Byzantinische Kunst
Von Charles Bayet
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Ausgestattet mit dem reichen Erbe der römischen, östlichen und christlichen Kulturen, entwickelten die byzantinischen Künstler eine architektonische und malerische, vom Symbolismus geprägte Tradition, die auch über die Grenzen des Reiches hinaus einen großen Einfluss ausübte. Italien, Nordafrika und der Nahe Osten schützen und erhalten heutzutage die antiken Überreste dieser anspruchsvollen künstlerischen Tradition mit all ihrer geheimnisvollen und verzaubernden Schönheit.
Die Pracht der Paläste, Kirchen, Malereien, Töpferwaren, Keramiken und Mosaiken dieser Kultur ist ein Garant für den großen Einfluss und die Zeitlosigkeit der byzantinischen Kunst.
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Buchvorschau
Byzantinische Kunst - Charles Bayet
Rom.
Einführung
Die byzantinische Kunst war immer wieder heftiger Kritik ausgesetzt und wurde dann doch wieder hoch gelobt. Lange Zeit hat man sich kaum mit ihr beschäftigt, ohne sie mit bissigen Attributen zu belegen; allein das Wort byzantinisch, ob es sich nun um Malerei oder Politik handelte, weckte sogleich wenig erfreuliche Assoziationen. Man war sich gemeinhin einig, dass damit eine Kunst bezeichnet wurde, die unschöne und anmutlose Gestalten geschaffen hatte und die, weil schon von Anfang an in Starre verfangen, weder Fortschritte machen noch sich verändern konnte.
Später haben ihr diejenigen, die der so Missachteten beistehen wollten, durch ihren Übereifer oft geschadet. Bevor noch klar festgelegt wurde, was unter byzantinischer Kunst überhaupt zu verstehen sei, glaubten diese allzu beflissenen Lobredner, den Einfluss dieser Kunst in beinahe allen Ländern und in allen Kunstwerken des Westens zu erkennen. Als der Begriff byzantinisch nicht mehr abwertend benutzt wurde, verlor er an Kontur und wurde mithin sehr dehnbar; ein jeder glaubte, ihn nach eigenem Belieben anwenden zu dürfen. So sah man nahezu die Hälfte aller Werke aus dem Mittelalter als byzantinisch an, und bei den übrigen versuchte man, wenigstens den Einfluss der griechischen Meister auszumachen. Auf diese Weise vereinnahmte man gleichsam alle Werke und ordnete sie Byzanz unter.
Eine solche Haltung musste Widerstand hervorrufen. In Frankreich, Deutschland und Italien bestanden die Kunsthistoriker darauf, dass der Westen, und zwar schon vor dem 12. und 13. Jahrhundert, eigene Schulen hatte, deren Einfluss man keinesfalls verkennen sollte. Diese neue Reaktion war etwas vehement und manchmal übertrieben. Manch italienischer Gelehrter wollte überhaupt keinen byzantinischen Einfluss mehr sehen. Einige von ihnen, die mit der Geschichte und mit der Kunst des Orients wenig vertraut waren, behaupteten sogar, dass die Voraussetzungen für die Entstehung der byzantinischen Kunst im 4. Jahrhundert aus Italien kamen.
Ein Aspekt muss hervorgehoben werden: Kritiker wie Verteidiger gehen oft gleichermaßen vor. Viele äußern sich über das Verhältnis zwischen der byzantinischen Kunst und den anderen Künsten, ohne sich vorher die Mühe zu machen, die einschlägigen Werke vor Ort zu studieren. Vielleicht sollte man das Wort byzantinisch, das unpräzise ist und so oft falsch benutzt wird, nicht verwenden und besser von der neu-hellenischen Kunst oder von der griechischen Kunst des Mittelalters sprechen. Es ist jedoch wenig sinnvoll, hier vom Usus abzuweichen, denn schließlich wird die Bedeutung eines Wortes durch seinen Gebrauch geprägt.
Haupt des Arkadius mit dem kaiserlichen Diadem,
Anfang des 5. Jh. Marmor,
Archäologisches Museum, Istanbul.
I - Die frühe byzantinische Kunst
(306 bis 843)
A - Die Entstehung eines neuen Stils (306 bis 527)
Am Anfang des 4. Jahrhunderts vollzog sich in der Geschichte des Christentums eine revolutionäre Veränderung: Die unlängst noch Verfolgten hatten urplötzlich die Gunst des Kaisers. Dieses Ereignis sollte einen tief greifenden Einfluss auf die Entwicklung der christlichen Kunst ausüben. Weithin sichtbar erblühten neue und reichere Formen der Kunst. Überall wurden Kirchen errichtet. In den Städten werden „… Erneuerungsfeste und die Weihe der neu errichteten Bethäuser gefeiert. Bischöfe kommen zusammen, aus fernen und fremden Ländern sammeln sich die Menschen, Volk grüßt in Freundschaft Volk", schreibt der zeitgenössische Kirchenhistoriker Eusebius (347 bis 419). Kaiser Konstantin (272 bis 337) selbst steht an der Spitze dieser Bewegung und stellt den Christen die Reichtümer des Staates zur Verfügung, damit immer mehr geweihte Häuser gebaut werden können.
Die Wandlung des antiken Byzanz in das neue Konstantinopel ist eines der bedeutendsten geschichtlichen Ereignisse. Sie hatte die Zweiteilung des alten Römischen Reiches zur Folge, die dann ganz unterschiedlichen Bestimmungen entgegen gingen. Konstantinopel wurde die Heimstatt einer glänzenden Zivilisation, in der sich die orientalischen Einflüsse mit dem Hellenismus vermengten. In dieser Hinsicht ist die geografische Lage äußerst günstig: Konstantinopel befindet sich gleichzeitig in Asien und in Europa, und in seinem groß angelegten und sicheren Hafen legen alle Schiffe an, durch die es in ständiger Verbindung sowohl mit den Regionen um das Schwarze Meer als auch mit allen Mittelmeeranrainern steht. Daher rührten sein Glanz, seine Reichtümer und der immense Einfluss, den die Stadt im Mittelalter ausübte.
Konstantins Entscheidung für Byzanz fiel im Jahre 324. In der Antike wurden bei Stadtgründungen bestimmte religiöse Riten befolgt. Die Geschichte von Romulus, der mit einer Pflugschar die ursprüngliche Umfassung Roms gezogen hat, ist bekannt. Ein Historiker des 4. Jahrhunderts berichtet, dass auch Konstantin, allerdings mit der Lanzenspitze, die Umwallung seiner neuen Hauptstadt zog; es hieß, er sei den Anweisungen eines ihm vorausgehenden Engels gefolgt. Die Arbeiten wurden so rasch vorangetrieben, dass nach dem Zeugnis eines Chronisten die Einweihung der Stadt bereits neun Monate später stattfand - aber natürlich kann eine Stadt ebenso wie eine Kirche noch vor ihrer Fertigstellung geweiht werden. Das Datum dieser Zeremonie ist überliefert: es war der 11. Mai 330. Die Umstände ihrer Erwähnung weisen auf die Rolle hin, die der Kaiser Konstantinopel zudachte: Es sollte eine christliche Hauptstadt sein, weshalb er den Bischöfen die Aufgabe übertrug, sie zu weihen. Darüber hinaus „… ließ er per Gesetz anordnen", so der Historiker Sokrates, „… dass es das zweite Rom genannt wurde. Dieses Gesetz wurde in eine Marmortafel gemeißelt, die neben der Reiterstatue des Kaisers auf dem Strategion aufgestellt wurde."
Bei der Anlage der neuen Hauptstadt bemühte sich Konstantin, Rom nachzueifern. Wie Rom hatte auch Konstantinopel sieben Hügel und war in vierzehn Regionen unterteilt, auch ein Kapitol gab es. Das als Augusteon bekannte große Forum war das ganze Mittelalter hindurch berühmt und existierte möglicherweise schon vor Konstantin, der sich damit zufrieden gab, es zu verschönern. Es war auf vier Seiten von einer Säulenhalle umgeben, in der Statuen untergebracht waren. Darunter befand sich eine Gruppe, die Konstantin und seine Mutter Helena zu beiden Seiten eines Kreuzes stehend darstellt. Dieser Typus ging in die Tradition des Orients ein und man findet ihn noch heute in Fresken und Stichen dargestellt. In der Zeitspanne zwischen den Kaisern Konstantin und Justinian (482 bis 565) nimmt die byzantinische Kunst Gestalt an.
Christus als segnender Herrscher, 4. Jh.
Opus sectile,
Museum in Ostia, Ostia.
Die christliche Architektur hat ihren Ursprung in der griechisch-römischen Architektur, in bestimmten Gebieten des Orients jedoch, vor allem in Syrien, hatte sie sich stark verändert: Durch die Aufnahme neuer Elemente war sie vielfältiger geworden. In den Ruinen von Baalbek (Libanon) und Palmyra (Syrien) ist dies gut zu erkennen: In ihrer Anlage, in der Ausrichtung der Hauptachsen und in ihrer Ausschmückung haben diese Gebäude ein ganz eigenes Aussehen. Als Erstes fällt auf, dass Bögen hier generell die geraden Linien und Arkaden die waagerechten Architrave verdrängen. Der neue Stil verbreitete sich rasch. Schon am Anfang des 4. Jahrhunderts befand sich in Dalmatien ein Palast, der sich an diese asiatische Architektur anlehnte, nämlich der Palast des Diokletian (um 245 bis 313), der während seiner gesamten Herrschaft dort residierte und sich erst nach seiner Abdankung nach Salone zurückzog.
Im byzantinischen Reich, so wie es sich nach dem Tod des Kaisers Theodosius (401 bis 450) präsentierte, sollte dieser neue Einfluss eine umso größere Wirkung haben, als die asiatischen Provinzen damals den Provinzen Europas durch ihren Reichtum und den Glanz ihrer Zivilisation weit voraus waren: Besonders in diesem Bereich zeigte sich der hellenische Geist noch lebendig und schöpferisch. Schon zu Konstantins Epoche waren die christlichen Architekten Asiens gegenüber Neuartigem sehr aufgeschlossen. Es finden sich zwar auch im Okzident Rundkirchen, im Orient jedoch scheint ihr Entwurf kühner zu sein; vor allem jene im antiken Antiocheia setzten die damaligen Zeitgenossen in Erstaunen.
Baptisterium, 458.
Marmor, Ravenna.
Der Gute Hirte unter dem Sternenhimmel, 5. Jh.
Mosaik, Mausoleum der Galla Placidia,
Ravenna.
Der Gute Hirte (Detail), 5. Jh.
Mosaik, Mausoleum der
Galla Placidia, Ravenna.
Die Tetrarchen: Diokletian, Maximian,
Constantinus Chlorus und Galerius, 4. Jh.
Porphyr, Südseite von San Marco in Venedig.
Von diesem Gebäudetyp sieht man heute auf dem Gebiet des ehemaligen byzantinischen Reiches nur noch ein gut erhaltenes Monument, allerdings befindet es sich nicht in Asien, sondern in Thessaloniki: Es handelt sich um eine Rotunde mit einem Durchmesser von 24m. In die dicke Mauer sind sieben gewölbte Kapellen eingelassen; eine achte ist breiter, liegt dem Haupteingang gegenüber und bildet eine 19,37 m lange, der Umfassungsmauer außen vorgelagerte Apsis. Ursprünglich war diese Kirche vermutlich das Mausoleum des Kaisers Galerius (um 250 bis 311).
Man stößt schon sehr früh auf die Versuche, die zum System der Kuppel auf Pendentifen führen. In der Doppelstadt Ktesiphon und in Seleukeia (Irak) erkennt man den Aufbau der Kuppel auf einer quadratischen Grundfläche. Spuren dieses Geistes der Erneuerung finden sich in Monumenten, die man heute noch sehen kann, wie etwa die seit 1988 zum Weltkulturerbe der Unesco gehörende Kirche Sankt Demetrios (Agios Demetrios) in Thessaloniki mit ihrer fünfschiffigen Basilika.
Im Allgemeinen entspricht der Grundriss dem einer Basilika mit Atrium und Narthex, im Inneren befinden sich jedoch zwei übereinander liegende Emporen, von denen die höhere um die ganze Kirche herumgeführt wird, selbst über dem Narthex. Hier wird nicht der Architrav eingesetzt, sondern der Bogen und die Kapitelle nehmen bereits ganz eigenwillige Formen an. Sie entsprechen zwar immer noch dem antiken Muster, sie verändern es