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Bankomat: Die Millionenverluste der Südtiroler Sparkasse
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eBook699 Seiten6 Stunden

Bankomat: Die Millionenverluste der Südtiroler Sparkasse

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Über dieses E-Book

Über eine halbe Milliarde Euro an Verlusten, der Wert der Aktien innerhalb weniger Jahre um zwei Drittel gesunken, der Dolomit-Investmentfonds ein Verlustgeschäft für die Anleger - die Südtiroler Sparkasse erscheint als Opfer der Wirtschaftskrise. Doch damit lassen sich die Millionenverluste nicht erklären. Sie sind das Ergebnis von Fehlentscheidungen, ignorierten Warnungen der Bankenaufsicht, faulen Krediten lokaler Unternehmen, Experimenten mit Immobilienfonds und einer ungezügelten Expansionspolitik. Und immer wieder taucht in den Berichten der Banca d'Italia das Wort "Interessenskonflikt" auf, das für viele in Südtirols Wirtschaft ein Fremdwort zu sein scheint.
SpracheDeutsch
HerausgeberEdition Raetia
Erscheinungsdatum12. Dez. 2015
ISBN9788872835609
Bankomat: Die Millionenverluste der Südtiroler Sparkasse

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    Buchvorschau

    Bankomat - Christoph Franceschini

    beschäftigen.

    Riservatissimo

    Das vernichtende Urteil der Banca d’Italia

    Verluste in Südtirol größer als in Norditalien

    Die Watsche sitzt. Als die Herren und die Dame der Banca d’Italia am 30. Juni 2015 kurz nach 17 Uhr den Hauptsitz der Sparkasse verlassen, um noch den Zug nach Rom zu schaffen, sitzt man im Verwaltungsrat noch fast eine Stunde lang zusammen. Die Stimmung unter den zwölf Anwesenden erinnert an ein Begräbnis.

    Gerhard Brandstätter, Carlo Costa, Nicola Calabrò, Marco Carlini, Sieglinde Fink, Stephan Jäger, Hans Krapf, Katrin Rieper, Klaus Vanzi und die Aufsichtsräte Martha Florian von Call, Massimo Biasin und Walter Schweigkofler sitzen an diesem Nachmittag wie begossene Pudel da. Fast drei Stunden lang haben die hohen Vertreter der Bankenaufsicht und die Spitze des Bozner Banca-d’Italia-Sitzes damit verbracht, dem Verwaltungs- und Aufsichtsrat der Sparkasse ein Zeugnis zu überreichen, das vernichtender kaum hätte sein können.

    Dass mit Ciro Vacca an diesem Nachmittag auch der Leiter des Inspektions- und Prüfdienstes der römischen Bankenaufsicht in die Sparkasse kommt, zeigt, wie ernst man in Rom die Situation rund um die Südtiroler Traditionsbank sieht. Vacca und die Chefinspektorin der Banca d’Italia, Maria Carla Malinconico, stellen dem Verwaltungsrat einen 13 Seiten langen Bericht vor, der die Geschicke der Sparkasse noch lange beeinflussen wird.

    Fünf Monate lang, vom 8. Oktober 2014 bis zum 6. März 2015, haben acht Inspektoren der Banca d’Italia die Sparkasse auf Herz und Nieren geprüft. Es gibt kaum einen Kreditakt, den die Abgesandten der Bankenaufsicht nicht unter die Lupe genommen haben. Dazu hat man alle Abteilungen und Bereiche der Bank auf den Kopf gestellt und analysiert.

    Die Ergebnisse der Inspektion werden in 15 sogenannten „Beanstandungen" im Abschlussbericht der Bankenaufsicht beschrieben, der an jenem Nachmittag Gerhard Brandstätter & Co vorgelesen und überreicht wird.

    Was sich die Führung der Südtiroler Bank dabei anhören muss, ist der eindeutig schärfste und härteste Bericht, den die römische Bankenaufsicht jemals einer größeren Südtiroler Bank zugestellt hat. Der Bericht ist dabei nur das Vorspiel für Verwaltungsstrafen in Millionenhöhe gegen die früheren Verwaltungs- und Aufsichtsräte, die noch folgen werden.

    Vor allem aber ist der Bericht ein Logbuch der Misswirtschaft und des völligen Versagens der Sparkassenführung in den Jahren zwischen 2009 und 2014. Die Situationsbeschreibung der Bank ist erschreckend, die Eigenständigkeit scheint ernsthaft gefährdet zu sein.

    Note 5 – Vorwiegend negativ

    Als Aufsichtsbehörde prüft die Banca d’Italia periodisch die italienischen Banken und gibt bei solchen Inspektionen am Ende eine Bewertung ab. Die Bewertungsskala erinnert an Schulnoten und reicht von 1 bis 6, wobei 1 „positiv" (favorevole), 2 „vorwiegend positiv" (in prevalenza favorevole), 3 „teilweise positiv" (parzialmente favorevole), 4 „teilweise negativ" (parzialmente sfavorevole), 5 „vorwiegend negativ" (in prevalenza sfavorevole) und 6 „negativ" (sfavorevole) bedeutet.

    Die Prüfung endet für die Sparkasse mit der Note 5. Weiß man, dass die Bewertung 6 automatisch die Ernennung eines Kommissars nach sich zieht, dann wird klar, wie ernst es um die Sparkasse bestellt ist. Bereits in den ersten Zeilen des Berichts heißt es:

    „Die Prüfung wurde mit dem Ergebnis vorwiegend negativ [im Original: in prevalenza sfavorevole] abgeschlossen. Dieses Ergebnis ist auf das hohe Kreditrisiko und auf die daraus folgenden Auswirkungen auf die wirtschaftliche und Vermögenssituation der Bank zurückzuführen, aber auch im Kontext einer unangemessenen Führung der Gruppe zu sehen."

    Weil die Banca d’Italia formal die Sparkasse sowie deren Tochterunternehmen – die Raetia SGR und die Sparim AG – prüft, ist im Abschlussbericht immer wieder von der Gruppe Sparkasse die Rede. Gemeint ist damit aber vorwiegend die Bank. Im Bericht wird die schwerwiegende Situation der Sparkasse sehr nüchtern wie folgt zusammengefasst:

    „Die Gruppe Südtiroler Sparkasse ist gekennzeichnet durch das hohe Risiko, das auf den Ausleihungen (Kreditkosten 2014: 336 Millionen Euro) und auf der sich in der freiwilligen Liquidation befindlichen Raetia SGR lastet (Verlust 2014: 22 Millionen Euro). Diese Situation hat aufgrund dieser erheblichen Abweichungen, die im Laufe der Prüfung zu Tage kamen, schwerwiegende Auswirkungen auf die bereits fragile wirtschaftliche Tragfähigkeit der Bank. Die Verluste der letzten zwei Jahre (38 bzw. 232 Millionen in den Jahren 2013 und 2014) haben das zuvor robuste Reinvermögen um ein Drittel reduziert. […]

    In der Folge ist die Umsetzung der Kapitalerhöhung um 270 Millionen Euro entscheidend, die im März 2015 beschlossen wurde. Der Hauptaktionär, die gleichnamige Stiftung, hat seine Beteiligung dabei bereits formell zugesichert und am 28.4.2015 die Summe von 120 Millionen Euro für die ‚zukünftige Kapitalerhöhung‘ überwiesen.

    In der Tat wird sich die Bankengruppe in absehbarer Zeit nicht auf die Eigenfinanzierung verlassen können, denn es bestehen strenge Auflagen zur Bereinigung der Aktiva […] und hohe operative Kosten, die nur zum Teil gesenkt werden können. Zudem sind die Muttergesellschaft und die Raetia hohen Prozessrisiken und auch Schäden ihres Ansehens ausgesetzt, die in den folgenden Beanstandungen noch genauer beschrieben werden."

    Im Bericht der Banca d’Italia werden dann detailliert mehrere Verstöße gegen gesetzliche Bankenbestimmungen beschrieben. Dabei geht es sowohl um die Sparkassentochter Raetia SGR – eine Fondsverwaltungsgesellschaft, von der in diesem Buch noch ausführlich die Rede sein wird, – wie auch um unterlassene Meldungen zu Finanzoperationen, die das aufsichtsrechtliche Kernkapital (patrimonio di vigilanza) der Bank betreffen. Der härteste Brocken kommt aber in den Beanstandungen unter dem Titel „Führung und Kontrolle der Gruppe":

    „Der Verwaltungsrat der Sparkasse, wie er bis April 2014 zusammengesetzt war, hat nicht in angemessener Weise die Risiken überwacht, die vor allem im Kreditbereich durch ein Verhalten entstanden sind, das von falsch verstandenem Willen zur Stärkung des Einzugsgebietes geleitet war. Zudem hat der Verwaltungsrat die Rechtmäßigkeit der operativen Tätigkeit in den Tochterunternehmen nur in eingeschränktem Maße überwacht.

    Das Fehlen von gemeinsamen Entscheidungsprozessen, die mangelnde Unabhängigkeit des Aufsichtsrates und die Unzulänglichkeit der Geschäftsführung haben sich auf diese Mängel in der Unternehmensführung erschwerend ausgewirkt.

    Bericht der Banca d’Italia, Deckblatt: Fünf Monate lang geprüft

    Das derzeit hohe Risikoniveau ist die Folge einer Kreditpolitik, die auf einer bedingungslosen Unterstützung von Vorhaben einiger großer lokaler Kreditnehmer fußt, selbst wenn diese reine Spekulationsgeschäfte oder nicht kreditwürdig waren und sich sehr häufig als Verlustgeschäft entpuppt haben. Dazu kommen Fehlentscheidungen bei der Kreditvergabe in den neuen Expansionsgebieten sowie eine Konzentration in Richtung Immobilien- und Gastgewerbesektor."

    Die Inspektion der Banca d’Italia im Winter 2014/15 ist die dritte Prüfung innerhalb der letzten vier Jahre. Die Bankenaufsicht hat die Sparkasse bereits vom 11. Jänner bis zum 27. Mai 2011 geprüft. Vom 13. Juni bis zum 2. September 2011 wurde die Sparkassentochter Raetia SGR unter die Lupe genommen und vom 3. Dezember 2012 bis zum 8. März 2013 wiederum die Sparkasse. Alle drei Prüfungen enden mit demselben Ergebnis: „teilweise negativ". Note 4.

    Im aktuellen Abschlussbericht werden immer wieder Verfehlungen und Mängel angeführt, die die Inspektoren bereits bei ihren vorangegangenen Prüfungen angeprangert haben. Die Sparkassenführung hat es aber anscheinend nicht der Mühe wert befunden, darauf angemessen zu reagieren.

    „Trotz der Aufforderungen der Bankenaufsicht und der Verhängung von Verwaltungsstrafen hat der frühere Verwaltungsrat lange Zeit die Aufdeckung der negativen Auswirkungen dieser Ausrichtung verschleppt und dadurch die Folgen noch zusätzlich verstärkt. Als Beispiel für diese zögerliche Haltung kann die mehrmals angekündigte Vorgabe angeführt werden, die branchenmäßige Konzentration [der Kredite – Anm. d. Autors] zu verringern sowie die unsachgemäße Zuerkennung einer geringeren Risikoklasse bei Krediten, die in Südtirol vergeben werden, abzuschaffen."

    Weite Teile des Prüfberichtes beziehen sich auf die mangelnden internen Kontrollen und die Unangemessenheit der Kontrollsysteme innerhalb der Sparkasse. So heißt es:

    „Auch hier ist die Beseitigung der Mängel noch nicht abgeschlossen, die bei den vorangegangenen Inspektionen festgestellt worden sind. […] Das interne Kontrollsystem der Gruppe weist eine verzweigte Struktur auf, die für die Größe des Unternehmens unangemessen ist und keineswegs klar die Aufgaben und Verantwortungsbereiche festlegt."

    Sein Fett bekommt auch der frühere Aufsichtsrat der Bank ab. Im Bericht heißt es:

    „Das ist der Beweis der geringen Durchsetzungskraft des früheren Aufsichtsrates."

    Nachlässige Kreditpolitik

    Bis heute hält sich in Südtirol eine Lesart: Der Hauptgrund für den bisherigen Verlust von 365 Millionen Euro seien die riesigen Kreditausfälle in den neuen Expansionsgebieten in Norditalien. Auch die aktuelle Sparkassenführung hält an dieser Interpretation des finanziellen Abstiegs fest. In Wirklichkeit ist das aber eine Mär. Denn die Banca d’Italia kommt im Inspektionsbericht zu einem anderen Schluss:

    „Aus den Erhebungen der Inspektoren ist jedoch hervorgegangen, dass der Grad der Unregelmäßigkeiten bei den Krediten [in Südtirol – Anm. d. Autors] jenem in den Expansionsgebieten entspricht; was das Gebiet Bozen betrifft, ist er sogar noch höher als der Unternehmensdurchschnitt (27 Prozent gegen 22,35 Prozent am 31.12.2014)."

    Die Bankenaufsicht führt dann aus, dass die größten Kreditverluste in Südtirol bei Dutzenden Großkunden entstanden sind, die zum Teil rund um den damaligen Verwaltungsrat angesiedelt waren. Im Bankenjargon spricht man von „verbundenen Subjekten" (soggetti collegati):

    „Insbesondere hat die Sparkasse eine übertrieben nachlässige Kreditpolitik gegenüber Kunden betrieben, die besonderes Ansehen genießen, vor allem in ihrem traditionellen Einzugsgebiet. Die Bank hat dabei auch Kredite für Operationen vergeben, bei denen die wirtschaftliche Zielsetzung nicht bekannt war, zum Beispiel als reine Unterstützungsmaßnahme innerhalb einer Unternehmensgruppe […] oder als Finanzierung anderer gegenseitiger Verpflichtungen zwischen geschäftlich verbundenen Unternehmen. […] In einigen Fällen sind die Kredite trotz negativer Gutachten der internen Abteilungen vergeben worden, ohne dafür eine Begründung anzuführen, oder für Vorhaben, denen die Grundvoraussetzungen – wie Genehmigungen und Ermächtigungen vonseiten der öffentlichen Verwaltung – fehlten. […] Häufig sind auch Finanzierungen gewährt worden, die sich ausschließlich auf die Existenz von Sicherstellungen stützen. […] In Wirklichkeit hat die Sparkasse in vielen Fällen das Risiko dieser Operationen nahezu vollständig übernommen."

    Bericht der Banca d’Italia: „Unzulänglichkeiten der Geschäftsführung"

    Im Prüfbericht werden weitere Geschäftspraktiken bei der Kreditvergabe der Sparkasse angeführt, die nach Ansicht der Bankenaufsicht klar gegen die Bestimmungen einer ordentlichen Kreditpolitik verstoßen. Die Banca d’Italia wirft der Sparkasse bei der Kreditvergabe Folgendes vor:

    •Die Sparkasse habe moral hazard gefördert. Darunter versteht man, dass Institutionen Akteuren Anreize dafür bieten, sich leichtsinnig und verantwortungslos zu verhalten, etwa durch unbegründete Erleichterungen bei der Kreditvergabe.

    •die mehrmalige Anwendung von Konsolidierungsmaßnahmen bei überzogenen Kreditpositionen

    •die Genehmigung wiederholter Fristverlängerungen und Stundungen

    •die Freistellung von hypothekarischen Sicherstellungen

    •rückwirkende Verlängerungen des Zeitraums, in dem nur Zinsen, aber noch keine Kapitalbeiträge zurückfließen

    •stillschweigende Einwilligung bei der Vorschiebung von Strohmännern.

    Die Bankenaufsicht führt zu all diesen Vorwürfen im Bericht auch Unternehmensnamen an und die Summen, die die Sparkasse dabei verloren hat. Diese Liste liest sich wie ein Who is Who der Südtiroler Wirtschaft – vor allem der Immobilienbranche.

    Dieser Bericht der Banca d’Italia ist der sogenannte offene Bericht (Rapporto aperto). Er wird an jenem 30. Juni 2015 von der Chefinspektorin Maria Carla Malinconico dem Sparkassenverwaltungsrat vorgelesen und am Ende formell übergeben. Die Sparkasse ist verpflichtet, den Bericht wenige Tage später 19 namentlich genannten Personen zuzustellen.

    Es sind dies der ehemalige Präsident der Sparkasse Norbert Plattner, dessen Stellvertreter Enrico Valentinelli sowie die ehemaligen Verwaltungsräte Heinrich Dorfer, Andreas Sanoner, Walter Ausserhofer, Siegfried Zwick, Alberto Zocchi, Werner Schönhuber, Anton Seeber, Mauro Pellegrini, Maria Niederstätter, Marina La Vella, Hans Peter Leiter, Helmut Gschnell und Gerhard Gruber.

    Dieselbe unerfreuliche Post erhalten auch die Mitglieder des früheren Aufsichtsrates der Sparkasse Peter Gliera, Andrea Maria Nesler und Heinrich Müller sowie der frühere Generaldirektor Peter Schedl. Laut Bankenrecht haben alle Adressaten 30 Tage Zeit, nach der Zustellung eine Anhörung bei der Bankenaufsicht zu beantragen und einen Verteidigungsschriftsatz zu hinterlegen. Von diesem Recht haben alle Angeführten auch Gebrauch gemacht.

    Die Banca d’Italia muss danach das Sanktionsverfahren innerhalb von 240 Tagen abschließen. Das heißt: Spätestens im Frühsommer 2016 wird man wissen, wie hoch die Verwaltungsstrafen der Banca d’Italia ausfallen werden.

    Der vertrauliche Teil

    Der hier wiedergegebene Inspektionsbericht der Banca d’Italia ist in Wirklichkeit aber nur eine Zusammenfassung des eigentlichen Erhebungsberichtes.

    Der vertrauliche Teil des Berichtes mit dem Titel „Riferimenti riservati" (Vertrauliche Hinweise) ist 40 Seiten lang und gibt bis ins kleinste Detail die Ergebnisse und Erkenntnisse der Bankenprüfung wieder.

    Neben der inhaltlichen Vertiefung gibt es einen formalen Unterschied zu jenem Bericht, der im Verwaltungsrat verlesen wurde. In diesem Bericht fehlt jene diplomatische Sprache und Ausdrucksweise, die die Banca d’Italia staatstragend im offenen Bericht so gerne verwendet.

    Im vertraulichen Bericht nimmt man kein Blatt vor den Mund. So lautet die vernichtende Beschreibung der Situation in der Sparkasse:

    „Die zentrale Rolle der Figur des früheren Präsidenten Dr. Plattner ging einher mit der Schwäche der Kontrollstellen und dem bescheidenen Ansehen [im Original: autorevolezza] der Exponenten an der Unternehmensspitze (die zu Beginn der Inspektion entlassen wurden), die die Erhöhung des Risikos nicht wahrgenommen haben. Trotz der wiederholten Mahnungen des Aufsichtsrates haben diese Vertreter des Unternehmens die kritische Situation der Gruppe unterschätzt und ihre Probleme fälschlicherweise auf den Einfluss der Wirtschaftskrise und auf zwei strategische Entscheidungen in der Vergangenheit abgewälzt: die zu Beginn der Krise im Jahr 2008 begonnene Expansion in Gebiete abseits des historischen Einzugsgebietes und die gravierende Konzentration auf den Immobilien- und Gastgewerbe-Sektor, miteingeschlossen elf Immobilienfonds und deren jeweilige Anteilsinhaber.

    In Wirklichkeit sind die aktuellen Verluste aber auch auf die genannten Fehlleitungen in der Kreditpolitik und das zögerliche Verhalten des früheren Verwaltungsrates zurückzuführen, der es verabsäumt hat, geeignete Maßnahmen zur Überwindung der kritischen Situation zu setzen und damit die Aufdeckung der negativen Auswirkungen der Kredite verschleppt hat."

    Im Bericht werden die aktuellen Organe ebenso wie die 2014 aus dem Amt geschiedenen Verwalter der Sparkasse genau analysiert. Während der amtierende Verwaltungsrat um Gerhard Brandstätter dabei auch mit Vorschusslorbeeren bedacht wird, geht man vor allem mit dem früheren Verwaltungsrat und mit Ex-Präsident Norbert Plattner hart ins Gericht.

    Die Banca d’Italia schreibt, dass der Verwaltungsrat der Bank traditionell der Ausdruck der Hauptaktionäre der Stiftung und damit der lokalen Südtiroler Wirtschaft ist:

    „In seiner früheren Zusammensetzung war dieses Gremium aber durch die bestimmende Rolle des Präsidenten Norbert Plattner charakterisiert, der die Geschäfte der Bank stark lenkte."

    Im Herbst 2014 entlässt der neue Verwaltungsrat der Sparkasse völlig überraschend Generaldirektor Peter Schedl und dessen Stellvertreter Andrea Brillo. Die Banca d’Italia stellt beiden kein besonders gutes Zeugnis aus:

    „Der ausgeschiedene Generaldirektor Dr. Peter Schedl, auf den Vertrieb orientiert, hat weder die wachsende Komplexität der Gruppe angemessen verwaltet noch das Risikoprofil korrekt erkannt. Er hat es völlig unterlassen, die Tätigkeiten der Raetia im Auge zu behalten. Er hat die Suche nach einem gemeinsamen Nenner mit der alles einnehmenden Figur des Ex-Präsidenten seiner eigentlichen Aufgabe, dem Verwaltungsrat Anregungen und technische Unterstützung zu geben, vorgezogen. Dr. Schedl hat sich dadurch in eine geschwächte Rolle hineinmanövriert, während gleichzeitig andere Figuren aus dem Unternehmen einen direkten Zugang zum Verwaltungsrat genossen. Das ist der Fall beim Finanzdirektor Dr. Sergio Lovecchio und beim ehemaligen Vizegeneraldirektor Andrea Brillo, der Vertrauensperson des früheren Verwaltungsrates im Immobilienbereich und Bindeglied zu den Tochtergesellschaften Sparim und Raetia (im zweiten Unternehmen zusammen mit Dr. Lovecchio).

    Die Schaffung unzähliger Kollegialorgane auf Rats- und Geschäftsführungsebene hat zu einer verschwommenen Verteilung der Verantwortlichkeiten beigetragen. Diese Struktur war völlig ungeeignet, ein Machtgleichgewicht zwischen der Geschäftsführung und einem Verwaltungsrat zu schaffen, der geschlossen hinter den Vorgaben seines Präsidenten stand."

    Sergio Lovecchio ist heute noch Finanzchef der Sparkasse. Die Bankenaufsicht kritisiert aber auch die Organisation und die Struktur der Bank. Der Vorwurf: Schedl & Co haben zu viel auf Marketing und Verkauf und viel zu wenig auf Kontrolle geachtet:

    „Die Verteilung der Ressourcen zwischen den verschiedenen Aufgabenbereichen spiegelt den Schwerpunkt wider, den die frühere Leitung auf die Öffentlichkeitsarbeit legte (bezeichnend dafür ist die Zuteilung von neun Personen an die Abteilung Marketing im Vergleich zu vier Personen in der Kreditüberwachung)."

    Offen beanstandet wird aber auch, dass führenden Funktionären der Sparkasse später noch Kontrollfunktionen übertragen wurden, als abnorme Kreditoperationen, in die genau diese Funktionäre verwickelt waren, bereits zu beträchtlichen Verlusten geführt hatten. Im Bericht werden dabei konkret die Namen von drei leitenden Sparkassenfunktionären genannt.

    Missverstandener Lokalpatriotismus

    Besonders ausführlich analysieren die Inspektoren im Bericht das Kreditportefeuille der Sparkasse und das daraus erwachsende Risiko. Zur Berechnung haben die Inspektoren 38 Prozent aller Kreditakten begutachtet.

    Die Analyse der Bankenprüfer macht in nüchternen Zahlen deutlich, dass die Situation der Sparkasse weit problematischer ist als bisher bekannt. Ende 2014 hat die Sparkasse insgesamt Kredite in der Höhe von 6.461.620.000 Euro vergeben. 22,35 Prozent dieser Gesamtkreditsumme sind durch „abnorme Vorgänge gekennzeichnet. Das heißt: Die Einstufung dieser Kredite hat sich verschlechtert. Es geht hier um eine Summe von 1,443 Milliarden Euro. 14,77 Prozent der Gesamtkredite führt die Banca d’Italia in ihrem Bericht als „notleidende Positionen („sofferenze") an. Das sind 954.200.000 Euro. Die Profis der Staatsbank haben errechnet, dass 10,1 Prozent der Kredite am Ende als Verlust enden dürften. Im Bericht steht hinter der Position „voraussichtliche Verluste" 648.024.000 Euro. Weil diese Berechnung auf international erprobten Parametern fußt, kann die Prognose durchaus als realistisch gelten.

    Damit stellt sich aber eine Frage: Hat die Sparkasse diese Verluste in ihren Bilanzen bereits zur Gänze ausgewiesen? Oder muss man in den nächsten Jahren mit weiteren Millionenverlusten rechnen?

    Tatsache ist, dass die Sparkasse in ihrer Bilanz 2013 128,8 Millionen und 2014 343,9 Millionen Euro für die Absicherung möglicher Kreditausfälle zurückgestellt hat. Rechnet man auch die Rückstellungen aus dem Geschäftsjahr 2012 von 76,3 Millionen hinzu, kommt man auf insgesamt 549 Millionen Euro. Das heißt: Es fehlen immer noch rund 100 Millionen Euro.

    Schreiben der Bankenaufsicht: „Folge der unzureichenden Kontrolltätigkeit"

    Im Bericht wird auch herausgearbeitet, aus welchen Bereichen die größten Ausfälle stammen. 26 Prozent der Kredite wurden im Bau- und Immobiliensektor vergeben. Rechnet man die Kredite aus dem Gastgewerbe dazu, so sind über ein Drittel (36 Prozent) der Gesamtkreditsumme allein diesen zwei Wirtschaftsbereichen zuzurechnen. Die Situation von 51 Prozent dieser Kredite in diesem Bereich hat sich in den vergangenen Jahren verschlechtert.

    Die geografische Zuordnung der Ausfälle zeigt jedoch ein anderes Bild, als man öffentlich vorzeigt: 49 Prozent der Kredite, die sich verschlechtert haben, wurden in Südtirol vergeben. Zum Vergleich: In den Expansionsgebieten von Verona, Vicenza, Treviso sind es 28 Prozent und in den Provinzen Trient und Belluno nur 23 Prozent.

    Die Hauptgründe für diese massiven Kreditausfälle werden im vertraulichen Teil weit schonungsloser beschrieben als in jenem Bericht, der in der Sparkasse vorgelesen wurde:

    „Die Konzentration auf den Immobilien- und Gastgewerbesektor lag zum Teil an Geschäftspraktiken, die nicht den Grundsätzen einer umsichtigen Geschäftsführung entsprachen und einem fehlgeleiteten Lokalpatriotismus [im Original: malinteso localismo] dienten. Dieser äußerte sich in der unkritischen Unterstützung von Immobilienprojekten (oft reine Spekulationsgeschäfte), die von einigen historischen Klienten vorangetrieben werden, die dabei häufig in Partnerschaft miteinander agieren. Vor diesem Hintergrund war die Rolle der technischen Struktur [in der Bank – Anm. d. Autors] als Gegengewicht völlig wirkungslos. Sie hatte eine bescheidene Autorität und ihr kritischer Beitrag war völlig unzureichend. Die Größenordnung, die die Schulden dieser Unternehmensgruppen erreicht haben, und die kritischen Punkte bei der Gewährung dieser Kredite haben mit der Zeit die Verstrickung der Bank verstärkt, weil diese lange Zeit versucht hat, die Ausweisung der Verluste aufzuschieben."

    An mehreren Stellen des 40-seitigen Berichts werden entweder in Klammer oder in Fußnoten die Namen der Südtiroler Unternehmen angegeben, die gemeint sind, dazu deren ausständige Rückzahlungen an die Sparkasse.

    Bezeichnend dabei ist, dass es sich bei den Unternehmen vorwiegend um Firmen handelt, die in Geschäfts- oder persönlichen Beziehungen zu Mitgliedern des ehemaligen Verwaltungs- und Aufsichtsrates der Sparkasse oder zu den Gremien der Stiftung stehen.

    Das Schreiben

    Zu jeder Inspektion, bei der gröbere Verstöße oder Missstände zutage kommen, gehört ein direktes Schreiben der Spitze der Banca d’Italia an den Präsidenten der betroffenen Bank. So wird am 24. Juni 2015 an Gerhard Brandstätter ein Schreiben übermittelt, das nicht nur vom Leiter des Inspektionsdienstes der Banca d’Italia Ciro Vacca, sondern auch von dessen direktem Vorgesetzten und Chef der Bankenaufsicht Carmelo Barbagallo unterzeichnet ist.

    In dem acht Seiten langen Schreiben, das mit „Riservatissimo" (höchste Vertraulichkeit) gekennzeichnet ist, wird die kritische Situation der Sparkasse noch einmal zusammengefasst. Zudem beschäftigt sich die Bankenaufsicht auch kritisch mit der Rolle der Stiftung:

    „Auch als Folge der unzureichenden Kontrolltätigkeit vonseiten des Mehrheitsaktionärs, der gleichnamigen Stiftung, war die Bankenführung durch ein mangelndes Machtgleichgewicht zwischen den Gesellschaftsorganen gekennzeichnet."

    Vor allem aber erhebt die Bankenaufsicht eine Reihe von klaren Forderungen und Bedingungen, die die Sparkasse erfüllen muss, um wieder auf die Beine zu kommen. Die erste Voraussetzung ist die Kapitalerhöhung, die um die 270 Millionen Euro betragen und noch im Dezember 2015 abgeschlossen werden soll. Damit aber ist es noch lange nicht getan. Carmello Barbagallo und Ciro Vacca schreiben:

    „Die Operation zur Stärkung des Eigenkapitals ist zwar ein wichtiger und unerlässlicher Schritt für die Sanierung und den wirtschaftlichen Neubeginn, aber allein noch nicht entscheidend. Denn es bestehen immer noch andere Schwächefaktoren (hoher Immobilitätsgrad der Aktiva, starke Konzentration der Kredite im Immobiliensektor, hohe Kosten, beträchtliche rechtliche Risiken im Zusammenhang mit der Unternehmenstochter Raetia SGR)."

    Der Brief endet mit einer klaren Weisung:

    „Die Bankenaufsicht erwartet sich, dass der Weg der Sanierung und des Neubeginns der Südtiroler Bankengruppe im Zeichen eines deutlichen Bruchs mit der jüngsten Vergangenheit erfolgt, und man gleichzeitig die Möglichkeit eines Zusammengehens mit Bankpartnern von angemessenem Standing prüft. Dies auch in Anbetracht einer Markt- und Gesetzeslage, die sich immer stärker verändert und die Weiterführung der Sparkasse als „stand alone"-Bank [im Original: Cassa „stand alone"] schwierig machen kann."

    Spätestens nach diesem Passus wird klar, dass es mit der Eigenständigkeit der Südtiroler Sparkasse in Zukunft vorbei sein könnte. In welche Richtung die Reise der Südtiroler Traditionsbank dabei geht, ist heute noch nicht klar.

    Eine Frage muss man aber auf jeden Fall stellen: Wie kann eine Bank, die 2016 165 Jahre alt wird und bisher als wirtschaftliches Schmuckstück Südtirols betrachtet wurde, die jahrzehntelang wie eine Schweizer Uhr fast von alleine gelaufen ist und jährlich Millionengewinne eingefahren hat, so weit (herunter-)kommen?

    Um Antworten auf diese Frage zu finden, wollen wir ganz am Anfang beginnen.

    Sieben fleißige Bienen

    Die Geschichte der Südtiroler Sparkasse

    Stiftung, Bank und Aktienausgabe

    Die Geschichte der Südtiroler Sparkasse beginnt indirekt in Wien. 1819 wird in der österreichischen Kaiserstadt auf Betreiben des Innenministers Franz Graf von Saurau und des Pfarrers Johann Baptist Weber die Erste Österreichische Spar-Casse gegründet. Die Träger sind eine Reihe von angesehenen Wiener Bürgern, die für die Bank persönlich haften.

    Die Gründung der Sparkasse geht auf einen ebenso wohltätigen wie wirtschaftlichen Grundgedanken zurück. Zum einen soll den weniger begüterten Bevölkerungsschichten ein Anreiz geboten werden, für ihre Zukunft finanziell vorzusorgen, und zum anderen sollen die eingebrachten Gelder der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklung der Allgemeinheit zugutekommen.

    Der Sparkassengedanke wird als Sozialmaßnahme vor allem vom österreichischen Staat gefördert. Weil der Staat nicht direkt als Träger auftreten will, setzt man auf ein Modell, das weder staatlich noch ganz privat ist. In den Städten sollen Sparkassenvereine gegründet werden, die sich aus honorigen Bürgern zusammensetzen, ihren Dienst ehrenamtlich versehen und privat auch die Bürgschaft über die neuen Kassen übernehmen. Diese Vereine brauchen aber eine sogenannte „obrigkeitliche Genehmigung", was den öffentlichen Charakter der Sparkassen von Beginn an unterstreicht.

    Es ist dann auch Innenminister Franz Graf von Saurau, der die Weisung ausgibt, dass dezentral weitere Sparkassen entstehen sollen. So eröffnet in Tirol im Februar 1822 die Sparkasse der Stadt Innsbruck ihren ersten Schalter.

    Zu diesem Zeitpunkt gibt es bereits Gespräche zwischen dem Kreishauptmann Leopold von Hauer und der Ersten Österreichischen Spar-Casse in Wien über die Eröffnung einer Filiale in Bozen und die Innsbrucker Sparkasse überlegt, eine Filiale in Bruneck zu eröffnen. Dazu kommt es jedoch nicht. Zwanzig Jahre lang bleibt die Innsbrucker Sparkasse die Einzige in Tirol und Vorarlberg. Erst 1841 wird die Sparkasse von Rovereto und 1842 jene von Feldkirch gegründet.

    Die Geburtsstunde der Sparkasse Bozen schlägt im Jahr 1851. Es ist der Anwalt und letzte Kanzler des Bozner Merkantilmagistrats Carl von Hepperger, der im Juni 1851 im Bozner Gemeinderat den Antrag zur Gründung einer Sparkasse einbringt. Der Antrag wird angenommen und innerhalb kürzester Zeit werden vom Sparkassenverein Bürgschaftsanteile im Wert von 20.000 Gulden gezeichnet und für die Einrichtungskosten 1.360 Gulden gesammelt.

    Die Genehmigungsphase dauert über drei Jahre, bis es am 6. September 1854 zur offiziellen Gründung der Sparkasse der Stadt Bozen kommt. Am 1. Jänner 1855 eröffnet sie im Waaghaus am Kornplatz ihre Amtsgeschäfte. Die Bank im ersten Stock ist nur an Sonn- und Feiertagen nach dem Gottesdienst sowie jeden Mittwoch geöffnet. Weil die Amtsräume schon bald zu eng werden, erwirbt die Sparkasse 1866 von der Familie von Putzer ein altes Patrizierhaus in der Mustergasse 14 (damals Erzherzog-Rainer-Straße). Am 7. November 1866 zieht die Bank um. 40 Jahre lang wird dieses Haus der Sitz der Sparkasse Bozen bleiben.

    Nicht nur in der Landeshauptstadt setzt sich der Sparkassengedanke in diesen Jahren durch. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und zu Beginn des 20. Jahrhunderts kommt es zu Gründungen von eigenständigen Sparkassen in Bruneck (1857), Meran (1870), Brixen (1871), Schlanders (1873), Sterzing (1901) und St. Ulrich (1904).

    Die einzelnen Sparkassen unterscheiden sich in ihrer Organisationsstruktur bereits in der Gründungsphase deutlich. Während jene von Bozen, Meran und Brixen von Privatpersonen gegründet werden, die sich in einem Sparkassenverein zusammenschließen, bürgen für die Sparkasse Bruneck private Bürger und die Gemeinde gemeinsam. Die Sparkassen von Sterzing, Schlanders und St. Ulrich hingegen sind sogenannte Gemeindesparkassen. Bürge und Träger sind die jeweiligen Gemeindeverwaltungen.

    Die Sparkassenstraße

    Von Anfang an engagieren sich die Sparkassen in der öffentlichen Wohlfahrt. Die Sparkasse Bozen beteiligt sich mit 20.000 Gulden am Bau des Bozner Spitals. Die Sparkasse Bruneck finanziert Wasserleitungen und Kanalisierung, das Elektrizitätswerk und die städtische Schwimmschule. Die Sparkasse Meran stiftet 10.000 Gulden für die Renovierung der Meraner Pfarrkirche. Zudem finanziert sie mit einem begünstigten Darlehen von 623.000 Kronen den Bau der Vinschger Bahn und mit Krediten den Bau des Meraner Stadttheaters und des Kurhauses.

    Zu einem Qualitätssprung in diesem öffentlichen Engagement kommt es 1891 in Bozen. In diesem Jahr kauft die Sparkasse Bozen um 102.500 Gulden den Ansitz Hurlach (heute Sitz des Bozner Stadtmuseums) und die Grundstücke zwischen der Spitalgasse (diese reichte von der Talferbrücke über die heutige Rosministraße und die Spitalgasse bis zum Dominikanerplatz) und der Fleischgasse (heute Museumstraße).

    Die Stadt Bozen hat zu diesem Zeitpunkt akuten Wohnungsbedarf, wobei es vor allem an erschlossenen Baugrundstücken fehlt. Die Sparkasse behebt genau diesen Mangel. Sie kauft nicht nur den Baugrund an, sondern erschließt die Zone auch mit dem Bau von zwei Straßen. Diese Straßen sollen zum 50. Kronjubiläum von Kaiser Franz Joseph I. feierlich eröffnet und der Stadt Bozen übergeben werden.

    Am 8. Dezember 1898 werden die neuen Straßen mit einem Festakt eröffnet und über eine Schenkung der Gemeinde übergeben. Der nördliche Teil der ersten Straße wird Sparkassenstraße genannt, der südliche Teil erhält den Namen Kaiserin-Elisabeth-Straße. Die zweite Straße ist eine Verbindungsstraße zur Spitalgasse und wird auf den Namen Erzherzog-Heinrich-Straße getauft. Die erschlossenen Baugrundstücke bietet die Sparkasse um einen äußerst vorteilhaften Preis von 8 Gulden pro Quadratmeter zum Kauf an.

    In den Jahren danach entstehen um diese Straßen neue Häuserreihen, die vielfach von der Sparkasse finanziert werden. Die Bank prägt damit im wahrsten Sinne des Wortes das Stadtbild Bozens.

    Am 7. Februar 1900 beschließt die Generalversammlung der Sparkasse Bozen, in diesem Stadtviertel einen neuen, würdigen und repräsentativen Sitz zu erbauen. Der Neubau soll zwischen der Sparkassenstraße und der Talfergasse entstehen. Es wird ein öffentlicher Wettbewerb ausgeschrieben, den der Architekt Wilhelm Kürscher gewinnt. Kürscher und die Meraner Firma Musch & Lun bauen in zwei Jahren den neuen Sparkassenkomplex. Weil die Bank zu diesem Zeitpunkt nur neun Angestellte hat, wird nur der erste Stock des neuen Sitzes direkt für die Bankgeschäfte genutzt. Im Erdgeschoss bleibt damit Platz für Geschäfte und im zweiten und dritten Stock des Gebäudes entstehen 15 Mietwohnungen.

    Vor dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges kommen die sieben Südtiroler Sparkassen auf Einlagen von insgesamt 121 Millionen Kronen, Wertpapiere in der Höhe von 28 Millionen Kronen und Reserven von 4,6 Millionen Kronen. Wie gut die Südtiroler Sparkassen damit dastehen, zeigt sich im Vergleich. Die Sparkassen der acht Provinzen Venetiens haben zum selben Zeitpunkt Gesamteinlagen von 223 Millionen Lire (rund 212 Millionen Kronen). Während die Sparkasse Bozen 67 Millionen Kronen Einlagen verwaltet, kommt jene von Innsbruck auf 96 Millionen und jene von Triest nur auf 33 Millionen.

    Sitz der Sparkasse, 1920er-Jahre: Einlagen von 67 Millionen Kronen

    Forcierter Zusammenschluss

    Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges wurde Südtirol Italien zugesprochen und es kommt zur Währungsumstellung. War nach dem früheren Wechselkurs eine Krone 1,05 Lire wert, so wird mit 10. April 1919 für die Umwandlung der Spareinlagen ein Wechselkurs von 40 Centesimi auf eine Krone eingeführt. Später wird der Kurs zwar auf 60 Centesimi erhöht, dennoch führt diese Währungsumstellung zu einem eklatanten Einbruch der Einlagen in den Südtiroler Sparkassen.

    Die Defizite bei den Währungsumstellungen werden wohl teilweise durch einen staatlichen Garantiefonds ausgeglichen, trotzdem verliert die Sparkasse Bozen in diesen Jahren über 12 Millionen Lire. Das sind rund 12 Prozent des Werts der gesamten Einlagen.

    Die italienische Regierung beginnt bereits in den 1920er-Jahren auch auf dem Bankensektor einen zentralistischen Kurs durchzusetzen. 1927 wird die Sparkasse Schlanders der Sparkasse Meran angegliedert. Kurze Zeit später fordert der Präfekt Umberto Ricci den Zusammenschluss der verbliebenen sechs eigenständigen Südtiroler Sparkassen. Doch die Verwaltungsräte der Kassen wehren sich energisch gegen diese forcierte Fusion. Sie machen einen Gegenvorschlag: die Gründung eines Verbandes der Südtiroler Sparkassen.

    Obwohl man dies jahrelang zu verhindern versucht, wird der Zusammenschluss nur aufgeschoben und dann schrittweise umgesetzt. 1930 werden die Sparkassen von Brixen, St. Ulrich und Sterzing jener von Bozen einverleibt. 1935 erfolgt die Weisung des faschistischen Wirtschaftsministeriums, die Sparkassen Bozen, Meran und Bruneck zusammenzulegen.

    Die Verwaltungsräte der einzelnen Südtiroler Sparkassen sprechen sich energisch dagegen aus. Die Sparkasse Bozen verfasst eine Denkschrift mit Argumenten gegen den Zusammenschluss. 1935 werden die Verwaltungsräte der Sparkassen Bozen, Meran und Bruneck deshalb von Präfekt Giuseppe Mastromattei des Amtes enthoben, an die Spitze der drei Banken werden Sonderkommissäre gesetzt. Diese führen die von der Regierung gewünschte Fusion der Südtiroler Sparkassen durch. 1936 entsteht damit die „Sparkasse der Provinz Bozen". Wenig später wird dann der erste Verwaltungsrat eingesetzt. Bis heute wird nicht nur im Statut der Sparkasse auf den Zusammenschluss der früheren eigenständigen Sparkassen hingewiesen, sondern auch im offiziellen Wappen. Unter dem Adler sind sieben Bienen dargestellt als Zeichen für die sieben ursprünglich eigenständigen Südtiroler Sparkassen. Die Biene soll zudem ein Symbol für Fleiß und Sparsinn sein.

    Mit der Unterzeichnung des Optionsabkommens zwischen Mussolini und Hitler am 23. Juni 1939 in Berlin kommen auch auf die Sparkasse neue Probleme zu. Für die Angestellten der Sparkasse werden dieselben Optionsbestimmungen angewendet, die für die öffentlichen Bediensteten gelten. Demnach müssen Optanten innerhalb 31. Dezember 1939 den Dienst quittieren. Die Folge dieser Maßnahme ist für die Südtiroler Bank verheerend. Ende 1939 hat die Sparkasse 192 Angestellte, davon optieren 125 für Deutschland und müssen deshalb entlassen werden. Die Bank verliert damit fast zwei Drittel ihres Personals. Die Optanten werden eiligst durch bunt zusammengewürfelte Neueinstellungen ersetzt.

    Mit dem Einmarsch der deutschen Wehrmacht und der Errichtung der Operationszone Alpenvorland im September 1943 wird ein kommissarischer Verwalter für die Sparkasse ernannt. Nach Kriegsende übernimmt Carl von Braitenberg mit Genehmigung der Alliierten die Leitung der Bank. 1946 wird wieder ein Verwaltungsrat der Sparkasse gewählt, dem Carl von Braitenberg als Präsident und Federico De Ferrari als Stellvertreter vorstehen.

    In den Nachkriegsjahren kann die Sparkasse ihre Position im Südtiroler Bankengefüge weiter ausbauen: 1948 wird den beiden Sparkassen von Bozen und Trient der Schatzamtsdienst der neu errichteten Region Trentino-Südtirol übertragen. 1952 ermächtigen die Banca d’Italia und das Schatzministerium die Sparkasse, Auslandsgeschäfte durchzuführen. Acht Jahre später erhält die Südtiroler Bank dann den formalen Status einer Außenhandelsbank.

    Rapides Wachstum

    Zwischen 1946 und 1954 steigen die Einlagen in der Sparkasse von 1.962 auf 20.473 Millionen Lire an. Die Ausleihungen erreichen 1954 hingegen eine Summe von 8.150 Millionen Lire.

    Gleichzeitig kann die Bank die buchhalterischen Rücklagen von 49 auf 726 Millionen Lire aufstocken. Zusätzlich wird das Immobiliarvermögen der Bank, das mit dem Wert von einer Lira eingebracht wurde, zum Marktwert von 900 Millionen Lire aufgewertet. 1948 geht die Zuständigkeit für die Eröffnung neuer Geschäftsstellen an die Region über. In der Folge weitet die Sparkasse ihr Filialnetz in Südtirol deutlich aus. Zwischen 1955 und 1964 werden acht neue Geschäftsstellen und bis 1974 weitere zehn Filialen in Südtirol eröffnet. 1954 werden zudem die Reisebüros der Sparkasse in Bruneck, St. Ulrich und Wolkenstein unter dem Betriebszweig Tourdolomit zusammengefasst. Auch der Personalstand nimmt rapide zu. 1954 hat die Sparkasse bereits 437 Angestellte.

    Von 1945 bis 1954 steht Carl von Braitenberg der Sparkasse als Präsident vor. Weil ein Staatsgesetz die Unvereinbarkeit zwischen parlamentarischer Funktion und Bankenpräsidentschaft vorsieht, muss der SVP-Senator kurz vor dem 100-jährigen Gründungsjubiläum der Bank am 7. September 1954 vorzeitig von seinem Amt zurücktreten. In seiner Abschiedsrede sagt von Braitenberg:

    „Nie soll eine Sparkassenverwaltung deswegen, weil sie die Möglichkeiten der Kreditverteilung in Händen hat, sich von den jeweiligen Machtgefügen beeindrucken und von jenem Weg abbringen lassen, den unser Berufsethos vorzeichnet; nämlich immer und überall gewissenhafter Verwalter des anvertrauten Gutes und der verantwortliche Beauftragte von Tausenden sorgenden Menschen zu sein, ein Beauftragter, der mit den Sparpfennigen des Landes nie das unternimmt, was diese sorgenden Menschen, hätten sie selber den nötigen Einblick, auf keinen Fall getan wissen möchten."

    Fast zwei Jahre bleibt die Führungsspitze der Sparkasse vakant, bis im April 1956 der Bozner Rechtsanwalt Viktor Perathoner zum Präsidenten und der Bozner Wirtschaftsberater Alberto Giulini zum Vizepräsidenten ernannt wird. Giulini wird vier Jahrzehnte später in der Sparkasse noch eine entscheidende Rolle spielen.

    Bis 1964 steigen die Einlagen der Sparkasse auf 57.606 Millionen Lire an. Gleichzeitig beginnen durch das Wirtschaftswachstum auch die Kredite anzusteigen. 1964 vergibt die Bank 31.568 Millionen an Krediten. Eine deutliche Steigerung dieses Trends lässt sich im nächsten Jahrzehnt erkennen. Bis 1974 steigen die Einlagen auf 140.316 und die Ausleihungen auf 125.961 Millionen Lire an. 1974 hat die Sparkasse bereits 679 Mitarbeiter.

    Die Sparkasse darf sich aber nicht nur auf das Bankgeschäft beschränken, denn bereits im Gründungsstatut steht, dass Teile des Gewinns für Wohltätigkeit und gemeinnützige Zwecke gespendet werden müssen. Im Sparkassenstatut von 1924 wird ein Zehntel des Reingewinns für solche Zwecke vorgesehen.

    Die Folgen des Währungsumtausches und später des Krieges machen die Umsetzung dieser statutarischen Bestimmungen jahrzehntelang unmöglich. Erst nach 1945 nimmt die Sparkasse diese Tätigkeit wieder voll auf. Allein bis 1954 führt die Bank rund 80 Millionen Lire wohltätigen Zwecken zu. Zwischen 1974 und 1978 spendet die Sparkasse 1.141 Millionen Lire für verschiedene kulturelle und soziale Projekte und Tätigkeiten.

    Filialeröffnung in Eppan, 1967: Sparkassenpräsident Josef Brandstätter (Mitte).

    Laut erstem Autonomiestatut von 1948 ist für die Ernennung des Sparkassenpräsidenten und seines Stellvertreters der Regionalausschuss zuständig. Er muss allerdings beim Schatzministerium ein Gutachten über die Eignung des vorgeschlagenen Kandidaten einholen. Am 31. Jänner 1963 ernennt der Präsident des Regionalausschusses Luigi Dalvit den Bozner Rechtsanwalt Josef Brandstätter zum neuen Sparkassenpräsidenten. Weil mit Brandstätter ein ehemaliger Carabinierioffizier an die Spitze der Bank gesetzt wird, kommt es innerhalb der Südtiroler Volkspartei zu Spannungen. Josef Brandstätter führt die Bank über ein Vierteljahrhundert lang – mit eiserner Hand, aber überaus erfolgreich. Als Brandstätters Präsidentschaft 1989 endet, ist die Sparkasse eine wirtschaftliche Macht.

    1980 nähert sich die Sparkasse erstmals der 1.000-Millarden-Lire-Grenze an Einlagen. 1985 steigen die Einnahmen bereits auf 1.760 Milliarden Lire und 1991 verwaltet man bereits 2.257 Milliarden Lire an Kundeneinlagen. Auch die Ausleihungen gehen rapide nach oben. 1980 sind es 620 Milliarden Lire, 1985 907 und 1991 bereits 1.750 Milliarden Lire.

    Auch die Mitarbeiterzahl der Sparkasse nimmt schnell zu. 1979/80 knackt man die 1.000er-Marke. 1980 hat die Bank 1.069 Angestellte, Ende 1991 sind es 1.100 Bedienstete.

    Gleichzeitig baut die Bank nicht nur ihr Filialnetz aus, sondern erweitert auch ihr Dienstleistungsangebot. Die Sparkasse beginnt sich an Leasing- und Factoring-Gesellschaften, an Wertpapiervermittlungs- und Investmentunternehmen sowie an Versicherungsgesellschaften zu beteiligen. Zudem steigt man in Dienstleistungs- und Softwareunternehmen ein und geht Kooperationen mit in- und ausländischen Banken ein. 1991 hält die Sparkasse Beteiligungen im Wert von über 20 Milliarden Lire.

    Die Bank

    Ende der 1980er-Jahre zeichnet sich immer deutlicher eine Internationalisierung und Liberalisierung der

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