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Das perfekte Leben
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eBook380 Seiten5 Stunden

Das perfekte Leben

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Über dieses E-Book

Heather hat Glück gehabt. Sie hat ein schönes Haus, eine glückliche Ehe mit James Jessop, zwei Söhne, Ben und Harry – und sie hat gerade im Lotto gewonnen. 29 Millionen Pfund!
 
Natalie hat nie richtig mithalten können, aber sie ist endlich in einer Beziehung, mit Nick. Sie ist mit Heather befreundet, seit sie in der Schule gemobbt wurden. Aber wird Heathers neue Glück ihre Freundschaft verändern?
 
Das komfortable Leben der Jessops löst sich im Chaos auf. Heather erhält plötzlich anonyme, hasserfüllte Nachrichten. Sie bittet Natalie, mit ihr nach Spanien zu entfliehen, zusammen mit einigen anderen engen Freunden. Doch abseits des Rampenlichts in London wird es immer schlimmer. Dann geschieht das Undenkbare, und Heather erkennt, dass sie niemandem vertrauen kann.
 
Nicht einmal ihrer besten Freundin. Nichts wird je wieder so sein wie zuvor.
 
Die von den Medien gefeierte Autorin Susanna Beard hat mit dieser bedrohlichen, spannenden Geschichte über Eifersucht und Misstrauen die Grenzen des psychologischen Thrillers neu abgesteckt.
 
__
 
"Eine intensive Spannung, die sich immer weiter aufbaut, bis zu einem elektrisierenden Ende." Kirsten Hesketh
 
"Wortgewandt und fesselnd – eine beeindruckende Leistung." Shelley Weiner
 
"Susannas gefühlvoller und zum Nachdenken anregender Roman hat mir gut gefallen – ein mitreißender Thriller." Sam Carrington
 
"Wortgewandt und fesselnd – eine beeindruckende Leistung." Shelley Weiner
 
"Ein Psychologischer Thriller, der Sie auf Trab hält." Goodreads–Rezension
 
---
 
Die Thriller-Autorin Susanna ist fasziniert von menschlichen Beziehungen. Überall, wo sie hinkommt, beobachtet sie Menschen und findet Material für ihre Texte. Trotz ihres Lebens als Schriftstellerin hat sie eine abenteuerliche Ader und ist in Australien mit Walhaien geschwommen, in den französischen Alpen in eine Gletscherspalte gestürzt und durch die Kanalisation von Brighton gelaufen – allerdings nicht in dieser Reihenfolge.
SpracheDeutsch
HerausgeberJentas
Erscheinungsdatum3. Juli 2024
ISBN9788742820445
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    Buchvorschau

    Das perfekte Leben - Susanna Beard

    Das perfekte leben

    Das perfekte leben

    Das perfekte Leben

    © Susanna Beard 2020

    © Deutsch: Jentas A/S 2024

    Titel: Das perfekte Leben

    Originaltitel: The Perfect Life

    Übersetzung: Marietta Winkler von Mohrenfels, © Jentas A/S

    ISBN: 978-87-428-2044-5

    Published by arrangement with Joffe Books Ltd. and Lorella Belli Literary Agency Limited

    ---

    Für Caroline

    DANKSAGUNG

    Ein herzliches Dankeschön an Caroline und Tim Plumptre, die mir die wunderschöne Stadt Zahara de los Atunes in Südspanien nahegebracht haben. Ich bin so dankbar für eure Gastfreundschaft – und eure unendliche Geduld angesichts all meiner Fragen.

    An alle Leser meiner Werke im Entstehungsprozess, insbesondere Judy Jones, die einen Blick dafür hat, was nötig ist, um meine Bücher zu verbessern, und die Geduld, mehrere Entwürfe zu lesen.

    Ich bin Sophie Hannah und ihrem fantastischen Dream-Author-Programm sehr dankbar, das mich dazu inspiriert hat, das Buch so gut wie irgend möglich zu schreiben.

    Vielen Dank an meinen Verleger Jasper Joffe, dass er mein Buch angenommen hat, und an Emma Grundy Haigh, Commissioning and Managing Editor bei Joffe Books, für ihren ermutigenden Enthusiasmus und ihre Unterstützung meiner Bücher. Vielen Dank auch an alle anderen Mitarbeiter von Joffe, die an dieser Geschichte mitgearbeitet haben.

    Und an alle meine Leser: Danke fürs Lesen!

    KAPITEL EINS

    Heather

    Sie weiß sofort, dass etwas im Busch ist, als sie den Ton hört, der eine eintreffende SMS ankündigt. Er hat eine ganz neue Schärfe: eindringlich, metallisch, wie ein Warnsignal. Sie spürt seine Energie, sein Klang aus zwei Einzeltönen schwebt in der Luft und fordert Aufmerksamkeit.

    Sie trocknet sich die vom Spülen nassen Hände ab und geht quer durch den Raum zur Arbeitsplatte, auf der ihr Handy liegt. Sie starrt einen Moment lang auf das Display und versucht, das Gefühl von Schwere in ihrem Bauch zu ignorieren.

    Hallo Heather, wir haben am Samstagabend ein paar Leute zum Essen eingeladen – habt ihr Lust, dazuzukommen? Nichts Formelles, nur ein entspannter Abend. Ab 20:00 Uhr. Wir würden uns freuen, euch zu sehen! Victoria und Andrew x

    Sie holt sich einen Stuhl vom Küchentisch, auf dem noch die Reste des Familienfrühstücks verstreut sind, lässt sich darauf nieder und starrt auf das Display. Es klingt harmlos. In jeder Hinsicht eine positive Botschaft, unschuldig und freundlich. Aber ihr Magen krampft sich trotzdem zusammen.

    Das Misstrauen, ihr neuer bester Freund, hebt warnend den Finger und zwinkert ihr wissend zu.

    Ihr kommt nur eine Victoria in den Sinn. Diese Frau, die nie Vicky, sondern immer Victoria heißt, ist die Mutter von Alex, einem Freund ihres älteren Sohnes Ben, der schon oft in ihrem Haus war, um sich in der dunklen, geheimnisvollen Zelle aufzuhalten, die Ben Schlafzimmer nennt. Der Ehemann von Victoria heißt Andrew. Niemals Andy.

    Sie wohnen im schicken Stadtteil Hammersmith, wo sich kleine Restaurants und Delikatessenläden Tür an Tür befinden. Ein friedlicher Zufluchtsort, nicht weit von der Hektik ihrer eigenen Straße entfernt, eingezwängt zwischen Shepherd‘s Bush Green und White City. Sie haben sich nur ein- oder zweimal am Rande des Fußballplatzes der Schule getroffen.

    Sie erinnert sich, wie sie neben Victoria im Regen stand. Ihre Regenschirme berührten sich, während sie Smalltalk machten und so taten, als würden sie sich amüsieren. Die Frau hatte genau das Richtige an: Lederreitstiefel, einen langen Regenmantel, einen schicken Hut und den größten Regenschirm, den Heather je gesehen hatte. Heather hingegen war vollkommen falsch gekleidet: Ihre Schuhe waren undicht, ihr Mantel hatte keine Kapuze, ihr Regenschirm war ein Fünf-Pfund-Schnäppchen und ließ sich nicht richtig aufspannen. Neben dieser Frau mit ihrem makellosen Make-up und dem dicken, dunklen Pferdeschwanz fühlte sie sich plump und unbeholfen, wie ein Landei neben einer Mode-Ikone.

    Auch ihre sozialen Fähigkeiten waren der Situation definitiv nicht gewachsen. Victoria, die feststellte, wie nah ihrer beider Wohnungen beieinander lagen, hatte gefragt, ob Heather und James schon in dem neuen schicken Restaurant am Ende ihrer Straße gewesen waren. Das waren sie nicht, und es war auch offensichtlich, dass Heather noch nie davon gehört hatte. Victorias Augenbraue zuckte ein wenig nach oben. Heather fühlte sich gedemütigt und brachte für den Rest des Tages kein Wort mehr heraus.

    Aber das war schon vor Monaten. Vorher.

    Sie lässt das Misstrauen zu. In ihrer Situation ist es durchaus klug, vorsichtig zu sein.

    Sie liest die Nachricht noch einmal und versucht, sich an den Nachnamen der Frau zu erinnern. Doch weder kann sie sich an ihn erinnern noch daran, ob sie ihn jemals gekannt hat. Außerdem, und das ist noch viel wichtiger, haben nur Heathers engster Freundeskreis und ihre nächsten Verwandten ihre Handynummer.

    Die Schule hätte sie sicher nicht herausgegeben. Vielleicht hat Victoria ja ihren Sohn gebeten, sie sich von Ben geben zu lassen, aber auch das wäre ein seltsames Vorgehen. Ein großer Aufwand, um eine Frau zu erreichen, mit der sie einmal im Regen gesprochen hat. Es war nicht einmal ein gutes Gespräch gewesen.

    Sie wird James nicht wegen etwas so Trivialem stören. Sie tippt eine unverbindliche Nachricht ein, so neutral es ihr möglich ist: Ich danke Ihnen für die freundliche Einladung. Ich werde heute Abend mit James sprechen und Ihnen Bescheid geben. H. Sie zögert mit der Unterschrift. Die Frau hat sogar einen Kuss geschickt – nun, sie denkt gar nicht daran, einen zurückzuschicken. Sie kennt sie schließlich kaum.

    Seufzend schaltet sie das Telefon auf lautlos.

    * * *

    Sie wandert ziellos in der Küche umher und überlegt, ob sie etwas essen soll. Aber sie ist eigentlich nicht hungrig, und sie könnte das genauso gut nutzen und sich die Kalorien für später sparen.

    Ihr Laptop ist immer noch aufgeklappt, als würde er auf Anweisungen warten. Sie spürt, wie sich die Muskeln in ihrem Kiefer anspannen, als sie auf den Link zu Facebook klickt. Sie zuckt zusammen und starrt überrascht auf den Bildschirm. Vierzehn Freundschaftsanfragen.

    Heather ist kein großer Fan von Facebook oder anderen sozialen Medien. Zunächst einmal hasst sie es, über sich selbst zu sprechen, und kann sich nicht vorstellen, warum sich jemand für ihre Ferien oder ihr gestriges Abendessen interessieren sollte. Der einzige Grund, warum sie sich überhaupt damit abgibt, ist eine örtliche An- und Verkaufsgruppe, die sehr nützlich sein kann, um alte Spielsachen und Geräte loszuwerden. Seit die Jungs klein waren, fühlt sie sich wie in einer endlosen Tretmühle: Kindersachen kaufen, verkaufen, kaufen und wieder verkaufen. Manchmal fragt sie sich, wie viel Geld sie im Laufe der Jahre für ihre Kinder ausgegeben haben. Es muss ein kleines Vermögen sein.

    Um der Gruppe beizutreten, musste sie ein Profil erstellen, was sie auch getan hat. Ihre wenigen Freundinnen und einige Mütter aus der Grundschule hatten sich mit ihr vernetzt, sodass sie insgesamt etwa vierzehn Kontakte hatte.

    Sie hat sich noch nie eingehend mit Facebook befasst und schreckt schon vor dem Gedanken daran zurück. Obwohl sie weiß, dass es darum geht, sich in den sozialen Medien zu präsentieren, um zu sehen und gesehen zu werden, fühlt es sich irgendwie falsch an, Fremde zu beobachten, zu sehen, was sie in ihrer Freizeit tun, ihren Gesprächen zu folgen. Aber das hier ist wichtig. Sie muss herausfinden, was da los ist.

    Sie überprüft die Profile der Leute, die ihre „Freunde" sein wollen. Ein Soldat des US-Militärs, der in Connecticut stationiert ist – wie bitte? Sie lehnt die Anfrage ab. Ein gutaussehender Mann namens Jake, dessen einzige Information eine Reihe von Fotos von ihm selbst ist: Er zeigt sein Sixpack, auf einer Yacht in Shorts und T-Shirt, dann in Radfahrerkleidung, seine Sonnenbrille reflektiert eine Berglandschaft. Er sieht wie etwa fünfunddreißig aus. Ernsthaft? Dann eine ominöse Anfrage von einer Jennifer Carter, ein Name, der ihr irgendwie bekannt vorkommt. Heather sieht sich das Foto an, erkennt die Frau aber nicht und scrollt dann weiter nach unten. Als Heimatort der Frau ist Cheltenham angegeben, und sie war auf demselben Gymnasium wie Heather.

    Sie klickt auf „Ignorieren" und geht weiter, wobei ihr Unbehagen von Minute zu Minute wächst. Es gibt drei weitere Anfragen von Frauen, mit denen sie in Cheltenham zur Schule gegangen ist, von denen ihr aber keine bekannt erscheint. Der Rest sind Leute, von denen sie noch nie etwas gehört hat, aber sie leben in London, und den Fotos nach zu urteilen haben sie Kinder im gleichen Alter wie sie. Auf einem dieser Profile sieht sie die Bilder ihrer Freunde und findet eine Person, mit der sie eine Freundin gemeinsam hat. Victoria Ainsworth. Tadelloses Make-up, dichtes, dunkles Haar, das üppig über eine Schulter fällt, strahlendes Lächeln. Dieselbe Victoria, die sie für Samstag zum Essen eingeladen hat.

    * * *

    Zur Mittagszeit ist es noch viel schlimmer. Mehr als fünfzig Fremde versuchen, mit ihr in Kontakt zu treten, und sie erkennt keinen einzigen von ihnen. Sie lehnt sie alle ab und überlegt einen Moment, ob sie ihr Profil löschen soll. Aber wenn sie das tut, woher weiß sie dann, wann es aufhört? Falls es aufhört. Das Gefühl der Panik in ihrem Magen sagt ihr, dass sie etwas tun muss.

    Hat Ben etwas zu Alex gesagt? Irgendjemand muss etwas wissen – und teilt es anderen mit.

    Sie sollte Graham Fuller anrufen – er wird wissen, was zu tun ist. Graham ist der Berater von der Lotteriegesellschaft, der sie von Anfang an unterstützt hat. Aber als sie ihr Handy in die Hand nimmt, lässt sie es fast fallen, als sie das Display sieht. Massen von Nachrichten. Als sie das Handy entsperrt, starrt sie entsetzt auf die Anzahl der verpassten SMS und Anrufe. An einem normalen Tag bekommt sie vielleicht ein oder zwei. Sie gehört keinem großen sozialen Kreis an; da sind nur Natalie, ihre Nachbarn Charlotte und Miles, ein Buchclub und ein Sportkurs mit Gruppen auf WhatsApp. In der Schule gibt es nur ein oder zwei Mütter, die sie als Freundinnen bezeichnen würde.

    Sie wirft einen Blick auf die ersten paar Nachrichten. Eine bietet ihr eine Investition in Ferienimmobilien weltweit an – „noch in der Entwicklung und in „höchstmöglicher Qualität fertiggestellt. Andere sind Werbung für „Die Saison": Wimbledon, Ascot, Henley Regatta und weitere. Sie hat nie auch nur das geringste Interesse daran gezeigt, eines dieser Ereignisse zu besuchen. Sie scrollt nach unten, löscht schnell die Nachrichten, und ihre Finger beginnen zu zittern.

    In der letzten, die sie anschaut, bevor sie ihr Handy quer durch den Raum wirft, steht: Reiche Schlampe. Hältst dich wohl für was Besonderes.

    KAPITEL ZWEI

    Heather

    Sie denkt noch darüber nach, als die Haustür zuschlägt.

    Das muss einer der Jungs sein.

    Das Geräusch von eilig ausgezogenen Schuhen, dann ein Stampfen auf der Treppe.

    „Wer ist da?, ruft sie. Sie weiß, was passiert, wenn sie nicht fragt. Der Eindringling wird weiter in sein Zimmer gehen und die Tür schließen, ohne auch nur ein „Hallo in ihre Richtung zu sagen. Das dumpfe Dröhnen der Bassgitarre wird weitere Kommunikationsversuche ihrerseits verhindern.

    „Ich bin‘s."

    Ben. Seine Stimme ist tiefer als die seines jüngeren Bruders, rau und monoton. Sie geht in den Flur und schaut die Treppe hinauf, sieht gerade noch seine Füße nach oben verschwinden.

    „Hallo, du. Guten Tag gehabt?", fragt sie, und die Füße halten inne.

    „Prima. Hast du meine Fußballschuhe irgendwo gesehen?" Bens Gesicht erscheint, kopfüber, sein dichtes Haar streicht über das Geländer, als er den Hals reckt, um sie anzusehen.

    „Nein. Bitte sag nicht, dass du sie verloren hast." Wenn doch, wäre es das zweite Mal innerhalb eines Monats.

    „Weiß nicht. Vielleicht sind sie im Fundbüro."

    „Versprich mir, dass du morgen nachsiehst. Hast du am Samstag nicht ein Spiel?"

    „Wahrscheinlich." Sein Kopf verschwindet, dann seine Füße, und sie kann hören, wie seine Zimmertür zuschlägt, wie sein Rucksack auf den Boden knallt.

    Vorbei sind die Zeiten, in denen sie die Jungs von der Schule abholte und sie auf dem Heimweg miteinander plauderten. Sie vermisst diese Nähe – ganz zu schweigen von den weichen Händen in ihren Händen, dem Kuscheln auf dem Sofa vor dem Schlafengehen und den Geschichten, während sie dicht aneinander geschmiegt saßen.

    Sie werden älter, und sie verliert sie.

    Das Kratzen eines Schlüssels im Schloss unterbricht ihre Gedanken, die Haustür schwingt auf und gibt den Blick auf einen zweiten Jungen frei.

    „Hi, Mum, sagt Harry, wirft seinen Rucksack auf den Boden und zieht seine abgewetzten Schuhe aus, mitten im Flur. „Gibt‘s was zu essen? Ich bin am Verhungern.

    Sie schiebt die Schuhe mit dem Fuß zur Seite. Es ist schwer, mit diesen Jungs mitzuhalten – geschweige denn mit James. Sie scheinen immer nur zu essen, und sie ist ständig am Einkaufen, Kochen und Aufräumen.

    „Es gibt reichlich Obst, Harry, sagt sie zu seinem Hinterkopf, während dieser in Richtung Küche verschwindet. „Wie immer.

    „Ich meine richtiges Essen. Seine Stimme ist gedämpft und sie weiß, dass er in den Kühlschrank starrt. Sie folgt ihm in die Küche. „Gibt es Schweinefleischpasteten? Würstchen? Pizzareste von gestern Abend?

    „Nein, Liebling, du hast alles aufgegessen. Ich habe gerade erst eingekauft, aber ich schätze, ich muss noch einmal losgehen."

    Sein rundes Gesicht erscheint hinter der Kühlschranktür, als er sie zuschlägt. Sie bestaunt wieder einmal das Blau seiner Augen, seine langen Wimpern.

    „Kannst du dann bitte jetzt gehen? Ich halte nicht bis zum Abendessen durch. Er runzelt die Stirn und zieht eine Schranktür auf, in der normalerweise die Kekse aufbewahrt werden. „Die nehme ich mit in mein Zimmer, okay? Er schnappt sich eine Packung Schokoladenkekse und ist weg, bevor sie antworten kann, während das vertraute Geräusch seiner Füße auf der Treppe durch das Haus hallt.

    „Natürlich kannst du das, Liebling, und vielen Dank, dass du mir angeboten hast, für mich in den Laden zu gehen, das ist so lieb von dir, sagt sie laut in den leeren Raum, ihre Stimme ein flötender Singsang. „Ich liebe euch auch, Jungs ...

    Manchmal fragt sie sich, ob sie überhaupt bemerken, dass sie da ist.

    * * *

    Als James nach Hause kommt, ist sie schon halb mit dem Kochen des Abendessens fertig und hört Radio, während sie in einem blubbernden Kochtopf auf dem Herd rührt. Die Waschmaschine surrt, während sie einen weiteren Waschgang beendet, voll mit Fußballsachen, stinkenden Jungensocken und Unterwäsche, und von oben dröhnt der regelmäßige Beat von Rap-Musik mit dem Radio in der Küche um die Wette.

    Im Radio wird eine Frau über ihren Beruf als Unternehmensjuristin interviewt. Heather ist vollkommen fasziniert davon, wie diese Frau einen komplexen Fall und ihren Umgang damit beschreibt. Es scheint so interessant, so intellektuell herausfordernd und so weit von dem entfernt zu sein, was Heather selbst aus ihrem Leben macht, dass sie genauso gut einem Marsmenschen zuhören könnte, der seinen Tagesablauf beschreibt. Sie sehnt sich danach, diese Frau zu sein, mit ihren eleganten Kleidern, dem Respekt, den sie bei ihren Kunden und Kollegen genießt, einem schönen, makellosen Haus, einem schnittigen Sportwagen und zweifellos einer Haushälterin. Ihre Stimme ist gedämpft und sexy, aber dennoch gebieterisch – und äußerst selbstbewusst. Heather sieht sie geradezu vor sich: Sie ist sicher schlank, schön, mit gepflegtem, geföhntem Haar und manikürten Nägeln. Ihre Haut leuchtet, ihre Augen sind intelligent und nehmen alles wahr.

    Heather ist so vertieft in das Programm, dass sie nicht bemerkt, wie James den Raum betritt. Als er urplötzlich neben ihr auftaucht, erschrickt sie so sehr, dass der Löffel, mit dem sie gerade rührt, nach oben schnellt und die Tomatensoße wie ein künstlerischer Schnörkel über die Vorderseite ihres Hemdes spritzt.

    „James, so was darfst du nicht machen! Du hast mich zu Tode erschreckt! O Scheiße, sieh dir nur an, wie ich aussehe ..." Sie schnappt sich ein Geschirrtuch, macht es am Waschbecken nass und beginnt, die Flecken auf ihrem Hemd zu entfernen.

    „Tut mir leid, sagt James und starrt in den Kühlschrank, wie sein Sohn nur wenige Minuten zuvor. „Haben wir noch Wein?

    „Wenn da drin keiner mehr ist, dann steht welcher im Schrank unter der Treppe. Ich muss mich jetzt umziehen. Und noch kurz in den Laden gehen. Ich gehe gleich, sobald das Abendessen im Ofen ist." Sie versucht, die Schärfe in ihrer Stimme zu verbergen.

    „Ich spüre eine gewisse Spannung in der Luft. James kennt sie so gut. „Hat dich irgendetwas aufgebracht?

    Sie hört auf, an ihrem Hemd herumzurubbeln, das feucht auf ihrer Haut klebt, und der hartnäckige Fleck ist immer noch zu sehen. „Oh nein – jetzt habe ich es noch schlimmer gemacht. Sie wendet sich James zu und hält den Stoff von ihrem Bauch weg. „Ich befürchte, die Katze ist aus dem Sack.

    James schließt die Kühlschranktür und sieht sie mit seinen aufrichtigen grauen Augen an. „Wirklich? Wie kommst du denn darauf?"

    „Wir haben eine Einladung zum Abendessen von Alex‘ Eltern erhalten. Du erinnerst dich – Victoria und Andrew?"

    „Und deshalb glaubst du, dass die Neuigkeit schon bekannt ist? Mir ist klar, dass wir sie kaum kennen, aber vielleicht wollen sie nur freundlich sein ..."

    „Es ist nicht nur deshalb. Ich habe eine Menge SMS und verpasste Anrufe erhalten. Mein Telefon war auf lautlos gestellt, also habe ich keine Nachricht beantwortet, und ich traue mich auch jetzt kaum nachzusehen."

    James legt seine Hände auf ihre Schultern. „Ich glaube, du machst dir zu viele Sorgen. Wie auch immer, ich habe nachgedacht. Wir können nicht einfach so tun, als ob es nicht passiert wäre, nicht einmal für ein paar Tage. Wir müssen uns verdammt schnell entscheiden, was wir damit machen wollen, stimmt‘s? Wenn wir uns entschieden haben, wirst du dich sicher besser fühlen."

    „Ich schätze schon." Sie schaut auf ihr ruiniertes Hemd hinunter. Der Stoff ist alt und abgenutzt, an der Schulter ist eine Naht aufgegangen und die Bündchen sind ausgefranst. Sie sollte sich ein neues besorgen. Da fällt ihr ein, dass sie sich ein neues, ein wirklich schönes kaufen kann, ohne sich Gedanken darüber zu machen, ob sie es sich leisten kann. Dennoch ist sie sich ziemlich sicher, dass sie sich Gedanken machen wird. Es wird eine Weile dauern, bis sie ihre langjährige Gewohnheit ablegt, Geld zu sparen, wo immer sie kann.

    „Hör mal, sagt James. „Lass uns doch tun, was sie vorschlagen, und Urlaub nehmen, um darüber nachzudenken. Ich dachte an Mauritius oder St. Lucia, irgendwo in der Gegend.

    Darüber kann sie jetzt nicht nachdenken, es ist zu viel. „Können wir beim Abendessen darüber reden? Ich muss jetzt in den Laden gehen."

    Sie stapft die Treppe hinauf, zieht ihr Hemd aus und wirft es in den Mülleimer. Das Fleece-Shirt von gestern muss reichen. Es ist nicht sauber, aber sie geht ja nur zum Laden um die Ecke. Sie wirft einen Blick in den Spiegel an der Innenseite der Schranktür und versucht ihr Haar zu glätten. Die Frau im Spiegel hat ernste braune Augen und einen Schopf gewellten braunen Haares mit silbernen Strähnchen an den Schläfen. Ihr Gesicht ist nackt, kein Make-up verdeckt die dunklen Schatten unter ihren Augen oder hebt die Farbe ihrer Wangen hervor. Sie ist groß und kräftig gebaut, und um ihre Taille ist eine Speckrolle zu sehen, die selbst das unförmige Oberteil nicht verbergen kann. Ihre Beine sind lang, aber ihre Knie neigen dazu, sich zueinander zu drehen. Eine Erinnerung blitzt in ihrem Kopf auf. Schulmädchen können bösartig sein, und harte Worte können ganz sicher verletzen.

    Sie wirft ihrem Spiegelbild einen wütenden Blick zu und lässt es dann durch Schließen der Schranktür verschwinden. Sie muss das Abendessen in den Ofen schieben. Wenn sie jetzt geht, kann sie zurück sein, bevor es fertig ist.

    * * *

    Sie sagt in wohlgesetztem Tonfall, den Blick auf Ben gerichtet: „Alex‘ Eltern haben uns für Samstag zum Abendessen eingeladen."

    Ben schaut erschrocken auf. Sie beobachtet, wie sein Blick wieder auf seinen Teller fällt. Er rutscht unbeholfen auf seinem Stuhl herum. „Wir alle oder nur ihr?", fragt er. Das ist eine berechtigte Frage. Alex ist sein Freund, und er war schon oft bei ihm zu Hause.

    „Nur wir Eltern, glaube ich. Ich habe heute Nachmittag eine SMS bekommen."

    James steht auf und streckt den Rücken. „Was hast du ihnen gesagt?"

    „Ich sagte, ich würde dich fragen und mich bei ihr melden. Willst du hingehen?"

    „Grundgütiger. Ein Haufen hochnäsiger, angeberischer Leute, die wir nicht kennen. Sie wetteifern miteinander um das größte Haus und den teuersten Urlaub. Lieber würde ich mir die Augen ausstechen."

    Sie lächelt. „Das ist also ein Nein, oder?"

    „Und ob es das ist. Sag ihnen, dass ich am Samstagabend ein Bad nehme oder so. Erzähl ihnen irgendwas."

    Ben starrt seinen Vater an. „Das sind die Eltern von Alex, Dad. Du darfst nicht unhöflich sein. Und was ist, wenn Mum hingehen will?"

    „Will ich nicht. Ich stimme mit Dad überein. Wir kennen sie gar nicht richtig, und ich bin mir nicht sicher, ob wir das ändern wollen."

    „Das ist nicht sehr freundlich, sagt Ben. „Was ist, wenn sie euch kennenlernen möchten? Vielleicht wollen sie euch einfach nur integrieren, weißt du?

    James hat dazu nichts mehr zu sagen, sondern verlässt den Raum und geht in Richtung Wohnzimmer.

    „Hört mal, Jungs, sagt sie. „Ich will hier niemanden beschuldigen oder unfaire Vermutungen anstellen, aber ihr habt doch zu niemandem etwas gesagt, oder? Wieder blicken zwei Augenpaare, ein Paar dunkel umrandet und weit offen, das andere graublau und wachsam, sie an. Beide schütteln den Kopf.

    „Nein."

    „Du hast gesagt, das sollen wir nicht."

    „Auch nicht in den sozialen Medien? Ihr habt auf keinen Fall etwas gesagt, das es verraten könnte?" Zwei Augenpaare starren sie an, und wieder werden die Köpfe geschüttelt. Doch dieses Mal scheint Ben weniger sicher zu sein. Sein Blick geht zu seinem Bruder, bevor er wieder sie ansieht.

    „Ben?"

    „Mum, ich war das nicht, aber ..."

    Harry fängt an, seine Sachen vom Tisch zu räumen, weil er spürt, dass die Situation gleich schwierig wird. „Mum, ich war das definitiv nicht. Kann ich bitte gehen?"

    „Wenn du satt bist, dann ja. Räum so viel wie möglich ab."

    Sie warten schweigend, bis er den Raum verlassen hat. Ben sackt in seinem Stuhl zusammen, die langen Beine unter den Tisch gestreckt, und lässt den Kopf hängen.

    „Nun?"

    „Ich habe nur gesagt ... Vielleicht habe ich Alex gegenüber angedeutet, dass wir ... mehr Geld haben als vorher." Seine Stimme versiegt in einem Gemurmel. Er schnippt Krümel vom Tisch auf den Boden.

    Sie atmet tief ein und versucht, die Krümel zu ignorieren, obwohl ihre Hand zuckt. Sie spricht mühsam beherrscht weiter. „Mehr Geld als vorher?, wiederholt sie. „Hast du es genauso gesagt?

    „Ach, Mum, sagt er und steht mit einer plötzlichen Bewegung auf, die den Stuhl bedrohlich ins Kippeln bringt. „Ich habe nur gesagt, dass wir uns nie wieder Sorgen ums Geld machen müssen. Er nimmt seinen Teller und lässt Messer und Gabel darauf krachen. „Und ich habe möglicherweise gesagt, dass ich zum nächsten Geburtstag ein Auto bekomme."

    Sie schickt einen stummen Schrei in Richtung Decke, als er sich abwendet, um den Geschirrspüler einzuräumen, und hat sich wieder im Griff, bevor er sich zu ihr umdreht. Aber nicht schnell genug. Sie kann das Entsetzen nicht rechtzeitig aus ihrem Gesicht löschen.

    „Mum – so schlimm ist das doch nicht, oder? Sie werden es nicht wissen, sie können es nicht anhand dessen erraten haben. Dad könnte befördert worden sein oder ein Verwandter hat dir Geld hinterlassen oder so etwas. Du bist so empfindlich bei dieser Sache. Ich verstehe sowieso nicht, warum wir es den Leuten nicht sagen sollen. Es wird ohnehin bald offensichtlich sein. Das ist doch gut, oder? Wie können wir uns daran erfreuen, wenn wir ein so großes Geheimnis daraus machen müssen?"

    Sie kann es nicht fassen. All ihre Sorgfalt, die vernünftigen Gespräche, die sie geführt haben, die Vereinbarungen, die getroffen wurden, um es geheim zu halten. Und ihr älterer Sohn, auch wenn er erst sechzehn Jahre alt ist – also noch ein Kind – nimmt die Sache immer noch nicht ernst.

    Sie reibt sich die Stirn. „Ben. Bitte setz dich."

    Er rollt mit den Augen. „Mum ..."

    „Setz dich." Sie nickt in Richtung Stuhl.

    Er sackt wieder auf den Stuhl.

    „Wir haben doch schon darüber gesprochen, Ben. Wir haben als Familie beschlossen, damit nicht an die Öffentlichkeit zu gehen, schon vergessen? Aus guten Gründen. Erinnerst du dich?"

    Er nickt, schürzt die Lippen und starrt auf die Tischplatte.

    „Weil es eine ganze Menge Probleme mit sich bringt. Weil wir ständig um Geld gebeten werden, Bettelbriefe bekommen, weil Freunde und Familie alles Mögliche erwarten. Wir wollen uns etwas Zeit lassen, um zu entscheiden, was wir mit dem Geld machen werden, ohne dass uns das alles in die Quere kommt. Wir wollen und müssen unser Leben nicht ändern. Wir wollen keine Berühmtheiten sein, nicht in die Zeitung oder ins Fernsehen kommen. Verstehst du das?"

    „Ich glaube schon. Wenn du es sagst."

    „Ja, das sage ich. Das ist wichtig, Ben."

    „Okay, okay, ich hab‘s verstanden." Er steht auf und geht zur Tür.

    „Warte mal kurz", sagt sie. Er hält mit einer genervten Handbewegung inne, mit dem Rücken zu ihr. Jeder Zentimeter seines jugendlichen Körpers sagt, dass er genug hat, dass er dieses Gespräch jetzt beenden möchte.

    „Bist du absolut sicher, dass das alles war, was du gesagt hast?" Sie muss sich sicher sein und auf weitere Auswirkungen vorbereiten.

    „Ja, Mum, meine Güte! Kann ich jetzt gehen?"

    „Okay. Aber bitte sei vorsichtig." Er ist weg, bevor sie den Satz beendet hat.

    Sie hat das schreckliche Gefühl, dass das noch nicht das Ende ist.

    KAPITEL DREI

    Heather

    Beim Aufwachen hört sie das Geräusch von fließendem Wasser im Bad und das Rauschen des Londoner Verkehrs auf den Straßen. Nichts hat sich geändert, aber alles ist anders. Dieses Gefühl des Misstrauens lässt sie einfach nicht los. Sie muss herausfinden, ob sie recht hat, und zwar heute, bevor es zu spät ist, sonst könnten sie alle in Schwierigkeiten geraten.

    Sie wartet auf das Knarren der Dielen auf dem Treppenabsatz, auf das Geräusch von James‘ Schuhen auf der Treppe, bevor sie aufsteht. Unten in der Küche ist er darin vertieft, die Zeitung auf einem Laptop – ihrem – neben seiner Kaffeetasse zu lesen. Er liest die Wirtschaftsnachrichten aufmerksam, prüft die Märkte und geht dann zu den Hauptnachrichten über. Sie weiß das, weil er ihr jeden Morgen eine Kurzfassung der einzelnen Nachrichten gab, bevor sie ihn bat, damit aufzuhören. Am liebsten hört sie Radio, aber erst, wenn alle weg sind und sie in Ruhe ihre erste Tasse Tee genießen kann.

    Mit vom Schlaf geschwollenen Augen kramt sie in den Schränken nach Müsli, Schüsseln und Besteck und knallt in voller Absicht mit den Schranktüren. An den Bewegungsgeräuschen über ihr kann sie hören, ob die Jungs wach sind oder nicht; heute ist es verdächtig still.

    „Jungs!, ruft sie vom Fuß der Treppe aus. „Seid ihr wach? Ein dumpfer Schlag und ein Stöhnen antworten auf ihren Ruf. „Wenn nicht, dann steht jetzt auf, sonst kommt ihr zu spät." Weitere dumpfe Schläge, und sie kehrt in die Küche zurück, zufrieden, dass sich wenigstens einer von ihnen rührt.

    James blickt zu ihr auf, wobei seine Lesebrille ihm einen missbilligenden

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