Auf dem Boden der Tatsachen: 7 erfolgreiche Methoden systemischer Boden-Arbeit zur beruflichen Orientierung
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Über dieses E-Book
Eingebunden ist das Buch in den systemischen Kontext, den die Autorin beschreibt. Ein eigenes Kapitel widmet sie der Beraterhaltung, die sich insbesondere in der Achtsamkeit gegenüber dem Klienten, seinem Umfeld und sich selbst als Berater zeigt. Zudem schildert die Autorin die Vorteile der Arbeit am Boden, in der systemische Grundmethodiken wie Komplexitätsreduktion, Fokuserweiterung und Unterschiedsbildung fast automatisch funktionieren.
Kristin Schwemmle
Kristin Schwemmle ist seit 2006 als selbständiger Karriere & Familien Coach in München tätig. Ihre Arbeitsschwerpunkte liegen in der beruflichen Orientierung, im Coaching in den neuen Job und der Begleitung in der Selbständigkeit, sowie im Bereich Work-Life-Balance. Sie absolvierte ihre systemische Ausbildung im Odenwaldinstitut mit Zertifizierung durch die DGSF. Zudem verfügt sie über acht Jahre Berufserfahrung im Bereich Marketing und Change Management im Siemens-Konzern.
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Buchvorschau
Auf dem Boden der Tatsachen - Kristin Schwemmle
beleuchten.
Kapitel 1: Haltung des Beraters: Achtsamkeit und Zeit
Wenn Sie den Begriff Achtsamkeit definieren, dann werden Sie verschiedene Bedeutungen des Begriffs im Kopf haben, je nachdem welcher therapeutischen Schule Sie angehören oder ob Sie sich persönlich dem Buddhismus nahe fühlen. Ich möchte Ihnen an dieser Stelle meine Definition der Dimensionen von Achtsamkeit vorstellen, die den Fokus zum einen auf den Klienten richtet aber auch den Coach selbst beleuchtet.
Achtsamkeit des Coaches...
Abbildung 2: Dimensionen der Achtsamkeit, Grafik: K. Schwemmle
Achtsamkeit dem Klienten gegenüber hat für mich mehrere wichtige Dimensionen. Zunächst ist da die Achtsamkeit in Bezug auf die Geschichte des Klienten zu nennen. Achtsam meine ich hier im Sinne von achten, würdigen, respektieren. Ihr Klient kommt mit einem Paket von Sorgen und Nöten zu Ihnen. Diese einfach zu negieren, zu sagen Ja, ok, und wie schaut jetzt für Sie eine Lösung aus
halte ich für einen zu schnellen Ansatz und einen unwürdigen Umgang mit dem Problem des Klienten. Sicher, im Rahmen des lösungsorientierten systemischen Ansatzes gehen Sie davon aus, dass es keine linearen Ursache-Wirkungszusammenhänge gibt, also kein „wenn – dann. Mehr über das Problem zu wissen, ist nicht notwendig, da die Lösung nicht direkt damit zusammen hängt. Oder wie Albert Einstein sagte
Probleme kann man niemals mit derselben Denkweise lösen, durch die sie entstanden sind. Dennoch trägt der Klient sein Problem schon eine Zeit lang mit sich herum und möchte sein Paket vom Rücken nehmen und es vor Ihnen ausbreiten. Ihre Aufgabe ist es, das Problem zu würdigen, zu sagen, dass es für denjenigen schwer war/ist – ohne ihm in seiner Position Recht zu geben. Hier geht es einfach darum anzuerkennen, wie viel Energie es den Klienten gekostet hat, seine Probleme auszuhalten. Gehen Sie zu schnell in Richtung Lösung, dann geben Sie dem Klienten das Gefühl
warum bist du eigentlich wegen der Lappalie hergekommen, ist doch alles ganz einfach. Der Klient kann sich unverstanden und dumm fühlen – kein schönes Gefühl, wenn man jemandem sein Herz ausschüttet. Die Klientin einer Kollegin beispielsweise lamentierte erst einmal eine gute halbe Stunde, bevor sie an einer Lösung arbeiten konnte. Diese Klientin stammte aus Portugal. Die portugiesische Kultur ist geprägt von dem traurigen Gesang des Fados. Meine Kollegin interpretierte dieses Klagen in der Coachingsitzung deshalb als eine Art Fado, als Reminiszenz an den familiären und kulturellen Background der Klientin. Unter diesen Umständen also ein durchaus stimmiges Verhalten - auch wenn die Beraterin gerne schneller in die Arbeitsphase gekommen wäre. Ich bin zu der Überzeugung gekommen, dass nicht nur die Portugiesen erst einmal ein Klagelied, einen Fado singen müssen, um ihr Problem zu würdigen. Zudem können diese Problemgeschichten auch sehr wertvoll für den Coachingprozess sein. Sie bieten die Möglichkeit, auch die Ressourcen des Klienten herauszu finden:
Was hat Ihnen geholfen, das so lange auszuhalten?". Anders gesagt erhalten Sie in der Klage des Klienten und auch Informationen, die Sie für die Lösungsentwicklung nutzen können.
Achtsamkeit gilt auch in Bezug auf die Gefühle, die mit der Geschichte verbunden sind.
Nehmen Sie das klassische Eisbergmodell. Nur ein kleiner Teil des Eisbergs ist sichtbar, der größte Teil schlummert unsichtbar unter der Wasseroberfläche. Ähnliches gilt für Ihre Klienten. Diese erzählen ihre Geschichte, legen ihr Problem dar. Das ist der Teil, der über der Wasseroberfläche zu sehen ist. Der größere Teil des Eisbergs ist unter Wasser und repräsentiert die Emotionen, die mit der Geschichte zusammenhängen. Und da das Gehirn sehr stark optisch arbeitet, ist in der Tiefe des Bewusstseins ein ganzes Archiv an Filmstreifen von Teilgeschichten verborgen. Der Klient gibt davon jedoch nur eine grobe Zusammenfassung. In diesem Fall möchte ich Achtsamkeit gerne als behutsamen Umgang definieren, denn hier geht es darum, vorsichtig und umsichtig zu agieren. Sie wissen zunächst nicht, was sich noch unter der Oberfläche des Klienten befindet und riskieren ansonsten, dass der „Eisberg" in der Tiefe Risse bekommt.
Eine weitere Facette der Achtsamkeit sehe ich in Bezug auf das Wertesystem des Klienten. Die Art wie Ihr Klient seinen Fall erzählt, sagt viel über ihn und seine individuelle Sozialisation aus. Denn er schildert aus seiner Sicht, erzählt damit seine Wirklichkeitskonstruktion (siehe Kapitel theoretische Einbindung) und somit seine Weltsicht. Geprägt wird dieser individuelle Blickwinkel auf die Welt durch das Wertesystem der Familie und durch Erfahrungen im Laufe des Lebens.
Ich möchte an dieser Stelle eine Metapher zur Hilfe nehmen. Stellen Sie sich vor, dass jeder Mensch wie ein Sandstrand ist. Auf der Welt gibt es unzählige Sandstrände und keiner gleicht dem anderen. Denken Sie an die schwarzen Strände der kanarischen Vulkaninseln, die weiten Sandlandschaften der Nordsee oder die Kieselstrände Kroatiens. In unserem Urlaub auf Maui, liefen mein Mann und ich ein halbes duzend Strände entlang, die obwohl sie gleich nebeneinander lagen, nicht einmal die gleiche Sandstruktur aufwiesen. Jeder Strand hat seinen eigenen Charakter. Dennoch wird diese Einzigartigkeit auch von der Umgebung des Strandes geprägt. Diese Umgebung wirkt stets auf die Gestalt des Strandes ein, entweder auf natürlichem Wege, zum Beispiel durch die reine die Kraft des Meeres, oder auf künstlichem Wege, wenn mit Baggern Sand aufgeschüttet oder Wellenbrecher gebaut werden. Betrachten wir wieder unseren Menschen, so kommt er mit individuellen Eigenschaften auf die Welt und wird dennoch von seiner Umgebung geprägt, genau wie der Strand. Das Wertesystem, das die Landeskultur und die Familie prägt, wird auch auf den Mensch, der in diesem Klima aufwächst übertragen. Dieses formende Wertesystem war bislang so hilfreich für den Klienten, dass es ihn bis heute hat überleben lassen. Das heißt, er war in seinem sozialen Umfeld so gut angepasst, dass er akzeptiert war und Unterstützung durch die Gemeinschaft erhalten hat. Deshalb kann ein anderer Mensch dieses Wertesystem nicht bewerten. Zumal er seine Erklärungsmuster geprägt vom eigenen Wertesystem darauf anwenden würde. Für den Berater gilt es also die eigenen Bewertungen zurück zu stellen. Zudem ist es wichtig anzuerkennen, dass sich der Blick des Klienten auf die Welt durch einen langen Prozess entwickelt hat und nicht plötzlich zu ändern ist. Im Coaching geht es deshalb im Sinne der Metapher nicht darum den Nordseestrand nach Hawaii zu fliegen. Eine Lösung kann bedeuten, eine Verletzung oder Blockade zu bearbeiten oder einen Glaubenssatz aufzulösen. Also einen Rückbau von Bauwerken am Stand vorzunehmen oder mit einem Sieb auszusieben, was nicht an den Strand gehört – im Sinne von Freilegen der eigentlichen Natur des