Über dieses E-Book
Mit drastischen Mitteln spioniert sie ihm nach und fängt an, ihr eigenes Leben zu erkunden. Was bedeutet ihr die Freundschaft zu ihrer ehemaligen WG-Mitbewohnerin Lena? Welcher Sex macht ihr eigentlich Spaß? Als »Frau Fünf« lotet Mirjam nach und nach ihre Grenzen neu aus und gerät dabei in einen Strudel aus Slapstick und Grauen.
Juliane Baldy spielt in ihrem zweiten Roman gekonnt mit Klischees und Rollenbildern und erschafft eine Erzählerin, die mit zahlreichen Tabubrüchen noch lange im Gedächtnis bleibt.
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Buchvorschau
Frau Fünf - Juliane Baldy
1
»Machs gut, Mirjam.«
Martin steht mit seiner Aktentasche im Flur.
»Hast du alles?«
»Lass das. Bitte.«
»Was denn? Ich will nur sichergehen, dass du nicht wiederkommst.«
»Trennungen sind nicht logisch.«
»Du gehst, ich bleibe. Was daran ist nicht logisch?«
»Es war eine schöne Zeit. Mit dir.«
»Arschloch. Eine schönere wirst du mit deiner Bumse nicht haben.«
»Wir wollen uns doch zivilisiert verabschieden.«
»Arschloch. Du kriegst sowieso keinen hoch. Hau ab.«
»Mirjam.«
»Schlappschwanz.«
»Mirjam. Bitte.«
»Das wollte ich dir schon immer sagen. Du kannst es einfach nicht. Mit deinem Knick da. Du kannst einfach nicht bumsen.«
»Mirjam. Ich gehe. Jetzt.«
»Mit deinem kleinen Pimmel. Hau ab. Hau ab! Mach das Brett zu!«
Sie schmeißt ihm die Tür hinterher. In den Rahmen. Ins Schloss halt. Jetzt brüllt sie. Die Mirjam. Es knallt. Der scheiß Hirsch¹ ist von der Wand gefallen.
Sie rennt (so schnell man eben mit einem Hirschgeweih rennen kann) die Treppen runter. Martin fährt gerade los. Sie brüllt: »Nimm deinen scheiß Hirsch mit, du Pimmelversager! Ich bin noch nie, NIE, gekommen!«
Mit quietschenden Reifen biegt das Auto um das Polizeirevier. Ein Polizist schnippt seine Kippe weg.
»Knickpimmel! Hau ab! Ich will dich nie wieder sehen! NIE WIEDER! HAU AB!«
Mirjam schließt die Wohnungstür, ohne sich zu versichern², dass sie geschlossen ist. In nur zwei Stunden hat der Martin seine Möbel, Kästen und Kartons aus der Wohnung tragen lassen. Mirjam hatte die meiste Zeit im Weg gestanden und Martin immer wieder gefragt, ob es hackt, ob es sein Ernst, ob das alles ein schlechter Scherz sei.
Jetzt kann sie die Tränen nicht mehr zurückhalten. Sie zittert so sehr, dass sie sich auf den Boden legen muss. Eduard schaut sie mürrisch an. Arschloch. Dieses Vieh wiegt bestimmt zehn Kilo. Die Alleingelassene schreit ihn an, als wären sie zwei Kinder im Sandkasten und als hätte er ihr gerade die Schaufel geklaut oder sie vom Klettergerüst gestoßen. Ihre Oberarme krampfen.
Sie robbt ins Wohnzimmer. Der Boden ist kalt. Martin hat das flauschige Heidschnuckenfell mitgenommen. Vor sieben Monaten hatte er den ganzen Boden abschleifen lassen. Seither glitzern die Dielen so schön im Sonnenschein. Mirjam streichelt das Sofa. Sie wünscht sich nichts mehr, als dass ihr jemand grob die Schnute putzt oder ihr wenigstens ein Taschentuch reicht. Oder eine Rasierklinge. Oder Schlaftabletten. Am besten beides. Er wird sehen, was er angerichtet hat.
Fast ein Jahrzehnt geopfert, die Jugend, das Leben, die Zukunft, immer nur du du du. Aber zum Eier kraueln war die Dumme gut genug. Mutter Mutter Mutter. Zu seiner Mutter. Für so dumm hält er sie. Nie im Leben würde er seinen faulen breitgesessenen Arsch freiwillig aus dieser Bude bewegen, wenn nicht eine andere auf ihn warten würde. Der wird sich noch umgucken, was passiert, wenn die ihn beim Pornoglotzen erwischt, elender Bock! Er wird sich noch zurücksehnen. Arschloch.
Mirjam hievt sich hoch, bevor die Rotze auf den schönen Dielenboden tropfen kann, und schleicht durch die Wohnung, als wäre sie ein Gespenst – ganz leise (bis auf das Dielenknarren), ganz langsam, ganz allein.
Die Wohnung sieht aus wie ein Möbelhaus. Wo noch so viel Platz ist in all den Schränken. Die Wände sind bis auf das auf Leinwand gezogene Foto vom Gardasee-Urlaub³ im Schlafzimmer leer. Ein Quantum Trost könnte die Mirjam jetzt auch gebrauchen. Großflächige rechteckige Schatten erinnern an die Bilder, die Martin hat wegtragen lassen. Sogar seine in der letzten Ecke des Flurschranks verstaute Fußball-Bilder-Sammlung⁴ hat er mitgenommen.
Er muss den Auszug länger geplant haben, als er vorgegeben hat. Die Sau. Er hat all die Kästen und Kartons heute Morgen schneller gepackt, als ein normaler Mensch eine Tasche für einen Ausflug zum See⁵ packen könnte. Mirjam konnte gar nicht so schnell mitzählen, wie er die Möbelpacker anleitete, ein Möbelstück nach dem anderen aus ihrer Wohnung zu tragen. Arschloch.
Der Toaster steht noch auf der Anrichte in der Küche. Er liebt diesen Toaster. Vielleicht hat er vergessen, dass er ihn bezahlt hat. Hinter den Konservendosen findet Mirjam eine Schachtel Zigaretten. Findet stimmt nicht. Sie hat die Schachtel selbst dort versteckt. Das Rauchen aufgeben – für Ihre Lieben weiterleben. Sie starrt die Schachtel an. Es wird keine Lieben mehr geben in ihrem Leben. Um sie herum ist nichts, was Trost spenden könnte. Der Tisch – ein toter Baum. Wie gnädig, dass er ihr wenigstens den samt Freischwingern gelassen hat. Die Fruchtfliegenfalle – der Inbegriff von Vergänglichkeit. Die verkümmerte Basilikumpflanze – ein Musterbeispiel für Martins Desinteresse.
Mirjam zündet sich eine Zigarette an. Plötzlich funkelt es in ihrem Kopf. Sie darf das. Sie muss nicht mehr heimlich rauchen, auch nicht mehr lüften. Sie darf machen, was sie will. Sie ascht in die Kaffeetasse, aus der er heute Morgen noch getrunken hat.
Ein hässlich helles Rechteck auf der Arbeitsplatte blendet die versonnene Raucherin. Da hat der Brotkasten⁶ gestanden. Vielen Dank. Für gar nichts. Arschloch.
Den Brotkasten hatte Martins Mutter ihnen beiden vor zwei Jahren zu Weihnachten geschenkt. Was bitte will er mit einem Brotkasten, wenn er den Toaster nicht mitnimmt? Er muss sehr durcheinander gewesen sein. Er hat sich nichts anmerken lassen. Das konnte er schon immer gut – so tun, als ob er alles unter Kontrolle hätte.
Der Zigarettenrauch brennt in Mirjams Augen. Sie zieht noch einmal an der Zigarette, will sich beweisen, dass sie rauchen KANN, wenn sie denn rauchen WILL, und muss husten.
Fucking NICHTS ist, wie sie will. Sie zieht wie verrückt an dieser Scheiß-Filter-Zigarette, bis sie nicht mehr husten muss, dann drückt sie sie aus. Ihre Unterlippe zittert immer noch. Sie schaukelt vor und zurück und versucht zu denken, zu verstehen. Doch da passiert nichts. In ihrem Kopf. Sie starrt das helle Rechteck auf der Arbeitsplatte an, hält sich die Hände vors Gesicht, öffnet die Augen, lugt durch die Finger, immer noch weg. Der Brotkasten. Der Martin. Einfach weg.
1 Eduard. Einst von Martins Urgroßonkel in Kup, Polen (ehemals Schlesien), geschossen und von seinem Großcousin präpariert. Großcousin Eduard Friedrich Josef Mozigemba (1895–1987). Präparator in Brynica. Nebenberuflich Blaskapelle.
2 Rütteln, drücken, ziehen, drücken.
3 Der Panoramablick von ihrer Hotelterrasse. Drei Jahre her. Ein Sommer am Gardasee . Eine schöne Reise auf den Spuren von Craig. Daniel Craig.
4 Panini EM 1992. Jürgen Kohler, der beinharte Hund.
5 Wechselsachen, Sonnencreme, Mückenspray, Wasser, Taschentücher, Desinfektionsspray, Taucherbrille, Schwimmnudel, Handtuch, Ohrstöpsel, Leinentuch, Water-Bag.
6 Walnussholz.
2
Drei Tage bleibt Mirjam im Bett und ordnet ihre Gedanken. Im Liegen kann sie am besten denken. Sie schläft kaum und versucht, jeden noch so schmerzhaften Grund für seinen Abgang in Erwägung zu ziehen, sich möglichen Ursachen zu stellen und für den Fall, dass sie richtig liegt, eine Strategie zu entwickeln, die Auslöser und Auszug vergessen macht, ihr Leben wieder in Ordnung und Martin zurückbringt. Der das nicht ernst gemeint haben kann, dass sie sich schon lange nicht mehr verstanden haben. So ein Quatsch.
Was heißt verstanden haben.
Vielleicht hätte sie beim letzten Abendessen mit den Hohenhochhausens von und zu Schlechtberg Altertum, deren Vorfahren vormalig, 12. Jhdt. nach Christi Geburt, über ganze ACHT Jahre Besitzer einer mittlerweile abgebrannten Trutzburg im Burgundischen gewesen waren, kurz: Tim und Struppi¹, nicht so energisch werden sollen – auch wenn Mirjam nicht weiß, was, wenn nicht ein Rotweinfleck auf einer fliederfarbenen SEIDENbluse, ein guter Grund für einen hysterischen Anfall wäre. Vielleicht hätte sie es sich sparen sollen, halbnackt zum Auto zu laufen, und die Panik, dass der Fleckenteufel zu spät zum Zuge kommen könnte, nicht so deutlich zeigen sollen. Vielleicht hätte sie letzten Mittwoch das Es reicht, Mirjam ernst nehmen sollen, als sie sich wieder über seine viel zu volle Kaffeetasse lustig gemacht hatte. Vielleicht hätte sie nicht SO schreien dürfen. Vielleicht hätte sie das mit dem Knickpimmel besser für sich behalten sollen. Vielleicht vielleicht vielleicht. Wie leicht lässt sich das jetzt im Nachhinein sagen. Es funktioniert einfach nicht mit uns. Arschloch.
Was, wenn er wirklich nicht wiederkommt.
Nie wieder in ihr kommt.
Das war doch schön gewesen. Das weiß er doch. VIELLEICHT denkt er wirklich, dass seine Partnerin, seine Vertraute, seine Liebe nicht mehr glücklich war, dass sie keine Freude mehr hatte an seinem Knickpimmel. Das stimmt aber nicht. Ja, sie hätte ihm mehr, öfter, deutlicher zeigen müssen, dass das schon seine Richtigkeit hatte mit ihm, dem Martin, und der Mirjam.
Das Handy liegt jetzt da, wo Martin (genauer: sein Kopf) noch die Nacht vor seinem Auszug gelegen hatte. Mirjam hatte damit gerechnet, dass er auf dem Sofa schlafen würde. Doch er hatte sich so selbstverständlich neben sie gelegt, dass sie zu der Überzeugung gekommen war, dass der nächste Tag ein guter, seine Entschuldigung eine sehr emotionale und ihre Vergebung der Anfang einer ganz neuen Phase von Zweisamkeit werden würde. Selbstverständlich hatte sie ihn nicht berührt. Zu so später Stunde waren ihm Zärtlichkeiten zuwider. Jetzt schwant ihr, dass er wohl nur Angst um seinen Rücken gehabt haben wird.
Sie kontrolliert alle paar Minuten, dass das Handy wirklich griffbereit, geladen und laut gestellt neben ihr liegt. Natürlich nimmt sie ihr mobiles Telefon unter normalen Umständen nicht mit ins Bett. Das ist ungesund. Und macht dumm. Aber unter normalen Umständen würde der Martin neben ihr liegen und sie müsste nicht auf eine Nachricht, einen Anruf oder eine E-Mail von ihm warten.
Martin ruft nicht an. Kein Zeichen von ihm. Also hat die Zurückgelassene keine Wahl, als selbst eins zu setzen. Ich kann nicht weiterleben. Ohne dich.
1 Die Martin regelmäßig treffen wollte, der felsenfesten Überzeugung, dass sein Weg noch weit nach oben hinaus gehen würde, wenn er nur die richtigen Kontakte pflegte.
3
Es klingelt an der Tür. Sie weiß nicht, was sie jetzt tun soll. Allein zu Haus. Und es klingelt an der Tür. Die man doch nicht einfach so aufmachen kann. Wenn man nicht mehr am Leben ist.
Noch ein KLIRR. Die Türklingel müsste Türklirre heißen, so wie es scheppert und klirrt und einem das Herz in die Hose rutscht. Mirjam hatte sich nicht daran gewöhnen können und den Martin so oft gebeten, etwas dagegen zu tun. Gegen dieses KLIRR. Er hatte es oft versprochen. Und nichts unternommen.
Und schon wieder.
KLIRR.
Mirjam setzt sich auf. Sie ist schweißgebadet. Ihr Herz pocht. Was ja erstmal gut ist. Sie lebt. Noch. Doch, es pocht so schnell und so laut, dass die Lunge schmerzt. Sie kann in diesem Zustand nicht klar denken. Sie versucht es. Denkt an Martin. Sie denkt an die Großmutter. An seine. Und die Kommode im Flur. Die mal ihr gehörte. Und auf der jetzt der Schlüssel vom Martin liegt. Sein Schlüssel. Natürlich! Wer soll denn sonst EINFACH SO unangemeldet, zu ihr, vor der Tür, das muss DER MARTIN sein. Um sie zu retten. Sicherlich. Wer sonst.
Damit hat Mirjam nicht gerechnet.
Sie steht auf. Soll er doch sehen, was er angerichtet hat. Soll er sich das doch ganz genau anschauen. Den Rücken (krumm gelegen), die Augen (geschwollen geweint), die Nase (blutig geputzt), sein letztes Hemd (zugrunde geschwitzt). Sie kann nicht so schnell laufen, wie sie mittlerweile möchte. Wer rastet, der rostet. Zum Glück klirrt es noch einmal. Und da klopft es sogar.
»Wenn ich die Tür jetzt aufmache, dann nur, wenn du vorhast, dich zu entschuldigen.«
Mirjam reißt die Tür auf.
Lena.
Da steht die Lena.
»WENN DA EINER NICHT AN SEIN MOBILES TELEFON GEHT, WENN DA EINER NICHT REAGIERT AUF HERZCHEN-EMOJI-BOMBARDEMENTS, DANN WILL DA WER MIT AN SICHERHEIT GRENZENDER WAHRSCHEINLICHKEIT NICHT REDEN!«
»Mirihi. Och. Süße. Du. Komm. Ach. Komm mal her.«
Und schon kann sich Mirjam nicht mehr bewegen. Lena war (wieder mal) schneller und hat sie gepackt, die Arme um sie geschlungen, als wäre sie ein prall gestopfter Teddybär, in den man seine Klauen hacken kann, ohne dass er weint. Doch Mirjam weint. Lena irritiert das nicht. Sie lässt weder los noch locker.
»Lass es raus. Mirihi. Ist gut. Alles ist gut.«
Nichts ist gut. Vater unser im Himmel. Schuldigern. Himmel. Erde. Mirjam erinnert sich nicht an den genauen Wortlaut. Sie weiß nur, und das weiß sie von Martin ganz genau, dass, wenn einer einen anderen über die Dauer eines Vaterunsers festhält und dieser andere das nicht will, es Freiheitsberaubung ist.
Jetzt fängt Lena auch noch an zu tatschen und zu patschen.
»Sch. Sch. Sch.«
»Ich bin kein Teddybär. Lass das.«
Lena hört beleidigt auf mit der Freiheitsberaubung, dreht sich um, tritt ins Treppenhaus. Doch bevor Mirjam die Tür hinter ihr zuknallen kann, steht Lena wieder vor ihr. Einen Jutebeutel in der Hand.
»Ja, was hat die Lena heute in den Beutel gepackt? Guck guck.«
Sie legt den Jutebeutel in ihre Arme, als wäre ein Säugling darin, schunkelt ihn hin und her, »Sch Sch, ja guck, wir kriegen die Mirihi wieder hin. Nicht wahr, ja schau, ja schau«, und huscht mit dem Beutelkind in die Küche.
»Ich habe vorgekocht. Spitzkohl und Walnüsse. Eieiei, was ist denn hier passiert? Hat der wirklich seine Sachen gepackt.«
Mirjam bleibt im Flur stehen. Da ist ein Riesenratscher auf dem Boden. Eduard. Hätte Martin ihn mitgenommen, wäre er nicht von der Wand gefallen und sie hätte ihn nicht hinterhertragen, -wuchten, -hieven müssen und hätte ihn anschließend nicht fallengelassen vor Erschöpfung. Hätte hätte hätte. Sie hätte ihn auf dem Gehweg verrotten lassen sollen.
Mirjam hört, wie Lena das Fenster in der Küche kippt und Flaschen in den Kühlschrank räumt. Hallo? Dann hört sie Geschirr klappern.
»MIR IST NICHT NACH GEMÜSEPFANNE.«
Doch Lena hört sie nicht. Oder sie ist so frech, Mirjam in IHRER EIGENEN WOHNUNG zu ignorieren. Lena konnte das noch nie. Sich benehmen. Wie oft hatte Mirjam mit hochrotem Kopf in Restaurants gesessen, entschuldigend und leidend den armen Kellner angeblickt, dass er doch bitte bitte verstand, dass sie nichts dafür konnte, sie die Frau gar nicht kannte, wenn der Lena das Fleisch zu durch, die Pizza zu undurch, die Milch zu kalt, die Suppe zu heiß, der Gin Tonic zu stark, der Espresso zu schwach war. Lena fand immer irgendetwas oder irgendwen, an dem sie was aussetzen konnte.
»Mirihi, wir warten auf dich«, sagt der Topflappenhandschuh, der seine Schnute aus der Küchentür steckt. Doch sie ist ja nicht blöd. So leicht lässt sie sich nicht um den Finger wickeln. Da kann die Lena die Früchte ihres Spielen-ohne-Spielzeug-leicht-gemacht-Workshops an den Nagel hängen. Mit ihr nicht.
»Mirihi. Schau dich an. Du willst das nicht. Ich weiß das. Pscht. Ich kenne dich, Mirihi. Du brauchst jetzt ein heißes Bad. Dann gibt es Happa Happa. Und dann sieht die Welt schon ganz anders aus. Keine Widerrede. Abmarsch.«
Mirjam will sagen, NEIN, will nein SCHREIEN, sie will LENA anschreien, dass das ihre Wohnung ist, ihr Leben, dass sie verschwinden soll, und nie wiederkommen. Doch Mirjam hört schon Wasser laufen. Und ist angewidert, dass Lena sicher davor die Wanne nicht abgespült hat.
Lena hatte schon immer eklige, widerliche Anwandlungen, die
