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Mit hellem Mut Band 1: Aus dem Leben eines Schmuckwarengroßhändlers. Band 1
Mit hellem Mut Band 1: Aus dem Leben eines Schmuckwarengroßhändlers. Band 1
Mit hellem Mut Band 1: Aus dem Leben eines Schmuckwarengroßhändlers. Band 1
eBook877 Seiten11 Stunden

Mit hellem Mut Band 1: Aus dem Leben eines Schmuckwarengroßhändlers. Band 1

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Über dieses E-Book

Am Rande des Nordschwarzwaldes liegt die Goldstadt Pforzheim, die sich schon im 18. Jahrhundert einen Namen in der deutschen Schmuck- und Uhrenbranche gemacht hat. Ein Schmuckmuseum sowie Messen und viele ansässige Uhren- und Schmuckunternehmen prägen auch heute das Stadtbild.
Ein gebürtiger Pforzheimer sticht in der Goldstadt heraus: Helmut Gommel. Seit 1968 ist er mit seinem Schmuckgroßhandelsunternehmen »AS – Adolf Schweickert« ein stetiger Aussteller auf deutschen Schmuckmessen.

In seiner Autobiografie »Mit hellem Mut« gibt er dem Leser einen interessanten Einblick in den Werdegang seines Schmuckbetriebs und erzählt in diesem Zusammenhang seine persönliche Lebensgeschichte, mit all ihren Höhen und Tiefen, all dem Glänzendem und Matten.
Der erste von zwei Bänden erzählt von den Kriegsjahren, Helmut Gommels Ausbildung und seiner Berufsfindung, von Trauer und Verlust sowie nicht zuletzt von Freundschaft und Liebe.
SpracheDeutsch
HerausgeberBooks on Demand
Erscheinungsdatum29. Jan. 2015
ISBN9783738689099
Mit hellem Mut Band 1: Aus dem Leben eines Schmuckwarengroßhändlers. Band 1
Autor

Helmut Gommel

Helmut Albert Gommel, geboren 1940 in Pforzheim, Großhandelskaufmann, Sohn eines Dorfschullehrers, beschreibt in seiner Autobiografie auf unverblümte und dennoch verständliche Weise seinen Aufstieg zu einem der führenden und erfolgreichsten deutschen Schmuckwarengroßhändler. Wobei familiäre, berufliche und vor allem unternehmerische Lebensabschnitte ineinander greifen.

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    Buchvorschau

    Mit hellem Mut Band 1 - Helmut Gommel

    HELMUT ALBERT GOMMEL, geboren 1940 in Pforzheim, Großhandelskaufmann, Sohn eines Dorfschullehrers, beschreibt in seiner Autobiografie auf unverblümte und dennoch verständliche Weise seinen Aufstieg zu einem der führenden und erfolgreichsten deutschen Schmuckwarengroßhändler. Wobei familiäre, berufliche und vor allem unternehmerische Lebensabschnitte ineinander greifen.

    Inhalt

    Einleitung

    Eine Neuorientierung

    Was tun? · Neue Informationen · Es wird ernst · Abschied vom Angestelltendasein

    Die eigene Firma

    Neue alte Kunden · Arbeitsabläufe und Personalfragen · Endlich Urlaub! · Ein neuer Vertreter und Katalogplanungen · Ein neues Fahrzeug will eingeweiht werden, aber … · Ein Geschenk für unseren Lieblingssänger und eine Hochzeit · Ein Bauvorhaben · Eine traurige Nachricht · Endlich ist der Bau fertig! · Weitere Trauerfälle und eine unerwartete Wendung · Jubiläen

    Rückblick: 1940

    Kriegsjahre · Die Besatzer kommen · Endlich Frieden · Nachkriegsjahre · Neue Hoffnung · Die Familie ist bald wieder komplett · Neues Geld, neue Arbeit, neue Schule · Feurio! · Wie geht die Schule weiter? · Ein Traum erfüllt sich halb · Ein bisserl verliebt · Wie kommt man an Bares? · Singen, Sport und wieder Singen · Umzug nach Mönsheim · Konfirmationsunterricht und Ende der Schulzeit · Die Ausbildung beginnt · Berufsschule und verschiedene Ausbildungsstationen · Fußball! · Herzensangelegenheiten · Freizeitvergnügen · Neue Mobilität · Eine Weihnachtsfeier · Abschlussprüfung · Fest angestellt · Eine Auseinandersetzung · Doch ein Auto · Fahrschule und endlich der Käfer · Veränderungen · Auf Jobsuche · Nun also im Verlagswesen · Der Weg führt zur Sparkasse · Weiterbildung · Wochenendarbeit und ein neues Amt · Vertretungsgeschichten · Freud und Leid und Campingurlaub · Betriebsausflug · Wieder eine neue Herausforderung · Gehaltsüberlegungen und unangenehme Angelegenheiten · Der Weg weg vom Bargeld · Ein neuer fahrbarer Untersatz und: Die Mauer wird gebaut · Der Neubau ist fertig · Und wieder eine andere Arbeitsstelle · Im Schmuckgewerbe angelangt · Nicht alle Reisen sind erfolgreich · Ganz hoch im Norden · Ein bisserl Freizeit mit Überraschung · Eine Trennung und Vaters ungewollter Aufstieg · Ein neues Jahr · Unangenehme Erlebnisse · Eine weitere Neuorientierung steht an · Schlimmer kann es nicht kommen · Und wieder im Verlagswesen? · Zurück in die Schmuckbranche · Die Oma stirbt · Alkoholerfahrungen · Ein Jubiläum meines Vaters · Neue Kunden · Wichtige familiäre Entwicklungen · Politprominente Kundschaft und politische Propheten · 1964 · Eine bewundernswerte Frau · Ein berühmter Sohn der Pfalz · Mein erster Autounfall · Kriminelle Vorgänge · Ein furchtbarer Unfall · Ein Geburtstag – und meine Hochzeit mit Inge · Endlich eine Hochzeitsreise · Pensionierung meines Vaters · Peterchen kommt · Ausklang

    Die weitere Entwicklung

    Bernds Glück · Personelle Probleme · Das Döppenschmitt-Projekt · Tragische Ereignisse · Weitere Mitarbeiterveränderungen und weitere Expansionsüberlegungen · Endlich schwimmen lernen · Unlautere Machenschaften · Diese Episode findet ein Ende · Erinnerungen und weiter Personalien · Und wieder betrogen? · Kuli? In der Tat! · Familiäre Zwistigkeiten · Moderne EDV · Wieder ein Todesfall. Und Peters Kommunion! · Ab in den Arbeitsalltag · Peter kommt in die Realschule · Todesfälle · Einbrecher · Der leidige Goldpreis … · … schlägt sich aufs Ergebnis nieder · Herr K. will aussteigen · Ärger mit dem Finanzamt · Vorläufiger Stillstand · Unsere Schmuckausstellung in Hannover · Platzprobleme · Und wieder betrogen · Das Außendienstteam wird verstärkt · Eine Finanzspritze · Die Mönsheimer Chronik · Entwicklungen in der EDV

    Massive gesundheitliche Probleme

    Familienratssitzung · Ärztliche Hilfe und ein Klinikaufenthalt · Unterstützung durch Pfarrer Hagenmaier · Renovierungsarbeiten und ein Urlaub in Österreich · Auch der Herr Pfarrer braucht irdische Hilfe · Der erste und der letzte Winterurlaub · Ein schwerer Rückfall · Möglichst viele Informationen · Auf andere Gedanken kommen bei Udo Jürgens · Auch im Geschäft viele Entwicklungen · Peters Abitur – und die Berufswahl · Tragische Ereignisse bei einem Kunden

    Gewidmet

    meiner Familie,

    im Gedenken an meinen Vater,

    Konrektor Albert Karl Gommel,

    und in dankbarer Würdigung

    gegenüber der Schmuckwarenbranche

    Einleitung

    Wenn von Deutschlands Musterland Nummer 1 die Rede ist, kommt man an Baden-Württemberg im Südwesten der Bundesrepublik nicht vorbei – das Jüngste unter den alten Bundesländern, im Jahr 1952 aus Baden und Württemberg verschmolzen, was sozusagen zu höherwertiger »Legierungsmasse« führte. Diese Interpretation soll die Verbindung mit der Schmuckbranche herstellen, die hierzulande und in meinem Leben eine tragende Rolle einnimmt. Das »Muschterländle«, im Dialekt gerne so bezeichnet, ist meine Heimat, der ich verbunden und sehr dankbar bin. Selbst aus baden-württembergischem Geblüt hervorgegangen, ist dieses Bundesland bunt gemischt durch Verbindendes wie auch durch Gegensätzliches, Vielfältiges und Zukunftsorientiertes. So kann der landestypische Werbespruch »Wir können alles, außer Hochdeutsch!« auch so umschrieben werden: »Ärmel hochkrempeln und nicht viele Worte machen.« Oder noch mal umgewandelt: »Reden ist Silber – Arbeiten aber Gold.«

    Was unter diesen Grundsätzen schon vor ewigen Zeiten im Land der Badener und Schwaben ausgetüftelt wurde, kommt auch heute noch einer blühenden Wirtschaft zugute. Hier leben die fleißigsten Sparer, die meisten Häuslebauer, gibt es die höchsten Löhne und trotzdem mit die geringste Arbeitslosigkeit. Das Bundesland der »Spätzlesesser« zeichnet Einzigartiges aus: Kontrastreiches wie zum Beispiel Kuckucksuhr und High-Tech-Land. Die Schwäbische Alb; Urlaubsatmosphäre am Bodensee mit der Blumeninsel Mainau. Kraichgau, Odenwald, Oberrhein, Schwarzwald mit den Trachtenträgerinnen samt Bollenhut. Echter Schwarzwälder Schinken mit einem Kirschwässerle; eine süße Versuchung, die Original Schwarzwälder Kirschtorte. Aus dekorierten Küchen kulinarische Spezialitäten. Erbswurst und Schwetzinger Spargel. Eduard Mörike, Friedrich Schiller, Hermann Hesse. Heidelberg am Neckar, wo man sein Herz verlieren kann. Tennishelden wie Boris Becker aus Leimen; aus Brühl Steffi Graf. Die Volksschauspieler und Erzkomödianten Willy Reichert und Oskar Heiler als »Häberle & Pfleiderer« aus einstigen Rundfunk- und Fernsehhighlights. Professor »Papa« Theodor Heuss, der unvergessene erste Bundespräsident. Der mit dem Cleverle-Attribut bedachte Lothar Späth, unser ehemaliger Landesvater und Ministerpräsident, der dem Ländle, nach der Wende aber auch der ostdeutschen Wirtschaft, wieder auf die Beine verhalf. Fußballverein »VFB« der Landeshauptstadt Stuttgart, die Fechter aus Tauberbischofsheim. Automobilerfinder Carl Benz und Gottlob Daimler; Zuffenhausener Porschemythos. Spitzenprodukte von Bosch; vom Erfinderkrösus Artur Fischer aus Waldachtal der gleichnamige Fischer-Dübel. Schrauben ohne Ende vom Hohenlohischen Montageprofi Würth aus Künzelsau. Mannheimer Maimarkt; altehrwürdige Eliteuniversitäten Freiburg und Tübingen. Heilbronner Weine; schwäbisch-alemannische Fasnet. Baden-Baden, die Spa- und Bäderstadt mit der ältesten Spielbank, in der Reichskanzler Bismarck mal verweilte; ein berühmter Schriftsteller namens Dostojewski am Roulettespiel Hab und Gut verlor. Soll gesagt haben: In der Stadt sind alle Halunken, doch der Größte bin ich selbst. Schließlich die Fächerstadt Karlsruhe, einst Residenz badischer Großherzöge, heute Sitz höchster Gerichte. Von da 25 Kilometer entfernt, Autobahn A8, Richtung Stuttgart, befindet sich an der baden-württembergischen Grenze, am Rande des Nordschwarzwaldes, die Stadt, wo Deutschlands Uhren- und Schmuckzentrum zu Hause ist.

    Damit ist die Goldstadt Pforzheim gemeint, wo die Enz, die Nagold und die Würm zusammenfließen. In der anno 1767, also vor rund 250 Jahren, der Grundstein für wirtschaftliche Stärke gelegt wurde, was zu weltweitem Ruf führte. Dieser geschichtsträchtigen Region sehen sich die Bürgerinnen und Bürger aufs Engste verpflichtet, wie auch ich die Erfüllung meiner Lebensaufgabe als Schmuckwarengroßhändler gefunden habe. Ein dornenreiches Wechselspiel an Höhen und Tiefen, das mich tagtäglich über einen jahrzehntelangen Zeitraum nie ruhen ließ. Wie oft dachte ich daran, das Erlebte eines Tages in Worte zu fassen. Wenngleich im Bewusstsein, dass es ein sehr delikates Unterfangen ist, über private, berufliche und geschäftliche ineinander fließende Geschehnisse sein Herz auszuschütten.

    Als ein hervorstechendes Ereignis bevorstand, allerdings nicht in heimischer Umgebung, sondern in der bayerischen Landeshauptstadt, war das Autorenprojekt in eigener Sache besiegelt. In München und nicht, wie man sich vorstellen könnte, in der Schmuck- und Uhrenmetropole Pforzheim fand im Jahre 1973 erstmals die deutsche Uhren- und Schmuckmesse statt. Sechzehn Jahre später – Februar 1989 – hatte ich die Möglichkeit, nun selbst als Aussteller an diesem für die Branche so markanten Schauplatz erstmals teilnehmen zu können.

    1998, weitere neun Jahre waren vergangen, blickte die INHORGENTA-Messe auf ihr 25-jähriges Bestehen zurück. So die genaue Bezeichnung dieses Präsentations- und Verkaufstreffs der Uhren- und Schmuckbranche, bis dahin untergebracht im innerstädtischen Messegelände oberhalb der Theresienwiese, wo das Oktoberfest beheimatet ist. Standortwechsel, als an anderer exponierter Stelle Münchens ein wesentlich größerer und supermoderner Messeplatz zur Verfügung stand, nämlich auf dem ehemaligen Flughafengelände München-Riem. Am 26. Februar 1999 fand da die Premiere der neuen INHORGENTA-Messe statt. Großes Kompliment, was da an großzügigen Unterkünften aus dem Boden gestampft wurde, die auch unserer Branche zugute kommen. Gegenüber den bisherigen nicht mehr zeitgemäßen Platzverhältnissen fiel sofort angenehm ins Auge: die auf einer Ebene angesiedelten hohen und lichtdurchfluteten Hallen, ebenso die breiten Gänge. Auf einen Nenner gebracht: Das jetzt zur Verfügung stehende überdimensionale Raumangebot übertraf so manche Vorstellungskraft. Nicht zuletzt die meinige, denn innerhalb dieser komfortablen Messelandschaft wurde unserem Stand von immerhin 104 Quadratmetern eine bevorzugte Platzierung angediehen. Mag wohl daran gelegen haben, dass in der uns zugewiesenen Halle B3 kein anderer Aussteller an unsere imposante Standgröße herankam. Genau so imponierend der großzügig angelegte freie Platz neben unserem Stand, an dem sich die Besucher nach Lust und Laune entspannen konnten und der Blick frei wurde für nächste Anlaufstellen, also das zeitgemäße Messeprinzip »sehen und gesehen werden« voll zur Geltung kommt.

    Unser Münchner Schaufenstergestalter De Temple, der seit Jahren Unterstützung fand durch die sehr versierte Dekorateurin Sonja Arnd, hatte sich zum neuen Messestart voll ins Zeug gelegt. Wir vom Hause ADOLF SCHWEICKERT, so der Name meines Schmuckgroßhandelsunternehmens, gingen mit überzeugter Inbrunst gepaart mit fachlichem Know-how daran, unser Gold- und Silberschmuckangebot in ausgezeichneter Qualität so zu präsentieren, dass unsere Kunden staunen, schauen und kaufen. Was da an allerfeinster Stand- und Produktpräsentation zustandekam, konnte sich wirklich sehen lassen. Ein Hochgefühl kam in mir auf, und so zog der Werdegang meines Schmuckbetriebes an meinem geistigen Auge vorüber. Damit stand außer Frage: Ich werde meine Lebensgeschichte, die nicht nur Glänzendes, sondern auch Mattes hervorbrachte, zu Papier bringen. Angesichts eines ausgefüllten Tagwerkes lag die Realisierung aber noch in weiter Ferne, zumal die Eröffnung der neuen INHORGENTA-Messe mich gleich wieder auf vordergründigere Gedanken brachte. Ging es doch darum, in den kommenden vier Tagen zu beweisen, dass unsere Bemühungen samt hoher Investitionen zu einem verbesserten Messegeschäft führen. Davon wird umfassend zu sprechen sein, festzuhalten ist, dass kurz danach meine Buchfassung erste Konturen nahm.

    Es dauerte aber noch unendlich lange, bis meine Geschichte unter dem Titel »Mit hellem Mut« wirklich erzählt war. Gewissermaßen als Inspiration diente mein Rufname Helmut, aber auch der mutige Kraftakt, sich einem umkämpften Markt zu stellen, an dem unzählige Unternehmen den Branchenkuchen schon längst aufgeteilt, bei Erfolglosigkeit sich gar die Zähne ausgebissen haben. Einem Newcomer, wie ich das war, war wohl von vornherein der sichere Untergang prognostiziert. Ich stellte mich aber der Herausforderung, obwohl Widrigkeiten an allen Ecken lauerten und deshalb die Vorstellung, eines Tages zu dem bevorzugten wie kleinen Kreis führender Schmuckgroßhändler zählen zu dürfen, einer Horrorvision gleichkam.

    Eine Neuorientierung

    Auf meine Anfangserfolge in der Schmuckbranche, das war ab dem Jahr 1962, werde ich später zurückkommen. Nachdem ich also schon einige Jahre praktische Erfahrungen als Vertreter sammeln konnte, seit März 1967 dann verheiratet war und sich 1968 Nachwuchs eingefunden hatte, fasste ich vor allem der Familie wegen den festen Entschluss, meine berufliche Zukunft auf die Tätigkeit im Innendienst zu konzentrieren.

    Der Zeitpunkt für einen möglichen Stellenwechsel war ohnehin sehr günstig. Nach von mir platzierten Anzeigen in der PFORZHEIMER ZEITUNG waren mehr als zwanzig Offerten unterschiedlichster Branchen bei mir eingegangen, wobei auch vielversprechende Positionen in Aussicht gestellt wurden. Zwar konnte ich glattweg die Hälfte entsorgen und das eine oder andere Stellenangebot vorerst als »stille Reserve« betrachten. Jedoch bei vier Firmen konnte ich mir ein berufliches Fortkommen vorstellen, weshalb es zu Vorstellungsgesprächen kam. Was ich an Berufserfahrung in angesehenen Unternehmen, zudem in unterschiedlichen Branchen, insbesondere aber durch mein erfolgreiches Wirken im Außendienst in die Waagschale werfen konnte, hatte seine Wirkung nicht verfehlt.

    Eigentlich hatte ich die Qual der Wahl. Gerade deswegen kam aber das Gefühl auf, warum nicht doch noch etwas Lukrativeres auf mich zukommen könnte. An ein Wunder wollte ich allerdings kaum glauben, eher an die Zugkraft meiner noch aussagekräftigeren Stellenanzeige, die lautete:

    Suchen Sie einen zielstrebigen und qualifizierten KAUFMANN für eine verantwortungsvolle Position? Biete eine 15-jährige Berufserfahrung im Innen- und Außendienst.

    Erneut in der PFORZHEIMER ZEITUNG am Samstag, den 31. August 1968, erschienen, geschah an diesem Morgen etwas Unverhofftes. Da erreichte mich ein Anruf des Zeitungsverlages, worauf ich ohne zu zögern fragte: »Na, stimmt was mit meiner Anzeige nicht?« Nein, damit habe es schon seine Richtigkeit, aber aus diesem Grunde hätte sich bereits jemand gemeldet, der mich unbedingt – und so schnell wie es nur möglich wäre – kennenlernen wolle. Den üblichen Weg der Kontaktaufnahme wolle man sich ersparen, der Einfachheit halber solle ich doch eine bestimmte Telefonnummer wählen, da würde ich schon erfahren, mit wem ich es zu tun habe. Mehr könne man nicht preisgeben, aber so viel stünde fest, bei diesem Interessenten würde es sich um einen hoch angesehenen Pforzheimer Unternehmer handeln, dem man absolut vertrauen könne.

    Das hörte sich vielversprechend an, ganz koscher schien mir die Sache aber trotzdem nicht. Einen Reim konnte ich mir schon gar nicht machen. Wie dem auch sei, aus dem Häuschen war ich allemal und massiv am überlegen, wer in Dreiteufelsnamen denn hierbei seine Hände im Spiel hatte. Ich hielt´s nicht mehr lange aus, nahm meinen ganzen Mut zusammen, wählte die unter strengster Diskretion anvertraute Telefonnummer und war jetzt gespannt wie ein Flitzebogen, wer am anderen Ende der Leitung wohl den Hörer abnahm und sich dann zu erkennen gab.

    Ein Mann war’s, mit durchaus sympathischer Stimme, und zu meiner Freude des badischen Dialektes mächtig. »Sie sind doch sicher der junge Mann mit der Anzeige in der PZ, der eine verantwortungsvolle Stelle sucht.« So kam er ohne lange Umschweife gleich zur Sache und stellte sich erst dann mit seinem Namen vor, den ich in diesem Buch mit Herrn K. umschreibe. Um ehrlich zu sein, als ich kapiert hatte, mit wem ich es zu tun hatte, schlackerten mir zusehends die Beine. Persönliches Kennenlernen blieb mir bislang ja versagt, aber eines wusste ich ganz genau, er zählte zu den Urgesteinen der Pforzheimer Traditionsindustrie. Und so fragte ich mich allen Ernstes, wieso ein Unternehmer seines Kalibers mit einem so unbeschriebenen Blatt, wie ich es halt war, mit mir in Kontakt treten wollte, und das auch noch auf unorthodoxe Weise. Aber gerade dies war wohl typisch für einen agilen und außergewöhnlichen Unternehmer, dem geschäftliche Dinge über alles gehen.

    Seine beispielhafte Unternehmerkarriere verdankte er vor allem der Herstellung von Metalluhrbändern, die um die Welt gingen, ihm großes Ansehen, Respekt, Bewunderung, Wohlstand und finanzielle Unabhängigkeit einbrachten. Ein Geschäftsmann aus dem Eff Eff halt. Eine außergewöhnliche Persönlichkeit mit strategischem Weitblick und gewiss ausgestattet mit dem Gespür sich bietender Marktlücken. Seine Geschäftserfolge beruhten in erster Linie auf der Erfindung einer Uhrbandpalette mit dem unverwechselbaren Markennamen »Expandro«. Es könnte sein, dass dafür ein Expander die Inspiration hergab, wenn nicht gar in doppelter Hinsicht. Diese Uhrbänder bestehen aus dehnbaren Gliedern, die einfach verlänger- oder verkürzbar sind und sich dadurch jedem Armumfang anpassen. Da man weiß, ein Expander dient der Stärkung der Armmuskulatur, könnte man im übertragenen Sinne gar vermuten, dass dadurch eine Paralelle zur Firmenphilosophie des Herr K. abzuleiten war: die ständige Ausdehnung unternehmerischer Interessen.

    Zurück zum Telefonat, bei dem ich allerdings nicht gleich erfahren sollte, um was es denn nun wirklich ging. Das würde er mir persönlich kundtun, und zwar heute noch, sagen wir so gegen fünf Uhr am Abend. Bei Ihnen zu Hause. Etwas anderes als »das geht in Ordnung« fiel mir nicht ein. Als ich den Hörer auf die Gabel legte, war mir gerade so, als wäre ich von einem Traum erwacht. Wer will da heute noch in die Dieselstraße kommen, so fragte ich mich. Herr K.? Ist das denn die Möglichkeit? Glockenschlag punkt 17 Uhr fuhr dann tatsächlich ein Wagen vor, der mich vom Typ her allerdings etwas stutzig machte. Die von den Pforzheimer Uhren- und Schmuckfabrikanten bevorzugte große Mercedesklasse war es jedenfalls nicht. Ich hatte mich ja rechtzeitig hinter einem Fenster in Stellung gebracht und konnte gut beobachten, wie sich dieser nobel angezogene Herr K. behutsam dem Haus näherte, wo ich seit unserer Heirat mit Frau und Sohn Peter zur Miete wohnte.

    Eher etwas aufgeregt, umso mehr aber in angespannter Erwartung, was mich nun erwartete, konnte ich unserem Gespräch zunächst nichts Bedeutungsvolles, geschweige Sensationelles zuordnen. Meine Neugierde jedenfalls wurde auf eine harte Probe gestellt. Bevor es mich aber zerreißen sollte, stellte ich Herr K. die alles entscheidende Frage. »Lassen Sie schon die Katze aus dem Sack und sagen einfach, um was es geht.« Und warum er es denn so eilig habe. Ja, das treffe in der Tat zu. Erstens, weil Zeitverschwendung ein arges Übel sei, und zweitens, weil er meiner Anzeige zu gerne entnehmen möchte, dass ich die Person sein könnte für ein spezielles Engagement. Und ihm deshalb niemand dazwischenfunken darf. »Sie kennen doch die alte Binsenweisheit: Wer zuerst kommt, mahlt zuerst!«

    »Mit anderen Worten, Sie bieten mir eine Stelle in Ihrem Unternehmen an?« Nein, darum ginge es ihm nicht, aber – passen Sie auf – es ginge um viel Hochkarätigeres. Ja, um was denn, um Himmels Willen? Um die Übernahme einer alteingesessenen Pforzheimer Firma. Ich war dermaßen perplex und sagte: »Könnten Sie das nochmals wiederholen. Oder habe ich mich vielleicht nur verhört? Sie wollen mir doch nicht allen Ernstes gleich ein ganzes Unternehmen offerieren?« Doch, genau so verhielte es sich.

    Gleichzeitig heiß und kalt lief es mir durch sämtliche Glieder, war aber nichtsdestotrotz begierig, vollends ins Bild gesetzt zu werden. Seine Antwort ging zunächst in eine Gegenfrage über: »Kann es sein, dass Sie schon mal mit einer selbstständigen Unternehmertätigkeit geliebäugelt haben?« »Wie kommen Sie denn darauf, derartiges ging aus meiner Anzeige ganz gewiss nicht hervor!« Ja, das stimme zwar, aber in einer meiner früheren Anzeigen wäre das zum Ausdruck gekommen. Dabei schaute er mich etwas verschmitzt an, was zu bedeuten hatte, gell, da staunste, was der Herr K. so alles weiß. Natürlich blieb mir für einen kurzen Moment doch tatsächlich die Spucke weg, der Verstand aber keineswegs. Mit Hellseherei hatte das zumindest nichts zu tun, jedoch mit der Erkenntnis, dass er sich auf eine sichere Quelle berufen konnte. Und so sah es regelrecht danach aus, als würde ich in seinem Gedankengut etwas Ähnliches wie ein imaginäres Rollenspiel einnehmen.

    Herr K. gab unumwunden zu, dass zwischen ihm und der PFORZHEIMER ZEITUNG, ganz im Speziellen mit der Verlegerfamilie Esslinger, ein besonderes freundschaftliches und vertrauensvolles Verhältnis bestände. Dass dem Anzeigenauftragsgeber dadurch die zugesicherte Diskretion wie auch die Anonymität verloren gegangen waren, wohl hinnehmbar.

    Der momentane Stand unserer Unterredung war also klar umrissen. Während Herr K. glaubhaft zu verstehen gab, dass die besagte Firma dringend auf eine Übernahme angewiesen wäre, hatte daran mein Interesse zusehends Formen angenommen. Wobei ich selbst aus dem Nähkästchen plauderte. So ließ ich Herrn K. wissen, dass ich als Reisevertreter neben Schmuck und Uhren auch noch das gesamte Metalluhrbändersortiment einschließlich seiner Produkte mitführte, die üblicherweise über den Fachgroßhandel zu den Einzelhändlern gelangten. Dass ich in Diensten der Pforzheimer Großhandlung Ch. Schär stand, die mit Herrn K. geschäftlich verbunden war, war nun kein Geheimnis mehr. Und dass Herr K. auch noch eine Reihe anderer Pforzheimer Grossisten mit seinen Uhrbändern belieferte, war ja auch nichts Neues. Dazu zählte eine Firma namens ADOLF SCHWEICKERT mit Sitz in der Oberen Rodstraße 7.

    »Sie kennen das Geschäft doch sicher«, so Herr K. Um ehrlich zu sein, von dieser Firma hatte ich noch nie etwas gehört. Worauf Herr K. mal wieder etwas verschmitzt in die Runde blickte und mir kurz und bündig entgegenhielt: »Herr Gommel, das wird sich nun ändern. Es geht nämlich um meinen Kunden ADOLF SCHWEICKERT, dem ich nicht nur geschäftlich, sondern auch freundschaftlich verbunden bin.« War, um genau zu sein, denn vor wenigen Wochen wäre sein alter Freund plötzlich verstorben. Um jetzt in Umrissen zu erfahren, dass ihm die Aufgabe zugefallen wäre, einen geeigneten Nachfolger ausfindig zu machen, der das Unternehmen fortführen könne.

    Mit einigen Interessenten hätte er zwar schon ernsthafte Gespräche geführt, der Passende sei aber noch nicht darunter gewesen. So nebenbei sollte ich nun aber erfahren, dass es sich bei der Firma ADOLF SCHWEICKERT um einen Herstellungsbetrieb für Lederuhrarmbänder handelte, der außerdem in der Art einer Großhandelsfunktion ergänzend auch Metalluhrbänder vertrieb. Was sicher nachzuvollziehen war, trotzdem wäre die Frage erlaubt, was ich als Schmuckvertreter eigentlich mit einer Lederuhrbandfabrik anzustellen vermochte. Natürlich rein gar nichts, erwiderte Herr K., denn für diesen Produktionsbereich hätte er schon zwei kompetente junge Männer ausfindig gemacht, die an dieser Teilübernahme Interesse zeigen.

    Mit anderen Worten, vom Hause ADOLF SCHWEICKERT würde nur noch der Vertrieb von Metalluhrbändern übrig bleiben. Natürlich kämen auch die AS-Lederuhrbänder hinzu, wenn auch jemand anderes die Herstellung übernehmen werde. Und ein weiteres Standbein wäre längst überfällig. Darüber waren wir uns schnell einig geworden, das konnte nur die Aufnahme eines attraktiven Schmuckwarensortimentes sein. Wie aufgedreht erzählte ich von meinen Verkaufserfolgen als Schmuckreisender. Begonnen 1962 bei Gebr. Hollander; fortgesetzt ab 1964 im Hause Ch. Schär.

    Herr K. hörte mir aufmerksam zu und zog nach einer Weile noch einen stichhaltigen Trumpf aus dem Ärmel. Er kenne einen Pforzheimer Schmuckgroßhändler namens Frank, der ausgezeichnete Verbindungen mit italienischen Herstellern unterhalte und dadurch Goldschmuck preisgünstig erwerben könne, der in Deutschland auf allergrößtes Kaufinteresse stoßen würde. Unter gewissen Umständen wäre er wohl bereit, diese Schmuckproduzenten preiszugeben, denn für sein eigenes Geschäft käme eine Expansion nicht mehr infrage. Das klang sehr verheißungsvoll, aber gleichzeitig nach dem Fazit: »Wer soll das bezahlen, wer hat so viel Geld.«

    Worauf Herr K. zweierlei zum Besten gab: Also, der Kaufpreis für die Firma ADOLF SCHWEICKERT sei günstig. Und was das Finanzielle, insbesondere durch die Goldschmuckaufnahme angehe, da könne er sowohl mit langfristigen als auch mit zinsgünstigen Darlehen gerne zur Verfügung stehen.

    War das der Speck, mit dem man Mäuse fängt? Eines war schon jetzt durchschaubar, Herr K. hatte beim einzufädelnden Deal nicht nur die Interessen der Familie Schweickert im Sinn, sondern darüber hinaus auch eigene. Ich muss wohl ein nachdenkliches Gesicht geschnitten haben, denn unser angeregtes Gespräch nahm mit folgender Frage eine gewisse Kehrtwendung. »Sagen Sie mal, Herr Gommel, Sie sind doch verheiratet? Wo steckt eigentlich Ihre Frau?« Ersteres bejaht. Zum zweiten: »Sie sitzt nebenan in der Küche und passt auf unseren Peter auf, der gerade mal ein halbes Jahr alt ist.« Darauf Herr K.: »Beide muss ich unbedingt kennenlernen.« So geschah es. Und, wie lautete sein Urteil? »Oh ja, bin sehr zufrieden.« Um mit Nachdruck nochmals darauf hinzuweisen, wie es ihm wichtig sei, der Firma ADOLF SCHWEICKERT zu einem neuen Inhaber zu verhelfen. Zugegeben, der Betrieb sei heruntergewirtschaftet, gerade darin läge aber eine ungeahnte Zukunftsperspektive. Hatte ihn gerade nach draußen begleitet, da deutete er auf sein Auto gegenüber, bemerkte beim Überqueren der Dieselstraße noch kurz: »Gehört meiner Tochter, mein Mercedes ist beim Wartungsdienst.« Also doch …

    Was tun?

    An diesem Samstagabend – noch intensiver am Sonntag – ging mir nur noch eine Sache durch den Kopf: Wie verhalte ich mich im Falle Adolf Schweickert. Und am Montag hieß es wieder raus zu den Kunden. Natürlich ließ ich es auch jetzt an einer aufmerksamen Bedienung und Beratung nicht fehlen, wenn auch die Gedanken um eine mögliche Veränderung nicht zu verscheuchen waren. Was die Kundschaft wohl von einem Wechsel hielte, das ging mir nicht mehr aus dem Schädel, weihte nach und nach ausgesuchte Kunden in meine Pläne ein und bat um deren ehrliche Meinung. Hatte es mir ja fast schon gedacht, die Reaktionen hätten nicht unterschiedlicher sein können. Gleich der erste Kunde, dem ich mein Vorhaben anvertraute, war wie vom Donner gerührt. Wohl der Grund, warum er mich versehentlich duzte und mit strenger Miene sagte: »Ja, bist du denn verrückt geworden, so ein Wagnis einzugehen und dafür einen sicheren Vertreterposten aufzugeben. Ganz im Ernst, lass die Hände davon.« Mein Argument, dass er sich als junger Mann doch auch selbstständig gemacht habe, führte nur dazu, mir diesen Weg noch dringender auszureden. Gerade weil er wirklich wisse, was es heißt, ein Unternehmer zu sein, könne er mir davon nur abraten.

    Diesem Dämpfer folgte dann aber eine sehr positive Einstellung. »Ist ja toll, was Sie vorhaben, ich kenne Sie lange genug, das Zeug dazu haben Sie. Übernehmen Sie die Firma, Sie werden bestimmt Erfolg haben. Und wenn Sie das richtige Warenangebot führen, mit mir können sie jederzeit rechnen.«

    Hin und her ging es zwischen positiven Äußerungen und strengster Ablehnung. Wie sollte ich da je zu der richtigen Entscheidung kommen? Diese war gleich am Wochenende gefragt, als ich den Anruf von Herr K. entgegennahm. »Na, Sie sind doch sicher zu einem guten Entschluss gekommen?« »Bedauere nein, ist mir noch etwas zu früh.« Ich vertröstete meinen Anrufer vor allem deshalb, weil zumindest noch zwei wichtige Stellungnahmen einzuholen waren.

    Als Erstes betraf es meine Frau. Dank einer achtjährigen kaufmännischen Berufspraxis im Schmuckwarengroßhandelsgewerbe konnte sie durchaus überblicken, was da auf uns beide zukommen könnte. Vor lauter Begeisterung ist sie jedenfalls nicht an die Decke gesprungen. Das Gegenteil überwog. Sie riet mir von diesem Vorhaben ab, allerdings mit der Einschränkung, wenn es doch dazu kommen sollte, würde sie mich natürlich so gut wie es halt ginge unterstützen. Dass mein Vater, von Beruf Lehrer, gegen eine solche Firmenübernahme ist, hätte ich mir ja denken können. Als Beamter konnte er sich den Sohn als Unternehmer kaum vorstellen. Aber es lag noch ein schwerwiegenderer Grund vor, warum er auf strikte Ablehnung pochte. Vor fünf Jahren hatte ich schon mal einen solchen Schritt in Erwägung gezogen, der kläglich scheiterte, weil ich einem Betrüger auf den Leim gegangen war. Darüber wird noch zu erzählen sein. Warum ich nun wieder über eine Selbständigkeit nachdachte, das konnte mein Vater auf keinen Fall begreifen. Und so redete er händeringend auf mich ein, diese Sache ganz schnell zu vergessen. Denn es wäre nicht zumutbar, dass er mit ansehen müsse, wie ich mein mühsam erspartes Geld ein erneutes Mal verlöre.

    Der augenblickliche Stand der Dinge mehr oder weniger diffus und konfus. Was also tun, Zeus, wenn fast alle dagegen sind? Ein weiterer Treff mit Herr K. war die unausweichliche Folge. Diese Unterredung fand wieder bei uns zu Hause statt. Man schrieb den 7. September 1968, einem Samstag. Herr K. hatte schon angedeutet, dass er seine Frau mitbrächte, während ich versicherte, dass dieses Mal selbstverständlich auch die meinige an der Gesprächsrunde teilnähme. Beste Gelegenheit, uns gegenseitig unter die Lupe zu nehmen. Freilich, Inge hätte es lieber gesehen, ich hätte mich zur Absage durchgerungen. Nichtsdestotrotz saßen sich an diesem Abend in unserer guten Stube vier Personen gegenüber, wobei wir uns sehr bemühten – egal was aus der Angelegenheit würde –, höfliche Gastgeber zu sein.

    Inzwischen war mir ja die ungezwungene Verhaltensweise des Herr K. bekannt. Wie sich die gnädige Frau K. benähme, das war noch herauszufinden. Erfreulicherweise war sie von divamäßigen Gebärden meilenweit entfernt. Und so haben ihre bescheidene Wesensart wie auch ihr unkompliziertes Auftreten zu einem positiven Verlauf unserer Verhandlungen beigetragen.

    Unversehens saß ich zunächst in der Klemme. Nicht etwa was unser Projekt anbelangte, sondern schlicht und ergreifend ging es darum, was wir unseren Gästen an Getränken kredenzen wollten. Orginalton Herr K.: »Gegen ein Glas Wein spricht sicher nichts. Was haben´S denn so auf Lager?« »Ganz ehrlich, so gut wie nichts, denn seit ich reise, habe ich dem Alkohol weitestgehend entsagt.« Zum Glück fiel mir aber ein, es könnte sich im Keller doch ein Fläschchen verirrt haben. Zum Leidwesen kein gutes Tröpfchen, das Dilemma hielt sich jedoch in Grenzen.

    Vordergründig ging es also um die Übernahme der Firma Adolf Schweickert. Was ich mir kaum vorstellen konnte, traf nun aber ein. Nachdem die entscheidenden Punkte zu meiner Zufriedenheit erörtert waren, wurden wir uns noch an diesem Abend über das Grundsätzliche einig. Am anderen Morgen, so waren wir verblieben, würde er zusammen mit seinem zuständigen Prokuristen vorbeikommen, damit wir die Finanzierung eines neu aufzunehmenden Goldschmucksortimentes besprechen könnten. So fand also das nächste Treffen gleich am Sonntag statt. Leicht irritiert war ich aber schon, als Herr K. seinen mitgebrachten Mitarbeiter R. mit den Worten vorstellte, er sei eine treue Seele und seine rechte Hand. Bedauerlicherweise verfügte er aber nur noch über eine Linke. Ob dies einer Kriegsverletzung oder einem Unfall zuzuschreiben war, war in dem Moment Nebensache. Ging es doch jetzt ans Eingemachte. Umso überraschender war, dass wir uns in allen wichtigen Belangen relativ schnell einigten. Als schließlich fast alles gesagt war, stellte Herr K. noch eine nebensächliche, aber anscheinend nicht ganz unwichtige Frage. »Herr Gommel, was sind Sie eigentlich für ein Sternzeichen?« »Stier, wenn’s recht ist.« »Und ob, bin auch einer!« Also stand einer vertrauensvollen Partnerschaft nichts mehr im Wege. Alles Weitere wäre noch mit seinem Steuerberater abzuklären.

    Das geschah am nächsten Samstag auf neutralem Boden. Mit Herr K.s weißem Mercedes fuhren wir nach Karlsruhe, holten am Hauptbahnhof seinen Steuerberater ab, der von Frankfurt anreiste, und begaben uns in ein naheliegendes Hotel. Von wegen gleich zur Sache kommen. Die beiden Herren ließen sich in aller Ruhe zuerst mal ein opulentes Frühstück servieren. So nebenbei beobachtete mich Herrn K.s Steuerberater von allen Seiten und stellte mir so manche diffizile Frage, um herauszufinden, wes Geistes Kind ich bin. Lang genug hatte es gedauert, bis das Geschmatze ein Ende nahm und wir endlich zum Thema des Tages kamen. Schon zuvor war ich mir klar geworden, dass ich die Firma ADOLF SCHWEICKERT nicht als Alleininhaber übernehmen würde. Das Risiko war mir einfach zu groß. Eine Minderheitsbeteiligung kam genauso so wenig in Betracht. So kristallisierte sich folgende Konstellation heraus, die ohnehin auch ganz im Sinne von Herr K. war: Die Firma ADOLF SCHWEICKERT wird in eine Kommanditgesellschaft umgewandelt. Am Festkapital von zunächst 80.000 Mark beteiligen wir uns beide mit je 50 Prozent. Die Stellung des Komplementärs, des persönlich haftenden und geschäftsführenden Gesellschafters, fiel auf mich. Hingegen stieg Herr K. als alleiniger Kommanditist in die Firma ein.

    Was an künftigen Umsätzen realisierbar sein dürfte, war eine schwer einzuschätzende Größenordnung. Von der alten Firma war gerade mal noch von möglichen Verkaufserlösen von cirka 300.000 Mark auszugehen, wobei natürlich neue Schmuckwarenumsätze hinzukommen müssten. Als erstes Jahresumsatzvolumen in 1969 ging ich zumindest von einer Million Mark aus. Darauf bezog sich meine anfängliche Tätigkeitsvergütung von monatlich 2.500 Mark. Gegebenenfalls würde eine gewinnabhängige Vorabtantieme von 10 Prozent hinzukommen, sodass sich mein Gewinnanteil auf 60 Prozent erhöhen würde. Ein Betriebsverlust würde mich in gleicher Höhe treffen. Nachdem alle maßgeblichen Belange abgearbeitet waren, sollte die ansonsten angenehme Atmosphäre doch noch einen empfindlichen Dämpfer erhalten. Völlig unerwartet machte Herr K. neben seiner Kommanditeinlage auch noch eine Komplementärstellung geltend, die er allerdings über eine GmbH ausüben wollte. Dieser Anteil beschränkte sich lediglich auf 2 Prozent, der von seiner fünfzigprozentigen Beteiligung abging. Am Fifty-Fifty-Verhältnis ließ ich nicht rütteln, der Hammer war aber, dass Herr K. für seine GmbH eine monatliche Vergütung von 500 Mark verlangte, obwohl jegliche Tätigkeit ausgeschlossen war. Angesichts seiner Vermögensverhältnisse – eine zweistellige Millionensumme war es allemal – fand ich diese beanspruchte Besoldung kleinlich, wenn nicht gar peinlich, ja gar geschmacklos. Zumal nie die Rede davon war, dass auch er auf die Geschäftsführung Einfluss nehmen konnte. So gesehen drauf und dran, die ins Auge gefasste gemeinschaftliche Geschäftsübernahme platzen zu lassen. Allerdings wäre mir beim jetzigen Stand ein Rückzieher eher schwergefallen. So habe ich diese unappetitliche Kröte schweren Herzen geschluckt.

    Alsbald wurde über das vorgesehene neue Firmenkonzept, im Speziellen über die Aufnahme eines verkaufsstarken Schmucksortimentes, das Wort ergriffen. Die Konzentration anfangs auf italienischen Goldschmuck zu legen, darin Colliers, Collierketten und Armbänder zu bevorzugen, fand uneingeschränkte Zustimmung. Wobei schon auffällig war, dass sich beide Herren über diesen doch so wichtigen Ein- und Verkaufsbereich nicht sonderlich den Kopf zerbrachen. Ihr Ansinnen war ja aufgegangen, andererseits mag es auch an den unterentwickelten Schmuckkenntnissen gelegen haben. Mit Nachdruck habe ich aber darauf bestanden, dass Herr K. die Zusage, finanzielle Mittel für anfallende Schmuckdispositionen, wenn auch in Form von Darlehen, hundertprozentig einhielte. Und darauf war auch zu 100 Prozent Verlass.

    Vorerst gab ich noch eines zu bedenken. Hatten wir sozusagen das »Fell des Bären« bereits verteilt, obwohl dieser noch gar nicht erlegt war? Eine ganz entscheidende Hürde war ja noch gar nicht genommen, denn die Vertreter der Firma ADOLF SCHWEICKERT hatten noch keinen blassen Schimmer darüber, wie es mit dem Unternehmen weitergehen sollte. Deshalb war es Zeit, die Herren, fünf an der Zahl, nach Pforzheim einzuladen.

    Eine Woche später, Samstag, man schrieb den 22. September 1968, fand diese vielsagende Vertreterbesprechung statt. Adolf Schweickerts Steuerberater stellte dafür den Tagungsraum zur Verfügung, und so war ich auf dieses Treffen äußert gespannt. Von vornherein stand fest, wenn die Herren des Außendienstes eine weitere Zusammenarbeit ablehnten, vor allem aber nicht bereit waren, künftig auch Schmuck zu verkaufen, so konnte man die beabsichtige Firmenübernahme glatt vergessen. Also war vor allem ich gefordert, mich an diesem entscheidenen Tag von der allerbesten Seite zu zeigen. Zugegeben, als ich sodann fünf leibhaftigen Herren gegenübersaß – einer hatte gar seine Frau mitgebracht –, wurde es mir schon etwas schummerig ums Herz herum. Die Gesprächsrunde hatte zunächst der Steuerberater der Firma ADOLF SCHWEICKERT eingeleitet. Mit am Konferenztisch saß die einzige Tochter des verstorbenen Firmengründers, die übrigens mit einem Pforzheimer Kinderarzt verheiratet war und für die Fortführung des elterlichen Geschäftes nicht in Betracht kam. Herr K. war absichtlich etwas später eingetroffen, um mir den Einstand mit den Vertretern etwas zu erleichtern. Ausgerechnet der in Pforzheim wohnende Vertreter glänzte aber immer noch durch Abwesenheit. Der hatte gar nicht mitbekommen, dass die Sitzung im Büro des Steuerberaters in der Zerrenerstraße stattfindet. In der Oberen Rodstraße 7 stand er eben vor verschlossenen Türen. Nach einer guten Viertelstunde traf er dann ein. Wenn Blicke töten könnten, wäre es jetzt geschehen. Er schaute grimmig in die Runde und ließ seinem Unmut freien Lauf, weil er über den Tagungsort falsch unterrichtet worden sei. Seine stocksaueren Gesichtszüge heiterten sich aber zusehends auf, als meine vorgetragene künftige Firmenphilosophie samt definierter neuer Strategien bei ihm auf wohlwollendes Einverständnis fielen. Was zu meiner Freude gleichermaßen auch auf alle anderen Vertreterkollegen zutraf. Kurzum, die Herren waren von meinem Auftritt, noch mehr von meinen Absichten, ordentlich beeindruckt und deshalb ausnahmslos zu einer partnerschaftlichen Zusammenarbeit gerne bereit. Dass ich dafür meine ganze Kraft einsetzte und meine Branchenkenntnisse zur Verfügung stellte, hatte ich ausdrücklich versichert.

    In diesen Stunden wollte ich unbedingt herausfinden, ob sich das halbwegs bestätigte, was ich zuvor über den Außendienst in Erfahrung bringen konnte. Frau Brenner, die seit vielen Jahren die Buchhaltung führte, hatte mir über die Herren ja schon einiges erzählt. Wie auch die Tochter von Schweickert mich mit gewissen Interna versorgte. Während der angeregten Gesprächsrunde verglich ich so manche Vertreteraussage mit zugetragenen Eigenschaften. Wegen etwas überheblichen Gehabes war ich mir schon mal nicht so ganz sicher, ob tatsächlich zutreffen würde, dass ich mich auf Herrn Brandt besonders freuen könne. Zuständig für das Gebiet Schleswig-Holstein, würde er nämlich mit zu den besten Vertretern zählen. Bei Herrn Güther, der zu spät eingetroffene und der die Kunden in Baden-Württemberg besuchte, stimmte wohl die Vorgabe, dass man bei ihm auf der Hut sein musste. Er sei zwar tüchtig und fleißig, aber menschlich gesehen etwas gewöhnungsbedürftig. Wäre nicht selten gleich auf Hundertfünfzig. Der Senior unter den Herren Vertretern, Herr Hähndel, zuständig in Nordrhein-Westfalen, war gerade das Gegenteil. Von liebenswertem Gemüt, seit 1947 für die Firma tätig, also am längsten dem Hause AS verbunden. Mit 66 Jahren leider das Rentenalter schon überschritten. Doch erstaunlich, dass er noch lange nicht über den Ruhestand nachdenke, also weiterhin für AS reisen wollte.

    Auf den Herrn Stolle, der ebenso seit Jahren in Hessen und Rheinland-Pfalz die Firma vertrat, so sagte man mir voraus, wäre großer Verlass. Er sei der geborene Außendienstmann, zudem der einzige, der praktische Erfahrungen auf dem Schmucksektor vorweisen könne. Was er nun von sich gab, hörte sich in der Tat vielversprechend an. Jedenfalls hat er mich darin bestärkt, als Ergänzung auf jeden Fall ein verkaufsstarkes Schmuckangebot aufzunehmen.

    Diese vier Herren übten ihre Reisetätigkeit für die Firma als selbstständige Handelsvertreter aus. Der Fünfte im Bunde, Herr Ullbricht, zu Hause in Niedersachsen, wickelte die Verkaufstätigkeit als Reisender im Angestelltenverhältnis ab. Wie er so teilnahmslos eher einer Schlaftablette glich, machte er nicht gerade den Eindruck einer fünfundfünfzigjährigen Verkaufskanone. Und so ließ sich wahrhaftig erahnen, dass er auch künftig zu keinen zufrieden stellenden Umsatzresultaten beitragen könnte. Umso verständlicher der Ratschlag, ihm baldmöglichst zu kündigen, so bedauernswert es für ihn und seine Familie aussehen würde.

    Meine Eindrücke und Beobachtungen über den Vertreterstab gingen im Großen und Ganzen mit den zuvor wiedergegebenen Äußerungen konform. Wenn ich es mir so richtig überlegte, hatte mir die Frau Stolle am meistens imponiert. Weshalb ich mir auch gut vorstellen konnte, dass sie das Büro ihres Mannes sehr umsichtig führte und so die Mittlerfunktion im Sinne einer angenehmen und erfolgreichen Zusammenarbeit innehatte. Nun auch verständlich, dass sie dieser enorm wichtigen Vertreterbesprechung unbedingt beiwohnen wollte. Dass auch sie meinen Plänen derart positiv gegenüberstand und darüber ihre volle Begeisterung deutlich zum Ausdruck brachte, hat meiner Absicht, der Firma ADOLF SCHWEICKERT zur neuen Blüte zu verhelfen, immens gut getan und mich enorm beflügelt.

    Dabei waren wir zum absoluten Höhepunkt des Tages noch gar nicht gekommen. Ging es doch in der Hauptsache um die Präsentation eines vorgesehenen Goldschmucksortimentes, das demnächst zum Verkaufsprogramm der Firma ADOLF SCHWEICKERT zählen sollte. Da waren wir auf jenen Pforzheimer Schmuckgroßhändler angewiesen, der bereits zusicherte, seine italienischen Lieferanten zu benennen, und hier und heute seine Schmuckmodelle vorzulegen. Diese Schmuckshow war ein absoluter Volltreffer und übertraf meine kühnsten Erwartungen. Die Begeisterung wollte kein Ende nehmen, alles, was dabei zum Vorschein kam, hätte nicht fantastischer sein können. Diese Eindrücke beruhten sowohl auf verkaufsstarken, attraktiven Schmuckmodellen wie auch auf günstigen Einkaufs- und Abgabepreisen.

    Nachdem auch dieser Kraftakt positiv über die Bühne ging, waren die Würfel um die Übernahme der Firma vordergründig gefallen. Während der Schmuckvorlage hatte sich Herr K. weitesgehend im Hintergrund aufgehalten, auf eines legte er dann doch großen Wert. Damit ja keine Missverständnisse aufkämen, so seine wortwörtliche Aussage, der neue Firmenchef ist Herr Gommel.

    Der in jeder Beziehung glücklich ausgegangene Tag endete mit dem gemeinsamen Mittagessen in einem gutbürgerlichen Lokal in Pforzheims Stadtteil Büchenbronn. Neben dem kulinarischen Genuss und der einen oder anderen geschäftlichen Erörterung galt es, den persönlichen Kontakt zu den Vertretern noch zu intensivieren. Dabei fiel mir ein, dass ich auf einer früheren Reisetour schon mal dem Herrn Stolle bei einem offensichtlich gemeinsamen Kunden begegnet war. Darauf angesprochen erinnerte er sich ebenso daran und wusste, dass es sich im Odenwaldort Waldmichelbach bei den Hohenbergers zugetragen hatte. Er selbst war gerade von einem schweren Verkehrsunfall genesen, bei dem sein Überleben an einem seidenen Faden hing, was er wohl seinem Mercedes verdankte.

    Auf die Frage, wann es denn frühestens mit der neuen Schmuck-Kollektion losgehen könne, nannte ich als frühesten Termin Anfang Januar 1969. Das glich einer sehr mutigen Aussage, denn zum einen war noch kein einziges Schmuckstück bestellt, zum anderen mir die italienischen Liefermöglichkeiten überhaupt geläufig; ungeachtet dessen, dass der Übernahmevertrag der Firma noch abzuschließen war, was wohl kein Problem mehr sein sollte.

    Gegen 15 Uhr fand unser Treffen ein Ende, wobei ich bei der Verabschiedung den Vertretern versprach, sie über die weiteren Geschehnisse auf dem Laufenden zu halten.

    Herr K. war mit dem Verlauf jenes Tages sehr zufrieden und meinte so nebenbei: »Herr Gommel, Ihre Sache haben Sie gut gemacht. Jetzt müssen wir ganz zügig die einzelnen Verträge unter Dach und Fach bringen. Mein Steuerberater kümmert sich um diese Angelegenheiten, am nächsten Wochenende liegen diese Unterlagen jedenfalls vor.« So war es auch. Samstags drauf, 29. September 1968, bekam ich die abgefassten Verträge zu Gesicht. Es schien wahrhaftig so zu sein, dass die getroffenen Abmachungen ordnungsgemäß zu Papier gebracht wurden.

    Neue Informationen

    Und so konnte ich am Montag getrost meine anstehende Reisetour antreten, die mich mal wieder in den schönen Odenwald führte. Als ich am Mittwochmorgen in Erbach bei Kunde Wamser eintraf, wurde ich mit den Worten begrüßt, meine Gattin hätte telefonisch ausgerichtet, dass ich so schnell es ginge unbedingt die Frau Stolle anrufen möge. Einem ungestörten Telefonat zuliebe eilte ich lieber in das naheliegende Postamt, um der Bitte eines unverzüglichen Anrufes gerecht zu werden. Frau Stolle war gleich am Apparat, die zugleich erwiderte, dringend auf meinen Anruf gewartet zu haben. Dass ich unterwegs war, um meine Kunden zu besuchen, hatte sie glatt ignoriert.

    Vielmehr stellte sie mir die Frage: »Herr Gommel, wie sieht es aus, haben Sie sich zur Übernahme der Firma ADOLF SCHWEICKERT endgültig entschieden? Wir sollten nun bald wissen, wo wir dran sind. Machen Sie das mit AS oder womöglich doch nicht? Wenn ja, die Stolles sind auf jeden Fall dabei.«

    Dass gerade die Stolles, die am vergangenen Samstag den besten Eindruck hinterließen, an der Fortführung der Firma ADOLF SCHWEICKERT lebhaftes Interesse bekundeten, freute mich schon sehr. Andererseits war ich etwas verwundert, nur wenige Tage danach gar auf der Reise aufgespürt worden zu sein. Es gehe eben darum, so die Frau Stolle, dass die kommenden Reisetouren schon vorzuplanen wären, wobei sie am liebsten die Kunden bereits auf das neue AS-Schmuckprogramm einstimmen wollte. Deshalb stellte sie mir bereits die alles entscheidende Frage: »Herr Gommel, haben Sie sich entschieden? Können wir mit Ihnen rechnen und entsprechend disponieren?«

    Meine Entscheidung war zwar weitestgehend gefallen, trotzdem musste ich Frau Stolle noch für wenige Tage um Geduld bitten. Von hier aus bereits eine feste Zusage zu treffen, fand ich doch etwas deplatziert. Dafür aber nahm ich die Gelegenheit war, um den Erbacher Kunden wegen einer möglichen Geschäftsübernahme um seinen Rat zu fragen. Mit ihm verband mich ein besonders vertrauensvolles Verhältnis, und so fiel es mir eben leicht, über mein Vorhaben zu sprechen. Er hörte sich in seiner ruhigen Art alles genau an und bestärkte mich ohne wenn und aber in der vorgesehenen Selbstständigkeit. Und versprach mir in die Hand hinein, dann auch Kunde meiner zu übernehmenden Firma zu werden.

    Auch jetzt wieder war mir eine sehr erfolgreiche Odenwald-Tour gelungen. Und das, obwohl mich gedanklich die bevorstehende Schweickert-Übernahme kaum zur Ruhe kommen ließ. Zuweilen nahmen meine innersten Gefühle konträre Formen an. Sah ich in mir gerade einen angehenden Geschäftsmann, so verwandelte sich diese Selbsteinschätzung gleich wieder in Richtung eines möglichen Bankrotteurs. Als ich am Donnerstag spät abends dann zu Hause ankam, stand für mich fest, dass ich unbedingt noch den Rat einer neutralen Stelle einnehmen sollte. Nämlich bei der Sparkasse, wo ich Kunde seit meiner Geburt bin und diesem Institut ja selbst schon als Mitarbeiter angehörte. Am Freitagmorgen per Telefonat mein Begehren offenbart, wurde mir die Fortsetzung des Gespräches mit Herrn Wagner empfohlen, der sich in solchen Obliegenheiten bestens auskenne. Ich kannte ihn noch nicht, war umso mehr daran interessiert, was dieser berufene Sparkassenmann mir wohl zu erzählen wüsste.

    Die Weitervermittlung klappte auf Anhieb. Sehr aufmerksam lauschte er meinen Ausführungen, ohne ein einziges Wort von sich zu geben. Aber dann plötzlich erhob sich seine Stimme im Zusammenhang einer völlig unerwarteten Frage: »Sagen Sie mal Herr Gommel, Sie reden da von einem Geschäftspartner. Handelt es sich bei dieser Person womöglich um Herr K.?« Für einen Moment war ich sprachlos, hatte er doch den Nagel auf den Kopf getroffen. Worauf mich Herr Wagner bat, sofort bei ihm vorbeizukommen, denn er müsse mich über wichtige Dinge aufklären, was ich unbedingt wissen sollte. Ich legte den Telefonhörer auf und war mehr verwirrt als zuvor. Rannte urplötzlich zur Tür hinaus, während meine Frau mir nachdenklich hinterherschaute und überhaupt nicht einschätzen konnte, warum ich wie von der Tarantel gestochen die Wohnung verließ.

    In der Sparkassenhauptstelle hatte ich in einer der oberen Etagen den Herrn Wagner schnell ausfindig gemacht, dem ich gleich mal entgegenhielt, wohl mit hellseherischen Fähigkeiten ausgestattet zu sein. Worauf er mir antwortete: »So wie Sie es mir vorgetragen haben, konnte es ja nur Herr K. sein.« Mit übersinnlichen Kräften hätte das also nichts zu tun, sondern ausschließlich mit der Tatsache, dass er selbst mal in Diensten dieses Unternehmers gestanden habe. Und deshalb zur äußersten Vorsicht mahne, denn seine Erfahrungen mit diesem Herrn wären bei Gott nicht die allerbesten. Es hätte sich um eine kleine Uhrenfirma gehandelt, für die er als angestellter Geschäftsführer verantwortlich gewesen wäre. Leider hätte die Entwicklung dieses Betriebes sehr zu wünschen übrig gelassen, umso problematischer das Verhältnis zum Firmenchef. Was schließlich und endlich mit dem Rausschmiss endete. Und noch tiefer die Augenbrauen runzeln ließ und mir dringend ans Herz legte, auf jeden Fall auf der Hut zu sein, denn ein ähnlich gelagertes Missgeschick sollte mir erspart bleiben. Doch Herr K. sei schon ein seriöser Pforzheimer Unternehmer, wenn man aber keine Erfolge vorweise, dann werde man das unbarmherzig zu spüren bekommen. Vorsichtiges Abwägen also dringendst angeraten.

    Unterdessen ging die Tür auf, ein junger Sparkassenkollege trat ein, den Herr Wagner mir mit den Worten vorstellte: »Das ist Herr Daum, der kennt sich in solch komplexen Dingen doch besser aus.« Dass dieser Mitarbeiter viele Jahre später zum obersten Sparkassenchef aufstiege, das wäre mir in dem Moment kaum in den Sinn gekommen. Nachdem er mein Anliegen in Ruhe angehört hatte, sagte er nur eines: »Da sollten Sie sich eben doch einem Rechtsanwalt anvertrauen.« Persönlich kannte ich keinen, und so war ich eher auf eine Empfehlung angewiesen. Herr Wagner konnte damit dienen, denn er rief einen ehemaligen Schulfreund an, der dafür wie geschaffen sei. Fürs Erste entstünden da auch kaum Kosten, vielleicht 50 Mark oder so. Dieser besagte Rechtsanwalt war tatsächlich bereit, mich anschließend in seinem Büro zu empfangen. Dieses weitere Gespräch war sicher wichtig, denn ich wurde unweigerlich an die strengen Worte meines Vaters erinnert: »Fall bloß nicht ein weiteres Mal auf etwas Unrechtmäßiges herein!«

    Die Rechtsanwaltspraxis war ja schnell aufgesucht, jetzt konnte ich also meine Vertragsunterlagen einem absoluten Experten vorlegen. Es dauerte nicht lange, da war bereits ein Urteil gefällt: »Um es kurz zu machen, diesen Vertrag mit Herrn Herr K. würde ich in dieser Fassung auf keinen Fall unterschreiben. Wissen Sie was, damit Sie später nicht der Gelackmeierte sind, schlage ich vor, dass ich diesen Vertrag zumindest in einigen Punkten zu Ihren Gunsten umformuliere. Noch klüger wäre allerdings ein ganz neuer Vertrag.«

    Da es gegen Mittag zuging und Inge vor allem deshalb um eine pünktliche Rückkehr bat, weil ihre Oma zu Besuch war, beendete ich die Unterredung bereits nach etwa 15 Minuten mit dem Hinweis, ich würde mir seinen Rat gut überdenken und dann auf die Sache zurückkommen. Vollends konfus war ich aber wohl dann, als ich zu Hause angekommen war. Das Mittagessen stand schon auf dem Tisch, so richtig schmecken wollte es mir aber nicht, wobei dies nicht an der guten Kochkunst meiner Frau gelegen hat. Jedenfalls überkam mich der Eindruck, weniger gescheit zu sein als zuvor. Ob da vielleicht die Oma was dazu beitragen könnte, kam mir plötzlich in den Sinn. Sie war zwar schon um die 82 Jahre alt, mit ihr konnte man aber über alles reden. Was ich auch tat und ihr in groben Zügen mein Ansinnen erklärte. Von den zuvor erlebten Sparkassen- und Anwaltsratschlägen verriet ich kein Wort und wartete nun begierig darauf, was sie dazu meinte. Sie überlegte kurz und sagte dann: »Lieber Helmut, ich muss schon sagen, da hast du aber viel Mut.« Da fiel mir ein, dass ich vor vielen Jahren meine Eltern mal fragte, warum sie mich eigentlich auf den Namen Helmut getauft hatten. Die schlichte Antwort: »Einfach deshalb, weil wir dir mit diesem Vornamen die Lebensweisheit ›Hellen Mutes‹ mit auf den Weg geben wollten. Wozu die Oma noch meinte, dann kann bei deiner Sache auch nichts schiefgehen. Sie wünschte mir bei meiner Entscheidung viel Mut, noch mehr Glück und schob auf gut badisch hinzu: »Zmol wirscht du noch en Millionär.«

    Am darauffolgenden Samstag und Sonntag studierte ich erneut alle Unterlagen, die sich inzwischen bei mir angesammelt hatten. Gleichermaßen überprüfte ich auch meine Berechnungen um mögliche Umsätze, anfallende Kosten und was unter dem Strich im ersten Jahr übrig bleiben könnte. Das Ergebnis war nicht rosig, aber auch nicht so, dass ich an meinem Vorhaben zweifelte. Mehr zu schaffen machten wir immer noch die Bedenken der Sparkasse. Mit einem Bankkredit hatte dies aber nichts zu tun, die beabsichtige Firmenbeteiligung bzw. die erforderliche Kapitaleinlage von vorerst 40.000 Mark hatte ich ja angespart. Die Äußerung des Rechtsanwaltes ging mir aber noch nicht aus dem Kopf.

    Am Montagmorgen, kurz vor Antritt einer neuen Reisetour, erreichte mich der Anruf von der Tochter des verstorbenen Adolf Schweickert. »Na, wie sieht es aus, ich höre gar nichts mehr von Ihnen, haben Sie an der Firma kein Interesse mehr?« »Natürlich habe ich das, es wird schon klappen. Am kommenden Wochenende wird dann ohnehin die Entscheidung fallen.« Gleich danach vereinbarte ich mit Herr K. ein abschließendes Gespräch für den nächsten Samstag, das am 6. Oktober 1968 auch stattfand.

    Während ich tagsüber sehr konzentriert meinen Kundenbesuchen nachging, war in den Abendstunden nur noch ein Thema von ausgiebiger Wichtigkeit. Kommt es zur Firmenübernahme, oder lass ich es eben doch bleiben. Zum hundertsten Mal ließ ich mir unterschiedlichste Standpunkte durch den Kopf gehen, um ja nicht das Geringste außer Acht zu lassen. Ebenso machte ich mir allerhand Notizen, um beim alles entscheidenden Gespräch mit Herr K. bestens gerüstet zu sein.

    Je näher das Wochenende heranrückte, umso mehr überkam mich eine angespannte Atmosphäre. Es war mir klar geworden, wenn es am Samstag zu keiner positiven Entscheidung käme, wäre die Sache gestorben. Wie immer auf die Minute genau traf Herr K. an jenem 6. Oktober gegen 10 Uhr bei mir ein. Mit langen Vorreden hatte ich an diesem Morgen nichts mehr am Hut, ich kam zugleich auf den Punkt. Nach vorläufigen Schätzungen in Bezug auf Umsätze und anfallende Kosten allein durch eine hohe Warenfinanzierung kam, wenn überhaupt, nur eine sehr niedrige Umsatzrendite heraus. Prompt hielt Herr K. dagegen. »Dann müssen Sie halt mehr umsetzen, oder noch besser, die Kosten senken.« Das war schön dahergesagt, denn was meine Umsatzplanung anging, musste ich realistisch sein. Vor allem war zu berücksichtigen, dass innerhalb des vierköpfigen Vertreterstabes nur Herr Stolle im Schmuckverkauf Erfahrungen aufweisen konnte. Ich natürlich auch, deshalb sagte Herr K. ziemlich nüchtern: »Sie werden sehen, da kommt gleich im ersten Jahr einiges zusammen.« Und ging dann in die Wir-Floskel über, die da lautete: »Wir werden nicht einzelne Bänder und Colliers verkaufen, sondern gleich dutzendweise!« Na bravo, was kann dann noch schiefgehen.

    Etwas Wichtiges machte mir aber am meisten zu schaffen. Ich erzählte Herrn K. von meinem Reinfall, den ich Ende 1963 durchleben musste und dabei 20.000 Mark in den Sand setzte, weil mich jemand auf gemeine Art betrog. Bei diesen Worten dachte ich natürlich an die Gespräche, die ich am vorangegangenen Wochenende mit der Sparkasse und mit dem Rechtsanwalt geführt hatte. Herr K. blieb sehr gelassen und sagte nur: »Vergleichen Sie mich nicht mit solchen Schlitzohren. Was ich zusage, das halte ich auch.« Diese Worte kamen so ehrlich bei mir an, dass ich hinzufügte: »Umgekehrt dürfen Sie davon ausgehen, dass ich meine ganze Kraft einsetzen werde, um im gemeinsamen Interesse das Unternehmen zu einem fortwährenden Erfolg zu führen.« »Sind wir uns jetzt also einig?« »Noch nicht so ganz, etwas Grundsätzliches bedarf noch der ernsthaften Überprüfung.« Der Vertrag enthielt nämlich einige Passagen, die zu meinen Gunsten einer Verbesserung bedurfte.

    Dabei klang mir der Rechtsanwalt in den Ohren, der liebend gern einen ganz neuen Vertrag vorschlagen wollte. Allerdings wird er diesbezüglich sehr intensiv an ein entsprechendes Honorar gedacht haben. Damit lag ich nicht so falsch, denn wenige Tage später lag seine Gebührenrechnung für das 15-minütige Beratungsgespräch im Briefkasten. Von wegen nur so um 50 Mark; stolze 420 Mark wurden daraus. Schon beeindruckend, wie ein Jurist auf schnelle Art und Weise sein Geld verdient. Andererseits führten seine gut gemeinten Ratschläge zu gewissen Vertragsumformulierungen, die unbedingt erforderlich waren. Damit war Herr K. letztlich einverstanden, sodass der gemeinsamen Firmenübernahme nun gar nichts mehr im Wege stand. Auf was ich übrigens noch großen Wert legte, war die Vereinbarung, sollte zu irgendeinem späteren Zeitpunkt Herr K. als Gesellschafter ausscheiden wollen, so stünde mir bei der Veräußerung seines Firmenanteils das Vorkaufsrecht zu. In einer persönlichen Erklärung ging Herr K. auf diesen Vertragspunkt besonders ein, denn dass ich eines Tages zum alleinigen Geschäftsinhaber aufsteigen würde, das wäre bestimmt auch in seinem Sinne.

    Es wird ernst

    Die Würfel waren gefallen, wir drückten uns die Hand, die Partnerschaft war besiegelt. Herr K. war seiner Sache offenbar schon vorher ganz sicher, denn einen Notartermin für die Vertragsunterzeichnung hatte er sich bereits reservieren lassen. Am 19. Oktober 1968 ist es so weit. Nebenbei fragte er mich noch: »Haben Sie bei Ihrem Arbeitgeber eigentlich schon gekündigt?« Was zu verneinen war, denn eins geht nach dem anderen. Das geschah aber in den nächsten Tagen dann zum 31. Dezember 1968. K.s Schlussbemerkung: »Es wäre ratsam, Sie könnten bei AS schon früher das Zepter schwingen.«

    Das schloss ich aber völlig aus, denn wenn ich schon meinem bisherigen Brötchengeber den Rücken kehrte, so hielte ich mich an die Bestimmungen, die ein vorzeitiges Arbeitsende nicht zulassen. Schließlich war zu würdigen, dass ich in der Firma Schär fünf Jahre zum beiderseitigen Nutzen meine Reisetätigkeit ausgeübt hatte und dies zu einem guten Ende bringen würde.

    Nach unserem Gespräch habe ich umgehend die Schweickerttochter angerufen, um sie von der endgültig beschlossenen Firmenübernahme zu unterrichten. Worüber die Freude groß war. Am Sonntagmorgen stand das nächste Gespräch mit Frau Stolle an. »Wie haben Sie sich entschieden, Sie werden doch nicht im letzten Moment absagen?« Auch sie konnte ich beruhigen, wir machen das jetzt. »Fein, dann können wir endlich disponieren. Können wir noch im alten Jahr mit Ware rechnen?« Das konnte ich nicht versprechen, jedenfalls würde ich in den nächsten Tagen das erste Mal für AS einkaufen. »Bedenken Sie, die Italiener haben Lieferzeiten bis zu drei Monaten und länger. Geht da nichts zu machen?« Zumindest kann man’s probieren. Trotzdem war auch ihr zu verklickern, dass meine bisherige Reisetätigkeit erst Ende des Jahres auslief. In diesem Sinne erfuhren das auch die übrigen Vertreterherren.

    Auf der Hand lag jedoch, dass ich mich neben meinem zu Ende gehenden Vertreterjob auch schon um Belange der eigenen Firma zu kümmern hatte. Das fing vor allem damit an, dass ich meine ersten Schmuckwareneinkäufe vergab. Zunächst ausschließlich bei italienischen Herstellern, die gefälligkeitshalber über einen Pforzheimer Schmuckgrossisten weitergereicht wurden. In dessen Büro in der Friedenstraße saßen wir da fast den ganzen Samstag zusammen, und ich hatte gleich großen Gefallen gefunden an diesen ersten Warendispositionen. Als sich jedoch herausstellte, dass ich damit bereits eine halbe Million verbraten hatte, verschlug es mir schon die Sprache. Jedenfalls meinte dieser umtriebige Vermittler, auf Anhieb hätte ich mehr bestellt, als was er sich gewöhnlich selbst zutrauen würde. Um mich zu besänftigen, sagte er nur noch: »Wissen’S was, bald werden Sie feststellen, dass es eher zu wenig war.« Über eines herrschte jedoch Übereinstimmung, im alten Jahr würde mit einer Lieferung auf keinen Fall zu rechnen sein.

    Zu Hause musste ich dann gleich zwei Leuten von meiner Einkaufspremiere berichten. Zu allererst besprach ich es mit Inge, die über das erteilte Einkaufsvolumen vollkommen baff war. Als ich ihr aber erzählte, dass ich über die disponierten Schmuckmodelle dermaßen begeistert war und der Einstand mit dem Einkaufsvermittler gut zum Laufen kam, heiterte sich ihr sorgenerfülltes Gesicht etwas auf. Eines allerdings gefiel mir bei diesem Einkaufsgebahren dann doch nicht. Ohne mich vorher ins Benehmen zu setzen, hatte mein Partner Herr K. für die Einkaufsvermittlung dem Herrn eine dreiprozentige Vergütung zugestanden. Mir blieb nichts anderes übrig, als dieses Abkommen widerspruchslos hinzunehmen, auch wenn dies zu hoch ausgehandelt war. Bei der späteren Rentabilitätsberechnung würde sich das durch ein noch niedrigeres Ergebnis sicherlich negativ erweisen.

    Am Abend meldete sich Herr K. am Telefon. »Na, ist alles gut verlaufen?« Was ich durchaus bejahen konnte, aber mit der Bemerkung, etwas erschrocken zu sein, dass da gleich eine halbe Million zusammenkam, musste ich schon rausrücken. Damit brachte ich Herr K. aber keineswegs in Verlegenheit, denn mit solchen Zahlen und noch mit ganz anderen Größenordnungen beschäftige er sich ein Leben lang. Er fügte noch hinzu: »Mein lieber Herr Gommel, an derartige und noch größere Zahlenspiele werden Sie sich bald gewöhnen.«

    Am Montag ging es wieder auf Tour. Da jede Menge Weihnachtsvorlagen zu bewältigen waren, ging es intensiver denn je zur Sache. Es ging jetzt aber auch darum, weitere Kunden vertraulich davon in Kenntnis zu setzen, dass meine bisherige Reisetätigkeit unaufhaltsam zu Ende ginge. Als selbstständiger Schmuckwarengroßhändler würde ich aber baldigst wieder auf der Matte stehen und mit einer fantastischen neuen Goldschmuckkollektion aufwarten. Da ich es mit den Kunden immer gut verstand, wusste jeder, dass ich im Gegensatz zu manch anderem Außendienstmann kein Sprücheklopfer bin und deshalb meine Vorankündigung sehr ernst genommen werden durfte.

    Abschied vom Angestelltendasein

    Für Freitag, dem 12. Oktober 1968, war nun der kritische Moment der Kündigung gekommen. Davor war mir schon etwas Bange, denn kaum jemand, und schon gar nicht die Herren Schär, würde wohl an so etwas gedacht haben. Mein Verhältnis zur Firma war tadellos, die erzielten Umsätze recht zufrieden stellend, und ich denke, dass beide Chefs – Senior und Junior – große Stücke auf mich hielten. Aber auch ich hatte allen Grund, mit meinem Arbeitgeber zufrieden zu sein. Jedoch war meine Entscheidung endgültig gefallen, an eine Umbesinnung keinesfalls zu denken. Die Begrüßung war an dem Tag wie immer recht freundlich, die mitgebrachten Verkäufe ebenso. Nun galt es nur noch den passenden Augenblick abzuwarten, um dann zur Tat zu schreiten. Im Geiste war ich diese Situation mehrmals durchgegangen. Als ich nun dem Seniorchef meine schriftlich abgefasste Kündigung zum 31. Dezember 1968 in die Hände legte, fehlten mir vorerst die passenden Worte. Er selbst war aber wie vom Donner gerührt, nahm an seinem Schreibtisch Platz und rang nach Luft. Für eine ganze Weile schauten wir uns ziemlich stumm an, bis ich mit dem Versuch begann, ihm meine Kündigungsgründe darzulegen.

    Währenddessen gesellte sich der Juniorchef hinzu, der nicht minder über meine Kündigung überrascht war. Für ihn tat es mir besonders leid, denn ich hatte in meiner bisherigen nahezu 15-jährigen Berufspraxis noch nie einen so angenehmen und verständnisvollen Arbeitsgeber kennengelernt. Nachdem das Mitarbeiterteam das Büro verlassen hatte, bat mich der Junior in sein Büro, um gleich auf mich einzureden, ob mit dieser Kündigung mein letztes Wort bereits gesprochen sei. »Und, haben Sie sich das wirklich gut überlegt, denn es wäre doch schade, wenn Ihre Pläne zu nichts führen würden.« Dann aber setzte er noch eins drauf. »Lieber Herr Gommel, um ganz offen zu sein, wenn es nur nach mir gehen würde, ich würde Sie gerne für die Firma halten und Ihnen sogar eine Teilhaberschaft anbieten.« Das fand ich schon sehr ehrenvoll, hingegen eher erstaunlich, trotzdem aber war uns beiden ziemlich klar, dass sein Vater als Seniorchef des Hauses dazu nie und nimmer seine Einwilligung geben würde. So bedankte ich mich für dieses großherzige Angebot, doch bei meiner Kündigung blieb es. Dass ich der Familie Schär mit meinem Austritt eine herbe Enttäuschung bereitete, damit musste ich nun selbst fertig werden. Auf keinen Fall wäre ich je auf die Idee gekommen, um einen früheren Austrittstermin nachzufragen. Dagegen versicherte ich ausdrücklich, auch in den verbleibenden Wochen den persönlichen Einsatz hoch zu halten.

    Eine Woche später dann, am 19. Oktober also, das Treffen beim Notar. Während ich in meinem Leben erst das zweite Mal einem Notar gegenübersaß, war eine solche Begegnung für meinen Partner Herrn K. reines Routinegeplänkel. Dass er in Pforzheim als eine

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