Lebendige Seelsorge 2/2015: Gender
Von Echter Verlag
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Über dieses E-Book
Am Anfang des Heftes stehen die Beiträge von Saskia Wendel und Stephan Goertz. Sie bieten aus systematischer und moraltheologischer Perspektive Argumente für eine sachliche Debatte und zeigen auf, welche Grenzen, aber auch Potenziale die Kategorie Gender für die Theologie beinhaltet. Diese Perspektive wird in dem Beitrag von Stefan Gärtner im Feld der Pastoral fortgeführt. Dabei wird vor allem eines deutlich: die Genderthematik ist auch im Bereich der Pastoral nach wie vor nicht selbstverständlich. Maria Elisabeth Aigner befasst sich mit den Herausforderungen einer gendersensiblen Verkündigung. Elke Langhammer wendet sich in ihrem Beitrag der Frage zu, was sich zeigt, wenn innerhalb der Kirche ehrenamtliches Engagement aus der Genderperspektive in den Blick genommen wird. Auch für heranwachsende Mädchen und Jungen ist das Thema bedeutsam. Was in diesem Zusammenhang die Anliegen einer geschlechtersensiblen Religionsdidaktik sind, erläutert Silvia Arzt. Im Kontext von Beratung und Supervision ist das Thema Gender gerade auch aus sytemischer Perspektive von Bedeutung, wo für Barbara Baumann plädiert. Der Beitrag von Björn Korndorfer ist aus der Perspektive der Männerforschung geschrieben und eine gute Ergänzung zum Projekt der Männerseelsorge, das von Andreas Ruffing vorgestellt wird.
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Rezensionen für Lebendige Seelsorge 2/2015
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Buchvorschau
Lebendige Seelsorge 2/2015 - Echter Verlag
THEMA
Gendersensible Theologie – Ein hölzernes Eisen?
Von Saskia Wendel
Sex und Gender
Moraltheologische Überlegungen zur kritischen Funktion einer Unterscheidung Von Stephan Goertz
Begehren performativ gestalten – Beziehung verantwortlich leben.
Die Replik von Saskia Wendel auf Stephan Goertz
Wer begehrt?
Die Replik von Stephan Goertz auf Saskia Wendel
Wo sich das Selbstverständliche nicht von selbst versteht
Gender in der Pastoral Von Stefan Gärtner
PROJEKT
Geschlechtersensible Männerpastoral
Von Andreas Ruffing
INTERVIEW
Genderstudies in Theologie und Kirche sind wichtig, um Kirche und Gesellschaft in Vielfalt neu zu gestalten
Ein Gespräch mit Claudia Janssen
PRAXIS
Geschlechtersensibilität und kirchliche Engagementförderung
Von Elke Langhammer
Gender-Botschaft
Von Maria Elisabeth Aigner
Genderwahnsinn? Was will eine geschlechtssensible (Religions-)Didaktik?
Von Silvia Arzt
„Alles Denken ist Nachdenken, der Sache nachdenken." (Hannah Arendt)
Von Barbara Baumann
Kritisch-theologische Männerforschung
Von Björn Krondorfer
FORUM
Pastorale Andersorte?
Von Christian Bauer
Freundschaft in der Ehe
Von Katharina Westerhorstmann
POPKULTURBEUTEL
Spuren im Sofa
Von Matthias Sellmann
NACHLESE
Glosse von Wolfgang Frühwald
Impressum
Buchbesprechungen
Hildegard Wustmans Mitglied der Schriftleitung
Liebe Leserin, liebe Leser,
möglicherweise denken Sie bei dem Themenschwerpunkt „Gender: muss das denn sein? Ich denke: ja, denn die Zeitschrift „Lebendige Seelsorge
möchte Diskurse eröffnen und Kontroversen austragen, denen kirchlich nicht auszuweichen ist. Das Thema Gender ist ein aktuelles und kontrovers verhandeltes Thema in Kirche und Gesellschaft. Für die einen beschreibt Gender einen Sachverhalt mit kreativem Potential, für die anderen stellt schon das Wort eine Gefahr für die Ordnung der Dinge dar. Dies sind mehr als gute Gründe, dem Begriff Gender in Konzeption und Verwendung nachzugehen und seinen Sinn auszuloten.
Am Anfang des Heftes stehen die Beiträge von Saskia Wendel und Stephan Goertz. Sie bieten aus systematischer und moraltheologischer Perspektive Argumente für eine sachliche Debatte und zeigen auf, welche Grenzen, aber auch Potenziale die Kategorie Gender für die Theologie beinhaltet. Diese Perspektive wird in dem Beitrag von Stefan Gärtner im Feld der Pastoral fortgeführt. Dabei wird vor allem eines deutlich: die Genderthematik ist auch im Bereich der Pastoral nach wie vor nicht selbstverständlich. Maria Elisabeth Aigner befasst sich mit den Herausforderungen einer gendersensiblen Verkündigung. Elke Langhammer wendet sich in ihrem Beitrag der Frage zu, was sich zeigt, wenn innerhalb der Kirche ehrenamtliches Engagement aus der Genderperspektive in den Blick genommen wird. Auch für heranwachsende Mädchen und Jungen ist das Thema bedeutsam. Was in diesem Zusammenhang die Anliegen einer geschlechtersensiblen Religionsdidaktik sind, erläutert Silvia Arzt. Im Kontext von Beratung und Supervision ist das Thema Gender gerade auch aus sytemischer Perspektive von Bedeutung, wofür Barbara Baumann plädiert. Der Beitrag von Björn Korndorfer ist aus der Perspektive der Männerforschung geschrieben und eine gute Ergänzung zum Projekt der Männerseelsorge, das von Andreas Ruffing vorgestellt wird. Im Interview bietet die Studienleiterin des im April 2014 von der EKD eröffneten Studienzentrums für Genderfragen in Kirche und Theologie in Hannover, Claudia Janssen, inspirierende Einblicke in ihre Arbeit und das Aufgabenprofil des Studienzentrums.
Ich wünsche Ihnen eine anregende Lektüre und hoffe, dass Sie am Ende sagen können, dass das Thema Gender nicht eines ist, das ignoriert werden kann.
Ihre
Prof. Dr. Hildegard Wustmans, Mitglied der Schriftleitung
Gendersensible Theologie – Ein hölzernes Eisen?
Taucht in kirchlichen Zusammenhängen gegenwärtig der Begriff „Gender auf, führt dies häufig zu heftigen Kontroversen; „Gender
ist ins Arsenal kulturkämpferischer Vokabeln aufgenommen und mit der Funktion eines Platzanweisers für kirchen- wie gesellschaftspolitische „Gesäßgeographien" in Dienst genommen worden. Es gilt jedoch, ideologisch abzurüsten und die Debatte wieder zu versachlichen – durch Begriffsklärung, durch Differenzierung zwischen unterschiedlichen Theorien, durch Auslotung von Möglichkeiten wie Markierung von Grenzen der theologischen Rezeption. Saskia Wendel
Es ist zunächst einmal wichtig zu sehen, dass der Begriff „Gender nicht erst durch „Gender
-Theorien kreiert wurde. Vielmehr unterschied man in Geschlechtertheorien grundsätzlich zwischen den Begriffen „sex und „gender
: mit „sex wurde die natürliche Geschlechtsidentität in ihrer binären Differenzierung von „Mann
und „Frau bezeichnet, mit „gender
die Rollenidentität, also unter dem Label „männlich und „weiblich
konstruierte Rollenmuster. Diese kulturell und sozial bedingten Konstruktionen von „gender im Sinne von vorgegebenen Rollenidentitäten wurden dann vor allem zum Gegenstand der Kritik der Feministischen Theorien und der Frauenforschung sowie Feld der Gleichstellungspolitik unter dem Maßstab von Geschlechtergerechtigkeit. Dabei machte man auch auf die normierende Macht von Rollenmustern und „gender
-Konstruktionen und auf deren Rückwirkung auf Vorstellungen von Geschlechtsidentitäten (sex) aufmerksam, ohne jedoch die Gegebenheit der sexuellen Differenz und damit die natürliche Geschlechtsidentität grundsätzlich in Frage zu stellen.
„GENDER-TROUBLE" ODER: VON DER MACHT DER GESCHLECHTERNORMEN
Diese These wurde nun in doppelter Hinsicht radikalisiert: zum einen wurde die einseitige Konzentration auf Frauen aufgesprengt; es wurde anerkannt, dass das Thema „Geschlechtsidentität, „Geschlechtskonstruktion
und „Geschlechtergerechtigkeit nicht nur Frauen betrifft, sondern auch Männer, denn auch diese sind ja von der normierenden Macht von „gender
-Konstruktionen betroffen. So entstand eine Erweiterung der Perspektive und zugleich eine Verschiebung weg vom „Feminismus alten Typs und einer damit verknüpften Identitäts- und Interessenpolitik hin zu „Gender-Mainstreaming
und entsprechenden politischen Agenden. Mit Letzterem ist also noch gar keine „Gender-Theorie im engeren Sinn verknüpft, sondern eine unter dem Maßstab der Geschlechtergerechtigkeit stehende Politik, in deren Fokus Frauen und Männer gleichermaßen stehen. Die Ebene von „sex
und die damit verbundenen Problematisierungen der natürlichen Geschlechtsidentität wird also im Anliegen des „Gender-Mainstreamings anders als in manchen Kritiken von Gender-Theorien vermutet noch gar nicht berührt. Entsprechendes ist hinsichtlich der „gender studies
zu sagen. Hier geht es zunächst einmal um besagte Erweiterung der Perspektive und um die Aufsprengung der Gleichsetzung „Geschlechtertheorie = Frauenthema (= Spielwiese) und die damit verknüpfte Konstruktion, dass „Geschlecht
ein „weibliches" Sonderthema ist.
Zum anderen erfolgte in radikal konstruktivistisch ausgerichteten Gendertheorien wie derjenigen der US-amerikanischen Philosophin Judith Butler eine Radikalisierung der o. g. These bzgl. der normierenden Macht von „gender-Konstruktionen. Im Anschluss an entsprechende Überlegungen des französischen Philosophen Michel Foucault geht Butler davon aus, dass das Ich nicht einfach in Diskursen situiert, sondern durch deren Vorgängigkeit konstituiert und konstruiert ist. Ebenso verhält es sich laut Butler mit dem Verständnis von „Geschlecht
: auch „Geschlecht sei Effekt diskursiver Praxen, und was als natürlich gegeben erscheine, wie etwa der Körper in seiner geschlechtlichen Differenzierung, sei allein Ergebnis kulturell und gesellschaftlich bedingter Benennungspraxen. Diskursive Praktiken sind Sprachhandlungen, die nicht etwa darin bestehen, eine der Sprache vorgängige Wirklichkeit zu benennen, sondern qua Sprach- und Benennungspraxis Wirklichkeit allererst zu setzen, zu erzeugen (performative Akte). Demzufolge gebe es keine natürliche Geschlechtsidentität (sex) im Unterschied zum kulturell bedingten Geschlecht (gender). So verbietet sich denn auch Butler zufolge jede Form von Identitätspolitik, die vom „Frausein
oder einer „weiblichen" Identität ausgeht.
DAS ICH ALS SPIELBALL DES DISKURSES?
Es wurde Butler oft vorgeworfen, dass sie den Körper bzw. materiell Gegebenes leugne. Das ist jedoch nicht der Fall. Butler hat unmissverständlich klargestellt, dass sie keineswegs die Wirklichkeit des Körpers in Frage stellt; sie leugnet nicht die Gegebenheit bestimmter Anatomien oder biologischer Prozesse, etwa die zur Fortpflanzung notwendige Verschmelzung von Sperma und Ei. Allein will sie darauf aufmerksam machen, dass wir in Bezug auf diese Vorgänge gemäß einer binären Logik Körperbilder konstruieren und so auch eine bestimmte Körperpraxis konstituieren. Und diese Kritik ist insofern berechtigt, als sie darauf aufmerksam macht, dass in unseren Annahmen über „sex mehr „gender
steckt als vielfach vermutet. Das Problem von Butlers Theorie liegt daher eher in einem anderen Punkt, nämlich ihrer These von der Vorgängigkeit des Diskurses. Denn wenn das Ich nicht mehr als dem Diskurs vorgängig verstanden wird, ja nicht mehr als Akteur bestimmter Praxen, sondern es umgekehrt einer „Allmacht des Diskurses unterworfen ist, dann fällt ein grundlegendes Prinzip einer – von Butler selbst verfochtenen – Philosophie der Freiheit als auch ein Prinzip einer Praxis der Anerkennung als Personen. Damit aber wird das Ich zu einem bloßen Spielball des Diskurses und seiner Macht, kann sich selbst aber weder zum Diskurs verhalten noch „Gegenmacht
erzeugen, weil es selbst über keine eigene schöpferische Kraft und Macht verfügt. Diskurse fallen nicht vom Himmel, ebenso wenig soziale Normen. Sie sind vielmehr das Resultat der Kultur setzenden, schöpferischen, kreativen Praxis des Bewusstseins. Als solche sind sie auch veränderbar und nicht quasi natürlich gegeben.
Ein zweiter problematischer Punkt in Butlers Theorie ist ihre Gleichsetzung von Leib und Körper, was dann in letzter Konsequenz auch die gänzliche Auflösung von „sex in „gender
zur Folge hat. Doch gerade die Phänomenologie hat darauf aufmerksam gemacht, dass zwischen Leib und Körper zu unterscheiden ist, weil dem Leib eine Doppelstruktur eignet: auf der einen Seite ist er Ding unter Dingen und damit Objekt der Wahrnehmung, auf der anderen