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Mitte 1: Berlin - eine Exzentriker-WG
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Mitte 1: Berlin - eine Exzentriker-WG
eBook348 Seiten4 Stunden

Mitte 1: Berlin - eine Exzentriker-WG

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Über dieses E-Book

Was kann in Berlin-Mitte schon schief gehen, wenn man ein enthusiastischer Schussel ist?
"Mitte" ist eine Komödie über eine Exzentriker-WG, deren Bewohner sich gegenseitig das Leben schwer machen, die Partner suchen, finden und es wieder bereuen; die Karrieren bauen und zerstören, während sie sich fragen, wohin es mit der Selbstverwirklichung ihrer Mitbewohner noch führen soll.

"In erster Linie wollte ich den Geist der späten Neunziger Jahre einfangen und zu leichter Lektüre machen, lustig, fies, frivol, realistisch - mit viel Berliner Lokalkolorit: Sex, Clubs, Gym, Musik, Mode, Drogen, Alkohol, Kunst... der ganz alltägliche Mix eben. Es ist damit auch ein ironischer Blick auf mich selbst geworden, wobei ich betonen will, dass sämtliche Figuren rein fiktiv sind, inklusive des Erzählers. Allein die Kulisse der Stadt ist real."
SpracheDeutsch
Herausgeber110th
Erscheinungsdatum17. Nov. 2014
ISBN9783958652415
Mitte 1: Berlin - eine Exzentriker-WG

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    Buchvorschau

    Mitte 1 - Albrecht Behmel

    Cörd

    Wampe con carne

    Albrecht, sagte die Wibke Schmidt zu mir, als ich total entspannt bei mir zuhause in der Badewanne lag, du wirst fett!

    Ich sagte:

    Das darf doch nicht wahr sein!

    Weil: Das war wieder eine von genau den Frechheiten, die ich mir jeden Tag in meiner eigenen Wohnung anhören muss, seit die alle bei mir eingezogen sind. Und von all denen ist die Wibke Schmidt das beste Mittel gegen Entspannung, das ich kenne. Sie sagte:

    Doch, fett wirst!

    Sag mal, knirscht dir die Bindung, Wibke?

    "Okay, wärs dir lieber mit dickleibig, feist, untersetzt, hm?"

    Also, ich bin überhaupt nicht untersetzt …

    Für alles muss man sich entschuldigen in seiner eigenen Wohnung.

    "Doch, ziemlich untersetzt sogar, vor allem am Unterbauch. Hier!"

    Sie griff mir voll an die Schwarte. Ich sagte:

    Ouh! He!

    Dann ist sie in die Küche gegangen, und ich hab mir vorgenommen, nur noch Schaumbäder zu nehmen. Blickdicht. Und dabei hatte ich mich eigentlich nur in die Badewanne gelegt, weil die Jenny, meine heimliche Liebe, im Schlafzimmer saß und die ganze Zeit gesungen hat. Das Bad ist der einzige Ort, wo ich im Moment meine Ruhe habe – jedenfalls im Prinzip. Und dann kommt die Wibke und verleidet mir das Asyl.

    Ich muss sagen, ich fand das auch inhaltlich unfair von der Wibke Schmidt, weil, es ist doch so: Die Wibke Schmidt braucht vier bis fünf warme Mahlzeiten am Tag, ständig hungrig, wenn ihr versteht, was ich meine: Sie frisst wie eine der ernster zu nehmenden ägyptischen Plagen, aber das Komische an der Sache ist, dass sie selber kein einziges Gramm zunimmt, jedenfalls nicht öffentlich, weil sie jedes Mal, wenn sie mal zu doll an die Steaks gegangen ist, sofort zum Sport rennt und sich wieder alles von den Hüften runterstrampelt.

    Ihre Fitness-Kurse heißen:

    Pilatus; Bauch-Attack und Rock yo' Butt - oder so ähnlich. Und ich? Na, ich kriege halt auch vier bis fünf warme Mahlzeiten am Tag und werde untersetzt. Aber: Ich hatte wirklich zugenommen. Oder: Der Schaum stand nicht hoch genug, also hab ich noch mal heißes Wasser nachlaufen lassen. Half auch nicht.

    Die Wibke Schmidt hat vorher schon eine ganze Weile lang versucht, mich dazu zu bringen, mit ihr ins Gym zu gehen, eben weil sie fand, dass ich zu fett bin. Sie funkte:

    Aber nein, das ist es doch gar nicht: Mehr Bewegung würde dir einfach gut tun, meinst du nicht auch? Und es wär doch auch schön, wenn wir zwei mehr miteinander unternehmen, wenn du schon nicht mit mir in den Aquarellkurs willst.

    Sie hatte direkt in mein Gehirn reingeredet, die Wibke Schmidt, exakt da, wo sich mein Gewissen versteckt hält und hofft, dass niemand es entdeckt ... Das macht sie immer, die Wibke, redet mir direkt ins Hirn rein. Manchmal ist das Okay, wenn ich beim Kaisers vergessen habe, was ich mitbringen soll, aber meistens nervt es mich einfach nur.

    Das ist ja überhaupt ganz oft so bei den Frauen, dass sie zuerst ganz harmlos und lieb aussehen und so tun, als würden sie dich für irgendwas bewundern, und, zack, entern sie dir die Kommandobrücke, übernehmen die Kontrolle über deinen Öltanker, und dann ordnen sie einfach einen neuen Kurs an: Aquarell-Atoll oder so eine Region, wo die ganzen Atomtests stattfinden. Da steuern sie dann drauf zu.

    Jedenfalls hab ich beim Abtrocknen meinen Bauch angeschaut und beschlossen, dass ich mehr Bewegung brauche, und dass auch mein täglicher Spaziergang durch Berlin-Mitte nicht reicht, wenn man mal ehrlich ist.

    Außerdem: Die Wibke hatte mir ja schon Sportsachen und Gymtreter gekauft, und die hatte ich ganz ordentlich erst mal einen Monat lang in den Schrank gestellt, wo der Orest sie nicht finden kann. Ja, und dann bin ich halt in Gottes Namen Mitglied im Gym von der Wibke geworden, aber sie war immer noch nicht zufrieden und hat angefangen, an meiner Ernährung herumzuwerkeln wie eine Mischung aus Psychiater und einem Vertreter der Obst-Gewerkschaft. Sie stand in der Küche und drohte mit ihrem Schneebesen:

    Ess!

    Ich sagte:

    Aber dauernd nur Kiwis?

    Ess, schon!

    Nein, danke!

    Ihre Kiwis konnten meiner guten Laune nichts anhaben. Ich hatte sogar etwas Besseres als gute Laune, ich hatte regelrecht große Laune. Sie sagte. Zu mir:

    Und wenn die Grippewelle doch noch kommt? Was dann?

    Dann kann ich mit Kiwis nach ihr werfen, deswegen darf ich sie jetzt nicht essen.

    So dass ich dich wieder gesund pflegen muss.

    Ich sagte:

    "Musst? Darfst!"

    Erkält dich nicht wieder!"

    Wieder? Quatsch! Ich bin nie krank.

    Das hat sie zum Lachen gebracht, die Wibke. Sie sagte:

    Weil ich auf dich aufpass! Komm, ess, da sind Vitamine drin, Dummi!

    Ich dachte, ich bin der 'Schatz'?

    Nein, schon wieder nicht mehr.

    Ich sagte:

    Außerdem heißt es 'iss'.

    Die Wibke hat eine Hitparade, auf der ich Lift fahre: immer rauf und runter, je nachdem, was ich grade wieder gesagt habe. Ich sagte:

    Also wie? Wenn ich Kiwis esse, bin ich ein Schatz, wenn ich dich auf Denkfehler in deiner Logik aufmerksam mache: Dummi.

    Iss deinen Obstsalat, Maus!

    Sie lernt schnell. Das ist gut. Aber trotzdem: Es wurde mir langsam zu zoologisch. Ich sagte:

    Was hast du grade gesagt?

    Meine persönliche Sonne ging ganz plötzlich unter, und ich konnte aufgehängte Fledermäuse erkennen. Vermutlich Selbstmord, aber es waren keine Fledermäuse, sondern Kiwis.

    Ich finde ja, dass eine Horde Kiwis auf dem Küchentisch immer so aussieht, als würden sie jetzt gleich alle miteinander aufgeschreckt davonrennen - und so was schält man doch nicht! Man schält ja schließlich auch keine Meerschweinchen. Die Sonne ging wieder auf.

    Der Vergleich hinkt aber, mein Lieber, funkte die Wibke direkt in mein Gehirn hinein.

    Und man schält auch keine Meerschweinchen, die hinken, sagte ich laut.

    Wibke schaute mich an:

    Rechthaber!

    Nein, Bessermacher!

    Klugscheißer!

    Nein, Alleskönner!

    Ganz genauso schlimm!

    Ich hab auf meinen Sektor vom Obstsalat geschaut, als es an der Tür klingelte, und das ist bei uns keine Kleinigkeit, denn diese Klingel an der Tür, die klingelt so, als hätte das Jüngste Gericht seine Sitzungspause beendet und würde jetzt gerne mit der ewigen Verdammnis fortfahren. Und wenn dann auch noch meine Schwester Felizitas auf den Knopf gedrückt hat, dann ist es halt sozusagen: noch lauter.

    Es war tatsächlich die blöde Feli.

    He, Feli, was machst du denn für ein Gesicht, Schwesterherz?

    Was die inneren Organe betrifft, da ähnelt meine Schwester aber eigentlich keinem Herz, sondern eher einer Gallenblase, aber ich wollte nett sein, und deswegen hab ich zu ihr Schwesterherz gesagt und nicht, Schwestermilz oder Schwesterdarm.

    Sie ist voll in die Küche reingeflogen und hat sich umgeschaut, ob irgendwelche Terroristen anwesend sind. Dann sagte sie:

    Oh, ich sag's dir! Das war vielleicht ein Tag ...

    Sie setzte sich hin. Ich sagte:

    Was´n los?

    Bei der Feli muss man höllisch aufpassen, wenn sie was sagt, weil sie, nachdem sie was gesagt hat, immer noch was anderes sagt, und damit bringt sie dich dann ruckzuck bis zum Kinn in die Djinga Masala mit vier Pepperonisymbolen kurz vor der Preisangabe.

    Die Feli hat sich auch einen Obstsalat genommen und angefangen zu reden, über alles gleichzeitig, aber: Der Punkt ist: Sie hatte Ärger. Soviel konnte ich sofort verstehen. Ich setzte mich aufmerksam hin und sagte:

    Du meinst: Du hast Ärger?

    Das hab ich dir doch grad erklärt, Albrecht. Hörst du eigentlich nie zu?

    Ich hab noch Schaum in den Ohren.

    Und das war absolut die Wahrheit, aber das Problem war, dass die Feli so schnell über alles gleichzeitig gesprochen hat, dass ich keine Chance hatte, richtig zuzuhören, weil ich ja eher ein langsamer Zuhörer bin. Und das bin ich aus Vorsicht, und die ist bei der blöden Feli absolut notwendig, für alle Leute, die kein Interesse daran haben, ihre eigenen inneren Organe am nächsten Tag in der Abteilung Sonderangebote für Transplantationen wiederzufinden.

    Dann hat sie alles noch mal erklärt, und was ich verstanden habe, ist: dass sie ihren Verleger interviewt hat, und dabei muss sie die gleiche Technik angewendet haben, wie bei den üblichen Opfern, aber das Problem ist, dass der Verleger das überhaupt nicht witzig fand, als er sich selbst am nächsten Morgen in seiner eigenen Zeitung ausgeweidet und zum Wolpertinger ausgestopft wiedergesehen hat. Ich sagte:

    Du hast deinen Chef gegrillt?

    Meinen Chef-Chef sogar.

    Gratuliere ... ich wette, das war eine ganz neue Erfahrung für ihn.

    Das hab ich gesagt, weil: Ich sehe immer gern auch die positive Seite von guten Dingen, die eigentlich gar nicht so übel sind, wenn man mal drüber nachdenkt. Dann hab ich gesagt:

    Du hast ihm die üblichen Fragen gestellt, wie deinen ganzen anderen armen Opfern auch immer, und er ist drauf reingefallen?

    Wie ein Jo-Jo

    Hä?

    Immer wieder.

    Ah!

    Genau.

    Und warum ist das schlecht?

    Sag mal, bist du nicht ganz klar im Kopf?

    Ich schaute mich um:

    Wibke?

    "Ja, Hanni?"

    Was würdest du auf so eine Frage antworten, Wibke? Bin ich nicht ganz klar im Kopf?

    Aber natürlich bist du das, Hanni, ess deine Polenta, hm?

    Sie sagt manchmal Maus zu mir, die Wibke Schmidt, oder Schatz, und ich vermute, dass sie mich gerne auf einer Pirateninsel vergraben würde, und das wars dann, aber Hanni? Das war neu! Sie sagte:

    "Ich hab Honey gesagt, nicht Hanni, aber Hanni ist eigentlich auch ganz gut; netter Name für ein Mädchen, oder? Ich denk oft an Namen für Kinder."

    Wuäh!

    Siehst du, Feli? Die Wibke findet, dass man das so nicht sagen kann ...

    Was ist das denn eigentlich die ganze Zeit für ein Geplärre da aus deinem Zimmer?

    Das ist die Jenny; sie singt.

    Weil: Die Jenny ist ja jetzt auch bei mir eingezogen und wohnt überall, wo ich früher Lebensraum für mich selber hatte. Feli sagte:

    Es klingt, als hätte sie Schmerzen …

    Ich sagte:

    Nein, sie hat gute Laune.

    Aber, die Wibke Schmidt, die ist unglaublich! Sie stellte uns auf einmal Tiramisu auf den Tisch, jetzt, wo ich voller Kiwis war, aber die Feli schaufelte sich die Tiefgarage voll. Die Feli sagte:

    Wohnt sie immer noch bei dir?

    Ja, klar … das ist doch die Jenny, Mann!

    Aber das geht ja dann schon seit Monaten so …

    Seit der Onkel Georg gestorben ist, ja.

    Zahlt sie wenigstens Miete?

    Aber ich schaute nur auf das Tiramisu. Die Wibke Schmidt sagte:

    Du kriegst kein Tiramisu, Albrecht!

    Warum denn nicht?

    Ess deinen Obstsalat!

    Jajajaaaaa … Und es heißt 'iss'.

    Weil: Darauf achte ich schon immer ganz genau, wenn was nicht so heißt, wie die Wibke Schmidt das grade sagt.

    Die Feli sagte:

    Seit Onkel Georg gestorben ist, hm …

    Ich sagte:

    Jetzt hack bitte nicht auf Jennys Alter rum, das macht man nicht, Feli.

    Weil: Jenny ist genau so alt wie ich; kein Grund, da ein Problem draus zu machen.

    Naja, das geht mich auch nichts an ...

    Ich wurde patriarchalisch oder wie das heißt. Ich sagte:

    He, hör mal zu, Feli: Die Jenny gehört zur Familie.

    "Zu deiner Familie vielleicht", sagte meine Schwester.

    Und außerdem: Die Feli ist ja noch älter als ich. Egal. Die Wibke Schmidt sagte:

    Na gut, eine ganz kleine Portion kriegst du.

    Ich sagte:

    Ah, endlich!

    Im Grunde mag meine Schwester die Jenny vermutlich total gern, weil: Erstmal mögen beide Hunde, und außerdem: Jeder mag die Jenny, und Orest ist vollkommen begeistert von ihr, springt an ihr hoch, bellt und leckt sie ab, genauso wie ich das gerne machen würde, und deswegen findet Feli sie auch in Ordnung.

    Wahrscheinlich verstößt es halt einfach gegen den Ehrenkodex von Schwestern, irgendwas Nettes über andere Frauen zu sagen; jedenfalls hab ich immer schon diesen Verdacht gehabt. Überhaupt ist das alles ziemlich verzwickt, wenn man eine Freundin, eine Schwester und dazu noch eine Mitbewohnerin hat; das kann ich schon mal vorausschicken. Ich sagte zur Feli:

    Aber jetzt bleib doch mal bei der Sache: War das der Chef-Chef von der Superschlampe?

    "Unser Journal heißt: Exxtravangance, Albrecht."

    Sag ich doch: Iggsdräwägänz.

    Meine Augen verdrehten sich, ohne dass ich was dagegen tun konnte. Die Feli sagte zur Wibke:

    War er wieder auffällig in der letzten Zeit?

    Weil: Die Feli wechselt immer das Thema zu meinen Ungunsten. Wir schauten beide die Wibke Schmidt an, wie zwei Tennisspieler wenn der Richter, den Ball in die Fresse gekriegt hat.

    Nicht besonders, aber ich finde sein neustes Projekt ein bisschen fragwürdig, sagte diese unloyale Schnappschildkröte.

    Die meint das moralisch, Feli, muss man nicht ernst nehmen, hab ich gesagt. Die Feli schaute an die Decke.

    Der Hintergrund ist: Ich bin nämlich grade dabei, ein neues Aktionskunst-Projekt zu machen, wo es um angemalte Schweine geht, und der Witz an der Sache ist: Das sind ganz echte, lebendige Schweine, die ich als Pinsel verwende, aber das Projekt ist noch in der Entwicklungsphase.

    Das ist übrigens nicht ganz leicht, hier in Berlin geeignete Schweine zu finden, wenn ihr versteht, was ich meine, weil: Die dürfen ja nicht zu viel wiegen, und find das mal irgendwo hier in Berlin Mitte: mittelschwere, normale Schweine. Ziemlich schwierig. Sollte man zwar nicht denken, ist aber so.

    Meine Idee war, die Schweine mit Bier abzufüllen, so dass sie während der Performance immer besoffener werden und man ihren sittlichen Verfall mitverfolgen kann.

    Willst du damit unserer Gesellschaft den Spiegel vorhalten und uns zeigen, dass wir im Grund alle nur wie diese besoffenen Schweine sind?, hat die Wibke Schmidt gefragt, als ich ihr zum ersten Mal davon erzählt hab.

    Ja, eigentlich will ich aber nur eine Riesensauerei in der Galerie von der Holzkamp anrichten, ich dachte an rot oder grün ... Weihnachtsmotiv! Aber das mit dem Spiegel, hey, das ist ja toll! Danke! Saucoole Idee! Das sag ich bei der Vernissage ganz genau so. Warte, das muss ich mir kurz aufschreiben. Wie hast du das noch mal gleich formuliert? Wir sind der Spiegelvorhalter von den … was?

    Gib mir den Stift!

    Was ich aber eigentlich sagen wollte ist, dass die Kurzfassung von der Feli noch weitergegangen ist: Ihr Chef-Chef war total wütend darüber, dass er nicht so gut weggekommen ist, und jetzt diskutiert die ganze Redaktion darüber, ob sie lieber alle entlassen werden wollen oder ob man die Felizitas besser in die Abteilung für Wetterberichte und Horoskope versetzen sollte. Als ob die Klimakatastrophe eine Assistentin braucht, damit alles noch schlimmer wird.

    Das sag ich ja schon ganz lange: Wenn einmal der Tag kommt, an dem Feli entlassen wird, dann kann sie ganz einfach in die Automobilindustrie gehen und mit ihrer Stimme dicke Bleche zuschneiden oder in der Lawinen-Spreng-Branche von Österreich unterkommen. Besser wäre allerdings Tibet.

    Jedenfalls mache ich mir um die Feli keine Sorgen: eine Karriere wie eine V2 Rakete aus Peenemünde: dazu noch ein ganz ähnlicher Charakter, vor allem, was den Sprengkopf und die Landung betrifft.

    Die Wibke Schmidt hat sich dann direkt neben die Feli gesetzt und angefangen, sie gut zu verstehen; das machen die beiden immer, und zwar so lange, bis ich den Raum verlassen muss, weil mir sonst schlecht wird ... Und als sie dann noch angefangen haben, über Renovierungen zu sprechen - da war es aus.

    Meine große Laune war wieder auf Normalmaß geschrumpft. Mittelgroß.

    Weil: Es ist ja so: Die Felizitas hat ihren Führerbunker in Charlottenburg neu eingerichtet, wahrscheinlich einfach nur noch mehr Stacheldraht, aber jetzt alles im Stil von der Toskana. Ich sagte:

    So, ich geh jetzt zum Sport, und wollte schon gehen.

    Bringst du bitte ´n paar Sachen mit?

    Muskelkater, Zerrungen und einen erhöhten Serotoninspiegel?

    Butter, du Trampel!

    "Na gut, mach ich! Aber, Wibke, du verstehst schon, dass Butter absolut tödlich ist, da sind jede Menge ... also Stoffe drin, musst du wissen: Macht furchtbar dick!"

    Und ich hab dabei auf Felis Hintern gezeigt, wurde aber ignoriert.

    Außerdem brauchen wir: Obst und Seife und Küchenpapier und dann noch gerebelten Thymian ...

    Das kann ich mir nicht merken.

    Denk trotzdem dran!

    Okay, bis später!

    Und ich war raus.

    Endlich!

    Die Luft auf der Straße war nicht unbedingt besser als drinnen, aber ruhiger war sie im Vergleich zur Küche auf jeden Fall, und das war schon mal gut für mich, weil: Wenn es laut ist, werde ich supergeräuschempfindlich.

    Und deswegen laufe ich immer zu Fuß durch die Stadt, so oft ich kann. Mein täglicher Wildwechsel geht die Friedrichstraße hinunter bis zum Gendarmenmarkt, wo ich bei Susi einen doppelten Espresso trinke, am besten mit meinem Kumpel Mikki mit den Glubschaugen.

    Der Mikki ist jetzt mit der Felizitas zusammen, weil ich nicht richtig aufgepasst habe, und da haben die beiden sich in meiner Küche kennengelernt, und dann ist es halt passiert. Erst hab ich mir ja gedacht:

    Oh Gott, das endet mit einem Schauprozess für den armen Mikki.

    Aber im Prinzip scheint es mit den beiden ganz gut zu klappen, abgesehen von der Tatsache, dass sie sich alle zwei Wochen trennen und dann wieder versöhnen, wobei der Mikki noch tiefer in die Schuldenfalle von der Beziehung abrutscht.

    Mein Handy fing an zu wackeln, als hätte es einen Krampf im Akku. Es war eine SMS von der Wibke Schmidt, die ich auf meiner Telefonliste Unglaublich genannt habe. Das finde ich netter als die echten Namen von Leuten, die man ja eh kennt. Deswegen geb ich meinen Kontakten immer Codes, und die beschreiben immer mein Gefühl, das ich habe, wenn die Leute anrufen und ich das Display sehe.

    Unglaublich schrieb:

    BUTTER, OBST, SEIFE, KÜCHENPAPIER, GEREBELTER THYMIAN UND SEROTONINSPIEGEL BITTE. KUSS :-) VIEL SPASS @TRAINING!!!

    Das ist die Wibke Schmidt. Kann absolut hellsehen, weil, wenn ich mal kurz ehrlich sein soll: Ich hatte das alles schon wieder komplett vergessen, und zwar in dem Moment, als ich am Friedrichstadtpalast vorbeigekommen bin, weil es da nämlich eine neue Show gibt; da geht es um Die Frankenstein Brüder retten Heidi, oder so ähnlich.

    Auf dem Plakat sieht man paar Mädchen mit sehr langen Beinen im Dirndl, die in einem großen Aquarium gefangen sind und von vier Typen gerettet werden, die enorme Schuhe tragen, aber die Show selber hab ich nicht gesehen, weil: Als Berliner geht man eigentlich nicht in den Friedrichstadtpalast.

    Aber in gewisser Weise ist das auch wieder Country, mit dem Bergen und so, und da steh ich total drauf, aber irgendwie ist Heidi die falsche Art von Country. Nicht genug Pferde und Revolver, wenn ihr versteht, was ich meine. Keine blutigen Sättel.

    Egal: Immer, wenn ich da vorbeikomme, also am Friedrichstadtpalast, dann vergesse ich alles. Zum Beispiel Thymian oder auch meinen Lebenswillen.

    Der Punkt ist: Es lief zurzeit eigentlich ganz gut mit uns, also, der Wibke Schmidt und mir, und ich glaube, was mir am besten gefällt, das ist, dass sie mich nicht zwingt, ihr das ständig zu sagen.

    Für sie ist das Okay, wenn sie spürt, dass ich sie einfach mag, und dass wir zusammen sind, und die Hauptsache für sie ist, dass ich immer den Müll runterbringe und strammstehe, wenn sie die morgens die Fahne hisst. Ich glaube, das ist das Geheimnis von guten Beziehungen. Die Fahne muss jeden Morgen gehisst werden.

    Und weil ich das Handy gerade in der Hand hatte, hab ich dem alten Mikki auch gleich eine SMS geschrieben. Ich schrieb:

    Vier im Newton?

    Das ist unser Code. Das bedeutet so viel wie:

    Komm, wir treffen uns um vier Uhr im Newton, alter Junge.

    Aber der Code hat einen Trick:

    Achtundachtzig im Newton bedeutet nämlich zum Beispiel:

    Es gibt keine Sitzplätze - und dann gehen wir halt woanders hin, in der letzten Zeit oft ins Ganymed.

    Für mich gibt es kaum was Schöneres, als nach dem Training im Ledersessel zu sitzen und Espresso zu trinken, bis ich vollkommen nervös bin, und eigentlich will ich ja den Mikki dazu bringen, dass er auch mit mir trainieren geht, erstens ist er viel untersetzter als ich und zweitens macht es mehr Freude, wenn man zu zweit zu schaut, wie anderen Leuten die Sehnen platzen, aber das läuft nicht mit dem Mikki. Vergisst es einfach, schiebt den Unterkiefer vor und macht nicht mit. Das ist der Mikki im Nachrichtenüberblick.

    Weil: Erstens hat er immer was Besseres zu tun als zum Sport zu gehen und zweitens sind diese besseren Sachen meistens Leute, die gleichzeitig auch noch Frauen sind.

    Da kann ich nicht mithalten; er verwendet seine Glubschaugen immer dazu, Mädchen oder was er dafür hält, hinterherzuschauen, bevor er sich auf sie stürzt, wie ein Zollbeamter auf einen Serotoninschmuggler.

    Mein Handy wackelte los, als ich auf der Höhe der Linden war. Genau im richtigen Moment, weil man da nämlich sehr geschickt nach links und noch mal rechts in die Charlottenstraße abbiegen kann, Einflugschneise ins Newton, oder aber man kann weiter geradeaus gehen und dann erst nach links. Man könnte sagen, genau an der Stelle muss man eine Entscheidung treffen, die aber nichts bedeutet, wenn man ins Newton will. Auf meinem Display kam das Wort: Blödsinn, das ist der Eintrag, den ich der Telefonnummer von Mikki gegeben habe, weil er früher oder später immer Blödsinn sagt, wenn ich ihm was erzähle.

    Für Felizitas hatte ich ursprünglich: Jawohl, mein Führer, aber das hat sie mal gesehen und mich dann mit vorgehaltener Waffe gezwungen, es wieder zu ändern. Das Wort sagt eh schon alles. Die Nachricht von Blödsinn lautete:

    Nein sofort du pflaume bin schon DA.

    Und das war gut, weil ich schon auf dem Weg war, und ich hatte nichts dagegen, erst mal einen Kaffee zu trinken und dann zum Sport zu gehen, weil, es ist ja so: Wenn man immer hört, dass man zu dick ist, und sich dann mit einem trifft, der noch dicker ist, dann sinkt die Gefahr, dass man sich beim Training übernimmt. Ich nehme das alles einfach ein wenig lockerer dann. Und: So fett bin ich eigentlich gar nicht. Höchstens ein bisschen untersetzt.

    Mikki saß in seinem Lieblingssessel mitten im Newton und studierte die Karte, als würde er sich ernsthaft überlegen, etwas anderes zu bestellen als einen Weißwein, weil: Schau mal: Ich kenne doch den Mikki: Es war genau die Zeit für seinen ersten Weißwein, dieser alte Säufer.

    Der Mikki und ich: Wir verstehen uns eben auch deswegen so gut, weil wir beide immer an unseren Gewohnheiten kleben wie eine gute Banane an ihrem Etikett. Ich warf ihm eine Streichholzschachtel an den Kopf. Volltreffer. Das mach ich immer. Schade, dass Streichholzschachteln nicht als Vier-Kiloboxen kommen. Er sagte, ohne mich anzuschauen:

    Da bist du ja endlich!

    Mikki kann ziemlich ungeduldig sein, manchmal. Ich sagte:

    Hey, Mikkoh, was rattert?

    Deine Schwester ist höchstwahrscheinlich manisch-depressiv, mein Lieber, ich dachte mir, du solltest das als Erster erfahren.

    Er schaute immer noch auf die Karte.

    Wieso? Was hat sie denn gemacht?

    Hör bloß auf, von deiner Schwester zu reden ... schlechtes Thema.

    Wie jetzt: Du hast doch grade selber damit angefangen ...

    Sei bitte kein Haarspalter!

    Das Tolle am Newton, das ist die Susi, die Bedienung, ganz kleine Blonde mit einem Pferdeschwanz und superkompetent in allem, was sie macht, finde ich, schon allein, wie sie ein Tablett trägt - total kompetent.

    Mikki findet das auch, und deswegen bestellen wir auch immer gleich ganz viele Getränke auf einmal, weil es immer so klasse aussieht, wenn die Susi sich durch die Tische schlängelt und das Tablett über dem Kopf balanciert, also: etwa so hoch wie mein Kinn, wenn ich sitze. Sie säuselte uns an:

    Na, wat wollter trinkn, Jungs?

    Wie immer!

    Ein Riesling ... mit Eis?

    Wenn dafür noch Platz im Glas ist, ja!

    Un' du, Albrecht?

    Einen dreifachen Espresso, bitte

    Ich mache gern immer die gleichen Witze. Die Susi hat mit ihrem Kinn auf mich gezielt und gesagt:

    Wir ham nur doppelte oder eenfache Espressen, und det weeßte janz jenau.

    Dann bring mir halt zwei doppelte und schütt bei einem die Hälfte weg ...

    Der Punkt ist: Ich bin immer ziemlich gut in den ganzen IQ-Tests. Man hätte natürlich auch drei einfache zusammenschütten können, aber das ist weniger geschickt, weil man dann nämlich eine Tasse mehr abwaschen muss. Das ist das Geheimnis bei den Tests. Aber was ich blöd finde, das ist, dass man nur ankreuzen kann und nicht dazu schreiben, warum man eigentlich dies oder das angekreuzt hat.

    Quatschkopp, sagte die Susi und wedelte kompetent davon.

    Mikki machte ein zufriedenes Gesicht, weil: Immer wenn

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