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Die bedeutendsten Maler der Neuen Zeit
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eBook333 Seiten3 Stunden

Die bedeutendsten Maler der Neuen Zeit

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Über dieses E-Book

Das vorliegende Buch präsentiert in gut 60 übersichtlichen Kapiteln herausragende Maler vom Klassizismus bis zur Gegenwart. Eine Konzentration auf die Disziplin der Malerei bringt freilich für das 20. und das noch junge 21. Jhd. Probleme mit sich, dort, wo die Grenze zwischen Flächen- und Raumkünsten aufgehoben wird. Daher beschränkt sich die Auswahl moderner Künstler auf diejenigen, die "im Rahmen" bleiben, also einem Betrachter weiterhin Bild-Flächen anbieten, seien diese auch noch so sehr zu Experimentierfeldern verwandelt. Analog zu Band 1 rückt auch diese Publikation die Frage in den Mittelpunkt, welche Kriterien das überragende Können bestimmter Maler bedingen. Da diese Frage nicht mit Hilfe ausführlicher Werkbeschreibungen untersucht wird, sondern im Kontext übergreifender kunstwissenschaftlicher Erörterungen, wurde bewusst auf Abbildungen verzichtet. Dem Hauptteil ist ein stilgeschichtlicher Abriss vorangestellt. Mit kommentierten Literaturangaben.Vorstellung herausragender Maler vom Klassizismus bis zur Gegenwart
SpracheDeutsch
Herausgebermarixverlag
Erscheinungsdatum7. Feb. 2008
ISBN9783843802390
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    Buchvorschau

    Die bedeutendsten Maler der Neuen Zeit - Norbert Wolf

    VOM KLASSIZISMUS

    BIS ZUR GEGENWART

    EIN STILGESCHICHTLICHER

    LEITFADEN

    Die Französische Revolution setzte im ausgehenden 18. Jahrhundert die unüberhörbaren Zeitzeichen einer neuen Epoche, indem sie die Tradition monarchischen Gottesgnadentums für nichtig erklärte, den Absolutismus zugunsten von Volksherrschaft und Republikanismus beseitigte. Allerdings zeichnete sich geistesgeschichtlich und künstlerisch ein radikaler Umbruch schon vorher, schon gegen 1750 ab, mit der vernunftbestimmten, gegen religiösen Aberglauben ankämpfenden Aufklärung, mit einem neuen psychologisch argumentierenden Subjektivismus, der – als Gegenpol gegen die zum Dogma erhobene Ratio – auch das Unbewusste und Irrationale im Menschen anerkennt, ferner mit einer neuen »Religion der Natur« (»Rousseauismus«) usw.

    KLASSIZISMUS UND ROMANTIK (AB CA. 1750 UND AB CA. 1800)

    Der Klassizismus ist kurz nach der Mitte des 18. Jahrhunderts als »akademischer« oder »archäologischer« Klassizismus in Rom entstanden. 1738 hatten Ausgrabungen in Herculaneum begonnen. Sie und die zehn Jahre später einsetzende Freilegung von Pompeji erweiterten die Kenntnis antik-römischer Malerei. Gleichzeitig propagierte der deutsche Theoretiker Johann Joachim Winckelmann ab 1755 den kulturellen Vorrang des antiken Griechenlands über das alte Rom und »infizierte« den Klassizismus mit dem Ideal der »edlen Einfalt und stillen Größe«. Jenes Leitmotiv entsprach in der Dominanz des Figurenbildes (wobei die Menschen verhalten agieren, kaum Emotionen zeigen), in der Reanimierung mythologischer Inhalte, im »Kult« antikischer Nacktheit, in der Bevorzugung »klassisch-edler« und »reiner« Materialien (in der Bildhauerei weißer Marmor und Bronze) dem hohen sittlichen Anspruch und dem Bildungsgedanken dieser Richtung. Die Baukunst huldigte einem antiken Repertoire (Säulenordnung, Tempelfronten, Proportionslehren usw.), verzichtete auf »malerische« Dekoration (im Inneren verschwinden die großen illusionistischen Fresken) und bevorzugte geometrisch-stereometrische Elemente.

    Der »akademische« beziehungsweise archäologische Klassizismus wandelte sich gegen Ende des Jahrhunderts in Frankreich zum »revolutionären« Klassizismus (»Revolutionskunst«), der sowohl in der Malerei – mit dem Hauptvertreter Jacques-Louis David – als auch in der Architektur von einer teilweise rigiden Geometrisierung, immer aber von einem extremen Pathos getragen ist. Schnell freilich wich im Klassizismus die monumentalisierende Formensprache, die auch nach Russland und in die USA abstrahlte, einer bürgerlichen Intimität, sodass Querverbindungen zur Geisteshaltung der Romantik und ihrer Vorläufer möglich wurden.

    In vielen Erscheinungen des Malerischen und Stimmungshaften, in einer Mittelaltersehnsucht und einer genussvoll ausgebreiteten Ästhetik des Verfalls (»Ruinenromantik«) bereitete sich gleichfalls seit der Mitte des 18. Jahrhunderts eine »Präromantik« aus, die ein paar Jahrzehnte später in eine Bewegung voller nervöser Energie mündete: In Deutschland bezeichnet man diese Phase als »Sturm und Drang«, mit der man europaweit auch phantastisch geprägte Bilder wie die eines Johann Heinrich Füssli oder William Blake kennzeichnet. Die Malerei schickte sich nun an, die Führungsposition in den bildenden Künsten einzunehmen.

    Die Romantik ist, auch wenn eines ihrer Hauptzentren in Deutschland lag, eine gesamteuropäische Erscheinung seit dem späten 18. Jahrhundert. Obwohl die Bild-Verherrlichung Napoleons gelegentlich bereits über das Pathos von Form und Farbe zu einer Art Romantisierung führte, entwickelten sich die Anfänge der französischen Romantik kurz nach 1800 im Widerspruch zu dem von Bonaparte geförderten klassizistischen Stil des »Empire«. Das Werk eines Antoine-Jean Gros oder Théodore Chassériau belegt wie das der beiden Hauptvertreter, Théodore Géricault und Eugène Delacroix, wie sehr die französische Romantik die im übrigen Europa so bevorzugte Gattung der Landschaft beiseite ließ zugunsten des Historienbildes.

    In der norddeutschen Romantik, in der Dresdener Schule, bei Caspar David Friedrich – weniger bei Philipp Otto Runge – spielte die Landschaft als Stimmungsträger, als »Empfindungslandschaft«, eine alles überragende Rolle. Die im Vergleich zu Friedrich und Runge künstlerisch heute geringer eingeschätzten »Nazarener« dagegen, der katholische Zweig der deutschen Romantik, legten ihrer angestrebten figurativ ausgerichteten Nationalkunst christlich mittelalterliche Traditionen zugrunde. Für die zumeist sentimentale Gestaltung ihrer nostalgischen und politisch konservativen Themen bevorzugten sie die linear geschlossene Form.

    In wechselnder Intensität verbreitete sich die Romantik über ganz Europa, ja auch in den USA. Einige wenige große Einzelne an der Jahrhundertwende beziehungsweise in den ersten Dezennien des 19. Jahrhunderts, wie John Constable oder die überragende Ausnahmeerscheinung Francisco de Goya, waren stellenweise von der Romantik beeinflusst, ohne dass man sie jedoch dieser Strömung kategorisch zurechnen dürfte.

    DAS FORTLEBEN VON KLASSIZISMUS, HISTORISMUS UND ROMANTIK IM 19. JAHRHUNDERT

    Der Klassizismus hielt sich in der Architektur noch über weite Strecken des 19. Jahrhunderts, ebenso in der Bildhauerei und im Kunstgewerbe. Auf dem Sektor der Malerei garantierte das lange Wirken des gefeierten Klassizisten Jean-Auguste-Dominique Ingres eine entsprechende Kontinuität.

    In den deutschsprachigen Regionen ist der nahtlose Übergang von der Romantik zum Biedermeier zu beobachten. Eine »neue Innerlichkeit« bestimmte hier die Malerei seit den 30erJahren, die nicht als klar formulierter Stil, sondern aus einer geistigen Haltung heraus zu erklären ist. Das Bescheiden-Einfache äußert sich in unpathetischen Kompositionen von kleinem Format für private Räume. Carl Spitzweg ist ein bekanntes Paradigma dieser Haltung.

    Im letzten Jahrhundertdrittel zeigt sich Romantisches erneut mit Vehemenz. Zu nennen sind vor allem die Bilder eines Arnold Böcklin sowie die der anderen sogenannten »Deutschrömer«, nämlich eines Hans von Marées, Anselm Feuerbach, des jungen Max Klinger.

    Wie in vielen sonstigen Kunstlandschaften, glitt auch in England die spätere romantische Malerei gerne in einen schwärmerischen Historismus und in einen damit verbundenen Eskapismus, eine »Flucht« vor den brisanten Zeitproblemen, ab und suchte in theatralischen Inszenierungen (in denen man sich mit der akademischen und der Salonmalerei des 19. Jahrhunderts traf), den nicht zuletzt aus handwerklicher Routine geborenen Verlust gedanklicher Tiefe auszugleichen. Allerdings war es vorher, circa 1800–1840, zu einem unvergleichlichen Aufschwung englischer Landschaftsmalerei gekommen. Sie verwandelte die objektiven Gegebenheiten des Naturvorbildes in eine Phänomenwelt des erlebenden Subjekts. Zu nennen wären beispielsweise John Crome, Richard Parkes Bonington oder John Sell Cotman. Sie alle gingen zumeist von der topographischen Wirklichkeit aus, tauchten diese aber in eine von Licht und Atmosphäre beherrschte malerische Textur. Im Unterschied zu den Lichtvisionen Claude Lorrains aus dem 17. Jahrhundert, die für viele von ihnen bewunderte Vorbilder waren, verzichteten sie auf eine metaphysische Interpretation derartiger Phänomene, vielmehr kennzeichneten sie diese als Ergebnis physikalischer Gesetze und als Resultat subjektiven Erlebens. Demgemäß öffneten sich von hier aus gleichermaßen die Wege zu einer eher romantischen wie zu einer eher realistischen Landschaftsmalerei. Aus dieser Schule der englischen Landschafts- und Aquarellmalerei wuchs auch das einzigartige Werk William Turners heraus, dessen in Farbe und Licht aufgelösten Bilder von John Ruskin, dem führenden Kunsttheoretiker der Romantik in England, 1843 in seinem Buch »Modern Painters« gegen Spötter verteidigt wurden.

    In Frankreich hallt das romantische Echo noch in der Landschaftsmalerei der den Impressionismus vorbereitenden Schule von Barbizon (Théodore Rousseau, Camille Corot, Charles-François Daubigny und andere) oder in einigen, mit dem Namen Jean-François Millet (ebenfalls eng mit der Schule von Barbizon liiert) verbundenen Werken nach.

    DER REALISMUS (AB 1840/50)

    Mit der englischen Landschaftsmalerei um 1800, mit bestimmten Künstlern und Richtungen der Romantik und des Klassizismus, mit so manchem Einzelgänger an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert, waren formal bereits ausgesprochen naturalistische Haltungen verknüpft gewesen, die um 1840/50 fortgesetzt und zum sogenannten Realismus intensiviert wurden.

    Die Realisten verwahrten sich in der Regel gegen die Wiedergabe von Träumereien, Phantasien, Poesie und Imagination, was ihnen den Vorwurf des Materialismus eintrug. Die Grundüberzeugung lautet, der Künstler habe unbeschönigt die Wahrheit auszusprechen, was den Gegnern das böse Wort von der »Schule der Hässlichkeit« in den Mund legte. Der Künstler solle seine Motive nicht der Vergangenheit entnehmen, sich vielmehr als Augenzeuge um Gegenwärtiges kümmern – die intendierte »Immanenz« musste sich formal keineswegs in strikter Naturtreue spiegeln, sie konnte sich durchaus auch recht frei gehandhabter, stilisierender Gestaltungsprinzipien bedienen.

    Die Sache war eher da als der Name. Denn erst 1855 hatte Gustave Courbet vor den Toren der Pariser Weltausstellung einen Pavillon aufstellen lassen, in dem er seine Bilder, die auf der Weltausstellung ausgeschlossen worden waren, zeigte. »Le réalisme« stand über dem Eingang des Pavillons. Bis ungefähr 1870 entwickelte sich der Realismus fast überall in Europa und Nordamerika zu einer beherrschenden Sprache. Massive, durch die bürgerliche und industrielle Revolution ausgelöste soziale Veränderungen, nicht zuletzt die Auswüchse einer rasant zunehmenden Urbanisierung, bildeten den gesellschaftlichen Nährboden realistischer Kunst. Die Beobachtung charakteristischer und den Alltag entlarvender Einzelheiten führte im Werk etwa eines Honoré Daumier oder Adolph von Menzel oft zu karikierenden oder parodistischen Zügen. In München vertrat der Kreis um Wilhelm Leibl (etwa Wilhelm Trübner, vorübergehend auch Hans Thoma) diesen Stil.

    DER IMPRESSIONISMUS (AB 1874)

    »Nennen Sie es einfach ›Impression‹ – Sonnenaufgang«, antwortete Claude Monet 1874 auf die Frage nach dem Bildtitel einer inhaltlich kaum noch zu erkennenden Hafenansicht aus seiner Hand. Die Kritiker Louis Leroy und Jules Castagnary griffen den Vorschlag auf und verwendeten ihn als Spottname für die »Impressionisten«, das heißt für all jene Künstler, die sich gegen die Normen der offiziellen Pariser Kunstausstellungen auflehnten. Von den zwischen 1874 und 1886 an den Gruppenausstellungen teilnehmenden Künstlern hat keiner die Ziele dieser Richtung, die heute so eindeutig vor Augen zu stehen scheinen, in Reinkultur verwirklicht.

    Der im Zusammenhang des Impressionismus oft genannte Édouard Manet war als Anreger zweifellos von großer Bedeutung, stand aber immer in einiger Distanz zur Gruppe; das Lebenswerk von Edgar Degas, Henri de Toulouse-Lautrec und Auguste Renoir fällt, wie zu betonen bleibt, nur teilweise mit den impressionistischen Bestrebungen zusammen.

    Die Impressionisten (genannt seien außer den bereits erwähnten nur noch die wichtigsten Repräsentanten: mit Einschränkungen Gustave Caillebotte und James Abbot McNeill Whistler, dann Berthe Morisot, Mary Cassatt, Camille Pissarro, Alfred Sisley, in Deutschland Max Liebermann, Lovis Corinth, Max Slevogt) setzten die Tendenzen des Realismus fort und korrigierten sie zugleich, indem sie ihr Interesse nicht nur auf die »greifbare« Gegenständlichkeit richteten, sondern auch auf das, was sich im spontanen Sehakt niederschlägt. Die dezidierte Umkehrung der akademischen Regel vom Vorrang der Linie über die Farbe, das von den Impressionisten fixierte Spiel des Lichts auf den Oberflächen der Dinge, ihre meist hellen, kräftigen Farbtöne bei freiem, lockerem Pinselstrich ohne vorbereitende Konturen dienen der direkten Umsetzung des Seheindrucks ins Bild. Angeregt durch japanische Farbholzschnitte und durch die von ihnen im 1861 eröffneten Atelier von Félix Nadar aufmerksam studierten Fotografien präsentieren viele Impressionisten Motive aus ungewohnten Perspektiven, schneiden diese an den Bildrändern ab oder überlagern sie im Sinne eines flüchtigen Ausschnitts.

    In Italien hatten sich um 1855 in Florenz Künstler formiert, die »Macchiaioli«, die eine leicht und locker, in nebeneinander gesetzten Flecken hingetupfte Manier zur Wiedergabe der im Freien studierten Natur unter wechselnder Beleuchtung anwandten – ein dem französischen Impressionismus verwandtes Phänomen, wenn auch bei stets beibehaltener stärkerer Formkonstanz. Unter ihnen ragte Giovanni Fattori heraus. Erwähnenswert sind ferner Silvestro Lega und Telemaco Signorini. Sie alle verbinden eine lockere, duftige und dennoch klar strukturierte Mal- und Kompositionsweise mit einer an die gestalterische Kraft der Renaissance zurückerinnernden Klassizität. Aus dem Stil der »Macchiaioli« entwickelte dann der mit Manet befreundete Giuseppe de Nittis seine Formensprache in Richtung eines Impressionismus, der in seiner Konsequenz und seiner Qualität nach mit der französischen Hauptströmung konkordiert.

    AUF DEM WEG ZUR MODERNE (AB DEN 1880ER-JAHREN)

    Seit den 1880er-Jahren stellten die Pointillisten mit den beiden Hauptrepräsentanten Georges Seurat und Paul Signac den mittlerweile etablierten Impressionismus infrage. Dazu intensivierten sie die im Impressionismus bereits vorbereitete kleinteilige Farbzerlegung, im Wissen, dass sich die Farbpartikel nach den Komplementärgesetzen im Betrachterauge wieder zu einem Gesamteindruck vermischen. Das Wort »Pointillismus« bezeichnet treffend das Neue der daraus resultierenden Formensprache. Die Pointillisten reduzierten nämlich die Farbpartikel zu Punkten von nahezu rasterartiger Geschlossenheit. Deren Präzision verhindert jede psychische Spontaneität beim Malen von Bildern und bei ihrer Rezeption. Seurat nannte seine Methode »Chromo-Luminarismus«, Kritiker tauften sie »Neoimpressionismus«, »Divisionismus« oder eben »Pointillismus«.

    Dieser verfiel allerdings keineswegs, wie man denken könnte, in eine Atomisierung der Bildwelt. Ganz im Gegenteil. Aus der engen Abfolge der Farbpunkte resultieren im Betrachterauge homogene Farbfelder, aus der Verkettung der Farbpunkte entsteht wieder eine harmonisch geschlossene Form – freilich eine souverän das Wirklichkeitsvorbild verfremdende. Der Weg zur modernen Autonomie der gestalterischen Mittel war somit eingeschlagen. Und dies taten noch radikaler und auf ganz anderem Wege drei Künstler, die man nicht umsonst als »Väter der Moderne« apostrophiert.

    Paul Cézanne setzt beim Impressionismus an und geht sofort einen entscheidenden Schritt weiter, sodass er für manche Kritiker einerseits den Endpunkt der »traditionellen« abendländischen Kunstgeschichte, für andere den Beginn der Moderne in Richtung auf Abstraktion markiert. Während man Cézanne als einen Wegbereiter des Kubismus im 20. Jahrhundert betrachtet, gilt Vincent van Gogh als ein solcher des Expressionismus. Durch die Ausdrucksstärke der Farben und emotional bestimmte, expressive Farbkontraste versuchte er, seine subjektiven Eindrücke von Mensch und Natur in eine vollkommen persönliche Handschrift zu übertragen. Mit breitem, derbem Pinselstrich will er zu einer Synthese von Farbe und Linie gelangen. Paul Gauguin wiederum entwickelte zusammen mit Émile Bernard und anderen um 1886 im bretonischen Künstlerdorf Pont-Aven einen linien- und flächenbetonten Stil.

    Schwingende, kraftvoll farbige Konturen, die sich zu rhythmischem Eigenleben verselbstständigen, umrunden in die Fläche gepresste, intensiv farbige Motive. Auf illusionistische Bildräumlichkeit ist völlig verzichtet, modellierendes Licht und Schatten spielen kaum noch eine Rolle. Die »Nabis« (außer Bernard vor allem auch Paul Sérusier, Maurice Denis, Kerr-Xavier Roussel, Paul Elie Ranson, Édouard Vuillard, Félix Vallotton – zeitweilig zudem der spätere Bildhauer Aristide Maillol) nahmen von hier ihren Ausgang und entwickelten zwischen 1888 und 1905 einen höchst dekorativen, von flächengebundener Farbigkeit (die ihre Darstellungswertigkeit weitgehend verlor) sowie vom Verzicht auf perspektivische Räumlichkeit geprägten Gruppenstil.

    PRÄRAFFAELITEN UND SYMBOLISMUS (1848–UM 1900)

    1848 wurde in London die Bruderschaft der Präraffaeliten gegründet (William Holman Hunt, John Everett Millais, Dante Gabriel Rossetti, assoziiert waren: Ford Madox Brown, William Dyce, Edward Burne-Jones, William Morris; die Bildhauer übergehe ich). Die Maler strebten Bildthemen an, die sie in mittelalterlicher Sage und Literatur, in der Bibel und in Shakespeare-Stücken vorformuliert glaubten; indes erschöpften sich ihre Ideale nicht in einer Vergangenheitsperspektive, sie setzten sich auch mit Gegenwartserscheinungen auseinander. Häufig diente die altertümliche und allegorische Einkleidung der Thematisierung namentlich sexueller und morbid-psychologischer Inhalte, die von der viktorianischen Moral tabuisiert waren. Mit der Betonung ornamentaler Details zählten die Präraffaeliten überdies zu den Wegbereitern des Jugendstils.

    Und sie gliederten sich jener Bewegung ein, die man »Symbolismus« nennt. Erfahrungen, die man bevorzugt außerhalb der gültigen moralischen Normen suchte, spiegeln sich bei den Symbolisten vor allem in der Beschäftigung mit Liebe und Sexualität, thematisiert nicht zuletzt im Bild der Frau als »Femme fatale«, als anbetungswürdiges wie männermordendes Wesen, als Madonna, Eva oder Salome. Und ebenso gerne suchten Symbolisten wie Gustave Moreau, Odilon Redon, der Grafiker Aubrey Beardsley, die einstigen »Deutschrömer« Max Klinger und Arnold Böcklin, der Schweizer Ferdinand Hodler, der Norweger Edvard Munch, die Belgier Fernand Khnopff und James Ensor (viele andere Maler wären in diesem Zusammenhang noch aufzuführen, auch solche aus Russland) ihre Träume in der meditativen Versenkung und letztlich im Tod.

    FIN DE SIÈCLE UND JUGENDSTIL (UM 1900)

    Jahrhundertende, Jahrhundertbeginn: Geburt eines neuen Stils. »Jugendstil« nannte man ihn in Deutschland, »L’Art Nouveau« in Frankreich und Belgien, »Modern Style« in England, »Stile Liberty« in Italien, »Stile moderniste« in Spanien, »Sezessionsstil« sagte man in Österreich. Eine internationale Rebellion der späten achtziger Jahre des 19. Jahrhunderts war es gegen die erstarrten Traditionen der Kunstakademien. Neue, fließende, organisch geschwungene Formen, der Natur abgeschaut und dann dekorativ stilisiert, neue Inhalte, auf menschliche Kreativität bezogen, die Verschmelzung von Kunst, Industrie, Handwerk und Leben – das waren die Ziele von jungen Malern, Grafikern und Architekten. Das alle Gattungen übergreifende Gesamtkunstwerk wurde zu ihrer Leitvorstellung: Von der Baukunst über die Malerei zu Graphik, zu Plakat und Buchkunst, von Möbeln und sonstigen Inneneinrichtungen bis zu Mode und Schmuck erstreckte sich das Repertoire. Deswegen suchte man die Aufhebung der Grenzen von Kunsthandwerk, Design und »hoher« Kunst.

    Die Jugendstil-Malerei (zum Beispiel Gustav Klimt in Wien oder der freilich auch dem Symbolismus zugerechnete einflussreiche Franz von Stuck in München, ebenfalls der auch als Maler tätige belgische Architekt und Designer Henry van de Velde) und -Graphik, die sich, oft in enger Verwandtschaft mit dem Symbolismus, in den Neunzigerjahren rasch ausbreitete, hielten bei allen Unterschieden im Einzelnen in der Regel an der Flächigkeit des Bildaufbaus, der Betonung der Silhouettenwirkung, der Vereinfachung der Formen, der Reduzierung des Kolorits auf wenige klare Töne und an der Dominanz der Linie fest. Viele dieser Merkmale gingen in der Moderne des 20. Jahrhunderts fast nahtlos in den frühen abstrakten Expressionismus eines Kandinsky über und mündeten vor allem in das Art Déco der Zwanziger- und Dreißigerjahre.

    DER FAUVISMUS (1905–1911)

    1905 provozierte eine Schar junger Künstler das inzwischen an Impressionismus und Pointillismus gewöhnte Pariser Publikum. Ein Kritiker nannte sie »les Fauves«, die »Wilden«; allen voran Henri Matisse, Georges Rouault, Maurice Vlaminck und André Derain. Ein Jahr später komplettierten unter anderen Georges Braque und Raoul Dufy den freilich recht kurzlebigen Fauvismus.

    Die Eigenheit der Fauves darf man zusammenfassen als eine farbenreiche, großflächige und aufs abstrahierende Vereinfachen bedachte Malerei. Zumeist ist das aus ungemischten Tönen zusammengesetzte Kolorit von höchster Intensität. Die Farbe ist nicht länger an die Aufgabe naturalistischer Dingbeschreibung gebunden und vermag deshalb die Kraft ihres Ausdrucks ungeheuer zu steigern. Manchmal fassen straffe Linien die Farbflächen zusammen, oft verlaufen sie aber locker und approximativ, so dass nicht immer eine systematische Umrandung entsteht: Sie dienen eher der markanten Hervorhebung als der Isolierung. Die Faszination, die die schwarzafrikanische und ozeanische Kunst auf die Repäsentanten dieses Stils ausübte, bestärkte die Fauves in dem Ziel, mit scheinbar einfachsten Mitteln dekorative Reize zu erzeugen. Wenn der Bildrhythmus es notwendig machte, griff man zur Deformation, gleichermaßen zur »Irrealität« von Raumbeziehungen.

    DER EXPRESSIONISMUS (1905ff.)

    1905 gründeten Fritz Bleyl, Ernst Ludwig Kirchner, Erich Heckel und Karl Schmidt-Rottluff in Dresden die Künstlergruppe »Die Brücke«. 1906 schloss sich Max Pechstein der Gruppe an sowie Emil Nolde, der aber nach eineinhalb Jahren wieder austrat. 1910 stieß Otto Mueller hinzu. Sie alle gaben sich vor allem postimpressionistischen und fauvistischen Eindrücken hin und solchen, die sie vor mittelalterlichen Holzschnitten gewannen. Und sie alle waren fasziniert von der Kunst der Südseevölker und Schwarzafrikas. Die massiven Konturen, der eckige Figurentypus, die maskenhaften Gesichter und die lebhafte Haltung der Gestalten in ihren Bildern rühren zum Teil daher. 1911 ging die Gruppe nach Berlin. Herwarth Walden hatte hier eben die Galerie »Sturm« gegründet und mit der Herausgabe der gleichnamigen Zeitschrift begonnen. Einer der Redakteure war Oskar Kokoschka, der, zusammen mit Egon Schiele, maßgeblich den österreichischen Expressionismus repräsentiert.

    Die süddeutsche Version des Expressionismus bildete der »Blaue Reiter« in München, der sich 1911 um Wassily Kandinsky und dessen Freundin Gabriele Münter, um Franz Marc und den Grafiker Alfred Kubin gruppierte. Auch August Macke beteiligte sich. In Marcs Artikel »Die neue Malerei«, erschienen im März 1912 in der Zeitschrift »Pan«, ist die Forderung erhoben, die innere, geistige Seite der Natur malerisch aus den Fesseln des Sichtbaren zu lösen. Es war Kandinsky, der dies tat, indem er als einer der ersten europäischen Künstler den Weg zur Abstraktion einschlug.

    1924 schlossen sich Lyonel Feininger, Kandinsky, Paul Klee und Alexej von Jawlensky zur Gruppe »Die Blauen Vier« zusammen, die Ideen aus der Münchner Zeit an das »Bauhaus« weiterreichten. Zwar war der Expressionismus in erster Linie der kardinale Beitrag der deutschen Kunst zur Moderne, seine Tendenzen fanden aber durchaus auch in Belgien und den Niederlanden und mit den Malern Georges Rouault und Chaim Soutine auch in Frankreich Parallelen.

    Aus den »Stahlgewittern« des Ersten Weltkrieges ging nicht der vom Expressionismus ersehnte »neue Mensch« hervor, vielmehr zog eine geschlagene Armee heimwärts in eine durch Hunger und Inflation erschütterte Republik.

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