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Aufforderung zur Löffelabgabe: Satirische Erzählungen
Aufforderung zur Löffelabgabe: Satirische Erzählungen
Aufforderung zur Löffelabgabe: Satirische Erzählungen
eBook178 Seiten2 Stunden

Aufforderung zur Löffelabgabe: Satirische Erzählungen

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Über dieses E-Book

Von ferngesteuerten Badewannen über rhetorisch geschulte Spezialisten, die am offenen Grab Tacheles reden sowie dem missglückten Versuch eines Akupunkteurs, die Nadeln aus dem Körper einer jungen Schönen zu entfernen bis hin zum geglückten Fluchtversuch vor so genannten grünen Damen lässt der Autor den Leser in eine Welt versinken, die dem Alltag gar nicht so fern scheint.
SpracheDeutsch
HerausgeberBooks on Demand
Erscheinungsdatum4. Apr. 2012
ISBN9783844829570
Aufforderung zur Löffelabgabe: Satirische Erzählungen
Autor

Raniero Spahn

Raniero Spahn, Jahrgang 1946, lebt im Ruhrgebiet. Der vorliegende Band ist das Erstlingswerk des Autors. Ein weiterer Band ist in Vorbereitung.

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    Buchvorschau

    Aufforderung zur Löffelabgabe - Raniero Spahn

    Story

    Die richtige Anrede

    Reginald Naps befand sich im Auto auf dem Weg zu einem Seekurort, in dem sich seine bessere Hälfte bereits seit zwei Wochen einer gesundheitlichen Heilbehandlung unterzog.

    Neben ihm auf dem Beifahrersitz saß seine halbwüchsige Tochter; gemeinsam wollten sie der Mutter und Ehefrau einen Besuch abstatten, zur Halbzeit der Kur, damit sie die restliche Zeit trotz Heimweh noch einigermaßen über die Runden brächte. Darauf hatten sie sich verständigt, Reginald und seine Ehefrau, und Vater und Tochter freuten sich auf das Wiedersehen.

    Die gut fünfhundert Kilometer lange Strecke führte fast ausschließlich über ein gut ausgebautes Autobahnnetz, und Reginald hatte sich zuvor die optimale Fahrroute mithilfe seines Heimcomputers berechnen lassen. Darüber hinaus hatte er bei Antritt der Reise sofort das Autoradio eingeschaltet, um sich zusätzlich über die obligatorischen Verkehrsdurchsagen der entsprechenden Rundfunksender auf dem Laufenden zu halten.

    Mit diesen Sendern war das jedoch so eine Sache; da diese nicht permanent, sondern nur bei Bedarf die aktuellen Nachrichten über die Zustände auf dem Straßennetz durchgaben, blieb entsprechend viel Zeit für andere, in der Mehrzahl musikalische Beiträge.

    Hierbei aber zeigte sich das eigentliche Problem für beide, Vater wie Tochter. Da sie verschiedenen Generationen angehörten, hatten sie in Bezug auf die musikalischen Intermezzi doch recht unterschiedliche Ansichten, und dieses führte bald zu einem mehr oder weniger amüsanten Kampf, der sich am Autoradio austobte.

    Hatte die Tochter ihren Sender eingeschaltet, der mit einem entsprechend progressiven Programm aufwartete, verdrehte der Vater die Augen und konnte diesen ‚blöden Sprechgesang‘, wie er die Musik nannte, schon nach wenigen Takten nicht mehr aushalten. Ebenso erging es der Tochter; schaltete der Vater seinen Sender ein und lauschte verzückt den Klängen aus einer Epoche, als Musik noch richtige Musik war, langweilte sie sich zu Tode und schaltete das Radio blitzschnell um, wenn ihr Erzeuger beide Hände am Steuer benötigte.

    Auf diese Weise ging es ständig hin und her, wie bei einem erzwungenen Wunschkonzert; ein Unterhaltungsredakteur, der ein Programm für eine gemischte Gesellschaft suchte, hätte seine helle Freude an dieser abwechslungsreichen Musik gehabt.

    Das Einzige, worüber sich Vater und Tochter bei dieser Art Kleinkrieg einigen konnten, waren die Verkehrsnachrichten; zum Glück wurden diese nicht auch noch musikalisch untermalt oder gar gesungen.

    Nachdem sie sich im Vorfeld darüber verständigt hatten, Verkehrsmeldungen, von welcher Sendeanstalt diese auch immer ausgestrahlt würden, nicht zu unterbrechen, erfolgte nach einer Weile eine Durchsage vom flotten Sender der Tochter, in der zum Schluss noch folgender Hinweis gegeben wurde:

    »Also, Leute, um dem Stau auf der A3 auszuweichen, folgt einfach den mit U3.1 gekennzeichneten Hinweisschildern, dann macht ihr nichts falsch.«

    Reginald war außer sich.

    »Hast du das gehört?« rief er. »Der hat mich ja geduzt! Der hat mich einfach geduzt, ohne mich zu kennen. Unerhört!«

    Die Tochter versuchte, ihrem Vater verständlich zu machen, dass die Verkehrsnachrichten von diesem Sender immer so durchgegeben würden, weil es eben ein Programm für junge Leute sei, doch der Vater wollte nichts davon hören.

    Bebend vor Zorn schaltete er seinen Sender ein, um sich in einer der Höflichkeit gebotenen Form, wie er sich ausdrückte, informieren zu lassen, über die Zustände auf den Autobahnen des Landes.

    »Aber der hat dich noch nicht persönlich gemeint, Papa«, wandte die Tochter ein, doch Reginald hörte ihr nicht zu; dafür aber strahlte er übers ganze Gesicht, als ihm aus dem Äther sein Sender das Folgende mit sonorer Stimme mitteilte:

    »Seien Sie bitte so freundlich und folgen bitte den mit U 3.2 gekennzeichneten Hinweisschildern!«

    »Siehst du, mein Kind«, gab sich Reginald generös, »das ist doch ganz etwas anderes. Der hat sogar bitte gesagt, zweimal sogar. So und nicht anders geht man unter zivilisierten Menschen miteinander um. Daran sollte sich dein Krawallsender mal ein Beispiel nehmen.«

    Schon betätigte er den Blinker, um die Autobahn zu verlassen und der zivilisierten Empfehlung Folge zu leisten.

    Die Tochter wiederum zeigte sich sehr erstaunt über ihren Vater; so kannte sie ihn gar nicht, dass er, ohne zu fluchen, einem Verkehrshinweis gefolgt wäre.

    »Komisch, dass du auf eine Durchsage aus meinem Krawallsender so abweisend reagierst, Papa, Verkehrsfunk ist doch Verkehrsfunk.«

    »Solange mich dein Sender duzt«, knurrte der Vater, »folge ich dem nicht, nicht in hundert Jahren, und wenn ich einen Umweg von tausend Kilometer machen müsste.«

    Schmollend zog sich die Tochter zurück und setzte sich den Kopfhörer ihres Walkman auf, den sie vorsorglich mitgenommen hatte, um sich ohne die ständigen Unterbrechungen ihres Vaters ungestört ihrer eigenen Musik hinzugeben; er steuerte das Auto, dachte sie, soll er doch glücklich werden, mit seinen höflichen Verkehrsdurchsagen; ihr war es nun vollkommen egal.

    ›Und wenn die ihn mit Majestät oder Eminenz anreden‹, sagte sie sich, ›die vornehmen Leute von seinem beknackten Sender, einen Stau können die auch nicht verhindern oder schneller beseitigen.‹

    Reginald aber lauschte weiterhin mit wahrem Entzücken den aktuellen Durchsagen, befolgte diese brav und ließ sich nicht beirren, solange, bis ihm etwas auffiel, was ihm doch recht merkwürdig erschien.

    Da er zu sehr auf die Art und Weise der Durchsagen statt auf deren Inhalt geachtet hatte, war ihm entgangen, dass sich die formvollendete letzte Ansage über eine Ausweichstrecke nicht auf den Autobahnabschnitt bezog, den er gerade befuhr, sondern auf die Gegenrichtung. Auf diese Weise fuhr er, nachdem er ohne weitere Überlegung den falschen Umleitungsschildern gefolgt war, die gleiche Strecke zurück, die er gekommen war.

    Seine Tochter, mit geschlossenen Augen komplett in ihre Musik vertieft, hatte nichts von all dem bemerkt, und ihm selbst war auch nichts weiter aufgefallen, da er von dem letzten ihm ganz persönlich gewidmeten Verkehrshinweis, wie er glaubte, noch ganz aus dem Häuschen war und daher kaum auf die Strecke achtete.

    Erst ungefähr fünf Kilometer vor der Ausfahrt ihrer Heimatstadt bemerkten Vater wie auch Tochter, die ihren Kopfhörer abgelegt hatte, weil sie ein plötzliches menschliches Bedürfnis verspürte, dass sie fast zu Hause waren.

    Die Tochter fiel vor Lachen fast aus dem Wagen.

    »Das hast du nun davon, dass du deinem Sender gefolgt bist!«

    Reginald hätte im ersten Moment vor lauter Wut am liebsten das gesamte Autoradio aus seiner Verankerung gerissen und aus dem Fenster geworfen, bei laufender Fahrt.

    »Macht nichts, Papa«, tröstete seine Tochter ihn, »dann kann ich ja gleich zuhause aufs Klo gehen, und du auch. Übrigens«, knipste sie ihm lächelnd ein Auge zu, »ist vielleicht gar nicht so schlecht, dass wir nicht zu Mama gefahren sind. Stell dir vor, wir hätten sie mit 'nem Kurschatten überrascht.«

    Trotz seiner üblen Laune musste Reginald lachen. Auf den Kopf gefallen war sie nicht, seine Tochter; wo sie das schon wieder her hatte, bestimmt nicht von ihm.

    »Okay«, antwortete er, »wir rufen sie gleich an, die Mama, und sagen ihr, dass wir morgen erst kommen, lass dir schon mal 'ne vernünftige Ausrede einfallen.«

    »Ich? Wieso soll ich mir was einfallen lassen? Wer wollte sich denn nicht duzen lassen, vom Verkehrsfunk.«

    »Ist ja gut, Kind, ist ja gut.«

    Zögernd machte sich Reginald mit dem Gedanken vertraut, künftig dem Ratschlag seiner Tochter zu folgen; und wenn sie ihn anschnauzen würden, per Du, diese flotten Sender, ihm gar drohen oder ihn zu Tode erschrecken, ihm war alles egal; eine solche Irrfahrt wie heute würde ihm nicht noch mal passieren.

    Im Moment aber stand ihm ungleich Schlimmeres bevor; wie in drei Teufels Namen, sollte er seiner Frau das alles später erklären, am Telefon?

    Flehentlich blickte er zu seiner Tochter hinüber; doch die hatte bereits ihren Kopfhörer aufgesetzt und wippte fröhlich mit den Füßen.

    Ein schöner Stau

    Pfeifend betrat Viktor Rollbaier die Wohnung. In der Küche hörte er seine Frau hantieren.

    »Hm, das riecht aber lecker, Schatz. Was gibt es denn?«

    »Rotkohl mit Bratwurst, Viktor. Hast du großen Appetit?«

    »Und wie!«

    Während des Essens brach Viktor plötzlich in schallendes Gelächter aus.

    »Was ist denn mit dir los?«

    »Entschuldige, ich muss gerade an die Meldung denken, die ich vorhin im Autoradio gehört habe. Danach saßen zahlreiche Autofahrer neun Tage lang auf einer Autobahn im Stau, kannst du dir das vorstellen, Veronika?«

    »Wirklich? Neun Tage?«

    Beide schüttelten sich vor Lachen.

    »Übrigens, weißt du, wo der Stau begann, in dem die Autofahrer saßen?«

    »Nein?«

    »Hier ganz in der Nähe!«

    »Nix wie hin!«

    Beide ließen ihr Essen stehen, setzten sich in den Wagen und fuhren zu dem bezeichneten Autobahnabschnitt. Der Stau aus dem Radio hatte sich immer noch nicht aufgelöst, oder war das bereits ein neuer? Viktor und Veronika blickten sich an.

    »Sollen wir mal?«

    »Warum nicht, Schatz. Wir haben doch Urlaub, nicht wahr!«

    »Also los!«

    Als Veronika und Viktor Rollbaier die Autobahn wieder verließen, nach neunundzwanzig Jahren, hatte Veronika ihrem Mann drei Kinder geboren, im Stau, während Viktor die Zeit nutzte, um an einer Fernuni seinen Abschluss als Grundschullehrer nachzuholen.

    Darüber hinaus hatte Veronika in einem Fernlehrgang genügend Kenntnisse als Hebamme erworben, die es ihr erlaubten, zahlreichen Geschlechtsgenossinnen im Stau zu helfen. Auf diese Weise trug sie zur Sicherstellung des Nachwuchses, auf den ihr Mann Viktor als erster Autobahnlehrer der Welt dringend angewiesen war, entschieden bei.

    Nun aber, nach endgültiger Auflösung des Staus, stehen sie verzweifelt mit ihren drei Sprösslingen an der Autobahn und hoffen alle auf einen neuen nicht zu kurzen Stau, denn, wie formulierten es die Kinder dereinst, mit verklärten Mienen:

    »Das Leben ist so schön auf der Autobahn, etwas anderes können wir uns gar nicht mehr vorstellen…«

    Die Warteschleife

    »Das ist ja unerhört!« Außer sich vor Zorn warf Martin Regnets, hauptberuflicher Cellist bei den Städtischen Philharmonikern, den Telefonhörer auf die Gabel.

    Die Wut des Orchestermusikers war verständlich und für jeden Zeitgenossen, der sich in irgendeiner Form mit Musik beschäftigt, nachvollziehbar. Regnets hatte wegen einer dringenden bürokratischen Angelegenheit bei einer Behörde angerufen und war, da der betreffende Sachbearbeiter nicht sofort zur Verfügung stand, von der freundlichen Empfangsdame auf eine sogenannte telefonische Warteschleife gesetzt worden; eine musikalisch untermalte Einrichtung, die den Anrufern das Warten ein wenig versüßen sollte.

    Doch welch ein Abgrund tat sich da auf, für Martins in langen Jahren herangereifte ausgezeichnet geschulte Ohren, für sein absolutes musikalisches Gehör?

    In dieser Warteschleife wurde eine Musik dargeboten, ein Teil einer berühmten unvollendet gebliebenen Etüde eines großen Komponisten aus dem achtzehnten Jahrhundert, in die sich ein grauenhafter Fehler eingeschlichen hatte. Statt eines vom damaligen Maestro vorgesehenen Fis spielten die unbekannten Musiker ohne Rücksicht auf die anderen erhabenen Musiknoten ein erbärmliches F; ein Skandal sondergleichen für jeden Musikliebhaber. Martins Entsetzen war derart groß, dass er sofort den Anruf abbrach.

    Wozu sollte er noch weiter zuhören? Vielleicht harrte in dieser Warteschleife ja ein weiterer Lapsus darauf, ihm das Leben unnötig schwer zu machen, womöglich ein noch schlimmerer als der erste. Nein, das wollte er sich nicht antun, eine solche fast blasphemisch zu nennende Musikschändung musste er nicht weiter über sich ergehen lassen.

    Martins erster Gedanke war, die betreffende Behörde zu verklagen. Oder sollte er direkt die gesamte Stadtverwaltung, die ja letztendlich dafür verantwortlich war, vor den Kadi ziehen? Er verwarf den Gedanken; als Mitglied eines Städtischen Orchesters nahm es sich

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