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Der Ölberg, mein Kiez
Der Ölberg, mein Kiez
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eBook124 Seiten59 Minuten

Der Ölberg, mein Kiez

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Über dieses E-Book

Der Ölberg ist ein Wuppertaler Stadtviertel, entstanden in der Zeit des größten Wachstums von Elberfeld in der Boom-Zeit der Textilindustrie.

Das Gründerzeitviertel war seitdem Brutstätte der Arbeiterbewegung, hat Verfall und Sanierungswahn, Hausbesetzungen und Leerstand mitgemacht.

Aber der Ölberg ist nicht kleinzukriegen. Längst ist er Künstlerviertel, Gastgeber des Ölbergfests, und vor allem ein richtiger "Kiez", ein eigenständiges Viertel mit funktionierender Nachbarschaft inmitten einer Großstadt.

Das Buch beleuchtet nicht nur die Geschichte dieses Stadtviertels von der Entstehung bis zur Gegenwart, sondern zeichnet außerdem ein lebendiges Bild des heutigen Ölbergs. Zeitzeugenberichte, Interviews und nicht zuletzt die reiche Bebilderung mit historischen und aktuellen Aufnahmen machen diesen Band nicht nur für die Bewohner des Ölbergs so interessant: Ein lebendiges Stück deutscher Stadt- und Kulturgeschichte.
SpracheDeutsch
HerausgeberBooks on Demand
Erscheinungsdatum31. Jan. 2014
ISBN9783732267507
Der Ölberg, mein Kiez
Autor

Christiane Gertz

Christiane Gertz wurde 1967 in Solingen geboren und lebt heute in Wuppertal. Im Rahmen eines Schulprojekts kam Sie 1980 erstmals in das vom Volksmund so getaufte Viertel „Ölberg“ in Elberfeld, Wuppertal. Die Faszination für den historisch gewachsenen Stadtteil inspirierte sie später zu ihrem Erstlingswerk „Der Ölberg, mein Kiez“, das nach sorgfältiger historischer Recherche und Interviews mit Zeitzeugen auch den gegenwärtigen Ölberg vorstellt: Ein lebendiges Künstlerviertel, eine Nachbarschaft inmitten einer Großstadt. Christiane Gertz ist gelernte Fotografin und arbeitet selbstständig als Diplom-Übersetzerin.

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    Buchvorschau

    Der Ölberg, mein Kiez - Christiane Gertz

    31.12.2012

    Kapitel 1: Die ersten Ölberger

    Ende des 18. Jahrhunderts wird es eng in Elberfeld. Arbeitssuchende strömen ins Tal, angezogen von der stetig wachsenden Industrie. Elberfeld ist eins der größten Band- und Tuchweberei-Zentren der Welt, vergleichbar mit Manchester zur selben Zeit. Aus England kommen auch die ersten mechanischen Webstühle und Spinnmaschinen.

    Der Reingewinn der Textilunternehmen liegt bei 100-150%. Und die Industrie wächst weiter: Die Verkehrsverbindungen werden besser, Arbeitskräfte wachsen ständig nach, seit sich die Kindersterblichkeit durch neue Medizin und bessere Hygiene deutlich verringert hat.

    Nach den mechanischen folgen bald die dampfbetriebenen Maschinen, die jedoch die Handwebstühle nicht ganz verdrängen. Es gibt Weber, die zu Hause an „gepachteten" Maschinen sitzen und tagaus, tagein arbeiten. Der Lohn ist extrem gering und kann die oft großen Familien nicht ernähren. Das ist bei den Fabrikarbeitern, die die großen Maschinen bedienen und beaufsichtigen, das gleiche Problem. Die Frauen müssen ebenfalls arbeiten, notfalls in der Nacht, wenn die Männer schlafen.

    Aus der Not heraus werden die Kinder in die Fabriken geschickt. Manchmal sind sie nicht älter als fünf Jahre. Es gibt Fabrikschulen, die die Kinder notdürftig unterrichten sollen. Aber in der 12. oder 15. Stunde eines harten Arbeitstags ist man nicht sehr aufnahmefähig. Die Kleinen schlafen meist ein und sind sogar zu matt, die frommen Liedchen zu singen.

    In Elberfeld, der Hochburg der deutschen Textilindustrie, wird schon vom „Manchestertum gesprochen. Gemeint ist damit die völlige Verelendung des Proletariats. Dies nimmt mit dem „Trucksystem sogar noch zu: Anstelle von Bargeld erhalten die Arbeiter als Lohn Naturalien und Gebrauchsgegenstände. Klingt nicht schlecht - doch was nützt ein Stück Seife, wenn man kein Geld für Brot hat? Die Meisten müssen ihre über das Trucksystem erhaltenen Waren unter Wert weiterverkaufen, um überleben zu können. 1849 wird das System verboten, wie zuvor 1839 die Kinderarbeit unter neun Jahren.

    In dieser Zeit erlebt Elberfeld sein größtes Wachstum. Die Bevölkerungszahl hat sich von 1807 (14.304 Einwohner) bis 1908 (168.570 Einwohner) ungefähr um das Dreizehnfache erhöht. In dem Teil von Elberfeld, den wir heute als „City bezeichnen würden, werden zwischen 1840 und 1910 große Veränderungen vorgenommen: Am Bahnhof Döppersberg werden die Ufer der Wupper eingedämmt und kanalisiert, und das als „Alte Fuhr bekannte Viertel unterhalb des Bahnhofsgebäudes, direkt an die Wupper gebaute Fachwerkhäuschen, teilweise mit richtigen Pfahlbauten, wird abgerissen und zur „Neuen Fuhrstraße" - Elberfeld will seinem Reichtum repräsentieren.²

    Abb.1: Toilettenhäuschen im Hinterhof der Luisenstr.92a

    Zwischen 1870 und 1905 werden außerdem große Veränderung am Straßenbild vorgenommen, um dem ständig wachsenden Verkehr mit Fuhrwerken und später dem pferdelosen Wagen Herr zu werden: Elberfeld bekommt eine neue Hauptstraße, die „Königsstraße" (heute Friedrich-Ebert-Straße), 1829 begonnen und 1847 auch im Bereich Untere Grünewalder Straße vollendet. Auch heute noch erkennt man, dass die Häuser, beispielsweise im Bereich des Laurentiusplatz, repräsentative Wohnstätten für Firmeninhaber und einflussreiche Wuppertaler waren, wie beispielsweise für Herrn Von der Heydt.

    Andere Straßen werden verbreitert oder zu Verbindungsstraßen durchbrochen – die Altstadt muss der Neustadt weichen. Die Mühlenschütt und das Island am Wupperufer (letzteres wurde so genannt, weil es regelmäßig im Herbst überschwemmt wurde) waren traditionelle Arbeiterviertel gewesen, jetzt wichen sie breiteren Straßen und schicken Geschäften.

    Hinter der Königsstraße, in der „Louisenstraße" und am Grünewalder Berg, stehen die Behausungen der Arbeiter. Um 1850 entsteht dieses Stadtviertel, in zwei Reihen stehen die mehrstöckigen Gebäude, in denen jeweils etwa fünfzig Arbeiter wohnen. Auf den engen Höfen gibt es oft nur drei Toiletten für zwei Häuser. Wer heute einen Blick in den Hinterhof der Luisenstraße 92a, erbaut 1867, wirft, kann noch ein Toilettenhäuschen sehen und sich vielleicht den Trubel vorstellen, der auf dem winzigen Hof der dicht besiedelten Arbeiterbehausungen herrschte.

    Viele Arbeiter kommen aus noch ärmeren, ländlichen Gebieten, beispielsweise aus dem Taunus. Dort lassen sie oft einen Bauernhof zurück, um den sich dann die Frau kümmern muss. Wird genug verdient, kann die ganze Familie nachgeholt werden. Auch das trägt zur Bevölkerungsexplosion in dieser Zeit bei. Der Platz im Tal wird immer knapper. Viele Weber arbeiten immer noch zu Hause. Die lauten Webstühle, die es trotz Fabrik-Konkurrenz immer noch gibt, sind nicht gerade beliebt bei den Nachbarn. Aber wohin sollen sie gehen? Am besten aus dem Tal heraus, den Berg hinauf. Die Idee ist gut, die stadtnahen Bereiche längst verplant, wie man auf dem Stadtplan von 1849 sehen kann: Alles ist in „Sektionen unterteilt, Siedlungsbereiche werden sorgfältig entworfen, aber noch befinden sich auf diesem „Berg fast nur Gärten und Felder, von den Stadtbewohnern genutzt als Selbstversorgungsquelle für Gemüse. Lediglich an der Marien-, Roland- und Franzenstraße, um diese Zeit noch unbenannt, sind schon Straßen und einzelne Häuser zu sehen. Um 1875 kauft ein Kohlehändler günstig ein Grundstück, lässt dort fünf Häuser bauen und einen Brunnen bohren. Die Häuser vermietet er an Weber. Zwei der Häuser stehen noch in der heutigen Sattlerstraße und sind immer noch bewohnt.

    Abb. 2: In den Sechziger Jahren konnte man noch eins der hohen, mehrstöckigen Weberhäuser sehen, hier an der Ecke zum Grünewalder Berg, heute ein Parkplatz [Foto: Stadtarchiv, Fotograf unbekannt]

    Dennoch ist die Gegend um diese Zeit nur sehr dünn besiedelt. Grund: Die fehlende Wasserversorgung. Hier nach Wasser zu bohren, führt in dem von Kalksteinhöhlen durchsetzten Berg einfach nicht zum Erfolg. Einzelne Brunnen

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