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ELSA- die Taube aus der Stadt
ELSA- die Taube aus der Stadt
ELSA- die Taube aus der Stadt
eBook274 Seiten3 Stunden

ELSA- die Taube aus der Stadt

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Über dieses E-Book

Dies ist die Geschichte der kleinen Taube Elsa, die - schon bald, nachdem sie aus ihrem Ei geschlüpft ist - allerlei Abenteuer erlebt. Bereits in der Taubenschule wird schnell klar, dass Elsa kein gewöhnliches Taubenmädchen ist, sondern ihren eigenen Kopf hat.
So schließt sie Freundschaft mit anderen Vögeln, wie zum Beispiel der Möve Sirko. Dies wird in Taubenkreisen aber nicht gerne gesehen und so eckt sie immer wieder an, bis sie nach einem Streit die Stadt verläßt und in den Wald ausreißt.
Dort erlebt sie weitere aufregende Ereignisse, findet aber auch neue Freunde.
Nach ihrer Rückkehr in die Taubengemeinschaft der Stadt wird sie aufgrund einer Intrige geächtet und flieht abermals in den Wald. Dort erfährt sie schließlich von einem schlimmen Plan, der die Tauben in ihrer Stadt in tödliche Gefahr bringt.
Wie kann sie nur ihre Familie und ihre Freunde warnen?
SpracheDeutsch
HerausgeberBooks on Demand
Erscheinungsdatum15. Mai 2013
ISBN9783732227037
ELSA- die Taube aus der Stadt
Autor

Gerhard Braß

Gerhard Braß, Jahrgang 1959, hat schon in seiner Jugendzeit kleine Geschichten geschrieben und Zeitungen verfaßt, die Familie und Freunde gerne gelesen haben. Mit diesem Kinderbuch hat er sich einen lange gehegten Traum erfüllt. Er lebt in der Nähe von München.

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    Buchvorschau

    ELSA- die Taube aus der Stadt - Gerhard Braß

    bleiben!

    1   Wie alles begann

    Als Elsa geboren wurde, tobte gerade ein heftiges Maigewitter über der Stadt. Es war Nacht, Blitze zuckten und die krachenden Donnerschläge konnte Elsa sogar in ihrem Ei hören. Ganz eng zusammengerollt lag sie darin, blind und nackt, aber seit einigen Stunden bereit zum Schlüpfen.

    Wie sie aber den Donner hörte (obwohl ihre Mutter Gerlinde, eine hübsche Türkentaube mit einem dezenten schwarzen Nackenring, sorgsam auf dem Gelege saß und es so vor dem Wetter abschirmte), bekam sie es mit der Angst zu tun und schrie; heraus kam aber nur ein klägliches Fiepen.

    Trotzdem musste es Mama Gerlinde wohl gehört haben, denn Elsa spürte, wie plötzlich aufmunternd an ihrem Ei gezupft wurde und automatisch begann sie mit ihrem kleinen Hörnchen, das sich genau zu diesem Zweck an ihrem noch weichen Schnabel befand, an der Eierschale zu hacken und zu klopfen. Da! Ein leichtes Knacksen und Splittern und auf einmal befand sich direkt vor Elsas Schnabel ein kleines Loch.

    Feuchte, kalte Luft strömte herein und Elsa hielt einen Moment inne. Wollte sie wirklich in diese kalte, dunkle und unbekannte Welt? Aber ihr Instinkt ließ ihr keine Wahl und so fuhr sie fort mit ihren Klopfen und Hacken.

    Es dauerte noch einige Minuten, dann brach plötzlich ein größerer Teil der Eierschale ab und Elsa begann, sich aus der schützenden Hülle herauszuwinden.

    Puh, war das mühsam! Elsa hielt erschöpft inne. Da bewegte sich auf einmal die Eierschale wie von Geisterhand und verschwand in der Dunkelheit. Gerlinde hatte es nicht mehr ausgehalten vor Neugier auf ihre kleine Tochter und hatte nachgeholfen.

    „Mama! Mama!" fiepte Elsa weinerlich und verkroch sich unter den dicken, warmen Federn von Gerlinde, als wieder ein Blitz zuckte und sofort darauf ein hallender Donnerschlag folgte.

    „Ist schon gut, Kleines! murmelte Gerlinde beruhigend, „es ist nur ein Gewitter. Das geht bald vorbei. Schlaf jetzt!

    Und das tat Elsa dann auch.

    Die nächsten zwei Tage erlebte Elsa wie in einem Traum, denn sie konnte noch nicht sehen.

    Erst am dritten Tag schlug sie das erste Mal ihre Augen auf und erblickte einen strahlend blauen Himmel. Fasziniert blickte sie nach oben, als sie unsanft geschubst wurde.

    „Lass mich auch mal sehen!" tönte es neben ihr und ein kleines Taubenjunges drängelte unter dem schützenden Federkleid der Mutter hervor und blinzelte neugierig in die Sonne.

    „Also wirklich, Friedolind! Es ist genug Platz, da musst Du Deine Schwester nicht so schubsen!" mahnte eine Stimme von oben und sowohl Sonne als auch Himmel verschwanden, als sich Mama Gerlinde über die beiden beugte. Sie sagte es mahnend, aber ihre Augen lachten, so sehr freute sie sich über ihren Nachwuchs.

    Ja und so lernte Elsa ihren Bruder Friedolind kennen.

    Etwa eine Stunde später war die Familie komplett, als ein hübscher Felsentäuberich mit einem schneidigen Bogen von oben her angeflogen kam und eine elegante Punktlandung direkt am Nestrand hinlegte. Blaugrau war er und zwei schwarze Binden zierten seine Flügel. Außerdem hatte er einen schillernden grünen Fleck auf der Brust, sowie einen weißen Fleck am Bürzel, der Stelle, an der beim Vogel der Schwanz beginnt.

    Das war Papa Cesare.

    Zärtlich rieben er und Gerlinde ihre Schnäbel aneinander. „Ach Cesi, schön, dass Du wieder da bist! Wie war´s im Rat?"

    „Gleich, mein Schatz, antwortete Cesare. „Erst muss ich mal meine Kinder genauer ansehen.

    Er beugte sich hinunter zu Friedolind und Elsa, die sich etwas ängstlich in den Federn der Mutter versteckten.

    „Na kommt, ich fress euch doch nicht!" lächelte Cesare und stupste die beiden liebevoll an. Da wurden sie mutiger, kamen wieder hervor und versuchten nun, ihre Schnäbel auch so an seinem zu reiben, wie sie es gerade gesehen hatten. Da ihre Schnäbelchen aber doch noch sehr winzig waren, sah das Ganze zu komisch aus und Gerlinde lachte laut (das klingt dann für Menschen wie ein lautes Gurren), als sie das sah.

    „Mamma mia, sind die süß, die Kleinen!" lachte nun auch Papa Cesare. Wie man am Namen erkennen konnte, war Cesare nicht in dieser Stadt, in der sie lebten, geboren worden. Eigentlich kam er sogar von weit her, vom Mittelmeer und wie es ihn in diese Stadt verschlagen hatte und er Gerlinde kennen und lieben gelernt hatte, war eine eigene, lange Geschichte.

    Er richtete sich wieder auf. „Gerlinde, ich muss wieder zum Rat zurück. Sie haben nur kurz die Versammlung unterbrochen und erwarten, dass alle wieder pünktlich da sind."

    „Was ihr immer nur zum Besprechen habt!" murrte Gerlinde.

    „Aber Schatz! gab sich Cesare empört, „es ist eine hohe Ehre, Mitglied des Rates zu sein! Ich hätte nie gedacht, dass ich da mal reingewählt werden würde.

    Wie in jeder Stadt, in der Tauben lebten, gab es auch hier einen sogenannten Rat der Tauben, dessen Größe von der Anzahl der Tauben abhing, die hier lebten. Zur Zeit gehörten 30 Tiere dem Rat an, der von einer weisen, alten Ringeltaube geleitet wurde, die bei strittigen Fragen auch das letzte Wort hatte.

    Wenn eine Ratstaube starb oder aus anderen Gründen vom Ratsamt zurücktrat, bestimmten die anderen Ratstauben einen Nachfolger und so war Cesare – für ihn überraschend – vor zwei Monaten zu dem Amt gekommen, als er zum Nachfolger für den kurz zuvor verstorbenen Nestor gewählt worden war.

    Außer für Cesare selbst, der ein sehr bescheidener und angesehener Taubenmann war, kam diese Wahl für viele andere Tauben nicht überraschend, denn Cesare war, wie gesagt, sehr beliebt und insgeheim war Gerlinde natürlich mächtig stolz, dass ihr Mann im Taubenrat saß.

    Aber gerade heute passte ihr der ganze Kram mit dem Rat gar nicht! Die Kleinen mussten gefüttert werden, sie musste überhaupt mal raus, ein bisschen die Flügel strecken.

    „Gerlinde, das kriegen wir schon hin, ich habe vorhin mit Victoria und Max gesprochen. Die wollten eh noch vorbeikommen, da können sie dann gleich auf Elsa und Friedolind aufpassen, während Du was zum Essen besorgst."

    „Na gut. Gerlinde sah zur Kirchturmuhr hinüber. „Es ist jetzt kurz vor zehn. Wann wollten sie denn kommen?

    Ja…Tauben können Uhren lesen! Überhaupt sind Tauben viel schlauer, als es viele Menschen wahrhaben wollen. Zum Beispiel können sie die Menschen auch verstehen, nur ist diese Fähigkeit ein großes Geheimnis. Sie wollen gar nicht, dass die Menschen wissen, wie intelligent sie eigentlich sind. Alles was Tauben wollen, ist, friedlich mit den Menschen zusammenzuleben.

    „Ich denke, es wird wohl Mittag, bis sie kommen. Also…ich flieg wieder los. Bis heute nachmittag!" Sie rieben sich wieder kurz die Schnäbel, dann sah Cesare kurz prüfend in die Runde (es konnte ja ein Turmfalke in der Nähe sein), stieß sich kraftvoll vom Nestrand ab, entfaltete seine Flügel und weg war er.

    Etwa zwei Stunden später tauchten Onkel Max und Tante Victoria auf. Onkel Max war Gerlindes Bruder, also ein Türkentäuberich, während Tante Victoria eine hübsche Ringeltaube war, mit einem schönen weißen Halsfleck auf jeder Seite.

    Mit viel Gegurre (zumindest würden Menschen es so bezeichnen) landeten sie am Nestrand.

    „Gerlinde! Ja, Du liebe Zeit! Heute früh kam Cesi bei uns vorbeigeflogen und hat uns gesagt, dass euer Nachwuchs angekommen ist! Victoria war ganz aufgeregt. „Lass doch mal sehen!

    Gerlinde erhob sich etwas und es kamen Friedolind und Elsa zum Vorschein, die verschlafen in die Sonne blinzelten.

    „Ach Gott, sind die süüüüß! Victoria war hin und weg. Gerlinde schaute zwar recht stolz drein, dachte aber, dass Victoria schon ein wenig zur Übertreibung neigte. Max rieb liebevoll seinen Schnabel an Gerlindes. „Sind ja zwei goldige Racker! meinte er.

    Damit hatte er buchstäblich recht, denn Taubenkinder haben ein gelbes Dunenkleid und das konnte, wenn die Sonne darauffiel, regelrecht golden schimmern.

    „Könntest Du ein bisschen auf die beiden aufpassen? fragte Gerlinde. „Ich muss unbedingt mal meine Flügel strecken und etwas zum Essen muss ich auch besorgen.

    „Klar! Kein Problem", entgegnete Victoria. Beide wechselten ihre Position und während sich Gerlinde am Nestrand startklar machte, setzte sich Victoria behutsam auf die Kleinen.

    Sowohl Elsa als auch Friedolind merkten nichts vom „Mutterwechsel", da sie beide gleich wieder fest eingeschlafen waren.

    „Aah! Tut das gut! seufzte Gerlinde wohlig, als sie ihre Flügel streckte. „Vielen Dank, ihr beiden. Bin bald wieder da!

    „Jaja! Verschwinde endlich, meinte Victoria liebevoll, „Max wird mir schon Gesellschaft leisten…gell, Mäxelchen?

    Der so Benannte guckte etwas säuerlich - er hasste es, wenn Victoria ihn „Mäxelchen" nannte!

    Aber er nickte brav und setzte sich noch etwas näher zu Victoria an den Nestrand.

    Gerlinde stieß sich ab, ähnlich wie es vorher Cesare getan hatte, breitete die Flügel aus und segelte davon.

    Zuerst ließ sie sich nach unten fallen, bevor sie mit kräftigen Flügelschlägen wieder an Höhe gewann. Sie flog über den großen Platz, der den Beginn einer Fußgängerzone markierte, in der keine Autos fahren durften. Über diesen Platz flog sie elegant hinweg und steuerte einen nahegelegenen, kleinen Park an, indem mehrere hohe Laubbäume standen. Sie stellte die Flügel an und landete auf einem knorrigen Ast. Prüfend sah sie sich um. Tauben mussten immer sehr vorsichtig sein, Gefahren lauerten überall! Eine Katze konnte sich eventuell gerade lautlos anschleichen und auch Marder kletterten gerne auf die Bäume, um Jagd auf Vögel zu machen.

    Aber es war nichts zu sehen und so hüpfte Gerlinde von Ast zu Ast, immer tiefer, bis sie auf einem Ast saß, etwa zwei Meter über dem Boden und nach unten äugte.

    Richtig! Auch heute wieder war die alte Frau da und hatte Brotkrümel und Haferflocken auf die Stelle vor dem Baum gestreut, die Gerlinde schon von früher kannte.

    In der Stadt war es eigentlich verboten, Tauben zu füttern. Es gibt zu viele und sie machen jede Menge Dreck, hieß es. Aber es gab Menschen, vor allem ältere Leute, die sich nicht um das Verbot scherten und „ihre" Tauben trotzdem fütterten. Gerlinde und den anderen Tauben war es recht. Sicher hätten sie – gerade während der warmen Jahreszeit – keine Probleme gehabt, auch so Futter zu finden. Sie waren ja nicht wählerisch! Sämereien schmeckten ihnen, Beeren, Pflanzenteile oder eben auch Brotreste und, wie hier, Haferflocken.

    Es waren schon einige Tauben da und die meisten kannte sie auch, zumindest vom Sehen. In einem solchen Fall nickte man sich höflich zu und ging sich ansonsten aus dem Weg. Unter Tauben gab es wenig Agressionen, alle pickten friedlich zusammen die Flocken und Krümel auf.

    „Putput!" lockte die alte Frau und griff wieder in ihren Beutel. Dann warf sie die Handvoll Flocken unter die Tauben und lächelte, als diese sich gleich darauf stürzten.

    Gerlinde breitete kurz die Flügel aus, ließ sich vom Ast fallen und landete mit flatternden Flügeln mitten unter der Taubenschar. Die anderen machten bereitwillig Platz und Gerlinde grüßte einige der Tauben mit einem freundlichen Kopfnicken. Dann stürzte sie sich auf die Flocken.

    Beim Essen merkte sie erst, wie hungrig sie war! Cesare hatte sich zwar beim Brüten immer mit ihr abgewechselt, die meiste Zeit war aber doch sie selbst auf den Eiern gesessen.

    Einige Zeit später war der Beutel leer. „So, ihr Täubchen, jetzt ist´s genug! rief die alte Frau und stand von der Bank auf. „Aber morgen komme ich wieder und dann gibt´s wieder leckere Haferflocken!

    Die Tauben gurrten lebhaft und der alten Frau war wieder mal so, als hätten die Vögel jedes Wort verstanden…und es war tatsächlich so! „Vielen Dank! „Schönen Tag noch! „Hat wieder sehr gut geschmeckt!" riefen ihr die Tauben nämlich zu, als sie langsam ihres Weges ging.

    Eine Taube nach der anderen flog davon und auch Gerlinde erhob sich wieder in die Lüfte. Sie wollte noch ein paar Beeren suchen, auch als erste Nahrung für die Kleinen. Instinktiv wusste sie, dass menschliche Nahrung, wie zum Beispiel Brotreste, nichts für die kleinen Mägen ihrer neugeborenen Kinder war.

    Der Nachmittag verging für Gerlinde recht schnell, denn Elsa und Friedolind hatten Hunger und so flog sie immer wieder in den Park, um Nachschub zu holen.

    Erst als die Abendsonne schon lange Schatten in die Straßen warf, war der Hunger der Kleinen gestillt und Gerlinde konnte sich wieder auf das Nest setzen, worauf sich Elsa und ihr Bruder sofort in das mütterliche Gefieder kuschelten und schnell einschliefen.

    „Vielen Dank, ihr beiden!" sagte Gerlinde zu Victoria und Maximilian.

    „Aber das war doch gar kein Problem! entgegnete Victoria. „Komm, Maxi, wir fliegen los. Ich will vor Einbruch der Dunkelheit daheim sein.

    „Ja, Vicki, lass uns aufbrechen", meinte Maximilian und rieb zum Abschied seinen Schnabel an dem von Gerlinde. Dann breiteten sie ihre Flügel aus – und weg waren sie.

    Als es schon dämmerte, tauchte Cesare auf.

    „Da bist Du ja endlich! rief Gerlinde erleichtert. „Ich habe mir schon echt Sorgen gemacht! Was war denn los?

    „Ach, das Übliche. Es gibt da einfach immer ein paar Tauben, die sich furchtbar gern reden hören. Und dies ist so wichtig und das muss unbedingt noch besprochen werden und jenes muss auf die Tagesordnung der nächsten Ratsversammlung…ich beneide Claudius nicht um seinen Job als Vorsitzender! Manchmal denke ich, ich befinde mich eher in einem Hühnerhaufen als in einer ehrwürdigen Taubenratsversammlung!" Zu seinen Worten schnitt Cesare eine dermaßen komische Grimasse, dass Gerlinde nun doch lachen musste.

    „Naja, Hauptsache, Du bist jetzt da. Setz Dich her, ich habe noch ein paar Beeren für Dich aufgehoben." Sie schob ihm die Beeren hin, die die Kleinen übrig gelassen hatten.

    „O Mann, das ist aber lieb von Dir! Ich hab einen Bärenhunger und mir ist es ehrlich gesagt schon zu dunkel, um noch groß was zum Essen zu suchen." Blitzschnell waren die Beeren verschwunden und Cesare rieb zufrieden seinen Schnabel am Nestrand sauber.

    Dann kuschelte er sich zärtlich an Gerlinde und bald darauf waren sie eingeschlafen.

    Während der nächsten beiden Wochen wuchsen Elsa und Friedolind zu jungen, lebhaften Tauben heran, denen das Nest zunehmend zu eng wurde. Das gelbe Dunenkleid hatten sie verloren und war ersetzt worden durch braunes Gefieder, das sie als Jungtauben auswies. Erst in etwa einem Jahr würden sie erwachsen sein und die endgültige Färbung haben; man konnte aber jetzt schon erkennen, dass Elsa mehr nach ihrer Mutter schlug, da sich in ihrem Nacken ein dezenter, schwarzer Nackenring bildete, während auf Friedolinds Flügeln zwei schwarze Binden erkennbar wurden, die auch sein Vater hatte.

    Ihre Eltern hatten schon seit einigen Tagen keinen Platz mehr im Nest. So schlief Gerlinde am Nestrand, während Cesare ausgewandert war und die Nächte in einer Mauernische des Nachbarhauses verbrachte.

    Da die „Kleinen" so kräftig gewachsen waren, hatten die Eltern auch ihre liebe Not, das entsprechende Essen zu besorgen. Das bedeutete, dass Elsa und Friedolind oft alleine waren. Irgendwann kamen dann Gerlinde oder Cesare vorbei, brachten alles Mögliche an Essbarem mit, das dann auch prompt von den beiden verschlungen wurde und flogen wieder weg, auf der Suche nach neuen Nahrungsquellen.

    Als die beiden wieder einmal alleine waren, kletterte Friedolind keck auf den Nestrand und flatterte mit seinen Flügeln.

    „Friedolind, komm sofort da runter! rief Elsa besorgt. „Du weißt, dass Mami und Papi uns sowas streng verboten haben!

    „Ach was! entgegnete Friedolind vergnügt. „Komm doch auch mal rauf! Eine herrliche Aussicht haben wir da! Und wie weit oben wir sind!

    In der Tat lag das Nest ziemlich hoch. Als Gerlinde und Cesare einen passenden Platz gesucht hatten, war ihnen eine Leuchtreklame an einem großen, mehrstöckigen Gebäude aufgefallen. Die Reklame bestand aus mehreren riesigen Buchstaben, die nachts erleuchtet waren und das Wort „EINKAUFSZENTRUM bildeten. Besonders die beiden „U fanden sie sehr praktisch und so bauten sie schließlich das Nest in die Einbuchtung des mittleren „U".

    Und von dort oben schaute Friedolind nun auf das rege Treiben der Menschen, die aus dieser Höhe recht winzig aussahen. Er flatterte wieder mit seinen Flügeln und da merkte er, dass er ein klein bisschen abhob.

    „Elsa, Elsa, schau! Ich kann fliegen!" schrie er aufgeregt. Und wieder schlug er hektisch mit seinen Flügeln, worauf er tatsächlich noch etwas mehr abhob.

    „Friedo, nein! antwortete Elsa ängstlich. „Auch das hat Papi streng verboten! Wir sollen noch nicht Fliegen üben und schon gar nicht allein!

    „Aber es geht doch ganz leicht! Und ich habe alles unter Kontrolle!" Friedolind amüsierte sich über die Ängste seiner Schwester, wieder bewegte er seine Flügel kräftig auf und ab … da geschah es!

    Im gleichen Moment, wie er ein paar Zentimeter über dem Nest schwebte, packte ihn eine Windbö. Plötzlich war da nicht mehr das sichere Nest unter ihm, sondern nur ein großer Abgrund. Weit unter ihm liefen die Menschen ameisengleich umher.

    „Hilfe! Elsa, hilf mir!" schrie Friedolind, jetzt gar nicht mehr locker und selbstbewusst. Obwohl er aus Leibeskräften mit den Flügeln flatterte, entfernte er sich immer weiter vom Nest, gleichzeitig verlor er auch an Höhe.

    In diesem Moment tauchte Cesare auf. Mit einem Blick erkannte er die Situation. Er ließ die Beeren fallen, die er im Schnabel transportiert hatte.

    „Papi, Papi, hilf mir! Ich falle!" schluchzte Friedolind und sackte wieder etwas ab.

    „Ruhig, Friedo! Tu jetzt das was ich sage!" Cesare war sehr aufgeregt, ließ sich aber nichts anmerken, um die Kinder nicht noch weiter zu beunruhigen. Er umkreiste seinen Sohn.

    „Schlag nicht so hektisch mit den Flügeln. Langsam, kraftvoll schlagen. Stell sie etwas an, damit Du vorwärts kommst." Und tatsächlich. Cesares Stimme wirkte irgendwie ermutigend auf Friedolind, er konzentrierte sich auf seine Flügelbewegungen und kam wieder näher an das Nest heran.

    „Jetzt flieg etwas nach links. Steuern musst Du mit Deinen Schwanzfedern. Ja…so ist´s richtig!"

    „Papi, ich kann nicht mehr!" Die Aufregung und das hektische Flattern hatten Friedolinds Kräfte erschöpft. Es war abzusehen, dass er das Nest nicht mehr erreichen würde.

    „Kein Problem. Dann steuere nicht nach links. Flieg einfach geradeaus. Ja, da…siehst Du? Da kannst Du landen."

    Mit letzter Kraft setzte Friedolind schließlich auf dem unteren Querbalken des „Z auf, etwa zwei Meter rechts von dem „U der Leuchtreklameschrift, in der sich das Nest befand.

    Friedolind japste nach Luft. „Mann! Mann! Mann!" mehr brachte er momentan nicht heraus.

    Sein Vater landete neben ihm. „Mein Sohn, ich denke, wir hatten eine klare Abmachung. Keine Flugversuche ohne Mami oder mich! Was hätte alles geschehen können, wenn ich nicht zufällig zurückgekommen wäre. Du wärest vielleicht sogar abgestürzt! Da unten laufen nicht nur Menschen, sondern auch Katzen herum…unsere Todfeinde!"

    Friedolind schien während der Worte seines Vaters immer kleiner zu werden.

    „Entschuldige, Papi, murmelte er kleinlaut. „Ich werde es nicht mehr tun.

    „Tja, Friedolind, dazu ist es jetzt ein bisschen zu spät. Cesare seufzte. „Nun gut, seien wir froh, dass nichts Schlimmes passiert ist. Die Frage ist: Wie kommst Du wieder zurück ins Nest? Meinst Du, Du schaffst das…wenn Du Dich etwas ausgeruht hast?

    Friedolind spähte unsicher zum Nest hinüber. „Ich weiß nicht. Das war alles so aufregend. Ich habe eigentlich gar nicht richtig registriert, was ich alles gemacht habe, um zu fliegen."

    Cesare musste schmunzeln. „Klar. So läuft das beim Fliegen auch. Mit der Zeit geht das alles unbewusst, Du fliegst dann so selbstverständlich, wie…wie…na, wie zum Beispiel die Menschen laufen. Jetzt pass mal auf. Ich fliege Dir vor, Du schaust genau zu. Und dann probierst Du es auch."

    Friedolind nickte tapfer. „Ok! Ich werde auch sehr gut aufpassen!"

    Cesare breitete seine Flügel aus, stieß sich ab und mit ein, zwei kurzen Flügelschlägen war er auch schon am Nest angekommen, indem eine äußerst aufgeregte Elsa saß.

    „Papa, glaubst Du, er schafft das?" fragte sie und guckte besorgt zu Friedolind hinüber, der jetzt doch etwas verloren auf dem Querbalken saß.

    „Oh, ich denke schon, immerhin war er ja auch mutig genug, da rüber zu fliegen. Er erhob seine Stimme. „So, Friedo, jetzt bist Du dran! Flügel ausbreiten…und los geht’s!

    Friedolind trat an den Rand und sah hinunter, zu den kleinen Menschen. Er schluckte. Wäre er nur nicht so verdammt obercool gewesen! Also wie war das nochmal? Flügel ausbreiten und kraftvoll schlagen. Und dann…

    Ehe es sich Friedolind versah, war er schon wieder in der Luft.

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