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Essays: Neu übersetzt aus dem Englischen von Michael Siefener
Essays: Neu übersetzt aus dem Englischen von Michael Siefener
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eBook287 Seiten5 Stunden

Essays: Neu übersetzt aus dem Englischen von Michael Siefener

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Über dieses E-Book

Warum haben unverheiratete Männer einen größeren gesellschaftlichen Nutzen als verheiratete? Welche Vorteile bieten Verstellung und Heuchelei? Warum faszinieren uns Liebe und Neid mehr als alle anderen Empfindungen? Diese und viele weitere moralphilosophische Fragen sind auch knapp 400 Jahre nach Bacons Tod brandaktuell. Selten werden sie jedoch mit einer so entwaffnenden psychologischen Schärfe und einer ähnlich raffinierten Metaphorik diskutiert wie in dieser Essay-Sammlung.
SpracheDeutsch
Herausgebermarixverlag
Erscheinungsdatum18. Nov. 2013
ISBN9783843802673
Essays: Neu übersetzt aus dem Englischen von Michael Siefener
Autor

Francis Bacon

Francis Bacon wird 1561 als Sohn eines hohen Staatsbeamten geboren. Schon im Alter von 12 Jahren beginnt er sein Studium in Cambridge, dem eine beispiellose politische und wissenschaftliche Karriere folgt. Als Großsiegelbewahrer und schließlich Lordkanzler erreicht er die höchsten politischen Ämter, fällt jedoch 1621 in Ungnade und wird zu Towerhaft verurteilt. Nach wenigen Tagen begnadigt, zieht er sich auf seinen Landsitz zurück, um sich ausschließlich seinen Studien zu widmen.Ziel seiner wissenschaftlichen Studien bleibt zeitlebens die Entwicklung von Wissenschaft und Technik im Dienste der menschlichen Wohlfahrt. Dieses kann sich nach Bacons Ansicht nur in radikaler Abkehr von antiken und mittelalterlichen Traditionen und Methoden vollziehen. Ziele und Methoden naturwissenschaftlicher Erkenntnis müßten dabei durch die Philosophie vorgegeben werden. Die „große Erneuerung der Wissenschaften“ ist Inhalt des Novum Organon, das er in der Auseinandersetzung mit der aristotelischen Methodenlehre um 1620 entwickelt. Erstmalig ist die Natur hier nicht nur Gegenstand der Beobachtung sondern dient auch der empirischen Nachprüfbarkeit naturwissenschaftlicher Hypothesen. Dieser Schritt gilt noch Kant als wissenschaftliche Revolution.Bacons außerordentlich literarische und bildhafte Sprache machen ihn zu einem vielbeachteten Schriftsteller, dessen Reflexionen und Essays in allein in 13 Auflagen bis zu seinem Tod erscheinen. Sie werden - ähnlich denen Montaignes - zum literarischen Vorbild.Francis Bacon stirbt 1626 in Folge eines naturwissenschaftlichen Experimentes, bei dem er sich durch Unterkühlung eine Lugenentzündung zugezogen hatte.

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  • Bewertung: 4 von 5 Sternen
    4/5
    I'd been meaning to tackle Bacon's Essays for years; they're listed among the "100 Significant Books" in Good Reading; this edition has been in my household since before I was born, the better to mark up and highlight, since it's hardly pristine. Bacon's essays didn't impress at first. For one, so many of the best lines in the early essays are quotes from classical sources (almost all in Latin, so it's a good thing my edition provided translations within brackets.) But also reading the short provided biography provided lots of reasons for cynicism. Bacon was stripped of high office for bribery, and never had any children, and knowing that made me look upon such essays as "On Truth," "Of Great Place" (where he speaks of avoiding even the suspicion of bribery) and "Of Parents and Children" with a jaundiced eye. That last essay and his take on "Of Marriage and Single Life" and "Of Love" made me feel Bacon's was a cold heart, that only went pitter patter with ambition. (His essay "Of Friendship," one of my favorites in the collection ameliorated that impression a great deal.) At the same time, his life story just underlined that here was a shrewd politician, and that lends all the more interest to essays on power and statesmanship such as "Of Seditions and Troubles," "Of Empire," "Of Counsel" and "On Cunning." Some of his insights certainly still seemed current:Princes have need, in tender matters and ticklish times, to beware what they say; especially in these short speeches, which fly abroad like darts, and are thought to be hot out of their secret intentions - Of Seditions and TroublesFor their merchants; they are the gate-vein [that distributes nourishment to the body] and if they flourish not, a kingdom may have good limbs, but will have empty veins, and nourish little. Taxes and imposts upon them do seldom good to the king's revenue; for that that he wins in the hundred he loses in the shire; the particular rates being increased, but the total bulk of trading rather decreased. - Of EmpireBesides essays mentioned above, two of my favorites were "Of Travel" (his advice on how to make the most of foreign travel is still relevant) and "Of Studies" with this famous passage:Read not to contradict, and confute; nor to believe and take for granted; nor to find talk and discourse; but to weigh and consider. Some books are to be tasted, others to be swallowed, and some few to be chewed and digested: That is, some books are to be read only in parts; others to be read but not curiously; And some few to be read wholly, and with diligence and attention. - Of StudiesBesides which, just look in any index of a book of quotations. The essays influence on literature, thinking and common phrases is prodigious, making this a must-read. Just make sure you get an edition like mine that translates the Latin phrases and provides some definition of period words in handy footnotes and you're all set. (One that regularizes the capitalizations and spellings are a help as well for enjoyment and comprehension.) They're short--ranging from only a few hundred to a few thousand words--mostly on that short end of that spectrum, and despite the period language I found them, if not easy, then not difficult reads. I certainly found Bacon far more lively and accessible reading than such descendents as Thoreau and Emerson.
  • Bewertung: 4 von 5 Sternen
    4/5
    These essays were written about 400 years ago, and were probably the first "essays" ever written. Francis Bacon is often credited with starting off the scientific revolution, sometimes credited for writing Shakespeare's plays, and also of being a secret child of Elizabeth I, and he was involved with the Freemasons, and the Rosicrucians too. What isn't in doubt though is that a lot of his philosophy is still poignant today. My copy is second hand, and the previous owner saw fit to underline a good number of lines of particular interest. The thing is, he could have underlined a lot more, the book is full of wit and the serious alike. You probably wouldn't want to read this book from cover to cover in one go, but it is good to dip into. Some of the essays seem a bit outdated, but many of them are not. Bacon's New Atlantis, a short utopian novel, is a bit more interesting, but if you have any interest in literature from around this time, or philosophy, then you could enjoy reading this.
  • Bewertung: 3 von 5 Sternen
    3/5
    Interesting discussions (approximately 16th century) on a hodgepodge of topics that were of interest to Bacon and relevant to the time. Many of his observations would hold up in present day debates on issues of the day with a philosophical approach.
  • Bewertung: 4 von 5 Sternen
    4/5
    At times pretentious, at other times very insightful.
  • Bewertung: 5 von 5 Sternen
    5/5
    The insights and observations of the ultimate Renaissance man.

Buchvorschau

Essays - Francis Bacon

ABHANDLUNG:

ÜBER DIE WAHRHEIT

„Was ist Wahrheit?", fragte Pilatus im Scherz, ohne eine Antwort darauf zu erwarten. Gewiss gibt es viele, die Freude an Leichtfertigkeit haben und es als beengenden Zwang empfinden, sich an eine bestimmte Überzeugung zu binden, denn sie lieben den freien Willen im Denken genauso wie im Handeln. Und obwohl die Sekten der Philosophen, die dieser Richtung angehörten, inzwischen verschwunden sind, gibt es doch noch gewisse beredte Geister, die zur selben Art zu zählen sind, auch wenn in ihnen nicht so viel Glut und Blut steckt wie in den Alten. Aber die Lüge wird nicht nur durch die Schwierigkeiten und Anstrengungen begünstigt, die die Menschen zur Auffindung der Wahrheit auf sich nehmen müssen, und auch nicht nur durch die Bürden, die ihnen die Wahrheit auferlegt, wenn sie endlich gefunden wurde, sondern es existiert vielmehr eine natürliche, wenn auch verdorbene Liebe zur Lüge an und für sich. Eine der späteren griechischen Denkschulen hat diese Angelegenheit untersucht und verharrt in Ungewissheit, wie sie darüber urteilen soll, dass die Menschen die Lüge lieben – nicht um des Vergnügens willen, wie bei den Dichtern; nicht einmal um des Vorteils willen, wie bei den Kaufleuten, sondern einfach nur um der Lüge selbst willen. Auch ich kann als Grund dafür lediglich angeben, dass die Wahrheit dem nackten und kalten Tageslichte gleicht und die Maskeraden und Mummereien und Triumphe der Welt nicht annähernd so prächtig und anmutig zu zeigen vermag wie das Kerzenlicht. Die Wahrheit ist zum Preis einer Perle zu haben, die am besten bei Tage erglänzt, aber sie steigt niemals zum Preis eines Diamanten oder Karfunkels an, der sich am vorteilhaftesten bei ungewissen Lichtverhältnissen zeigt. Die Hinzufügung einer Lüge verleiht jeder Wahrheit einen zusätzlichen Reiz. Bezweifelt es etwa irgendjemand, dass, wenn aus der Seele des Menschen eitle Ansichten, schmeichelhafte Hoffnungen, falsche Wertschätzungen und Vorstellungen und dergleichen mehr entfernt würden, bei einer großen Anzahl von Menschen diese Seele als armes, eingeschrumpftes Ding voller Melancholie und Unmut übrig bliebe, das ihnen selbst zuwider wäre? Einer der Kirchenväter bezeichnete in großer Strenge die Dichtkunst als vinum daemonum [Wein der Dämonen], weil sie die Phantasie erfüllt, jedoch nur mit dem Schatten der Lüge. Aber großes Leid bereitet nicht jene Lüge, die flüchtig durch die Seele hindurchfährt, sondern die Lüge, die einsinkt und sich festsetzt, so wie wir es vorhin beschrieben haben. Doch wie es auch immer um die verkommenen Urteile und Neigungen des Menschen stehen mag, so lehrt uns doch die Wahrheit, die nur über sich selbst urteilt, dass die Suche nach der Wahrheit, die dem Freien und Liebeswerben um sie gleicht, und das Wissen um die Wahrheit, das uns ein Gefühl für ihre Gegenwart verschafft, sowie der Glaube an die Wahrheit, der uns den Genuss an ihr ermöglicht, die höchsten Güter der menschlichen Natur sind. Die erste Schöpfung Gottes bei der Erschaffung der Welt war das Licht der Sinne, und die letzte war das Licht des Verstandes, und sein Sabbatwerk ist seit jeher die Erleuchtung durch seinen Geist. Als Erstes hauchte er der Materie und dem Chaos das Licht ein, dann hauchte er dem Antlitz des Menschen Licht ein, und seitdem haucht er noch immer das Licht dem Antlitz seiner Auserwählten ein und erfüllt sie damit. Der Dichter, der eine Denkschule verherrlichte, die ansonsten den anderen unterlegen war, drückte es auf die folgende ausgezeichnete Weise aus: Es ist ein Vergnügen, am Ufer zu stehen und zuzusehen, wie die Schiffe auf dem Meer hin und her geworfen werden; es ist ein Vergnügen, am Fenster einer Burg zu stehen und tief unter sich eine Schlacht und deren Wagnisse zu beobachten; aber kein Vergnügen ist mit dem zu vergleichen, auf dem erhöhten Boden der Wahrheit zu stehen (einem uneinnehmbaren Hügel, auf dem die Luft stets klar und heiter ist) und die Irrtümer, Irrungen, Nebel und Stürme im Tale drunten zu gewahren. Doch sollte dieses Zuschauen nicht in Stolz und Überheblichkeit, sondern in Mitleid geschehen. Sicherlich bedeutet es den Himmel auf Erden, wenn die Seele des Menschen vom Mitleid bewegt wird, im Glanz der göttlichen Vorsehung ruht und sich um die Pole der Wahrheit dreht.

Wenn wir von der theologischen und philosophischen Wahrheit zu jener im bürgerlichen Leben hinüberwechseln, so werden selbst jene, die sich dieser Wahrheit nicht bedienen, zugeben müssen, dass eine klare und offene Handlungsweise die menschliche Natur ehrt, während die Beimischung von Falschheit wie die Zugabe niederer Metalle in Gold- und Silbermünzen ist: Sie erleichtert die Bearbeitung, mindert aber den Wert. Denn es ist die Schlange, die sich auf krummen und gewundenen Pfaden fortbewegt. Niedrig kriecht sie auf dem Bauch, statt auf Füßen zu gehen. Kein anderes Laster bedeckt den Menschen so mit Schande wie das der Falschheit und Hinterlist. Und deshalb sagt Montaigne bei der Erörterung der Frage, warum die Lüge eine solche Schande und abscheuliche Beschuldigung sei, sehr schön: „Wenn man es recht bedenkt, was es heißt, einen Menschen einen Lügner zu nennen, so bedeutet es so viel, wie zu sagen, er sei Gott gegenüber ein Tapferer und den Menschen gegenüber ein Feigling. Denn Gott erkennt jede Lüge, während sie den Menschen entgeht. Falschheit und Treubruch sind ein Frevel, dessen Schwere darin ihren Ausdruck findet, dass er der letzte Glockenton sein wird, mit dem das Jüngste Gericht über die Menschheit hereinbricht, denn es steht geschrieben, dass, wenn Christus erscheint, „er keine Rechtschaffenheit auf der Erde finden wird.

ZWEITE ABHANDLUNG:

ÜBER DEN TOD

Die Menschen fürchten den Tod, so wie die Kinder den Gang durch die Finsternis fürchten, und wie diese zweite, natürliche Furcht bei den Kindern durch grausige Geschichten verstärkt wird, so ist es auch bei der ersten. Gewiss ist die Betrachtung des Todes als Urteil über die eigenen Sünden und Übergang in eine andere Welt etwas Heiliges und Frommes, aber die Furcht davor, bei der es sich um einen Tribut an die Natur handelt, zeugt von Schwäche. In frommen Betrachtungen findet sich bisweilen eine Mischung aus Einbildung und Aberglaube. In einigen mönchischen Büchern steht über die Kasteiung geschrieben, man solle sich einmal vorstellen, wie schmerzhaft es ist, wenn einem bloß die Fingerkuppe gequetscht oder torquiert wird, und danach solle man sich ausmalen, wie grässlich die Schmerzen des Todes sind, wenn der ganze Körper verwest und zerfällt. Dabei geht doch oftmals der Tod mit geringeren Qualen als bei der Folterung eines Gliedes einher, da die lebenswichtigsten Teile zumeist nicht die schmerzempfindlichsten sind. Deshalb sagte jener, der nur als Philosoph und einfacher Mensch sprach, zu Recht: „Pompa mortis magis terret quam mors ipsa [Der Totenzug erschreckt mehr als der Tod selbst]. Ächzen und Zuckungen, ein entfärbtes Antlitz, weinende Freunde, schwarze Farben, Beisetzungsfeierlichkeiten und dergleichen zeigen den Tod auf schreckliche Weise. Es ist jedoch bemerkenswert, dass in der Seele des Menschen keine Leidenschaft so schwach ist, dass sie der Angst vor dem Tode nicht gleichkommt oder diese gar übertrifft. Daher ist der Tod kein so schrecklicher Feind, denn der Mensch besitzt so viele Helfer im Kampf gegen ihn. Die Rache triumphiert über den Tod, die Liebe behandelt ihn geringschätzig, der Ruhm strebt nach ihm, der Kummer flieht zu ihm hin, die Furcht vertieft sich ganz in ihn, und wir lesen sogar, dass nach dem Selbstmord des Kaisers Otho das Mitleid mit ihm (das die zarteste aller Neigungen ist) viele Menschen dazu veranlasste, sich aus reiner Zuneigung zu ihrem Herrscher ebenfalls selbst zu entleiben, wodurch sie sich als die treuesten seiner Gefolgsleute erwiesen. Seneca fügt alldem noch Feingefühl und Übersättigung hinzu: „Cogita quam diu eadem feceris; mori velle, non tantum fortis, aut miser, sed etiam fastidiosus potest [Bedenke, wie lange du schon dasselbe machst. Sterben will nicht nur der Tapfere oder der Unglückliche, sondern auch der des Lebens Überdrüssige]. Es gibt Menschen, die weder aus Tapferkeit noch aus Unglück sterben wollen, sondern weil sie müde sind, wieder und wieder dasselbe tun zu müssen. Überdies ist es bemerkenswert, wie wenig das Heranahen des Todes den Charakter zu beeindrucken vermag, denn dieser scheint bis zum letzten Atemzug unverändert zu sein. Augustus Caesar starb mit einem Abschiedsgruß auf den Lippen: „Livia, conjugii nostri memor, vive et vale [Livia, erinnere dich stets unserer Ehre, lebe und lebe wohl]. Tiberius starb in Heuchelei, denn Tacitus schreibt über ihn: „Iam Tiberium vires et corpus, non dissimulatio, deserebant [Schon verließen Tiberius die Kräfte des Körpers, nicht aber seine Unaufrichtigkeit]. Vespasian verstarb auf einem Schemel mit einem Scherz: „Ut puto Deus fio [Ich glaube, ich werde gerade zum Gott]. Galba verschied mit dem Spruch: „Feri, si ex re sit populi Romani [Schlag zu, wenn es der Sache des Römischen Volkes dient], und bot seinen Nacken dar. Septimius Severus sagte bei seinem Abgang: „Adeste si quid mihi restat agendum [Rasch zu mir, falls es noch etwas zu tun gibt]. Und dergleichen mehr. Sicherlich maßen die Stoiker dem Tod ein zu großes Gewicht bei, und so wirkte er durch ihre ausufernden Vorbereitungen nur noch schrecklicher. Besser ergeht es jenem, „qui finem vitae extremum inter munera ponat naturae [der das Ende des Lebens zu den Geschenken der Natur zählt]. Es ist so natürlich zu sterben, wie es natürlich ist, geboren zu werden, und für einen Säugling ist das eine vermutlich genauso schmerzlich wie das andere. Derjenige, der bei der Verrichtung einer ernsthaften Tätigkeit stirbt, ist wie jener, der im heftigen Gefecht verwundet wird. Zunächst spürt er die Verletzung kaum, und daher wehrt sein Geist, der noch auf etwas Gutes gerichtet ist, die Qualen des Todes ab. Aber glaubt mir, über alldem schwebt das süßeste Lied, das „Nunc dimittis [Nun lass mich scheiden], wenn sich die Erwartungen eines Menschen erfüllt haben und er ein würdiges Ende findet. Es ist auch eine Eigenschaft des Todes, dass er das Tor zum Ruhme öffnet und den Neid auslöscht: „Extinctus amabitur idem [Nach seinem Tod wird er geliebt].

DRITTE ABHANDLUNG:

ÜBER DIE EINHEIT DER RELIGION

Da die Religion das wichtigste Band der menschlichen Gesellschaft darstellt, ist es eine gute Sache, wenn sie selbst vom wahren Band der Einigkeit zusammengehalten wird. Die Streitigkeiten und Abspaltungen in der Religion sind Heimsuchungen, die den Heiden unbekannt waren. Der Grund dafür liegt in dem Umstand, dass die heidnische Religion eher in Riten und Zeremonien als in festem und fortwährendem Glauben wurzelte. Man kann sich vorstellen, von welcher Art ihr Glaube war, wenn man weiß, dass die Väter und obersten Lehrer ihrer Kirche die Dichter waren. Aber der wahre Gott besitzt die Eigenschaft, ein eifersüchtiger Gott zu sein, und daher duldet seine Anbetung und Religion keinerlei Vermischung oder Konkurrenz. Deshalb werden wir nun ein paar Worte über die Einheit der Kirche sowie deren Früchte, Grenzen und Mittel sagen.

Die Früchte der Einheit (neben dem Wohlgefallen Gottes, das alles andere beinhaltet) sind zweigestaltig. Es gibt zum einen jene, die die Menschen außerhalb der Kirche genießen, und zum anderen jene, welche ihnen innerhalb derselben zugute kommen. Was die ersteren angeht, so ist es gewiss, dass Häresie und Glaubensspaltung die größten aller Ärgernisse sind, schlimmer noch als die Verderbnis der Sitten. So wie in einem natürlichen Körper andauernd schwärende Wunden schlimmer sind als verdorbene Körpersäfte, so ist es auch im spirituellen Körper. Nichts hält die Menschen so sehr von der Kirche fern und treibt sie von ihr weg wie der Verlust der Einheit. Wann immer es deshalb geschieht, wenn jemand sagt „Ecce in deserto [Seht, er ist in der Wüste], und ein anderer sagt „Ecce in penetralibus [Seht, er ist in den Kammern], das heißt, wenn einige Christus in den heimlichen Zusammenkünften der Häretiker und andere in den Äußerlichkeiten eines Kirchengebäudes suchen, dann sollte ihnen ohne Unterlass eine Stimme in den Ohren klingen, die sagt: „Nolite exire – gehet nicht hinaus. Der Apostel der Heiden, dessen Berufung es ihm auferlegte, sich besonders denjenigen zu widmen, die außerhalb der Kirche standen, sagte: „Wenn ein Heide hereinkommt und euch in verschiedenen Zungen reden hört, wird er dann nicht sagen, dass ihr verrückt seid? Und es ist kaum besser, wenn Atheisten und Gotteslästerer so viele einander widersprechende und entgegengesetzte Meinungen innerhalb des einen Glaubens hören. Es macht sie der Kirche abspenstig, sodass sie „auf dem Stuhl des Spötters Platz nehmen." Dies ist nur eine Kleinigkeit, die für eine so ernste Angelegenheit herangezogen wird, aber sie drückt sehr wohl die Fehlentwicklung aus. Es gibt einen Meister des Spottes, der in seinem Katalog einer erfundenen Bibliothek ein Buch mit dem Titel Der Moriskentanz der Ketzer aufführt. In der Tat hat jede Sekte ihre eigene Haltung und Pose, die bei den weltlich Gesonnenen und Verderbten, die alles Heilige zu verdammen geneigt sind, unweigerlich Spott hervorrufen.

Die Frucht für all jene, die sich innerhalb der Kirche befinden, ist der unendliche Segen des Friedens. Dieser begründet den Glauben und erzeugt Mildtätigkeit; der äußere Friede der Kirche führt zum Frieden des Gewissens und lenkt die Mühen, die sonst auf das Schreiben und Lesen von Streitschriften verwendet werden, auf die Abfassung von Traktaten der Kasteiung und Andacht.

Was die Grenzen der Einheit angeht, so ist deren richtige Ziehung von äußerster Wichtigkeit. In dieser Hinsicht scheint es zwei Extreme zu geben. Einigen Glaubenseiferern ist alles Reden von Versöhnung verhasst. „ ‚Der König lässt fragen, ob nun Frieden herrscht.‘ Jesus gab zur Antwort: ‚Was hast du dich um den Frieden zu kümmern? Reihe dich in meine Gefolgschaft ein!‘ Ihnen geht es nicht um Frieden, sondern um Gefolgschaft und Parteiergreifung. Im Gegensatz dazu glauben einige Laodiceer und halbherzige Personen, dass sie Fragen der Religion durch Mittelwege beantworten können, indem sie auf beiden Seiten gleichzeitig Partei ergreifen und für geistreiche Aussöhnung sorgen, als ob sie Schiedsrichter zwischen Gott und den Menschen wären. Diese beiden Extreme gilt es zu vermeiden, was dadurch geschehen kann, dass sich der Bund der Christenheit, so wie er von unserem Heiland persönlich eingesetzt wurde, fest und unbeirrbar an die beiden einander ergänzenden Sätze hält: „Wer nicht mit mir ist, der ist gegen mich und „Wer nicht gegen mich ist, der ist mit mir" – das heißt, wenn die wesentlichen und grundlegenden Punkte in der Religion ernsthaft und wahrhaft von solchen Punkten getrennt werden, in denen es nicht ausschließlich um den Glauben, sondern lediglich um Meinungen, Systeme oder gute Absichten geht. Dies mag manchem als unwichtig und bereits erfolgt erscheinen, aber wenn es weniger um das Kleine ginge, könnte das Große stärker in den Vordergrund rücken.

Hierfür möchte ich innerhalb meiner kleinen Abhandlung nur den folgenden Rat geben. Die Menschen sollten sich davor hüten, Gottes Kirche insbesondere durch zwei Arten von Kontroversen auseinanderzureißen. Die eine Art besteht darin, dass der Gegenstand der Kontroverse allzu klein und unbedeutend und nicht der Hitze und des Streites würdig ist, der nur durch Widerspruchsgeist angefacht wurde. Denn, wie es einer der Kirchenväter ausdrückt, „Christi Gewand hatte zwar keine Naht, aber das Gewand der Kirche hat viele Farben, worauf er sagt: „In veste varietas sit, scissura non sit [Das Gewand darf verschiedene Farben haben, aber keinen Riss]. Einheit und Gleichheit sind zwei verschiedene Dinge. Die andere Art besteht darin, dass der Punkt, über den verschiedene Meinungen bestehen, durchaus wichtig ist, aber mit einer übergroßen Subtilität und Unklarheit behandelt wird, sodass der Streit eher scharfsinnig als bedeutsam ist. Ein Mensch mit gutem Urteilsvermögen und Verstand hört manchmal einem Streit von Unwissenden zu und weiß dabei genau, dass sie im Grunde eines und dasselbe meinen, auch wenn sie es niemals zugeben würden. Wenn schon ein Mensch diese nur scheinbare Kluft zwischen zwei Streitenden erkennen kann, um wie vieles mehr sollte es dann nicht auch Gott, der die Herzen kennt, möglich sein, den gemeinsamen Vorsatz in den widersprüchlichen Meinungen der schwachen Menschen zu sehen und sie deshalb gleichermaßen gelten zu lassen? Die Natur solcher Kontroversen hat der heilige Paulus sehr gut in der Warnung und dem Gebot ausgedrückt, die er diesbezüglich gibt: „Devita profanas vocum novitates, et oppositiones falsi nominis scientiae [Halte dich fern von unheiligen, leeren Redereien und den Widersprüchen der fälschlich so genannten Erkenntnis]." Die Menschen erschaffen dort Widersprüche, wo keine sind, und kleiden sie in neue Redewendungen, sodass die Begriffe den Sinn bestimmen, wo doch eigentlich der Sinn die Begriffe bestimmen sollte. Überdies kann es zwei falsche Arten von Frieden und Einheit geben. Bei der einen gründet der Friede auf stillschweigender Unkenntnis, denn im Dunkeln sind alle Farben gleich, und die andere Art fußt auf dem unmittelbaren Zugeständnis von Uneinigkeit in wesentlichen Punkten. Wahrheit und Falschheit sind in solchen Dingen wie das Eisen und der Lehm in den Zehen von Nebukadnezars Abbild. Sie mögen aneinander haften, aber sie gehen keine dauerhafte Verbindung ein.

Was die Mittel zur Erlangung der Einheit angeht, so muss die Menschheit darauf achten, dass sie bei der Einrichtung und Festigung dieser Einheit nicht die Gesetze der Nächstenliebe und Menschlichkeit verwässert oder gar außer Kraft setzt. Es sollte in der Christenheit zwei Schwerter geben: das spirituelle und das weltliche. Beide haben ihren Platz und ihre Bedeutung in der Aufrechterhaltung der Religion. Aber wir dürfen keinesfalls das dritte Schwert einsetzen, welches das Schwert Mohammeds oder zumindest dem seinen ähnlich ist; das heißt, wir

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