kritische Forschung darin einig, dass die meisten Worte Jesu im Neuen Testament nachträgliche Zuschreibungen sind und das Gros seiner Taten Fiktionen. Doch eine kleine Zahl echter Taten und Worte Jesu bleibt. Ich habe sie in diesem Buch zusammengestellt und erläutert.
Walter Höfig hat das entstehende Manuskript gründlich durchgesehen. Dafür bin ich ihm sehr dankbar.
INHALT
Cover
Titel
Impressum
Vorwort
Einleitung
Sieben harte Fakten
ANFANG IN NAZARETH
1. Geburt
2. Familie und Beruf
ECHTE TATEN
1. Trennung von der Familie
2. Taufe durch Johannes
3. Exorzismen und andere Heilungen
EXKURS I: Jesus, der Dämonenbeschwörer, und die moderne Medizin
4. Sündenvergebung
5. Berufungen der ersten Jünger
6. Gründung des Zwölferkreises
7. Feiern statt Fasten
8. Mahlzeiten mit suspekten Personen
9. Jesus und die Frauen
10. Jesus im Tempel
EXKURS II: Jesus, Sohn des Ananias, und sein Namensvetter Jesus von Nazareth – Tempelkritiker im ersten Jahrhundert
ECHTE WORTE
1. Seligpreisungen
2. Gegenwart und Zukunft des Reiches Gottes in der Predigt Jesu
3. Gleichnisse
4. Der barmherzige Gott in der Verkündigung Jesu
5. Unmoralische Helden in den Erzählungen Jesu
6. Bitten, Beten und Glauben
7. Gesetzesverschärfung und Gesetzeskritik
8. Gerichtsworte
9. Verschiedene Sprüche
10. Todesprophetie?
AUSGANG IN JERUSALEM
1. Hinrichtung am Kreuz
2. Selbstbetrug der Jünger
Lebenslauf Jesu
Literatur
Texte
Der Autor
Anmerkungen
EINLEITUNG
Unzählige Christen haben sich im Verlauf der Kirchengeschichte auf Jesus berufen, ihm dabei aber nur ihre eigene Sicht untergeschoben. Dieses Urteil trifft bereits auf die vier Evangelisten »Matthäus« (= Mt), »Markus« (= Mk), »Lukas« (= Lk) und »Johannes« (= Joh) zu.
Es war daher an der Zeit, alle Evangelien aus der Frühzeit der Kirche Vers für Vers zu durchleuchten. Das habe ich gemeinsam mit zwei Mitarbeitern vor mehr als einem Jahrzehnt getan und die Ergebnisse in dem Werk »Jesus nach 2000 Jahren. Was er wirklich sagte und tat« ¹ vorgelegt. Dieses Buch enthält auf rund 900 Seiten hauptsächlich Exegesen von Texten, die neu übersetzt und nach den Regeln der historisch-kritischen Methode untersucht wurden. Das Hauptziel war, echt von unecht zu unterscheiden. Zu meinem Erstaunen fanden wir nur relativ wenige authentische Jesusworte und
-taten
.
Ich präsentiere diese relativ geringe Zahl der echten Taten und Worte Jesu in einem neuen handlicheren Buch, das auf dem wissenschaftlichen Minimalkonsens beruht. Ich habe ihm eine überarbeitete Kurzform der in Jesus 2000 durchgeführten Analysen hinzugefügt und mich bemüht, den Stoff verständlicher darzubieten. ² Dabei wurden Erkenntnisse, die ich inzwischen gewonnen habe, berücksichtigt.
Nach der Übersetzung ³ , in der Markierungen von Wörtern und Satzteilen bei der Textdurchdringung behilflich sind, gehe ich kurz auf Absicht und Traditionen des jeweiligen Textes ein und nenne anschließend die Tatsachen, die sich ihm entnehmen lassen.
Die Jesus 2000¹ - ² leitenden Methoden und Voraussetzungen gelten auch für das vorliegende Buch: Bezüglich des Verhältnisses der drei ältesten neutestamentlichen Evangelien zueinander setze ich eine modifizierte Zweiquellentheorie voraus. Ihr zufolge ist das Markusevangelium (= EvMk) das älteste erhaltene Evangelium und stammt ungefähr aus dem Jahre 70 n. Chr., das Matthäusevangelium (= EvMt) und das Lukasevangelium (= EvLk) bedienen sich etwa ein Vierteljahrhundert später unabhängig voneinander sowohl des EvMk als auch einer Redenquelle (= Q), die etwa genauso alt wie das EvMk sein dürfte, aber nicht erhalten ist. Darüber hinaus benutzen Mt und Lk Sonderüberlieferungen. ⁴
Das Thomasevangelium (= Ev Th) aus einem Fund antiker Handschriften bei Nag Hammadi (Oberägypten) im Dezember 1945 ⁵ spiegelt teilweise eine gegenüber den Evangelien des Neuen Testaments unabhängige Tradition wider und gehört daher zu den Quellen, die in die Analyse mit einzubeziehen sind. Sein Verfasser (= Th) ist uns ebenso wie die Autoren der vier Evangelien des Neuen Testaments unbekannt.
Das Johannesevangelium (= EvJoh) in seiner gegenwärtigen Gestalt stammt aus dem Anfang des 2. Jahrhunderts und setzt EvMt, EvMk und EvLk voraus, benutzt sie aber nicht direkt. Das EvJoh bleibt in dem vorliegenden Buch unberücksichtigt, weil echte Worte und Taten Jesu in diesem Evangelium allenfalls indirekt nachwirken. ⁶ Das Gleiche gilt für die nichtkanonischen Jesustraditionen, abgesehen vom Ev Th. ⁷
Kriterien der Echtheit von Jesustaten und
-worten
Ich erläutere nun Kriterien der Echtheit von Jesustaten und
-worten
in der Reihenfolge ihres Gewichts. In den Einzelanalysen sind die Abkürzungen für die ausschlaggebenden Kriterien angegeben.
Anstößigkeitskriterium (AK): Bezüglich der Taten gehört hierher Jesu Entschluss, sich von Johannes taufen zu lassen. Die Taufe Jesu war den Christen anstößig; sie missfiel ihnen und wurde von Anfang an auf verschiedene Weise umgebogen, vollständig verschwiegen oder von »Jesus« selbst zurückgewiesen. Es schien unvorstellbar, dass Jesus, der angeblich sündlos war, sich zur Vergebung der eigenen Sünden habe taufen lassen.
Im Hinblick auf die Worte zählen hierzu Jesu Gleichnisse, in denen »unmoralische Helden« ⁸ auftreten und als Vorbilder dienen: z. B. der Mann, der einen Schatz im Acker findet und diesen kauft, ohne seinen Fund zu melden ⁹ , oder der »ungerechte Verwalter«, der seinen Rechenschaft fordernden Herrn betrügt, um bei dessen Schuldnern Unterschlupf zu finden. ¹⁰
Magiekriterium (MK) ¹¹ : Magie ist die Fähigkeit, Umgang mit Dämonen zu haben, sie auszutreiben und sich bei der Heilung von Kranken übersinnlicher Kräfte zu bedienen. Dies geschieht durch Handauflegung, Gebrauch von Zauberworten, Auftragen von Speichel, durch Wahrsagen. Magie wird von der gegnerischen Seite oft als Zauberei denunziert. ¹² Ich setze voraus, dass Teile der angeführten magischen Züge auf Jesus zutreffen, und werde dies im Verlauf meiner Analysen weiter begründen.
Der Einsatz des MK orientiert sich an der Frage, in welchem Umfang ein Evangelium eine magische Praxis Jesu beschreibt und magische Worte von ihm wiedergibt. Faustregel: Je mehr magische Elemente vorhanden sind, desto größer ist die Nähe zum historischen Jesus; je mehr magische Taten und Worte fehlen, desto beträchtlicher ist der Abstand zum historischen Jesus.
Differenzkriterium (DK): Bei seiner Anwendung geht es um die Frage, ob in den nachösterlichen Gemeinden Taten und Worte »Jesu« entstanden sein können, die sich stark von den Taten und Worten des historischen Jesus unterscheiden. Bei einer Differenz zwischen Wort und Tun Jesu und Wort und Tun der Gemeinde kommt der historische Jesus als Urheber des jeweiligen Wortes bzw. der Tat in Betracht. Ein Beispiel ist Jesu Anweisung, nicht zu fasten, von der das Fasten der späteren Gemeinden abweicht. ¹³
Seltenheitskriterium (SK): Es bezieht sich auf diejenigen Worte und Taten, die nur wenige Parallelen im jüdischen Bereich haben. ¹⁴ So erscheint Jesu Gewissheit, dass der Satan bereits besiegt worden sei ¹⁵ , im Judentum sonst nicht.
Wachstumskriterium (WK): Die Endgestalt mancher Texte aus den Evangelien kann man mit einer Zwiebel vergleichen, von der sich eine Haut nach der anderen abziehen lässt. Je älter eine Texteinheit ist, desto stärker wird sie oft von jüngerer Tradition überlagert. ¹⁶ Beispiele dafür sind die ethischen Radikalismen der Bergpredigt. Dort ergänzen z. B. Anweisungen »Jesu« ¹⁷ das absolute Schwurverbot des historischen Jesus ¹⁸ und relativieren es deutlich.
Kohärenzkriterium (KK): Wenn sich aus einer bestimmten Aussage oder Aktion Jesu eine nahtlose Zuordnung zu anderen, sicher von ihm stammenden Taten oder Sprüchen ergibt, spricht dies für deren Echtheit.
Zu Beginn des Buches (»Anfang in Nazareth«) informiere ich über Geburt, Familie und Beruf Jesu, am Ende (»Ausgang in Jerusalem«) über Jesu Hinrichtung und die Reaktion der Jünger. Den letzteren Abschnitt habe ich hinzugefügt, weil wir Jesus ohne das »nachösterliche« missionarische Wirken seiner Jünger nicht kennen gelernt hätten. Abschnitte über Geburt und Tod Jesu rahmen so die Präsentation seiner echten Taten und Worte.
Den Jesuslogien der neutestamentlichen Evangelien liegen oft aramäische Originale zugrunde. ¹⁹ Ebenso ist das koptische Ev Th eine Übersetzung griechischer Sprüche, die