Ratsarbeit besser machen 2 - Rechtliche Aspekte: Ländervergleich der Kommunalverfassungen von Dr. Walter Unger
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Über dieses E-Book
"Ratsarbeit besser machen 2 - Rechtliche Aspekte" vergleicht die Kommunalverfassungen der einzelnen Bundesländer und stellt die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Neuorgani-sation der Kommunalpolitik vor. Für jedes Bundesland werden Veränderungsbedarf und Ver-änderungspotenzial identifiziert. Politik und Verwaltung erhalten konkrete Handlungsempfeh-lungen zur Verbesserung der politischen Entscheidungsabläufe in Räten, Kreistagen und Aus-schüssen.
Dieses Handbuch ist der zweite Teil der POLIS-Reihe zur kommunalen Politikreform. Die nächsten Bände werden die Einführung von Ratsinformationssystemen und die politische Per-sonalarbeit behandeln.
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Rezensionen für Ratsarbeit besser machen 2 - Rechtliche Aspekte
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Buchvorschau
Ratsarbeit besser machen 2 - Rechtliche Aspekte - Verlag Bertelsmann Stiftung
Stiftung
1. Ausgangspunkt und Aufgabenstellung
1.1 Leitfragen der Untersuchung
Viele Gemeinden und Landkreise haben in den letzten Jahren ihre Arbeit reformiert. Neue Steuerungsmodelle wurden erprobt oder flächendeckend eingeführt. Neue Leitbilder wurden entwickelt, um die Verwaltung bürgerfreundlicher und effizienter zu gestalten.
Je weiter dieser Prozess fortschreitet, desto deutlicher wird aber auch, dass es nicht mit einer Umgestaltung der Verwaltung¹ getan ist. Vielmehr muss sich auch die Arbeit des Rates² und seiner Untergliederungen verändern, wenn mit der Reform mehr als eine Veränderung von Binnenabläufen erreicht werden soll.
Aber auch unabhängig von diesen Überlegungen ist eine Neuordnung der Ratsarbeit erforderlich. Die Ratsmitglieder als ehrenamtliche Kommunalpolitiker sollen laut allen Kommunalverfassungen die wichtigen Entscheidungen treffen und die Verwaltung kontrollieren, und sie stehen dabei einer hauptamtlichen Verwaltung gegenüber, die ihnen sowohl hinsichtlich des Zeitbudgets als auch der Informationsmöglichkeiten und der speziellen Kenntnisse überlegen ist. Die fortwährend gestiegene Komplexität der Entscheidungsprozesse führt zu einer potenziellen (und z. T. auch sehr realen) Überforderung der Ratsmitglieder.³
Insbesondere in größeren Kommunen wird häufig versucht, dieser Gefahr mit dem Aufbau eines hauptamtlichen Ratsservices durch Fraktionsassistenten o. Ä. zu begegnen. Abgesehen vom Kostenfaktor - letztlich handelt es sich um Kosten, die von der Kommune getragen werden müssen - zeigt sich jedoch dabei, dass der Informationsvorsprung der hauptamtlichen Verwaltung nicht durch den Aufbau einer »Nebenverwaltung« aufgehoben werden kann. Zwar werden die Arbeitsbedingungen der Ratsmitglieder punktuell verbessert. Häufig aber werden die Abläufe bis zu einer Entscheidung des Rates länger, und das Grundproblem einer Beschäftigung des Rates mit immer mehr und immer komplexeren Sachverhalten bleibt bestehen.
Die Bertelsmann Stiftung hat sich deshalb im Rahmen des POLIS-Projektes die Aufgabe gestellt, Möglichkeiten einer Stärkung der ehrenamtlichen Kommunalpolitik zu prüfen. In dem Handbuch »Ratsarbeit besser machen«⁴ - im Folgenden als »Handbuch« bezeichnet - werden mögliche Lösungsansätze dargestellt. Grundgedanke ist dabei eine Dezentralisierung der Ratsarbeit durch Delegation von Entscheidungsprozessen auf Ratsausschüsse, durch die Trennung von strategischen und operativen Entscheidungen sowie durch die Steuerung mit Zielvereinbarungen an Stelle von Einzeleingriffen.
Für die Umsetzung dieser Vorschläge sind natürlich auch die rechtlichen Rahmenbedingungen von Bedeutung, die für die Ratsarbeit maßgeblich sind. Da das Kommunalrecht in Deutschland nahezu ausschließlich Landesrecht ist, sind auch diese Rahmenbedingungen von Bundesland zu Bundesland verschieden.
Aufgabe dieses Gutachtens ist es daher, die für die Ratsarbeit maßgeblichen Rechtsvorschriften der einzelnen Bundesländer daraufhin zu überprüfen, inwieweit sie den in dem Handbuch gefundenen Lösungsansätzen entgegenstehen und wie mit etwaigen Restriktionen umgegangen werden kann. Ziel ist es aber auch, gesetzliche Regelungen zu identifizieren, die diese Lösungsansätze potenziell fördern; solche Regelungen könnten dann als Vorbild für Änderungen einzelner Kommunalverfassungen dienen.
Ausgehend von dieser Aufgabenstellung hat die Bertelsmann Stiftung um ein Gutachten zu folgenden Fragen gebeten:
• Beratende und beschließende Ausschüsse: Inwiefern stehen bestimmte Gemeinde- oder Kreisordnungen abschließenden Entscheidungskompetenzen von Ausschüssen insbesondere im Budgetvollzug entgegen? Wie kann trotz dieser Regelungen eine Praxis dezentraler Entscheidungen entwickelt werden?
• Delegation von Entscheidungskompetenzen: Gibt es Restriktionen hinsichtlich der Delegation von Entscheidungskompetenzen durch den Rat? Stehen diese einer arbeitsökonomisch sinnvollen Trennung von fachbereichsübergreifenden (in der Regel strategischen) und fachpolitischen (häufig auch operativen) Entscheidungen entgegen? Wie kann trotz solcher Regelungen eine Effektivierung der Ratsarbeit erreicht werden?
• Gesetzlich vorgeschriebene Ausschüsse: Enthalten einzelne Kommunalverfassungen (oder andere Gesetze, wie z.B. das SGB VIII⁵, früher KJHG) Regelungen über die Bildung und Zuständigkeit von Ausschüssen, die eine Bündelung von Zuständigkeiten hinsichtlich Zahl und Aufgabenbereich oder die Bildung eines zentralen »Strategie- und Ressourcenausschusses« erschweren? Welche Restriktionen ergeben sich aus einer etwaigen kommunalverfassungsrechtlich vorgeschriebenen personellen Besetzung solcher Ausschüsse? Wie kann damit in der Praxis umgegangen werden?
Um diese Fragen zu präzisieren und rechtlich einzuordnen, sollen im weiteren Verlauf der Untersuchung zunächst noch einmal kurz die Grundsätze dargestellt werden, die für die politische und administrative Steuerung einer modernen Kommune maßgeblich sind und die dem Handbuch zu Grunde liegen.⁶
Davon ausgehend werden dann die für diese Untersuchung relevanten Regelungen der einzelnen Kommunalverfassungen im Zusammenhang dargestellt. Damit soll es den Entscheidungsträgern ermöglicht werden, die Umsetzungsmöglichkeiten der in dem Handbuch aufgezeigten Lösungsansätze in ihrer jeweiligen Kommune zu prüfen.
Schließlich werden die Regelungen der einzelnen Bundesländern nach Themengruppen zusammengefasst, was insbesondere für die rechtspolitische Bewertung der einzelnen Kommunalverfassungen im Hinblick auf die oben dargestellten Fragen von Bedeutung ist.
1.2 Politische und administrative Steuerung in einer modernen Kommune
Eine Effektivierung der Ratsarbeit ist auch im Rahmen der herkömmlichen Steuerung der Kommune notwendig und möglich. Das Handbuch »Ratsarbeit besser machen« postuliert aber eine neue Steuerung der Kommune, d.h. einen Umbau der Verwaltung, der durch Veränderungen der Ratsarbeit begleitet und z. T. erst ermöglicht wird.⁷
Die oben skizzierten Fragen lassen sich daher nur zielgerecht beantworten, wenn diese neue Steuerung mit ihren Auswirkungen auf die politische Arbeit und die Arbeit der Verwaltung kurz dargestellt wird.
Das dem Handbuch zu Grunde liegende Steuerungsmodell geht von folgenden Grundstrukturen aus:
• Trennung von Steuerung (Management) und Produkterstellung,
• Produktorientierung und dezentrale Produktverantwortung,
• Budgetierung und dezentrale Ressourcenverantwortung,
• Kontraktmanagement,
• Wettbewerb,
• Controlling.
Für die Organisation der Kommune bedeutet dies, dass innerhalb der Verwaltung teilautonome Bereiche - meist als Fachbereiche oder Fachdienste bezeichnet - gebildet werden, die für die Produkterstellung sowohl die Produkt- als auch die Ressourcenverantwortung tragen. Das Handeln dieser Bereiche wird durch Vorgaben hinsichtlich Qualität und Quantität der zu erbringenden Leistungen gesteuert.
Aufgabe der Steuerungsebene ist es, diese Vorgaben mit Hilfe der Steuerungsunterstützung zu entwickeln, darüber Zielvereinbarungen zu schließen und deren Einhaltung durch Controlling sicherzustellen, wobei die Vereinbarungen inhaltlich durch die Ergebnisse von Wettbewerb bzw. Quasi-Wettbewerb (z.B. Vergleichszahlen) bestimmt werden. Aufgabe der Steuerungsebene ist es darüber hinaus, die grundlegenden Managemententscheidungen für die Gemeinde zu treffen, die dann wiederum Grundlage für die Entwicklung der Zielvereinbarungen sind.
Die Empfehlungen des Handbuchs basieren auf diesem Modell des Verwaltungsaufbaus. Die meisten Vorschläge sind auch bei einer herkömmlichen Verwaltungsstruktur möglich und führen bereits so zu einer effizienteren Ratsarbeit. So ist es z. B. auch dann sinnvoll, die Zahl der Ratsausschüsse zu vermindern und dadurch Doppelzuständigkeiten und Zersplitterung der Verantwortung zu vermeiden, wenn die Verwaltung nach wie vor in eine Vielzahl von Ämtern untergliedert ist.
Auch kann die Delegation von Entscheidungskompetenzen oder die Verlagerung der Kompetenz für Auftragsvergaben auf Fachausschüsse auch dann vom Rat beschlossen werden, wenn die Verfügung über finanzielle Ressourcen innerhalb der Verwaltung zentral bei der Kämmerei als Querschnittsamt konzentriert ist.
Die Verlagerung von Controllingfunktionen auf Fachausschüsse, die Berichte von Facheinheiten der Verwaltung erhalten und diskutieren, setzt aber naturgemäß voraus, dass ein solches Berichtswesen in der Verwaltung besteht. Ebenso können Entscheidungen über die Umschichtung innerhalb eines Budgets nur bei einem budgetierten Haushalt getroffen werden und bedingen damit auch eine gewisse Ressourcenkompetenz der jeweiligen Facheinheit.
Ihre optimale Wirkung erzielen die in dem Handbuch vorgeschlagenen Maßnahmen also nur dann, wenn sie mit einer Reform der Verwaltung nach den oben dargestellten Grundsätzen verbunden sind. Für den weiteren Gang der Untersuchung ist daher davon auszugehen, dass die Verwaltung wie oben beschrieben organisiert ist und gesteuert wird.
Dies bedeutet für die Arbeit im Rat und in dessen Ausschüssen, dass Gesprächs- und Kontraktpartner für die Steuerungsebene grundsätzlich der Rat ist, dass ein Ausschuss des Rates als Querschnittsausschuss (»Strategie- und Ressourcenausschuss«) mit