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Familienunternehmen in Ostdeutschland: Niedergang und Neuanfang von 1945 bis heute
Familienunternehmen in Ostdeutschland: Niedergang und Neuanfang von 1945 bis heute
Familienunternehmen in Ostdeutschland: Niedergang und Neuanfang von 1945 bis heute
eBook455 Seiten4 Stunden

Familienunternehmen in Ostdeutschland: Niedergang und Neuanfang von 1945 bis heute

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Über dieses E-Book

Die populärwissenschaftliche Darstellung zeigt erstmals die Auswirkungen der Verdrängungs- und Enteignungspolitik der sowjetischen Besatzungsmacht und des SED-Regimes für die Familienunternehmenslandschaft in Ostdeutschland bis heute auf. Die staatsdirigistischen Eingriffe führten zum einen zur Abwanderung von Betrieben in den Westen. Zum anderen zeigten sich nun erst recht Resilienz, Einfallsreichtum und Beharrlichkeit der verbleibenden Familienunternehmer*innen.
Nach der friedlichen Revolution machten sich viele Unternehmer*innen aus Ost und West auf, die Familientraditionen wiederzubeleben. Auf den harten Strukturbruch in den 1990er Jahren folgte eine partielle Reindustrialisierung. Heute sind 92 Prozent der ostdeutschen Betriebe Familienunternehmen.
Der Wirtschaftshistoriker Rainer Karlsch arbeitet in dem reich bebilderten, von der Stiftung Familienunternehmen herausgegebenen Buch zahlreiche individuelle Geschichten durch unterschiedlichste Branchen auf: Viele davon sind Erfolgsgeschichten trotz widrigster Umstände.
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum30. Apr. 2023
ISBN9783963118425
Familienunternehmen in Ostdeutschland: Niedergang und Neuanfang von 1945 bis heute
Autor

Rainer Karlsch

Dr. Rainer Karlsch, geb. 1957, Studium der Wirtschaftsgeschichte an der Humboldt-Universität zu Berlin, 1986 Doctor oec., 1982–2004 u. a. am Lehrstuhl für Wirtschaftsgeschichte der Humboldt-Universität zu Berlin sowie am Lehrstuhl der Wirtschaftspolitik und Wirtschaftsgeschichte der FU Berlin tätig, seit 2005 freiberuflicher Wirtschaftshistoriker, 2017–2021 Institut für Zeitgeschichte München-Berlin.

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    Buchvorschau

    Familienunternehmen in Ostdeutschland - Rainer Karlsch

    Umschlagfotos: historische und aktuelle Werbung ostdeutscher Familienunternehmen; Bildvorlagen: Cover, oben v. l.: Alfred Weigel Federnfabrik GmbH & Co. KG, Komet Gerolf Pöhle & Co. GmbH, Mühle-Glashütte GmbH nautische Instrumente und Feinmechanik, Kosmetische Fabrik Wolfgang Haschke, Mitte: TILLIG Modellbahnen GmbH, unten v. l.: Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg (Public Domain), KATHI Rainer Thiele GmbH, MAWA Kosmetik GmbH/Foto: Europäisches Flakonglasmuseum, Archiv Julius Blüthner Pianofortefabrik GmbH; hinterer Umschlag, v. l.: N. L. Chrestensen Erfurter Samen- und Pflanzenzucht GmbH, ORAFOL Europe GmbH, APOGEPHA Arzneimittel GmbH, Wendt & Kühn KG

    Redaktionsschluss: Januar 2023

    Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

    Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

    Alle Rechte vorbehalten.

    Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der Freigrenzen des Urheberrechts ist ohne Zustimmung des Verlages und der Stiftung Familienunternehmen unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

    1. Auflage

    © 2023 mdv Mitteldeutscher Verlag GmbH, Halle (Saale)

    www.mitteldeutscherverlag.de

    Gesamtherstellung: Mitteldeutscher Verlag, Halle (Saale)

    ISBN 978-3-96311-842-5

    Inhalt

    Prolog

    I. Enteignungen in der Sowjetischen Besatzungszone 1945–1949

    1. Besatzungssystem, Demontagen und Sowjetische Aktiengesellschaften

    2. Die erste große Enteignungswelle

    3. Massenhafte Firmenabwanderungen

    4. Währungsreform, Schauprozesse und „kalte" Enteignungen

    II. Wirtschaftskrieg gegen die Privatindustrie 1950–1955

    1. Planwirtschaft nach sowjetischem Muster

    2. Widerstand gegen die Benachteiligung von privaten Betrieben

    3. Die zweite Enteignungswelle

    4. Die Aktion „Rose"

    5. Ausländische Familienunternehmen „in Verwaltung"

    III. Zwischenspiel: Betriebe mit staatlicher Beteiligung 1956–1971

    1. Betriebe mit staatlicher Beteiligung

    2. Eine mittelstandsfreundliche Reformära?

    3. Innovative Familienunternehmen

    IV. Das „Aus" für den Mittelstand und seine Folgen 1972–1990

    1. Aktion „Zitrone"

    2. Finaler Schlag gegen den Mittelstand

    3. Verlusterfahrungen und langfristige Folgen

    4. Die durchgängige Kombinatsbildung

    5. Die friedliche Revolution

    6. Zwischenresümee: Vom „Klassenfeind zum „Bündnispartner?

    V. Schwieriger Neustart 1990–2000

    1. „Schocktherapie" und Transformationskrise

    2. Die Mittelstandspolitik der Treuhand

    3. Reprivatisierung ostdeutscher Traditionsunternehmen

    4. Umkämpftes Eigentum

    5. Management-Buy-out/Management-Buy-in

    VI. Familienunternehmen als Rückgrat der Wirtschaft 2001–2022

    1. Rückkehrer

    2. Firmensitzverlegungen und neue Eigentümer

    3. Neugründungen

    4. Internationale Familienunternehmen

    5. Autobahnökonomie und familiengeführte Agrarbetriebe

    6. Neue Champions im Osten

    7. Resümee

    Anmerkungen

    Quellen, Literatur und Medien

    Bildnachweis

    Über den Herausgeber: Die Stiftung Familienunternehmen

    Prolog

    Die Geschichte von Familienunternehmen ist aus mehreren Gründen faszinierend. Oft handelt es sich um Firmen, die bereits seit langer Zeit existieren und das Auf und Ab der Zeitläufe in einem Mikrokosmos widerspiegeln. Wenn man sich mit ihnen beschäftigt, kann man viel über interessante Persönlichkeiten, Produkte, Innovationen, Märkte, die Wechselfälle des Lebens und vor allem auch über die jeweiligen politischen Rahmenbedingungen, unter denen Unternehmen agieren mussten, erfahren.

    Als eines der hervorstechendsten Merkmale von Familienunternehmen gilt gemeinhin ihr auf langfristige Ziele ausgerichtetes Wirtschaften. Nicht die Quartals- oder Jahresbilanzen, wie bei anonymen Publikumsgesellschaften, deren Aktien sich in Streubesitz befinden, stellen den entscheidenden Maßstab für ihren Erfolg dar, sondern der generationenübergreifende Erhalt und die selbstbestimmte Weiterentwicklung des Unternehmens.

    Sucht man nach dem Erfolgsgeheimnis der deutschen Wirtschaft, ihrer bis heute trotz aller Probleme hohen Innovationskraft, dann landet man rasch beim Mittelstand. Es sind die vielen kleineren und mittelgroßen Firmen, die in den jeweiligen Branchen Außergewöhnliches leisten und nicht selten mit ihren Produkten zu den Hidden Champions gehören. Darunter versteht man weniger bekannte Firmen, die in ihrer Branche in der Welt in der Ersten Liga spielen beziehungsweise die nationale Nummer eins sind. Diese Firmen sind meist inhabergeführt und bedienen oft Nischenmärkte.¹ Der Begriff „Hidden Champion" wurde zwar erst 1990 in die wissenschaftliche Diskussion eingeführt, lässt sich aber auch auf die Unternehmensgeschichte des 19. Jahrhunderts anwenden.

    Im vorliegenden Buch geht es nicht vorrangig um heimliche Weltmarktführer, sondern um die Geschichten von Familienunternehmen in Ostdeutschland von 1945 bis heute allgemein. Im Mittelpunkt stehen dabei Familienunternehmen des produzierenden Gewerbes aus den verschiedensten Branchen. Nur punktuell werden auch Handwerks- und Dienstleistungsunternehmen in den Blick genommen.

    Nicht wenige der in diesem Buch vorgestellten industriellen Familienunternehmen sind bereits im 19. Jahrhundert oder noch früher gegründet worden. Einigen von ihnen gelang der Aufstieg zum Hidden Champion. Um besser zu verstehen, welch vielfältige und innovative Gewerbelandschaften in dieser Zeit in „Ostdeutschland existierten, werden im Folgenden, stellvertretend für viele andere, Gründergeschichten von herausragenden Familienunternehmen unseres Untersuchungsgebietes kurz vorgestellt. Viele „verschwanden nach dem Zweiten Weltkrieg aus noch zu erläuternden Gründen ganz oder verlegten ihre Unternehmenssitze nach Westdeutschland.

    Das heutige „Ostdeutschland" – ein ahistorischer Begriff, der sich nach 1990 in der Umgangssprache durchgesetzt hat und daher trotz Bedenken auch in diesem Buch verwendet wird – und die wiedervereinigte Hauptstadt Berlin stellten sich vor 1945 administrativ wie wirtschaftlich als heterogener und vielgestaltiger Raum dar. Dieser umfasste zum einen die Länder Sachsen und Thüringen (mit jeweils etwas kleinerem Territorium als die heutigen Länder), Mecklenburg-Schwerin und Mecklenburg-Strelitz sowie Anhalt. Zum anderen bestand Ostdeutschland, das damals in der Mitte Deutschlands verortet war, aus den preußischen Provinzen Brandenburg und Sachsen sowie aus Teilen Schlesiens und Pommerns und einigen Einsprengseln des Landes Braunschweig. Ein ähnlich vielgestaltiges Bild bot die Wirtschaftsstruktur unseres Untersuchungsgebietes.

    Berlin entwickelte sich nach der Gründung des Deutschen Kaiserreichs 1871 zur kontinentaleuropäischen Industriemetropole. Träger dieser Entwicklung waren der Maschinenbau und die Elektroindustrie. Mit Bewunderung sprachen Zeitgenossen von der „Elektropolis", mit Unternehmen wie AEG, Siemens, Telefunken und Lorenz. In der deutschen Hauptstadt gab es die größte Ansammlung von Unternehmen der Elektroindustrie weltweit.² Die herausragende politische Bedeutung der Stadt trug dazu bei, dass sich die Ost-West- und Nord-Süd-Trassen der Eisenbahn hier kreuzten. Am augenfälligsten schlug sich diese Konstellation in der Ansiedlung zahlreicher Fabrikunternehmen nieder, die Maschinen, Fahrzeuge, Anlagen und Materialien für den Bedarf der Eisenbahnen produzierten.³ Zu den Pionieren des deutschen Lokomotivbaus zählte August Borsig.⁴ Auch Unternehmen der Nahrungs- und Genussmittelindustrie, der Druck- und Papierverarbeitung, der chemischen Industrie und der feinmechanisch-optischen Industrie waren in Berlin stark vertreten und hatten jeweils zehntausende neue Arbeitsplätze geschaffen. Mit dem Aufkommen von Kino und Rundfunk wurde die Hauptstadt auch zur Medienstadt. All dies wurde flankiert vom Aufstieg Berlins zum führenden Banken- und Börsenplatz in Deutschland.⁵

    Bedeutende urbane und gewerbliche Kraftzentren gab es mit Chemnitz, Leipzig und Dresden in Sachsen und ausgedehnte industriell-gewerbliche Ballungsräume im sächsischthüringischen Raum und im südlichen Sachsen-Anhalt. Andererseits bestand ein großes Nord-Süd-Gefälle. Weithin ländlich geprägt blieben große Teile der preußischen Provinz Brandenburg, der nördliche Teil der preußischen Provinz Sachsen (heute Sachsen-Anhalt) sowie Mecklenburg und Vorpommern.

    Nimmt man alte Reichsstatistiken über den Anteil der Beschäftigten an der Industrie in ausgewählten Regionen zur Hand, dann wird man feststellen können, dass die Industriequote in Sachsen, Thüringen und Anhalt weit über dem Reichsdurchschnitt lag.

    Am Vorabend des Ersten Weltkriegs gehörte das Königreich Sachsen zu den wirtschaftlich fortgeschrittensten Regionen Europas. Dies messen Wirtschaftshistoriker vor allem an der Entwicklung der Beschäftigten in den drei Hauptsektoren der Wirtschaft: Landwirtschaft (primär), Industrie (sekundär) und Dienstleistungswesen (tertiär). Diesbezüglich hatte die sächsische Gesellschaft einen stürmischen Wandel von der Agrarzur Industriegesellschaft erlebt. Um 1910 waren bereits rund 60 Prozent aller Beschäftigten in der Industrie, im Bergbau und dem Handwerk tätig, wohingegen der Anteil der in der Landwirtschaft Tätigen nur noch bei knapp über 10 Prozent lag.

    Insgesamt wurde die sächsische Industrielandschaft von arbeitsintensiven, teilweise hochspezialisierten familiengeführten Klein- und Mittelbetrieben geprägt.⁷ Ein Zeitgenosse verwies stolz darauf, „dass man in Sachsen neben Spezialitäten, die sonst nur an ganz wenigen Plätzen der Welt noch zu haben sind, mit wenigen Ausnahmen alles herstellt oder herstellen kann, was auf gewerblich-industriellem Gebiet überhaupt erzeugt wird.⁸ Zu danken war diese Entwicklung vielen tausend Familienunternehmen, von denen einige mit ihren Produkten Weltgeltung erlangt hatten. Der Historiker Rudolf Forberger bezeichnet Sachsen daher als „Pionierland der industriellen Revolution in Deutschland.⁹

    Im Erzgebirge entwickelte sich seit dem ausgehenden 16. Jahrhundert ein vielseitiges Heimgewerbe. In Bergstädten wie Annaberg, Marienberg oder Schneeberg wurden geklöppelte Spitzen und Kleiderbesätze (Posamenten), ebenso Alltagsgegenstände aus Metall und Holz gefertigt. Einige Orte spezialisierten sich auf die Herstellung von Holzspielzeug. Im angrenzenden Vogtland produzierte man Musikinstrumente aus Holz und Blech.¹⁰ Zum Teil wurden diese Waren bis in die DDR-Zeit hinein in Heim- und Handarbeit hergestellt. Vor allem in den metallverarbeitenden Branchen fanden sich aber seit der Mitte des 19. Jahrhunderts Unternehmer, die dazu übergingen, bisher heimgewerblich hergestellte Gebrauchsgegenstände fabrikmäßig zu produzieren. Ein Paradebeispiel dafür war das von Karl August Wellner 1860 in Aue gegründete Familienunternehmen, das sich auf die industrielle Herstellung von Bestecken spezialisierte. Die Firma stieg zu einem der führenden deutschen Produzenten von Besteckwaren auf.¹¹ Eine ähnliche Erfolgsgeschichte fand in der Blechwarenfabrik von Karl Louis Krauß im benachbarten Schwarzenberg statt.¹² Mit der Produktion von Trommelwaschmaschinen trug seine Firma zur technischen Ausstattung von zahlreichen Haushalten bei. Die Kraußwerke wurden 1946 verstaatlich und bildeten den Nukleus für den VEB Waschgerätewerk Schwarzenberg, den größten Hersteller von Waschmaschinen in der DDR.

    In enger Verbundenheit mit der Blechwarenindustrie entwickelte sich ein Maschinenbau, der auf die Konstruktion und Herstellung von Werkzeugen und Maschinen zur Blechbearbeitung spezialisiert war. Der Pionier dieser Branche war Erdmann Kircheis. Sein 1861 in Aue gegründetes Maschinenbauunternehmen beschäftigte vor dem Ersten Weltkrieg bereits mehr als 1.000 Arbeiter und Angestellte.¹³ Auch Kircheis’ Unternehmen wurde nach dem Zweiten Weltkrieg enteignet.

    Noch bedeutsamer für die industrielle Entwicklung Sachsens waren die zahlreichen Textilgewerbe, die ebenfalls auf jahrhundertelange vorindustrielle Traditionen zurückblicken konnten. Die ersten beiden sächsischen Baumwollmaschinenspinnereien gingen schon im Jahr 1800 in Betrieb, und in den nächsten Jahren schossen solche „Spinnmühlen" in Chemnitz und seiner weiteren Umgebung wie Pilze aus der Erde. Einige dieser frühen Fabrikunternehmen befanden sich auch noch hundert Jahre später im Besitz der Gründerfamilie.¹⁴ Eine ganze Reihe namhafter Familienunternehmen brachte die sächsische Wirkwarenindustrie – Strümpfe, Handschuhe, Trikotagen – hervor. Die Ansiedlung dieses Gewerbes ging auf die Initiative eines einzelnen Mannes zurück: Johann Georg Esche. Ihm gelang der Nachbau eines französischen Strumpfwirkerstuhls. Binnen weniger Jahrzehnte verbreitete sich die Strumpfwirkerei im weiteren Umkreis der Stadt Chemnitz.¹⁵

    Die industrielle Transformation der Textilgewerbe des Vogtlandes, des Erzgebirgsvorlandes und der Oberlausitz stand in einem engen Zusammenhang mit der Entwicklung einer bedeutsamen Maschinenbauindustrie. Vor allem in Chemnitz, dem „sächsischen Manchester", entstanden zahlreiche Werkstätten, die die Wartung und Reparatur der Spinnmaschinen englischer Bauart übernahmen und sich auch bald an deren Nachbau versuchten.

    Als zweiter bedeutender Zweig des Maschinenbaus entwickelte sich in Chemnitz der Werkzeugmaschinenbau. Zu den Gründerpersönlichkeiten gehörte Julius Eduard Reinecker. Er hatte als Handwerksgeselle in den Chemnitzer Maschinenfabriken Arbeit gefunden, bevor er sich 1859 mit einer kleinen Werkstatt selbstständig machte. Nach und nach baute er seinen Betrieb zu einem Fabrikunternehmen aus, das sich auf die Produktion von Fräs- und Schleifmaschinen spezialisierte. Nach Reineckers Tod 1894 führten seine drei Söhne das Unternehmen weiter. 1911, als die Firma J. E. Reinecker rund 2.000 Arbeiter in ihren Fabrikhallen beschäftigte, folgte der Übergang zur Kapitalgesellschaft, wobei aber sorgsam darauf geachtet wurde, dass die Aktienmehrheit auch in den folgenden Jahrzehnten im Besitz der Gründerfamilie verblieb.¹⁶ Wir werden später darauf zurückkommen, dass die Firma Reinecker durch die Demontagen und Enteignungen nach dem Zweiten Weltkrieg einen tiefen Einschnitt erlebte. Der Maschinenbau in Sachsen verlor dadurch sein bekanntestes Familienunternehmen.

    Zu dem Zeitpunkt, an dem die Reinecker-Söhne ihr Familienunternehmen in eine AG umwandelten, hatte sich in der Region bereits eine weitere zukunftsträchtige Branche des Maschinenbaus angesiedelt. Der Konstrukteur August Horch hatte in Zwickau im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts gleich zwei Automarken mit klangvollen Namen begründet: Horch und Audi.

    Automobile gehörten bald auch zum Produktionsprogramm der Chemnitzer Wanderer-Werke, und im nahen Zschopau wurden seit den 1920er Jahren Motorräder und Kleinwagen der Marke DKW hergestellt. Keine dieser Firmen, die schließlich allesamt 1932 zur Auto-Union fusionierten, entwickelte sich allerdings über die Gründergeneration hinaus zum Familienunternehmen. Anders die Zittauer Phänomen-Werke: Deren Gründer, Karl Gustav Hiller, fing 1888 mit dem Bau von Fahrrädern an, sattelte um die Jahrhundertwende auf die Herstellung von Motorrädern um und spezialisierte sich schließlich auf den Bau eines dreirädrigen Lieferwagens. Auch nach dem Ersten Weltkrieg baute der Zittauer Betrieb, nun unter der Leitung des Sohns des Firmengründers, Rudolf Hiller, vornehmlich Phänomen-Lieferwagen.¹⁷

    Entlang der Flussläufe siedelte sich seit der Mitte des 19. Jahrhunderts eine weitere, rasch wachsende Industriebranche an: die Papierherstellung. Zu den Ersten, die das innovative Holzschliffverfahren in Sachsen einführten, gehörten Fritz Kübler und Albert Niethammer. Die beiden Schwaben übernahmen 1856 eine heruntergekommene Papiermühle in Kriebstein, modernisierten sie und gliederten eine Holzschleiferei im oberen Erzgebirge an. Nach Küblers Tod führte Niethammer das Unternehmen allein weiter und baute es in den folgenden Jahrzehnten zum Marktführer in der deutschen Papierindustrie aus. Am Ende der 1920er Jahre waren rund 1.600 Arbeiter und Angestellte in zahlreichen Betriebsstätten von Kübler & Niethammer beschäftigt.¹⁸

    In der Residenzstadt Dresden siedelten sich Industrien und Gewerbe an, die (zunächst) für den Bedarf der relativ wohlhabenden Einwohnerschaft produzierten. Es entstand hier frühzeitig eine vielfältige Nahrungs- und Genussmittelindustrie. Um 1900 war Dresden ein Zentrum der deutschen Zigarettenindustrie. Melitta Benz erfand hier zu dieser Zeit den Kaffeefilter und gründete zusammen mit ihrem Mann ein heute noch bestehendes Unternehmen.¹⁹

    Ähnlich wie in Chemnitz zogen die neuen Konsumgüterindustrien auch in Dresden einen auf ihre Bedürfnisse eingestellten Spezialmaschinenbau an. Johann Martin Lehmann etwa bot den Dresdner Schokoladenfabrikanten bereits seit den 1830er Jahren seine von ihm selbst konstruierten Walzenreibmaschinen an. Später folgten Pressen zur Entölung des Kakaos, Schneidemaschinen und anderes mehr. Nach dem Tod des Gründers 1869 trat sein damals erst 17-jähriger Sohn Louis Bernhard Lehmann in die Unternehmensnachfolge ein. Unter seiner Leitung wurden die Betriebsanlagen ausgebaut und ein weiteres Werk im Vorort Heidenau errichtet.²⁰

    Anzeige für Odol-Mundwasser, Lingner-Werke AG Dresden, in der Illustrierten „Die Woche", Nr. 29, 20. Juli 1912. Die Lingner-Werke wurden im Zweiten Weltkrieg völlig zerstört, ihre Eigentümer gingen in den Westen.

    Um die Jahrhundertwende siedelten sich zudem Unternehmen der optischen und feinmechanischen Industrie in Dresden an. Vornehmlich wurden hier Filmkameras und Fotoapparate gebaut. Ein Pionier dieser Branche war Heinrich Ernemann, der 1891 seine „Fabrik photographischer Apparate, mit Dampfbetrieb" eröffnete und in den folgenden Jahrzehnten zu einem weltbekannten Unternehmen ausbaute. Sein Sohn Alexander übernahm nach dem Ersten Weltkrieg die Firmenleitung und fungierte seit 1926 als einer der Direktoren der Zeiss-Ikon AG. Mit dieser Fusion verlor sich allerdings der Charakter der Ernemann-Werke als Familienunternehmen.²¹

    Ein besonders traditionsreiches Familienunternehmen der feinmechanischen Industrie entstand bereits Mitte des 19. Jahrhunderts in der Peripherie der sächsischen Landeshauptstadt, die Firma Lange & Söhne in Glashütte im Osterzgebirge. Der Dresdner Uhrmacher Ferdinand Adolph Lange trug in den 1840er „Hungerjahren der sächsischen Regierung den Plan vor, der notleidenden erzgebirgischen Bevölkerung eine neue Erwerbsquelle zu erschließen. Lange zog 1845 nach Glashütte und eröffnete mit staatlicher Unterstützung eine Werkstatt, in der er junge Leute in der Uhrmacherei ausbildete. Seit der Aufnahme von Emil und Richard Lange 1868 firmierte das Unternehmen unter dem Namen „Lange & Söhne.²²

    Illustre Namen finden sich auch unter den Gründergestalten der pharmazeutisch-kosmetischen Industrie, die sich im Dresdner Raum niederließ: Franz-Ludwig Gehe, Friedrich von Heyden, Karl August Lingner, der mit dem Mundwasser „Odol ein Vermögen verdiente, oder Ottomar Heinsius von Mayenburg, der um 1910 mit der Zahnpasta „Chlorodont ein damals neues Produkt weltmarktfähig machte. Neben den großen Unternehmen gab es in dieser Branche auch zahlreiche kleinere und mittlere Firmen, von denen nicht wenige über längere Zeit hinweg in Familienbesitz blieben. Dazu gehört etwa bis heute die Firma APOGEPHA.²³

    Die Stadt Leipzig fungierte vor 1945 als Schaltzentrale des deutschen Buchhandels. Von alters her wurden hier Bücher nicht nur gehandelt, sondern auch gedruckt und gebunden. Einige der großen Verlagshäuser unterhielten eigene Druckereien oder waren aus Druckereibetrieben hervorgegangen. Und es war die Firma F. A. Brockhaus, die bereits 1826 mit der Aufstellung dampfbetriebener „Schnellpressen" den Schritt vom Druckhandwerk zur polygrafischen Industrie vollzog. Der Gründer des renommierten Lexikon-Verlags, Friedrich Arnold Brockhaus, hatte sein Geschäft erst neun Jahre zuvor nach Leipzig verlagert. Dort blieb das Familienunternehmen Brockhaus fünf Generationen lang ansässig.

    Auf ein spezielles Druckerzeugnis konzentrierte sich die Druckerei von Giesecke & Devrient: Banknoten und andere Wertpapiere. Hermann Giesecke entstammte einer Leipziger Unternehmerfamilie. Da aber seine älteren Halbbrüder nach dem Tod des Vaters die familieneigene Schriftgießerei übernahmen, benutzte der gerade 21-Jährige sein Erbteil 1852 als Startkapital zur Gründung eines eigenen polygrafischen Unternehmens. Einen Partner fand er in dem zehn Jahre älteren Alphonse Devrient, dem Sohn eines Zwickauer Fabrikanten. Bereits am Ende des Gründungsjahres richteten Giesecke & Devrient eine Kupfer- und Stahlstichdruckerei ein. Sie legten damit den Grundstein für die weitere Entwicklung ihres Unternehmens, das sich zunehmend auf das technisch anspruchsvolle Feld des Drucks von Banknoten, Aktien und Pfandbriefen verlagerte. Um die Wende zum 20. Jahrhundert zählten Giesecke & Devrient zu den führenden deutschen privaten Wertpapierdruckereien.²⁴

    Bedeutsamer noch als der Buchhandel für die Anziehungskraft Leipzigs auf industrielle Unternehmen war der Status der Stadt als wichtigster Messeplatz Mitteleuropas. Der Standort Leipzig war einerseits für Industrieunternehmen interessant, die ihre Erzeugnisse überregional vermarkten wollten. Gerade für den Export nach Osteuropa bot die Messestadt als Drehscheibe des West-Ost-Handels günstige Voraussetzungen. Andererseits wurden in Leipzig Rohstoffe und Halbwaren in großer Vielfalt und Quantität umgeschlagen, was die Ansiedlung weiterverarbeitender Branchen in der Messestadt und ihrer Umgebung förderte. So wurde bereits im 18. Jahrhundert auf den Leipziger Messen eine reiche Auswahl an Aromastoffen und Essenzen angeboten. Zu den „Drogenhandlungen" dieser Zeit reichen die Wurzeln der Firma Schimmel & Co. zurück, die 1855 in den alleinigen Besitz des Kaufmanns Hermann Fritzsche überging. Unter seiner Leitung wurden die Produktionsanlagen stark erweitert, bis Schimmel & Co. schließlich 1901 im nahen Miltitz ein weitläufigeres Fabrikgelände fanden. Hermann Fritzsches Enkel wandelten das inzwischen zum Weltmarktführer aufgestiegene Unternehmen 1927 in eine Aktiengesellschaft um, deren Anteile aber im Besitz der Gründerfamilie blieben.²⁵

    Werbung mit Darstellung des Werksgeländes der Firma Schimmel & Co. in Miltitz bei Leipzig, um 1900

    Ähnlich weit zurückreichende Vorläufe wie in Sachsen lassen sich auch für etliche der Thüringer Industriebranchen feststellen. Auch dort hatte sich in der Frühen Neuzeit ein vielgestaltiges Textilexportgewerbe entwickelt. Ein Zentrum der Strumpfwirkerei hatte sich in und um Zeulenroda herausgebildet. In Greiz und Gera wurden ganz ähnliche Artikel – Tuche, Kammgarngewebe, Möbelstoffe – hergestellt wie im angrenzenden Sachsen.²⁶

    Auf eine lange gewerbliche Tradition konnte man auch in Suhl und Zella-Mehlis zurückblicken. Dort wurden bereits seit dem ausgehenden Mittelalter Gewehre hergestellt, für die der Holzreichtum und die Eisenhütten des Thüringer Walds die Werkstoffe lieferten. Nach der Eingliederung dieser Region und des Gebiets um Erfurt in den preußischen Staatsverband 1815 nahm der Gewehrbau einen raschen Aufschwung. In Suhl und in Sömmerda bei Erfurt entstanden nun neben den Handwerksbetrieben größere Produktionseinheiten. Dort wurden unter anderem die neuen Zündnadelgewehre für die preußische Armee produziert. Zu einem der wichtigsten Akteure dieser Branche entwickelte sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts das Unternehmen, das die Brüder Moses und Löb Simson 1856 in Suhl begründeten. Die Simsons waren eine seit Generationen in der Gegend ansässige jüdische Kaufmannsfamilie. Die Bajonett- und Ladestock-Fabrik der Gebrüder Simson begann als Zulieferbetrieb der Suhler Gewehrindustrie. Ihr Unternehmen, das bereits in den 1860er Jahren auf die zweite Generation übergegangen war, expandierte rasch und stieg in den eigentlichen Gewehrbau ein. Schon bald zählte die Firma Simson zu den Hauptlieferanten der preußischen wie der sächsischen Militärbehörden. Seit den 1890er Jahren bemühte sich die Firmenleitung verstärkt um die Aufnahme ziviler Produktlinien, auch um die Abhängigkeit von den staatlichen Beschaffungsstellen zu vermindern. Es wurden zunächst Fahrräder, bald auch Automobile in den Simson-Werken produziert.²⁷

    Zu den traditionellen Standorten des thüringischen Waffenhandwerks gehörte auch der Ort Ruhla bei Eisenach. Hier eröffneten die Brüder Georg und Christian Thiel 1862 einen metallverarbeitenden Betrieb, der Beschläge für die örtliche Tabakpfeifenherstellung fertigte. Im Verlauf der folgenden Jahrzehnte wuchs die Firma Gebrüder Thiel zu einem umsatzstarken Industrieunternehmen, das über ein eigenes Messingwalzwerk verfügte und ein umfangreiches Sortiment an metallenen Gebrauchsgegenständen und Einzelteilen produzierte. Zum Sortiment gehörten auch Spielzeuguhren, aus denen in den 1890er Jahren ein Artikel entwickelt wurde, der bald zum Markenzeichen der Thiels werden sollte: preiswerte Taschenuhren. Die Diversifikation des Unternehmens ging nach der Jahrhundertwende weiter. Die Thiels stiegen in den Werkzeugmaschinenbau ein. In der Zwischenkriegszeit war ein verzweigtes Unternehmenskonglomerat entstanden, das an verschiedenen Standorten insgesamt rund 7.000 Mitarbeiter beschäftigte.²⁸

    Die größte Stadt Thüringens, Erfurt, wurde im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts zu einem Zentrum der Schuhfabrikation. Die Gründung und Entwicklung der Firma Lingel mag exemplarisch für die Industrialisierung der Schuhmacherei stehen. Eduard Lingel eröffnete 1872 eine Werkstatt, in der er einige Schuhmachermeister beschäftigte, den Großteil der Produktion aber zunächst an Heimarbeiter auslagerte. Der kinderlose Firmengründer nahm 1886/91 seine beiden langjährigen Mitarbeiter, die Brüder Louis und Fritz Dreßler, als Teilhaber in das Unternehmen auf. 1898 erfolgte die Umwandlung in eine Aktiengesellschaft, deren Mehrheitseigner die bisherigen Teilhaber blieben. In den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg vergrößerte sich die Lingel AG durch die Eingliederung von drei weiteren Erfurter Schuhfabriken.²⁹

    In der Region des heutigen Sachsen-Anhalt stand die Nahrungs- und Genussmittelindustrie, insbesondere die Zuckerindustrie, am Beginn der Industrialisierung. Von diesen Branchen gingen Anstöße für die Entwicklung des Maschinenbaus vor allem in Magdeburg, Halle, Nordhausen und Dessau aus.

    Einer der wichtigsten Frühindustriellen war der Kaufmann Johann Gottlob Nathusius. Er gründete in Magdeburg 1787 nach der Aufhebung des königlichen Tabakmonopols die erste private Tabakmanufaktur in Preußen. Ende des Jahrhunderts war Nathusius’ Manufaktur in der Elbestadt der führende Tabakhersteller und von erheblicher Bedeutung für das örtliche Wirtschaftsleben.³⁰ Als Napoleon 1810 die Kontinentalsperre verhängte, um damit den Export englischer Waren nach Kontinentaleuropa zu blockieren, geriet auch das Tabakgeschäft in eine Krise. Nathusius reagierte mit dem Kauf des ehemaligen Klosterguts Althaldensleben und des benachbarten Guts Hundisburg, wo er den Anbau von Tabak, Zuckerrüben, Zichorien, Kartoffeln und Getreide mit der Errichtung von Verarbeitungsbetrieben verband.³¹ Dazu gehörten Getreide- und Ölmühlen, eine Nudelfabrik, eine Brennerei, eine Stärkefabrik, Obstweinund Essigfabriken, eine Zuckerrübenfabrik, eine Brauerei, Ziegeleien und Steinbrüche sowie eine Porzellan- und eine Steingutmanufaktur.

    Dank der Tatkraft von Nathusius entwickelte sich Haldensleben von einer Ackerbürger- zu einer Industriestadt. Von vielen Zeitgenossen wurde Nathusius, der reichste Bürger Magdeburgs, bewundert. Der Schriftsteller Karl Immermann wählte ihn 1836 als literarisches Vorbild für den ersten deutschen Industriellenroman „Die Epigonen. Tatsächlich kann Nathusius als der erste deutsche Unternehmer gelten, dem der Aufbau eines diversifizierten „Agrar-Industrie-Komplexes mit mehr als 30 Einzelbetrieben gelang.

    Im Jahr 1835 starb Johann Gottlob Nathusius. Die bisherigen Prokuristen Hillebrand und Steinbrück führten – als Mitgesellschafter – die Firma auf Rechnung der Erben weiter. Am 1. Januar 1845 wurde nach achtjähriger Tätigkeit in der Firma der Neffe des verstorbenen Gründers, Moritz Nathusius, als Teilhaber aufgenommen. Er und seine Nachkommen führten die Firma bis 1950. Im Juli 1950 wurde das bedeutende und inzwischen in fünfter Generation geführte Familienunternehmen von der DDR-Regierung enteignet.

    Ludwig Klamroth eröffnete 1836 eine Rübenzuckerfabrik und wurde damit zum ersten Industrieunternehmer Halberstadts. Auf diese folgte in Gröningen eine zweite Rübenzuckerfabrik, bevor sein Sohn Gustav in Nienburg an der Weser eine Düngemittelfabrik gründete. Die Klamroths blieben bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs die wichtigsten Industriellen in Halberstadt. Johann Georg Klamroth, seit 1923 Teilhaber, beteiligte sich als Offizier am Widerstand gegen Hitler. Er wurde ebenso wie sein Neffe Bernhard Klamroth, der als Generalstabsoffizier in die Pläne von Oberst von Stauffenberg eingeweiht war, im August 1944 hingerichtet.³² Im Jahr 1948 zog die Ehefrau mit ihren beiden jüngsten Töchtern von Halberstadt nach Braunschweig. Das Familienunternehmen war durch den Krieg und die deutsche Teilung ruiniert.

    Der „Zuckerkönig" Carl Wentzel baute bei Eisleben seit der Jahrhundertwende ein vertikal verflochtenes agrarindustrielles Konglomerat auf. Dazu gehörten landwirtschaftliche Betriebe, Braun- und Steinkohlengruben, Kalkbrüche und Kalköfen, Tonwarenfabriken, Kalibergwerke, Zuckerraffinerien, Brennereien, Mühlen, eine Kartoffelflocken- und eine Malzfabrik.³³

    An Saale und Unstrut liegt das nördlichste Weinanbaugebiet Deutschlands, dessen wohl bekanntestes Markenerzeugnis bis heute der „Rotkäppchen"-Sekt ist. Dieser Schaumwein stammte aus den Kellern eines Familienunternehmens, das die Brüder Moritz und Julius Kloss mit ihrem Freund Carl Foerster 1856 in Freyburg an der Unstrut als Weinhandelsgeschäft gegründet hatten.³⁴

    Im Südosten des späteren Bundeslandes Sachsen-Anhalt war es die reichlich vorhandene Braunkohle, die seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert die industrielle Entwicklung antrieb. Auf der Grundlage der Paraffinerzeugung mittels Braunkohleverschwelung entstand zwischen Halle, Bitterfeld und Merseburg eine chemische Großindustrie, die vor allem während des Ersten Weltkriegs und im Zuge der Rüstungs- und Autarkiepolitik des Naziregimes starke Wachstumsimpulse erhielt. Für das Gedeihen von Familienunternehmen boten allerdings die großindustriellen Strukturen im mitteldeutschen Chemiedreieck keinen günstigen Boden.³⁵

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