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Verliebt in den Mörder meiner Eltern
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Verliebt in den Mörder meiner Eltern
eBook874 Seiten13 Stunden

Verliebt in den Mörder meiner Eltern

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Über dieses E-Book

Die erfolgreiche, hübsche Redakteurin Bessy genießt ihr Leben in vollen Zügen. Für ein New Yorker Magazin schreibt sie spannende Geschichten, aber ehe sie sich versieht, wird ihr eigenes Leben zu einem Thriller. Sie verliebt sich in den attraktiven Archäologen Carl, der ein dunkles Geheimnis verbirgt. Er ist der Mörder ihrer Eltern. Carl ist schon seit Jahren besessen von der jungen Frau und will sie zu seiner willenlosen Puppe machen, doch der mutige Polizist Lance stellt sich dem Psychopathen in den Weg. Kann er Carl aufhalten und Bessy retten? Carl ist tödlicher als je zuvor!
SpracheDeutsch
HerausgeberBooks on Demand
Erscheinungsdatum24. Aug. 2015
ISBN9783738635591
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    Buchvorschau

    Verliebt in den Mörder meiner Eltern - Olivia Orange

    Inhaltsverzeichnis

    Verliebt in den Mörder meiner Eltern

    Die Schöne und das Biest

    Rückblende

    Dolch im Rücken

    Gutaussehender Archäologe

    Schock

    Muriel

    Lance, der Liebhaber

    Marian

    Charmeur

    Kugel im Kopf

    Donuts

    Besuch in der Klinik

    Übermächtige Triebe

    Traummann oder Mörder?

    Central Park

    Im Koma

    Rückkehr nach New York

    Total verliebt

    SMS an Bessy

    Fälschung

    Willenlose Puppe

    My Home is my Castle

    Dummer Unfall

    Carls Engel

    Carl, der Mörder meiner Eltern

    Annäherung an Lance

    Tödlicher als je zuvor

    Der Psychopath wird unvorsichtig

    Impressum

    Verliebt in den Mörder meiner Eltern

    Olivia Orange

    Copyright 2015

    Die Schöne und das Biest

    „Knie dich hin." Ein eindeutiger Befehl, der von dem braunhaarigen Mann mit der tiefen Stimme erteilt wurde. Seine grünen Augen blitzen auf, als die junge Frau tat, wie ihr befohlen worden war. Seine Schülerin lernte ausserordentlich schnell, wie er zu seiner Zufriedenheit feststellte. Ein Lächeln umspielte seine Lippen, als er sich ihr von hinten näherte. Die mahagonifarbenen Haare fielen wie sanfte Welle über ihre nackten Schultern bis auf ihren Rücken. Er wusste, dass sie den Blick gesenkt hielt, auch wenn er es nicht sehen konnte. Ja, sie war eine demütige Dienerin, obwohl es ein schwerer Start gewesen war – er konnte es ihr wirklich nicht verübeln. Nein, Carl wusste, wie sie sich gefühlt hatte und er verspürte ein wenig Stolz in seiner Brust, dass sich seine Schülerin und Dienerin für diesen Weg entschieden hatte und sich nicht zurückgezogen und es sich anders überlegt hatte.

    Bessy, so lautete der Name der Schönheit mit dem mahagonifarbenen Haar, kniete auf dem harten dunklen Marmorboden. Ihre grünbraunen Augen blickten zu Boden. Ihr war durchaus bewusst, was es für sie bedeuten würde, gegen diese Regel zu verstossen. Zwar wurde sie nicht geschlagen, aber eine Nacht lang hier knien zu müssen war alles andere als angenehm. Daher verhielt sie sich still und der Blick blieb weiterhin gesenkt.

    Es war schon seltsam, dass sie sich jedes Mal aufs Neue auf dieses Spiel einliess und doch gab es für Bessy nichts anders mehr, was sie in Stimmung brachte. Eigentlich hätte sie darüber schockiert sein müssen, aber sie war es nicht. Bessy war sich darüber bewusst geworden, dass schon seit jeher ein Drang zu diesem hier in ihr geherrscht hatte und seit sie sich für diese Art von Liebesspiel entschieden hatte, fand sie endlich vollkommene Erfüllung.

    Wie sie einfach so da kniete, still und voller Demut, hätte er sie am liebsten auf die Beine gezogen und sie geküsst. Aber Bessy musste sich ihre Belohnung zuerst verdienen, sonst würde das Spiel mit der Zeit seinen Reiz verlieren und das war genau der Grund, wieso Carl sich zurückhielt. Sein Blick glitt über ihre wundervollen Haare weiter nach unten bis zu ihrem Hintern. Bessy war keine Frau die sich etwas aus dem Modelwahn der heutigen Zeit machte – sie hatte Kurven, sehr weibliche Kurven. Nichts an ihr grenzte an die mageren Frauen, die ständig in den Werbungen und in den Magazinen abgebildet und zu sehen waren. Auch wenn Bessy eine kurvige Frau war, wirkte sie dennoch sinnlich und unwiderstehlich – Carl konnte sich kaum satt sehen an ihr, denn sie wirkte nicht dick, nicht im Geringsten. Alles war genau so, wie es in seinen Augen bei einer Frau sein sollte.

    Langsam ging er um sie herum und lächelte wieder, als er seine Bestätigung erhielt – sie blickte tatsächlich auf den Boden. Sie wusste genau, dass er es nicht mochte, wenn man gegen seine Regeln und Befehle verstiess. Bessy war oft genug in den Genuss seiner Strafen gekommen, besonders zu Beginn ihrer Zeit bei ihm. Wenn er an die Vergangenheit dachte, an ihr erstes Treffen, musste er noch mehr Lächeln, bis er beinahe grinste. Damals hätte er nicht wirklich gedacht, dass sich diese selbstbewusste junge Frau wirklich unterwerfen liess – dafür stand sie einfach zu fest mit beiden Beinen im Leben.

    Aber er hatte es doch tatsächlich mit viel Geduld geschafft, sie an diesen Punkt hier zu bringen. Seine Nerven lagen oftmals wegen Bessy blank, wenn sie wieder einmal nicht gehorchen wollte, nur weil ihr seine Befehle an diesen Tagen gegen den Strich gingen – meist war dies der Fall, wenn sie viel zu viel gearbeitet hatte und einfach nichts mehr ertragen konnte. Doch Carl hatte sich nicht aus der Ruhe bringen lassen und ihr gezeigt, dass sie genau in jenen Situationen eine harte führende Hand brauchte, die sie auch einmal in den Arm nahm. Ja, er nahm seine Schülerin auch gerne mal in den Arm und tröstete sie – Bessy brauchte genau diesen Ausgleich zwischen Befehlen und Fürsorge, die ihr verwehrt gewesen war, bis sie ihn getroffen hatte.

    Sie hörte seine Schritte, als er sich näherte und um sie herum ging. Beinahe schon gespannt wartete sie auf seine nächsten Befehle und Anweisungen. Heute hatte sie einen wirklich harten Tag in der Redaktion und wollte sich einfach nur fallen lassen können. Noch vor ein paar Monaten hätte sie sich sogar gegen den einfachen Befehl des Hinkniens gesträubt. Aber sie hatte gelernt sich zu beherrschen und genoss inzwischen das Gefühl, dass Carl bei ihr auslöste. Ihr Blick war noch immer auf den Boden geheftet – sie wagte es trotz ihrer schlechten Laune nicht, den Blick zu heben. Im Moment hatte sie wirklich keine Lust auf eine Bestrafung.

    Carl bemerkte an ihrer Körperhaltung, dass sie heute nicht bei der Sache war und er war kein Mann, der mit seiner Dienerin in einem solchen Zustand spielte – nein, das war eindeutig viel zu gefährlich und das wusste er. Er wäre beinahe selbst einmal Opfer eines misslungenen Spiels geworden, aber das lag schon viele Jahre zurück. Nun ging es um Bessy, damit ihr nichts geschah. „Steh auf.", wie er sie an und trat einen Schritt zurück, während er wartete.

    Langsam erhob sie sich und blieb vor ihm stehen. Es erstaunte sie ein wenig, dass er sie so früh aufstehen liess. Normalerweise betrachtete er sie lange und eingehend, ehe er sie dazu anwies. Aber heute schien etwas anders zu sein oder vielleicht hatte sie auch nur den Eindruck, weil sie noch immer mit ihren Gedanken in der Redaktion war. Hatte sie etwas falsch gemacht? Nein, heute war sie wirklich brav gewesen und hatte sich in allem an seine Regeln gehalten, aber etwas stimmte nicht. Sie runzelte unmerklich die Stirn, als sie eine warme Hand unter ihrem Kinn spürte, die sie dazu zwang, den Blick zu heben und ihren Herrn direkt anzusehen.

    „Du bist heute nicht bei der Sache, Bessy. Es hat keinen Zweck, wenn wir weiter machen.", sagte er ernst und lächelte dann. Heute würde er sie auf andere Gedanken bringen, ohne sie zu dominieren. Das hatte sie durchaus verdient, was vielleicht auch daran lag, dass sie schon seit einiger Zeit nicht mehr Herr und Sklavin sind – es war zwar ungewöhnlich in ihrer Szene, aber das war Carl egal. Seit er Bessy getroffen hatte, war er von ihr fasziniert gewesen und fühlte sich von ihr angezogen, wie von keiner anderen Frau zuvor. Sie war etwas ganz Spezielles, eine Frau, wie es sie nur einmal auf dieser Erde gab und Carl hatte sich schon damals vorgenommen, sie zu seiner Dienerin, seiner Schülerin zu machen. Ja, es war nicht leicht gewesen, durchaus nicht. Aber die Mühen hatten sich bezahlt gemacht und Bessy war eine wahre Sklavin der Begierde und Lust geworden, wenn auch so, wie es in ihrer Szene üblich war.

    Er reichte ihr einen Bademantel und sie schlüpfte schweigend hinein. Noch war sich Bessy nicht sicher, was nun geschehen würde und was genau nicht in Ordnung war. Sie war bei der Sache oder? Nein, er hatte Recht. Carl kannte sie besser, als sie sich selbst. Manchmal erschrak sie darüber, aber es war auch verständlich. Er war für sie verantwortlich und bisher war er noch nie so weit gegangen, dass es ihr geschadet hätte. Es wäre auch wirklich schade, wenn es dazu käme, dass einer von ihnen ernsthaft verletzt wurde, wobei dies ziemlich sicher nur Bessy betreffen würde.

    Schweigend führte Carl sie aus dem Zimmer, das eigens für die Sessionen hergerichtet worden war. Er mochte es nicht sonderlich, seine Spielchen in seinen Privatgemächern zu spielen. Nein, er wollte eine Atmosphäre schaffen, die ihn sowie seine Dienerin in Stimmung brachte. Natürlich erzielte der Raum nicht immer die gewünschte Wirkung, aber dann wusste sich Carl Abhilfe zu verschaffen. Zudem war Bessy für ihn Anreiz genug, um in Stimmung zu kommen – sie war eine Augenweide und er konnte sich meistens kaum satt sehen.

    Doch nichts trübte seine Sinne, denn er war immer bei der Sache, wenn er eine Session abhielt. Denn wenn er nur ein wenig nicht bei der Sache war, könnte es böse Folgen haben und das war überhaupt nicht der Sinn solcher Spielchen. Beide sollten ihren Spass haben und ihre Fantasien ausleben können – er als Herr und Bessy als seine Sklavin. Für ihn war schon immer klar gewesen, dass er der dominante Typ war, der sich nur sehr schwer jemandem unterwerfen konnte – daher hatte er sich für den Weg des Herrschers entschieden. Menschen zu dominieren, zu kontrollieren, war eindeutig seine Welt und seine Bestimmung.

    Er wies Bessy still an, sich hinzusetzen und kam schliesslich mit einer Tasse Tee zurück zu ihr. Er reichte sie ihr und leicht nickend nahm sie die Tasse entgegen. Noch immer schweigend nahm sie ein paar Schlucke und schnurrte leise. Sie mochte es, wenn er sie bediente – zumindest so, dass sie sich etwas wohler fühlte. Seit sie eine feste Bindung eingegangen waren, war er noch liebevoller im Umgang mit ihr geworden, als zuvor – das hiess natürlich, nur wenn sie nicht gerade in einem ihrer Spielchen waren. Denn dort war Carl durch und durch dominant und zeigte Bessy, wer der Herr war und wer die Sklavin.

    „Was ist los mit dir?, fragte er schliesslich, als sie die Tasse abgestellt hatte. Sanft legte er einen Arm um sie und zog sie näher an sich. Reflexartig kuschelte sie sich an ihn und seufzte. „In der Redaktion ist die Hölle los und ich komme kaum mehr zu etwas anderem, als zu meiner Arbeit., murrte sie unzufrieden und rümpfte die Nase. Carl schnaufte laut und fing an, sie im Nacken zu kraulen – er wusste genau, dass dies Bessy langsam beruhigte.

    Carl musterte Bessy eingehend und schüttelte leicht den Kopf. „Du solltest mit deinem Boss sprechen. So kann es nicht weiter gehen – hast du dich eigentlich in letzter Zeit einmal im Spiegel betrachtet?"

    Wieder rümpfte sie die Nase und sah ihm in die Augen. „Ich versuche so gut es geht genau das zu vermeiden – ich sehe schrecklich aus. Und wir beide wissen genau, dass es keinen Sinn hat, wenn ich mit meinem Boss spreche!" Sie log nicht einmal – ihr Chef war ein Ignorant, der sich einzig für die Zahlen der Redaktion interessierte. Dass seine Mitarbeiter unter dem enormen Zeit- und Leistungsdruck beinahe zusammenbrachen, spielte für ihn keine Rolle. Hauptsache der Profit entsprach seinen Vorstellungen. Bessy hatte ihm schon zwei drei Mal beinahe den Kopf abgerissen, aber sie hatte sich zusammengerissen und ihn nur innerlich verflucht.

    „Dann such dir eine andere Arbeitsstelle. Es war eine Feststellung, kein Befehl und doch drehte sich Bessy mit dem gesamten Körper zu ihm herum und funkelte ihn wütend an. „Ich arbeite seit gut fünf Jahren in der Redaktion und es ist meine Chance, ganz gross raus zu kommen!, fauchte sie leise und erhob sich schliesslich.

    Bessy zitterte vor Wut – was bildete er sich eigentlich ein? Carl wusste genau, wieso sie noch immer in der Redaktion arbeitete, egal wie mies ihr Boss sie behandelte. Es war ihr Sprungbrett ganz nach oben im Journalismus und da musste man eben auch mal die Zähne zusammenbeissen und nicht gleich den Kopf in den Sand stecken. Natürlich war ihr ‚neuer’ Boss alles andere als ein toleranter Mensch, aber das spielte keine Rolle – seit sechs Monaten stand sie unter seinen Fittichen und sie würde es noch einmal so lange oder länger aushalten, wenn es sein musste. „Ich werde bestimmt nicht davon laufen!", knurrte sie und drehte sich um. Schnell ging sie ins Schlafzimmer und zog sich an. Heute Abend würde Carl wohl allein bleiben, doch das war Bessy egal. Man warf ihr keine Dinge in diesem Format an den Kopf, auch wenn es nur fürsorglich gemeint worden war. Er würde schon sehen, was er davon hatte und zu was Bessy alles fähig war.

    Rückblende

    2 Jahre zuvor:

    Langsam aber sicher konnte Bessy die langen Abende in der Redaktion nicht mehr ausstehen. Wenn sie ehrlich war, konnte sie sich gar nicht mehr erinnern, wann sie das letzte Mal einen gemütlichen Abend vor ihrem Kamin verbracht hatte. In den letzten Wochen kam sie stets weit nach Mitternacht aus der Redaktion und viel dann tot müde ins Bett, nur um dann wenige Stunden später bereits wieder auf der Matte zu stehen. Auf Dauer konnte das eindeutig nicht so weiter gehen, aber sie hatte keine andere Wahl, wenn sie ihren Job behalten wollte. Also biss sie die Zähne zusammen und gab ihr bestes, denn immerhin gehörte sie zu den Besten in ihrer Branche.

    Seufzend stand sie auf und ging zum Fenster – die Skyline von New York erstreckte sich vor ihren Augen und ihr Blick viel auf den nahegelegenen Central Park. Es war wunderschön hier in dieser riesigen Grosstadt. Wenn man New York nicht kannte, konnte man sich schnell verlaufen oder sich eine falsche Meinung der Stadt bilden. Bessy war hierher gezogen, als sie gerade mal vier Jahre alt war. Ihre Eltern waren beide hoch deklarierte Anwälte, die hier ihr Glück versuchen wollten und ihrer Tochter somit unendlich viele Möglichkeiten boten. Bis heute war sie ihren Eltern für ihre Entscheidung dankbar, auch wenn es eine ziemliche Umstellung gewesen war, von Miami nach New York zu ziehen – besonders der Winter war für Bessy in den ersten paar Jahren die Hölle gewesen. Doch jetzt mochte sie die Jahreszeit.

    Sie lächelte, als ihr Blick auf die verschneiten Gehwege des Parks viel und auf die mit Schnee bedeckten Bäume. Manchmal kam sie sich vor wie in einem Märchenland, wenn sie so aus dem Fenster in die Tiefe blickte. Schneeflocken tanzten vor dem Fenster auf und ab und Bessy musste leise kichern. Wie sehr hatte sie es als Kind geliebt, als sie sich an den Schnee gewöhnt hatte, draussen herumzutollen, wenn die ersten Flocken fielen. Selbst heute würde sie am liebsten wie ein kleines Kind durch den Park rennen und laut lachen, wenn sie Schneesterne sich in ihren Haaren verfingen. Wieder kicherte sie und legte ihre linke Hand an die Scheibe – dann lehnte sie ihre Stirn ebenfalls gegen das kalte Glas.

    Ihre Augen funkelten Leicht, als sie das Spiel der Schneeflocken beobachtete. Dann seufzte sie und löste sich von dem Anblick – sie hatte eigentlich gar keine Zeit um in ihrer Vergangenheit zu schwelgen. Sie konnte sich gar nicht mehr daran erinnern, wann sie für solch einfache Dinge die Zeit gefunden hatte. Es musste wirklich schon sehr lange her sein, wenn sie es schon nicht mehr wusste. Dabei war Bessy eine Frau, die ein ausserordentlich gutes Gedächtnis besass. Wieder seufzte sie und setzte sich schliesslich wieder an ihren Schreibtisch.

    Die Arbeit darauf türmte sich und Bessy hatte keine Ahnung, welchen Artikel sie als nächstes schreiben sollte – es gab so viel zu erzählen und den Menschen dort draussen näher zu bringen. Es war schön zu sehen, dass es in dieser Redaktion mehr als nur eine Zeitung gab, sondern auch Magazine, die diverse Themen behandelten. Die Menschen mochten es, informiert zu werden und nach Möglichkeit auf solche Magazin zurückgreifen zu können – zwar gab es bestimmt nicht so viele Auflagen und Exemplare wie bei der täglichen Zeitung, aber das war auch nicht nötig.

    Bessy arbeitete meist für alle Magazine ein wenig und wenn sie gerade einen aktuellen Artikel bereit hatte, den man in der Zeitung bringen konnte, so geschah dies auch. Sie konnte gut und gerne von sich behaupten, ziemlich angesagt zu sein, da sie sehr viel Wert auf Perfektion in ihren Artikeln legte und nur über Dinge schrieb, über sie sie auch bescheid wusste. Dafür recherchierte sie oft tage oder wochenlang und das machte es schliesslich auch aus, ob ein Artikel gelang oder eben nicht. Wenn sie merkte, dass sie sich zu weit von ihrem Ziel entfernte, legte sie das Geschriebene zur Seite oder verwarf die Idee ganz.

    Ihr Blick viel auf den aktuellen Artikel und sie schüttelte den Kopf. Sie wusste nicht, wie viel sie noch schreiben sollte, denn eigentlich könnte man es als eigenständiges kleines Sondermagazin drucken, wenn sie ehrlich war. Jugendkriminalität oder generell die Kriminalität hier in New York war ein stets aktuelles Thema, über das man unendlich viel Material fand. Und wenn man Kontakte zur Polizei hatte so wie Bessy, kam man an noch mehr Informationen heran, als gewöhnlich. Es war wirklich ein sehr interessantes Thema und sie hatte schon öfters mit dem Gedanken gespielt, sich vollends auf diesen Bereich zu konzentrieren. Zwar bräuchte sie ab und an etwas Ablenkung, aber das wäre nicht weiter schlimm. Zu lange konnte sie sich ohnehin nicht auf ein Thema konzentrieren, sie brauchte einfach die Vielseitigkeit. Ihr Beruf war in diesem Punkt absolut perfekt für sie geeignet.

    Brummend liess sie ihren Blick über die verlassenen Schreibtische gleiten und lächelte schliesslich, als sie in der hintersten Ecke einige Kartonkisten stehen sah. Es war schon erstaunlich, wie lange es dauerte, bis manche Schreibtische geräumt wurden. Ihr ehemaliger Arbeitskollege hatte sich pensionieren lassen und seither stand alles noch so wie er es verlassen hatte an seinem Platz – zumindest bis heute früh war das noch so. Und der Kollege war schon seit gut einem Jahr nicht mehr hier, das sollte schon etwas heissen. Neugierig geworden erhob sich Bessy wieder und schlenderte zu den Kisten herüber. Sie wollte wissen, was sich darin für Schätze verborgen. Niemand hatte ihnen verboten, neugierig zu sein und vielleicht fand sie ja das eine oder andere Interessante, was sie gebrauchen könnte.

    Es waren doch einige Kisten zusammen gekommen, wie Bessy staunte. Egal ob ein Journalist pensioniert wurde oder sich eine neue Herausforderung suchte, meistens nahm er seine Arbeiten mit, die nicht vollendet worden waren, genauso wie seine Recherchearbeiten. Aber ihr Kollege schien es da nicht so genau genommen zu haben und hatte das meiste hier gelassen. Sie war kein Mensch, der sich an den Ideen eines anderen bereicherte, aber neugierig war sie durchaus. Schnell schob sie den Stuhl zurück und setzte sich hin, ehe sie die erste Kiste zu sich zog. Als sie den Deckel abhob, staunte sie nicht schlecht. Das war ja ganz spezielles Material, das sie hier zu sehen bekam. Mit hochgezogener Augenbraue nahm sie den ersten Papierstapel heraus und überflog die erste Seite. Es war der Anfang eines neuen Artikels, doch das Thema war nicht gerade alltagstauglich, zumindest aus der Sicht der meisten Amerikaner.

    Das Bild zeigte eine Frau, deren Gesicht nicht zu sehen war und ihre Hände waren kunstvoll hinter ihrem Rücken zusammen gebunden worden. Der Rest ihres Körpers war nackt, nicht ein Stück Stoff war daran zu sehen. Die Frau kniete auf dem Bett, der Kopf war bestimmt gesenkt, auch wenn man es nicht genau erkennen konnte. Unbewusst leckte sie sich über die Lippen und schüttelte dann den Kopf. Sie hätte niemals gedacht, dass ihr alter Arbeitskollege sich für ein solches Thema interessierte, sei es nur aus der Sicht eines Journalisten gesehen. Aber so konnte man sich in manchen Menschen täuschen.

    Der Titel des Artikels stach sofort ins Auge: BDSM – Salontauglich oder doch das Werk des Teufels? Viel wusste Bessy nicht über diese Szene und das was sie wusste, beschränkte sich ausschliesslich auf den SM-Bereich. Sie wusste, dass dieser Begriff mit körperlichen Schmerzen verbunden war, die zur Lust führten und die ‚Opfer’ liessen dies breitwillig über sich ergehen, um auf ihre Kosten zu kommen. Bessy konnte sich wirklich nicht vorstellen, bei einer solchen Behandlung auf Touren zu kommen und zwar so, bis sie vor Lust nicht mehr wusste wo oben und unten war. Aber die Menschen waren verschieden, wie sie genau wusste. Sie urteilte nicht über Personen, die solche Neigungen hatten, solange man sie damit in Ruhe liess.

    Aber nun war sie neugierig geworden und fing an, den Artikel genauer zu lesen oder zumindest das, was schon geschrieben worden war. Es war über die ethischen Ansichten die Rede, welche viele Amerikaner vertrat. Auch wenn Amerika das Land der unbegrenzten Möglichkeiten war, so waren die Einwohner mehr als nur prüde in diesem Punkt. Sie konnte sich gut vorstellen, welche Aufruhr dieser Artikel verursacht hätte – es wäre vermutlich der Skandal des Jahres geworden. Bessy wusste genau, wie die Bevölkerung reagierte auf solche Themen und das hatte bestimmt auch ihr Kollege gewusst. Aber es schien ihm egal zu sein oder er hatte die Absicht, wirklich das ganze Land in Aufruhr zu versetzten.

    Irgendetwas Reizvolles hatte dieser Gedanke wirklich an sich, das musste Bessy zugeben und sie stellte fest, dass der Artikel wirklich gut geschrieben war. Es war auch darin die Rede, dass sich nicht alles nur um SM drehte, sondern noch zwei andere Bereiche im Wort BDSM vertreten war. Diese Bereiche klangen um einiges interessanter als der allseits bekannte Teil. Lust zu empfinden, wenn man gefesselt wurde, war bestimmt auch nicht alltagstauglich, genauso wenig wie dominiert und befehligt zu werden, aber es war ‚harmloser’ – zumindest in ihren Augen. Als normal würde es ohnehin nicht bezeichnet werden, aber was war heutzutage schon normal? Nichts, wenn man ehrlich war und das war Bessy immer.

    Als sie zu Ende gelesen hatte, lehnte sie sich im Stuhl zurück und dachte darüber nach, was sie gerade ‚gelernt’ hatte. Es war wirklich sehr interessant, aber sie wusste eindeutig nicht, ob sie jemals zu so etwas fähig war oder so etwas mit sich machen lassen würde. Nachdenklich durchwühlte sie den Karton und sie stellte fest, dass es sich um das Recherchenmaterial für den Artikel handelte. Noch immer neugierig las sie sich alles aufmerksam durch und als sie endlich die letzte Seite zu Ende gelesen hatte, gähnte sie und streckte sich. Ihr Blick viel auf die kleine runde Wanduhr und Bessy zuckte leicht zusammen. Es war vier Uhr morgens und sie sass noch immer hier in der Redaktion. Das durfte doch nicht wahr sein!

    Leise brummend verstaute sie wieder alles im Karton und trug diesen zu ihrem Schreibtisch. Dort schob sie ihn darunter und ordnete ihre eigenen Unterlagen und sorgte dafür, dass ihr Computer keinen Ton mehr von sich gab. Dann zog sie sich ihren Mantel an und ging nach draussen. Als sie das Gebäude verliess, wehte ihr ein kalter Wind entgegen und sie rümpfte die Nase. So sehr sie den Winter auch mochte, die schneidende Kälte war noch nie ihr Ding gewesen. Schnell ging sie zu ihrem Wagen und drehte die Heizung nach oben. Als sie die Kälte endlich aus ihren Gliedern vertrieben hatte, startete sie den Wagen und fuhr zu ihrem kleinen Häuschen, welches sie damals von ihren Eltern geerbt hatte. Es war mehr ihr Ferienhaus gewesen, bis sie schliesslich ganz nach New York gezogen waren – und ab da stand es leer, bis ihre Eltern es Bessy vermacht hatten. Sie hatte das Haus schon immer geliebt und als sie in die Auffahrt einbog, umspielte ein zufriedenes Lächeln ihre Lippen.

    Der Wagen bekam seinen üblichen Platz in der Garage, die direkt an das Haus grenzte, welches durch eine Zwischentür zu erreichen war. Müde und erschöpft ging sie die wenigen Stufen hinauf und warf ihren Mantel über den Küchenstuhl. Ja, die Tür führte direkt in die Küche, was meist sehr praktisch war, besonders wenn man einige Einkäufe zu schleppen hatte. Die Schuhe liess sie ebenfalls in der Küche stehen, dann ging sie weiter, ohne das Licht anzulassen. Schlurfend ging sie in den Flur und von dort zur Treppe, die in das obere Stockwerk führte.

    Bessy kannte ihr kleines Haus in und auswendig, so dass sie auch blind ihren Weg gefunden hätte. Als sie ihr Schlafzimmer erreichte, seufzte sie erleichtert und fing an, sich auszuziehen. Nackt wie Gott sie geschaffen hatte, warf sie sich in ihr weiches Himmelbett – es war keine kitschige Version, die sich kleine Mädchen wünschten, sondern aus Mahagoni gefertigt worden. Das Fussende war mit kunstvollen Schnörkeleien verziert worden, alle von hand gefertigt. Genau wie der ganze Rest des Bettes. Die Vorhänge waren aus dünner roter Seide, die im Moment an den Bettpfosten befestigt worden waren.

    Aber all das interessierte Bessy im Moment nicht – sie wollte einfach nur noch schlafen. Gähnend kuschelte sie sich unter ihre Decke und machte es sich bequem. Kaum hatte sie die Augen geschlossen, übermannte sie der Schlaf bereits und sie war unendlich dankbar dafür, das erste Mal seit langem keine Träume zu haben.

    Dolch im Rücken

    Die kalte Nachtluft umspielte ihn, schmeichelte ihm und ein schmales Lächeln erschien auf seinen Lippen. ‚So wie heute sollte es immer sein, so… perfekt!’, dachte er immer noch lächelnd, während er die Strasse entlang ging. Sein Ziel hatte er deutlich vor Augen und er würde es auch erreichen. Dann… Ja dann würde er ausführen, wofür er geschaffen worden war. Sein Herr hatte es ihm aufgetragen und er erfüllte diese Aufgabe mit Stolz. Und so würde seine Braut wissen, dass er wieder zurück war, sie niemals vergessen hatte. Er würde sie zu sich holen und sie würde ihm gehorchen, ihm zu Diensten sein, so wie es sich für eine Frau gehörte.

    Es war unglaublich, wie blind die Menschen doch für die Gefahren waren, die sich direkt vor ihren Augen befanden. Und er war eindeutig eine Gefahr, aber das würden sie schon noch merken, wenn es soweit war, doch dann war es zu spät. Mit einem, nun charmanten, Lächeln trat er in das Gebäude ein und als sich die Tür hinter ihm schloss, wusste er genau, dass dies der richtige Ort war – er hatte gut gewählt, nein: sein Herr hatte gut gewählt.

    Eine schöne Blondine kam auf ihn zugetakelt und er musste sich wirklich zusammenreissen, um ihr nicht gleich an Ort und Stelle die Kehle herauszureissen. Doch dann könnte er seinen Plan nicht so ausführen, wie er ihn geplant hatte. Also hielt er sich zurück und spielte mit. Ohne ein Wort zu sagen führte sie ins obere Stockwerk in ein Zimmer, das gänzlich in rot gehalten wurde – wie passend, wenn man genau darüber nachdachte und wusste, was er vor hatte.

    Kaum fiel die Tür ins Schloss, warf sie sich schon an seinen Hals und fing an, ihn stürmisch zu küssen. Der Braunhaarige erwiderte zwar ihre Küsse, aber er tastete bereits nach dem silbernen Dolch, den er in seiner Kleidung verborgen hatte. Lange würde das Vergnügen nicht währen, egal wie schön die Blondine auch war. Für ihn gab es nur eine Frau, das war schon immer so gewesen und würde auch immer so bleiben. Es gab keine andere für ihn, ausser seinen Engel, seine Kleine. Ja, sie würde sich an ihn erinnern und dann würde sie vor Angst erstarren. Doch er würde ihr beibringen ihn zu lieben und ihr die Angst nehmen. Sie würden glücklich sein, sehr glücklich sogar.

    Geschickt stiess er der unbekannten Schönheit den Dolch in den Rücken und zwar genau so, dass er ohne Probleme ihr Herz fand. Sie würde nicht leiden müssen, wenigstens dafür konnte er sorgen. Seine grünen Augen blitzen auf, als er sah, wie das Leben aus ihr wich. Langsam liess er sie zu Boden gleiten und zog die Klinge wieder heraus. Mit einem zufriedenen Lächeln verliess er das Zimmer, nur um eins mit der Umgebung zu werden – die Schreie, die kurz Zeit später die Luft erfüllten, waren ihm egal. Es klang sogar wie Musik in seinen Ohren.

    Erst als er seine Arbeit erledigt hatte, atmete er ein paar Mal tief durch. Er suchte sich einen Mantel, der nicht blutbefleckt war, schlüpfte in diesen und tauchte schliesslich wieder in die kalte Dunkelheit ein. Schnee fiel auf sein Haupt und er lächelte – sein Mädchen liebte den Schnee, das wusste er. Er würde ihr jede Menge Schneemänner bauen, wenn das ihr Wunsch sein würde und zusammen mit der Liebe seines Lebens würde er nach Alaska fahren. Ihr würde es dort bestimmt gefallen, dessen war er sich sicher.

    Eigentlich wollte er in den Park gehen, aber so wie er im Moment aussah, konnte er froh sein, nicht schon auf der Strasse Aufmerksamkeit zu erregen. Also ging er langsam in Richtung seiner Wohnung, welche er gut eine halbe Stunde später erreichte. Praktisch seine ganzen Möbel waren aus hellem Buchenholz gefertigt worden und allesamt waren Einzelstücke, handgefertigt. Er war sehr stolz darauf, solche Möbel zu besitzen und es war vermutlich sein einziger Besitz, dem ihm wirklich etwas bedeutete. Für ihn war nur sein Mädchen wichtig, auch wenn sie es noch nicht wusste. Bestimmt würde sie denken, er wolle sie töten – aber er könnte ihr niemals wirklich ein Haar krümmen.

    Er stellte sich ihre vollen mahagonifarbenen Haare vor, die so schön in der Sonne glänzten. Und ihre braungrünen Augen, wie sie in den Himmel blickten und vor Freude glänzten. Es war schade gewesen, dass dieser Glanz verschwunden war, als ihre Eltern gestorben waren – aber es hatte einfach so sein müssen. Sie wären zwischen ihm und seiner Liebe gestanden, also mussten sie sterben. Natürlich tat es ihm leid, sein Mädchen so leiden zu sehen, aber sie würde es eines Tages bestimmt verstehen.

    Zufrieden legte er den Mantel ab und warf diesen in den Mülleimer, genau wie den Rest seiner Kleidung. Die Kleider waren ohnehin durch das Blut ruiniert worden, da gab es nichts mehr daran zu rütteln. Nackt ging er in sein Schlafzimmer und legte sich auf das Bett. Der samtene Bettanzug umschmeichelte seinen durchtrainierten Körper und er lächelte leicht. Wie gut es sich doch anfühlte, doch es würde noch um ein vielfaches besser werden, sobald sie bei ihm war. Nur sie allein konnte seine innere Qual endlich beenden, denn sie war sein persönlicher Engel und sein Herr würde von ihr vertrieben werden, so dass er endlich frei war.

    Nichts was er jemals getan hatte, verschaffte ihm lange genug Frieden und manchmal dachte er schon, dass das Böse in ihm Überhand nahm. Aber bisher konnte er die drohende innere Gefahr jedes Mal abwenden, doch bald könnte nur noch sie ihm helfen. Niemand anderes war in der Lage, seine Seele zu befreien und ihm Linderung zu verschaffen. Es war schon seltsam, wie abhängig ein Mann von einer einzigen Frau sein konnte, aber er würde sich nicht darüber beschweren.

    Während er an sie dachte, spürte er, wie das Blut in seine Lenden schoss – lange schon kam er nicht mehr durch blosse Gedanken in Stimmung. Einzig bei ihr brauchte er nicht erst Dominanz und Unterwerfung – nein, für sie wäre er der Mann, den er sein musste. Vorsichtig legte er eine Hand um seinen Schwanz und fing an sich selbst zu massieren. Wie gut sich das anfühlte, doch bei ihr würde es sich noch besser anfühlen. Er geilte sich selbst immer weiter auf, in dem er sich ihren nackten Körper unter seinem vorstellte, wie sie in Ekstase seinen Namen schrie. Mit einem heiseren Stöhnen ergoss er sich über seine Hand und über seinen Bauch.

    Als er sich beruhigt hatte, stand er auf und ging ins Badezimmer und stellte sich unter die Dusche. Erst als er allen Dreck von sich abgewaschen hatte und er sich endlich wieder sauber fühlte, kehrte er in sein Schlafzimmer zurück, wo er sich wieder hinlegte. Langsam fielen seine Lider zu und er fiel in einen tiefen ruhigen Schlaf und die Träume handelten allesamt von ihr. Ein Lächeln umspielte seine Lippen, während er sich tiefer in die Decke kuschelte und zufrieden seufzte. Am nächsten Morgen, was knapp zwei Stunden später gewesen war, klingelte Bessys Wecker und sie warf ihn wütend gegen die Wand, ehe sie leise fluchte. „Schon wieder ein Wecker weniger.", grummelte sie, während sie sich aus ihrer Decke schälte. Sie streckte sich ausgiebig, ehe sie ihre Beine über die Bettkante schwang. Dann stand sie auf und gähnte laut und lange, während sie sich ins Badezimmer schleppte.

    Sie spürte ein Kribbeln zwischen ihren Beinen und runzelte die Stirn. Als sie unter die Dusche stieg, liess sie ihre Hand dazwischen gleiten und zuckte leicht zusammen – sie war mehr als bereit für einen Mann, der nicht in ihrem Leben existierte. Schnell überlegte Bessy, was sie geträumt hatte, doch sie konnte sich nicht daran erinnern – ihrer Meinung nach hatte es keinen Traum gegeben, aber ihr Körper redet eine andere Sprache. Wieder fluchte sie leise und duschte eiskalt, was sie zwar zittern liess, aber das war egal. Sie konnte es sich nicht leisten, sexuell stimuliert in der Redaktion aufzutauchen.

    Als sie die Dusche endlich verlassen hatte, trocknete sie sich ab und zog eine lässige Jeans und ein schlichtes Top an. Dann streifte sie sich einen dunkelblauen Rollkragenpullover über und ging zurück ins Badezimmer, um ihre Haare in Ordnung zu bringen. Ihr Blick fiel auf den Spiegel und sie seufzte. So alt wie sie im Moment aussah, würde sie bestimmt nicht werden, wenn sie so weiter machte. Aber es gab zurzeit keinen anderen Weg – wenn sie ganz nach oben kommen wollte, musste sie dies hier alles in Kauf nehmen. Eigentlich war sogar noch mehr, das sie in Kauf nehmen musste, aber das reichte für den Anfang.

    Ihre langen mahagonifarbenen Haare band sie zu einem lässigen Zopf zusammen und schliesslich legte sie ein wenig Make-up auf, so dass sie nicht mehr ganz so alt und müde wirkte. Es nützte sogar und zufrieden machte sie sich auf den Weg in die Küche. Für einen Kaffee hatte sie heute keine Zeit mehr, so dass sie ihre Schuhe anzog, dann ihren Mantel und sich schliesslich in ihren Wagen setzte. Leicht genervt über ihren Körper lenkte sie ihren Wagen aus der Garage und schliesslich auf die Strasse.

    Erst knapp eine Stunde später kam sie heil in der Redaktion an – der Verkehr in New York war echt die Hölle auf Erden. Bessy konnte sich glücklich schätzen, nur eine Stunde gebraucht zu haben. Aber sie wusste genau, wo sich die besten Abkürzungen befanden und die machte sie sich zu nutzen. Immerhin hatte sie nicht den ganzen Vormittag Zeit, sich durch den Verkehr zu schlängeln. Sie hatte noch mehr als genug Dinge auf ihrem Schreibtisch, die nur darauf warteten, bearbeitet zu werden. Also wollte sie ihre Ideen, die mit dem Papierchaos auf ihrem Tisch zu tun hatten, nicht länger in ihrem Kopf behalten, sondern endlich zu Papier bringen.

    Die meisten ihrer Kollegen waren schon bei der Arbeit und im Hintergrund lief das Geräusch der Nachrichten. Meistens ignorierte Bessy die Nachrichtensprecher, aber jetzt wurde ihre Aufmerksamkeit auf den grossen Bildschirm gelenkt. In der letzten Nacht musste wahrlich die Hölle los gewesen sein und ihre Augen funkelten leicht. Wieder ein Punkt, wieso sie sich auf die Verbrechen konzentrieren wollte – es gab jeden Tag etwas neues und aufregenderes zu ‚entdecken’. Hier wurde es einem Journalisten wahrlich nie langweilig, aber nur wenn er gut war. Einem schlechten Journalisten wurde es meist bereits beim schreiben der eigenen Artikel langweilig und diese konnte man schlicht ergreifend nicht gebrauchen.

    Sie riss sich zusammen und bemerkte, dass auch ihre Kollegen aufmerksam geworden waren. Ein Massenmord in einem Bordell war eben doch keine Lappalie, wie man einem in den Medien oft weismachen wollte. Nein, hier war mehr als ein Menschenleben ausgelöscht worden, egal wer die Menschen waren. Es war immer tragisch, wenn jemand umgebracht wurde und meist wegen Dingen, die Bessy oft nur den Kopf schütteln liessen. Nun wurde ein Bild gezeigt, wie die Gerichtsmediziner die Leichensäcke aus dem Gebäude trugen und ein kalter Schauer lief über ihren Rücken hinunter.

    Bessy war abgehärtet was solche Verbrechen anging, aber Leichesäcke liessen sie immer wieder erschaudern. Es lag vielleicht auch daran, dass sie ihre Eltern in solchen gesehen hatte – ein solches Erlebnis prägte einen ein Leben lang, das konnte Bessy bestätigen. Dabei war sie schon zwanzig Jahre alt gewesen und das kleine Haus war schon drei Jahre in ihrem Besitzt gewesen. Der Schock über den Tod ihrer Eltern sass bis heute tief in ihrer Seele, auch wenn sie niemandem etwas darüber erzählte.

    Es hatte ohnehin keinen Sinn, sich darüber Gedanken zu machen. Es war nun einmal passiert und Bessy konnte es leider nicht mehr rückgängig machen. Vielleicht war es auch ganz gut so, wie es damals geschehen war. Wer konnte schon wissen, was ihre Eltern sonst noch erwartet hätte. Und trotzdem tat es noch immer weh, wenn sie an die leuchtenden Augen ihrer Mutter oder an die feinen Grübchen ihres Vaters dachte. Sie waren zwei wunderbare Menschen gewesen, die einen gewaltsamen Tod eindeutig nicht verdient hatten. Doch es konnte nicht verhindert werden, niemand ahnte überhaupt, dass sie auf der Abschussliste eines Irren standen, der bis heute nicht geschnappt werden konnte.

    Lange Zeit lebte Bessy in Angst, bis sie sich dazu durchringen konnte, sich professionelle Hilfe zu suchen. Sie fürchtete sich, dass der Mörder ihrer Eltern sie ebenfalls auf dem Gewissen hatte und nur auf die passende Gelegenheit wartete, sie zu töten. Doch bis heute war niemals mehr die Rede von dem Mörder gewesen und er hatte sich ihr kein einziges Mal genähert. Erst nach zwei Jahren, in denen eine einjährige Therapie inbegriffen war, konnte sie wieder ruhig schlafen und ohne Angst aus dem Haus gehen.

    Sie wurde von dem Polizeisprecher aus den Gedanken gerissen und sie hörte aufmerksam zu, während sie immer blasser wurde. Etwas an der Ausführung des Polizisten liess sie aufhorchen und ehe die anderen regieren konnte, rannte sie aus dem Gebäude zum entsprechenden Polizeirevier, da sie den Sprecher ziemlich gut kannte. Bessy musste einfach wissen, ob sie mit ihren Vermutungen richtig lag oder nicht. Wenn ja… Nun, dann würde sich ihr Leben ein weiteres Mal verändern und sie wusste nicht, ob sie es dieses Mal schaffen würde, sich entsprechend zu verhalten und zurück ins Leben zu finden.

    Die Polizisten hoben nur kurz den Kopf, als sie eine halbe Stunde später hereingestürmt kam und direkt zum entsprechenden Büro lief. Kaum dort angekommen, fiel die Tür hinter ihr ins Schloss und sie funkelte den Polizisten an. „Lance, sag mir bitte, dass sich meine Befürchtungen nicht bewahrheiten.", flehte sie leise, während sie wie ein Tiger im Käfig unruhig auf und ab ging.

    Er seufzte leise und setzte sich aufrecht hin. Seine grauen Augen musterten Bessy aufmerksam und ruhig. So schnell liess sich der junge Polizist nicht aus der Ruhe bringen, auch wenn er genau wusste, dass es für die Journalistin alles andere als angenehm werden würde. „Leider kann ich das nicht Bessy.", sagte er schliesslich mit seiner rauen und doch angenehmen Stimme.

    Sofort blieb sie stehen und starrte ihn an. „Er ist wieder da?", hauchte sie leise fragend und setzte sich schnell hin, um nicht einfach umzukippen. Es war nicht ihre Art, schnell in Ohnmacht zu fallen, aber im Moment bestand durchaus die Gefahr.

    „Wir werden ihn dieses Mal finden, das verspreche ich dir. Er versuchte Bessy zu beruhigen. Lance konnte ihre Angst auf der Zunge schmecken, so intensiv waren ihre Gefühle. Aber er konnte es ihr nicht verübeln, vermutlich würde er ebenfalls so fühlen. Es war mehr als verständlich, dass sie sich fürchtete. Seit Jahren dachten alle, dass der Mörder ihrer Eltern verschwunden war und nun tauchte er auf und machte sofort von sich reden. Lance hatte den üblen Verdacht, dass er Bessy damit eine Botschaft schicken wollte. „Bessy, dir wird nichts passieren! Ich passe auf dich auf, keine Angst.

    Sie runzelte die Stirn und setzte sich wieder in Bewegung – immer ging sie auf und ab, auf und ab. Schliesslich stand Lance auf und hielt sie an den Schultern fest, damit sie sich nicht mehr bewegen konnte. Ihn machte dieses Verhalten nervöser als die Tatsache, dass sie einen brutalen Schlächter in der Stadt hatten. ER konnte es wirklich nicht ausstehen, wenn jemand sich so verhielt, so… nervös.

    „Ihr habt ihr schon damals nicht gefangen!", fauchte sie leise, doch Lance liess sich davon nicht beeindrucken. Er hatte schon zu oft solche Fälle wie diesen gehabt, auch wenn die Verbrechen nicht unbedingt so brutal gewesen waren – aber das Prinzip blieb stets dasselbe. Bessy tat ihm wirklich leid, aber mehr als sein Bestes zu geben konnte er ihr einfach nicht versprechen. Natürlich hatte sie recht – sie hatten den Mörder ihrer Eltern damals nicht gefasst. Doch jetzt würde es anders laufen, sie würden ihn schnappen. Lance wusste es, dass sie es schaffen konnten. Das einzige, was er noch nicht wusste, war, wie sie ihn erwischen konnten. Das war der schwierige Teil dieser Ermittlungen.

    „Ich weiss, dass es…, weiter kam er nicht, schon viel sie ihm ins Wort. „Spar dir deine Worte Lance, darauf kann ich wirklich verzichten! Schnapp ihn und ich werde dir glauben!, knurrte sie und löste sich schliesslich aus seinem Griff.

    „Wir werden unser Bestes geben."

    „Wie immer, nicht wahr? Ihre Augen funkelten angriffslustig, doch er schüttelte nur leicht den Kopf. „Mach keine Dummheiten Bessy., ermahnte er sie und sie setzte sich wieder hin. „Wie weit seit ihr schon in den Ermittlungen?"

    Seufzend folgte er ihrem Beispiel und drückte ihr eine Akte in die Finger. Aufmerksam überflog Bessy die Akte und legte dabei den Kopf schief. „Viel ist es ja nicht gerade.", seufzte sie und blickte auf. Ihr Blick traf den von Lance und dieser zuckte nur mit den Schultern.

    „Es gibt auch nicht viel – wir konnten keinerlei Anhaltspunkte finden, die uns einen Hinweis auf den Täter geben könnten. Einzig die Art, wie die Opfer ermordet worden sind, ist dieselbe wie bei deinen Eltern. Und es ist überflüssig zu sagen, dass er wollte, dass du weißt, dass er wieder hier ist." Erklärte er ruhig und sachlich. Bessy nickte nur, denn sie kannte den Grund für diese Morde genauso gut wie er selbst. Dafür musste man kein Polizist sein, sondern nur eins und eins zusammenzählen können. Es war schrecklich, wie viele Menschen ihretwegen sterben mussten, ohne dass sie es verhindern konnte. Würde er weiter morden oder würde er sich nun ihr zuwenden? Sie wusste es nicht und die ersten Wogen einer nahenden Panik stiegen in ihr aus.

    Bessy zwang sich dazu, ruhig durchzuatmen und sich langsam wieder zu beruhigen. Es half niemandem, wenn sie jetzt den Kopf verlor, ihr am allerwenigsten. Nein, sie musste das Ganze sachlich angehen und sich dazu zwingen, so zu tun, als wäre nichts passiert. Naja, zumindest hörte es sich in der Theorie ziemlich einfach an, doch diese Gedanken in die Praxis umzusetzen war etwas anderes. „Kann ich euch irgendwie bei den Ermittlungen behilflich sein?", fragte sie, nachdem sich das eiserne Schweigen zwischen ihnen ausgebreitet hatte und Bessy sich dadurch noch schlechter fühlte.

    „Mach einfach keine Dummheiten, damit hilfst du uns im Moment am meisten." Seine Stimme hatte einen strengen Ton angenommen, denn er wusste ganz genau, zu was die Journalistin fähig war. Durch ihre guten Verbindungen bekam Bessy zu Dingen Zugang, von denen sogar Polizisten nur träumen konnten – und sie hatte es sich schon oft zu Nutzen gemacht. Lance zweifelte stark daran, dass sie sich aus dem Fall heraushielt, besonders da es um den Mörder ihrer Eltern ging. Aber er ermahnte sie wenigstens, mehr konnte er nicht tun, nicht im Moment.

    Sie nickte nur und stand schliesslich auf – sie musste raus aus dem Gebäude an die frische Luft, ansonsten würde sie noch durchdrehen. „Halte mich auf dem Laufenden.", sagte sie knapp, ehe sie auf dem Absatz kehrt machte und so schnell verschwand, wie sie gekommen war. Erst als der kühle Winterwind um sie herumstrich, atmete sie tief durch und entspannte sich langsam. Es war wirklich erstaunlich, wie schnell das Leben einen anderen Weg einschlug und einen Menschen aus der Bahn werfen konnte. Bessy schloss für einen Moment die Augen, ehe sie wieder geradeaus blickte und sich langsam in Bewegung setzte.

    Im Moment konnte sie nicht zurück in die Redaktion. Ihr würde die Decke auf den Kopf fallen, sobald sie einen Schritt hinein machen würde. Also ging sie in den Park und drehte ihre Runden, bis ihre Beine protestierten, aber sie ging einfach weiter. Die Müdigkeit und die Kälte sorgten dafür, dass sie wieder einen klaren Kopf bekam und die Panik sich langsam verflüchtigte. Als sie sich gerade umdrehte, übersah sie beinahe einen jungen Mann, der sie gerade noch so auffing, als sie auf einer kleinen Eisscholle ausrutschte.

    Das erste, was ihr auffiel waren seine wunderschönen grünen Augen, die sie sofort faszinierten. „Entschuldigen Sie bitte, ich hätte besser aufpassen müssen.", hauchte sie leise und wurde von dem charmanten Lächeln des Fremden sofort in ihren Bann gezogen. Bessy konnte ihre Augen nicht mehr von ihm lösen, ihr Mund stand leicht vor Erstaunen offen und als er die ersten Worte sagte, war sie noch verzauberter als zuvor – seine Stimme war das schönste, was sie jemals gehört hatte und sie fragte sich, ob sie vielleicht doch noch ein Teenager war oder nicht. Schnell verwarf sie den Gedanken wieder und richtete ihre Aufmerksamkeit auf den Mann mit den schönsten grünen Augen, die sie jemals in ihrem Leben gesehen hatte.

    Gutaussehender Archäologe

    Die Nachrichten liessen ihn laut auflachen – wie köstlich es doch war, sein eigenes Werk im Fernseher zu betrachten. Niemand wusste, dass er der Verursacher war. Wer würde schon hinter einem gutaussehenden Archäologen einen brutalen Killer vermuten? Es war für ihn von Vorteil gewesen, dass er nach seinem ersten Mord, den er mit zweiundzwanzig verübt hatte, ausser Landes reisen musste – das musste man seinem Beruf anrechnen, auch wenn er damals noch im Studium gewesen war. Ausseneinsätze waren für einen Archäologen nicht gerade häufig und für einen Studenten noch seltener. Daher konnte er damals nicht nein sagen, auch wenn er sein Mädchen dadurch allein zurücklassen musste.

    Noch immer könnte er sich dafür verfluchen, sie nicht mitgenommen zu haben. Jedoch hätte dies bedeutet, dass er sie zuerst hätte ansprechen müssen – sie kannte ihn ja noch nicht, er sie jedoch sehr gut. Getrost konnte er von sich behaupten, seine Schöne besser zu kennen als sie sich selbst. Aber das würde er ihr bestimmt nicht verraten. Immerhin sollte sie ja nicht sofort wissen, wer er in Wirklichkeit war. Nein, das würde all seine Mühen zerstören und er wollte nicht, dass sie sich von ihm abwandte. Ihr Vertrauen musste langsam erschlichen werden, dann würde er ihr vielleicht eines Tages verraten, wer er in Wirklichkeit war.

    Es war interessant zu sehen, wie seine Kollegen über die jüngsten Vorfälle diskutierten und mutmassten, was für ein Typ Mensch hinter diesem Verbrechen steckte. Dazu würde er sich bestimmt nicht äussern, denn er wusste genau, wie er war. Zudem hatte er keine Lust sich mit ihnen darüber zu unterhalten. Sie waren Langweiler und er konnte bei ihren Unterhaltungen stets nur gähnen – auch als sie sich über die Morde unterhielten, war der Unterhaltungsgrad gleich null. Eigentlich ziemlich erbärmlich, wenn man so darüber nachdachte.

    Nachdem er eine Weile desinteressiert zugehört hatte, stand er auf und entschuldigte sich. Er hatte im Moment keine Lust auf das langweilige einschläfernde Getuschel seiner Kollegen – darauf konnte er verzichten. Jeden Tag das Selbe, auch wenn es heute um die Morde ging, die er verübt hatte. Sie wussten, wie der Rest der Welt, nicht, dass er dahinter steckte. Das würde so bleiben, dafür würde er persönlich sorgen. Er hoffte nur, dass kein Polizist zu sehr auf seine Fährte gelockt wurde. Nur ungern würde er einen Gesetzeshüter töten.

    Auch wenn es vielleicht absurd klang, so schätzte er diese Menschen. Ihr Beruf war nicht einfach und barg viele Gefahren, da musste er nicht auch noch zu einer persönlichen Bedrohung werden. Nachdenklich verliess er das Institutsgebäude und machte sich auf den Weg zum Park. Dort konnte er immer am besten nachdenken, wenn er sich über einige Dinge in seinem Leben klar werden musste. Manchmal hatte er wirklich das Gefühl, sein eigentliches Ziel aus den Augen zu verlieren. Aber dann erinnerte er sich an ihre Augen, ihre Haare, ihr Lächeln und sofort wusste er wieder, was er zu tun hatte, was sein Ziel war. Sie war sein Lebenselixier – wenn es sie nicht mehr geben würde, dann würde er selbst sterben wollen. Ohne sie war ein Leben kein Leben mehr.

    Als er meilenweit von ihr entfernt gewesen war, hatte er sich mit jeder Faser seines Körpers nach ihr gesehnt. Aber er wusste, dass er sein Studium beenden musste, um sie eines Tages wieder zu sehen. Vor ein paar Monaten war er schliesslich zurück nach New York gekommen und hatte erfahren, dass sie als Journalistin arbeitete. Sie war gut, sehr gut sogar. Er las jeden ihrer Artikel und war er noch so klein und unbedeutend. In seinen Augen war nichts unbedeutend, was mit seinem Engel zu tun hatte. Sie war wundervoll, einfach vollkommen. Keine Frau war wie sie und niemals würde eine Frau geboren werden, die ihr das Wasser reichen konnte. Einzig sie war für ihn bestimmt und er für sie – alles andere war unwichtig.

    Es hatte aufgehört zu schneien, doch es war noch kälter geworden. Er genoss den frischen Wind, der durch die Strassen fegte. So bekam er einen wundervoll klaren Kopf, den er im Moment wirklich gut gebrauchen konnte. Immerhin hatte er letzte Nacht ein ganzes Bordell ausgelöscht ohne eine Spur zu hinterlassen. Jetzt war es wichtig, sich nicht verdächtig zu machen, egal wie. Er war gut darin, sich unauffällig zu verhalten, auch wenn er einen Beruf hatte, wo er ständig irgendwelche Vorlesungen halten musste. Man musste einfach wissen, wie man sich verhalten musste und niemand würde jemals herausfinden, dass er es gewesen war. Wie herrlich das Leben doch sein konnte, wenn man die kleinen Kniffe kannte.

    Nach einer Weile erreichte er den Park und schlenderte gemütlich den Weg entlang und blickte sich um. Die Menschen um ihn herum waren so friedlich und es schien beinahe so, als könnte nichts ihre gute Laune trüben. Er hatte den Eindruck, als würden sie den Ernst des Lebens nicht kennen und irgendwie war es auf eine gewisse Art und Weise auch so. Aber daran wollte er im Moment nicht denken.

    Es gab Tage, an denen er fröhlich sein wollte und genau so ein Tag war heute. Er hatte gute Laune und die wollte er sich nicht durch seine eigenen Gedanken verderben lassen. Nein, darauf hatte er wirklich keine Lust – heute wollte er sich vergnügen und spätestens heute Abend würde er dies auch tun. Wenn er sich solange ausspannte, konnte es bestimmt nichts schaden. Die Vorfreude stieg in ihm hoch und ein Lächeln umspielte seine Lippen. Auch wenn sie nicht sein Mädchen war, so hatte sie doch etwas Reizvolles an sich. Bis er seinen Engel endlich bei sich haben würde, dann würde er die andere Frau nicht mehr brauchen. Aber er war leider auch nur ein Mann, der seine Bedürfnisse hatte, die befriedigt werden wollten. Also musste er etwas dafür tun und sein Mädchen würde er niemals zu etwas zwingen.

    Nein, er wartete geduldig, bis sie sich ihm freiwillig hingab und zwar mit jeder Faser ihres Körpers. Er wusste, bei ihr brauchte es viel, bis sie jemandem vertraute. Vielleicht lag es auch daran, dass er ihre Eltern ermordet hatte – aber das konnte er nicht so genau sagen, da er sie ganze dreizehn Jahre nicht mehr gesehen hatte. Immerhin konnte sich in dieser Zeit einiges verändert haben und er hatte auch keine grosse Ahnung, was in ihrem Leben alles vorgefallen war. Aber eines wusste er – ihr war keine ernsthafte Gewalt entgegengebracht worden und das war gut so. Viel tun hätte er zwar nicht können, aber er wäre so schnell wie möglich zurückgeflogen und hätte sich ihr gezeigt, um sich langsam mit ihr anzufreunden.

    Beinahe hätte er die junge Frau übersehen, der es ähnlich erging. Sie rutschte auf einer kleinen Eisscholle aus und sofort fing er sie auf. Als sie seinen Blick suchte, blieb ihm beinahe das Herz stehen – sie war es, sein Mädchen! Niemals hätte er gedacht, sie so plötzlich zu treffen. Er wollte eigentlich vorbereitet sein, den ersten Schritt geplant haben. Aber dieses Treffen… Nichts war geplant gewesen, absolut nichts. Nun fühlte er sich ein wenig überrumpelt, auch wenn er sich nichts anmerken liess. Nein, sie würde nicht erfahren, dass er wusste, wer sie war. Es sollte eine neue Bekanntschaft sein, nicht mehr und nicht weniger – noch nicht. Eine solche Entwicklung wie er sie geplant hatte, brauchte eben Zeit und er würde sich Zeit lassen, ihnen beiden.

    Ihre Stimme klang in seinen Ohren wie liebliche Stimmen von Engeln – einfach wunderschön. Sie war wahrhaftig eine Augenweide und noch schöner, als er sie in Erinnerung hatte. Nur ihm allein sollte diese Schönheit gehören und kein anderer Mann sollte sie jemals wieder anfassen können. Dafür würde er sorgen, wenn auch nur langsam und nicht sofort. Sie sollte Zeit haben, sich an das Gefühl gewöhnen können und das konnte sie nur, wenn er sie nicht bedrängte.

    Er schenkte ihr ein charmantes Lächeln und ihre Augen hefteten sich weiter an die seinen. Ihre Faszination für ihn war deutlich zu spüren, ja beinahe schon greifbar. Irgendwie fühlte er sich geschmeichelt, aber er liess sich auch hierbei nichts anmerken. Es war besser, wenn sie nicht sofort merkte, was er in ihrer Gegenwart empfand.

    „Machen Sie sich keine Sorgen, ich hätte ebenfalls besser aufpassen sollen.", meinte er leise lachend und stellte sie vorsichtig wieder auf die Füsse. Dabei achtete er darauf, dass sie nicht wieder ausrutschte und wenn doch, würde er sie eben erneut auffangen – er würde sie jeder Zeit wieder auffangen, immer und immer wieder. Und sei es nur, um ihre Nähe spüren zu dürfen. Es war das wundervollste Gefühl, dass er kennen gelernt hatte und er kannte einiges an Gefühlen. Seltsam wie empfindlich er doch war, dabei dachte er immer, dass er dank seiner Dominanz nicht so empfindlich für solche Dinge war – wie es aussah, hatte er sich gewaltig geirrt.

    Nun lächelte sie ebenfalls und senkt leicht verlegen den Blick. Ihr war es anscheinend peinlich, dass sie ihn so angestarrt hatte, aber ihm war es egal. Im Prinzip wollte er sogar, dass sie ihn anstarrte, nur noch ihn ansah. Es war ihm tausend Mal lieber, als wenn sie sich nach einem anderen Mann umsah. Das würde ihm nicht wirklich gefallen, aber im Moment würde er sie auch nicht daran hindern. Bestimmt würde sie das nicht mögen, eher im Gegenteil – sie würde ihn verfluchen, wenn er sich ihr aufdrängte und seinen Willen aufzwang. Bei ihr würde er das niemals tun, nicht wenn sie es nicht wollte. Und selbst wenn sie es wollte, sollte es nur in einer Situation sein – wenn sie nackt vor ihm stand oder unter ihm lag. Schnell verwarf er diesen Gedanken wieder, denn ansonsten wäre er unter Umständen sofort über sie hergefallen und das war noch weniger in seinem Sinn, als das unerwartete Aufeinandertreffen.

    „Erlauben Sie mir, Sie zu einem Kaffee einzuladen?", fragte er schliesslich und legte den Kopf leicht schief. Sein Lächeln war noch immer charmant. Er wusste, welche Wirkung er auf Frauen hatte und dies machte er sich für einmal bewusst zu Nutze.

    Bessy konnte gar nicht fassen, dass dieser gutaussehende Mann sie zu einem Kaffee einladen wollte. Beinahe kam sie sich vor wie im Märchen. Aber sie war nicht so dumm, die Einladung auszuschlagen. Immerhin wurde sie nicht jeden Tag von einem Mann eingeladen, der durchaus ein Supermodel sein konnte – sie konnte sich gar nicht satt sehen an diesem Mann. Schliesslich nickte sie, als sie bemerkte, ihn schon wieder anzustarren. Es war mehr als nur unhöflich, das wusste sie, aber sie konnte wirklich nicht anders. Der Unbekannte schien es nicht zu bemerken und wenn doch, verlor er kein einziges Wort darüber, wofür sie wirklich dankbar war. „Sehr gerne sogar. Etwas Warmes wird mir bestimmt gut tun.", meinte sie zustimmend und führte sie beide aus dem Park.

    Eigentlich wusste sie nicht, ob es für ihn in Ordnung war, wenn sie das Café bestimmte, aber so war es nun einmal. Es musste auch mal Phasen geben, wo sie die typische Frau sein konnte und heute war genau so eine Phase eingetreten. Er folgte ihr lächelnd, daher glaubte sie nicht, dass es ihn störte.

    „Sind Sie oft im Park?, wollte sie schliesslich wissen und musterte ihn eingehend von der Seite her. Er nickte leicht und legte den Kopf wieder so unwiderstehlich schief. Am liebsten hätte sie an seinem Hals geknabbert, aber sie unterdrückte den Reflex und suchte stattdessen seinen Blick, um wieder in seinen grünen Augen versinken zu können. „Ja, ich bin ziemlich oft dort. Aber Sie habe ich dort noch nie gesehen. Es war eine Feststellung und das wusste Bessy. Sie lächelte leicht und führte ihn durch die Menge. Ohne Probleme hielt er mit ihr Schritt, was sie sichtlich beeindruckte – so etwas war in New York nicht gerade einfach, wenn man nicht wusste, wie man vorzugehen hatte. Aber der Braunhaarige wusste es anscheinend, was ihr noch mehr gefiel.

    „Doch, ich bin sogar beinahe jeden Tag dort. Vermutlich sind wir bisher einfach noch nie zur selben Zeit dort gewesen."

    „Dann sollten wir das ändern oder was meinen Sie? Zu zweit sind Spaziergänge doch schöner als allein." Wieder diese charmante Art, der man kaum widerstehen konnte. Sie fragte sich, wieso er sie auf einen Kaffee eingeladen hatte – natürlich war sie nicht gerade hässlich, aber sie sah auch nicht gerade aus wie das typische Model von heute. Nein, sie hatte weibliche Rundungen und sinnliche Kurven, so wie eine Frau ihrer Meinung nach sein musste. Immerhin war sie kein Hungerknochen und das war auch gut so. Bessy konnte sich gar nicht vorstellen, wie es sich anfühlte, nur noch aus Haut und Knochen zu bestehen. Wieso also sollte ein Mann wie er Interesse an ihr haben? Oder war er einfach nur höflich zu ihr und wollte sie nicht verletzen? Wenn ja, dann wäre es ihr lieber gewesen, wenn er von Anfang an gesagt hätte, dass sie nicht sein Typ war.

    In seinen Augen war jedoch keine Andeutung von Ablehnung zu sehen – einzig die Ehrlichkeit stand in seinem Gesicht geschrieben und sie spürte, dass sie sich darüber freute. Normalerweise brauchte sie lange, um einem Mann zu vertrauen. Okay, sie vertraute ihm nicht unbedingt, aber sie wollte ihn auch nicht abweisen. Es wäre vielleicht ein Versuch wert, ihn näher kennen zu lernen. Wieso auch nicht? Sie hatte wirklich nichts zu verlieren, ausser vielleicht ihrem Herz. „Es gibt nur ein kleineres Problem – ich bin nie zur gleichen Zeit im Park."

    Er lachte leise und seine Augen funkelten dabei. „Das ist kein Problem. Wenn wir uns ein gemütliches Plätzchen in einem Café Ihrer Wahl ausgesucht haben, könnte ich Ihnen meine Nummer geben. Dann können sie mich anrufen, sollten sie eine Begleitung brauchen."

    Dieses Angebot konnte sie einfach nicht ablehnen. Er war überhaupt nicht aufdringlich, auch wenn sie sich noch keine halbe Stunde kannten. Seine Art war einfach einmalig und sie war der Meinung, dass die restlichen Männer auf diesem Planeten sich ein Stück von ihm hätten abschneiden können. Jede Frau hätte einen solchen Mann an ihrer Seite verdient. Aber leider konnte nicht jede so viel Glück haben und Bessy glaubte noch lange nicht an ihr eigenes. Nein, so naiv war sie nicht und würde es auch niemals werden. Zu oft war sie von Männern enttäuscht worden, als dass sie sich sofort Hals über Kopf in jemanden verliebte, egal wie gutaussehend und charmant er auch sein mochte.

    Ehe sie noch etwas sagen konnte, erreichten sie ihr Ziel und Bessy führte den Unbekannten in ein kleines Café, das man gut und gerne übersehen konnte, wenn man sich nicht achtete. Aber es war gemütlich und warm hier und die Journalistin mochte es, hierher zu kommen. Sie suchte sich einen Tisch etwas weiter hinten und setzte sich hin. Er folgte ihrem Beispiel und schliesslich gaben sie ihre Bestellung bei der Kellnerin auf.

    „Darf ich Ihren Namen wissen? Wir haben uns, soweit ich mich erinnern kann, noch gar nicht vorgestellt.", brach Bessy schliesslich das Schweigen, welches sich zwischen ihnen ausgebreitet hatte. Wieder lächelte er charmant und sie musste sich ernsthaft zusammenreissen, ihn nicht wie ein Teenager anzuhimmeln.

    „Ich bin Carl., stellte er sich schliesslich vor und legte den Kopf wieder schief. „Und wie heisst du? Er war nahtlos zum Du übergegangen, was Bessy nicht sonderlich störte. Normalerweise hatte sie etwas gegen dieses schnelle Duzen, aber heute nicht, besonders nicht bei diesem Mann. Carl war atemberaubend und

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