Entdecken Sie Millionen von E-Books, Hörbüchern und vieles mehr mit einer kostenlosen Testversion

Nur $11.99/Monat nach der Testphase. Jederzeit kündbar.

Geisteswissenschaft im 21 Jahrhundert: Umwandlung des Bösen, Begegnung mit dem Anderen und Erwachen zur globalen Initiation der Menschheit
Geisteswissenschaft im 21 Jahrhundert: Umwandlung des Bösen, Begegnung mit dem Anderen und Erwachen zur globalen Initiation der Menschheit
Geisteswissenschaft im 21 Jahrhundert: Umwandlung des Bösen, Begegnung mit dem Anderen und Erwachen zur globalen Initiation der Menschheit
eBook408 Seiten5 Stunden

Geisteswissenschaft im 21 Jahrhundert: Umwandlung des Bösen, Begegnung mit dem Anderen und Erwachen zur globalen Initiation der Menschheit

Bewertung: 0 von 5 Sternen

()

Vorschau lesen

Über dieses E-Book

In diesen 1997–2012 gehaltenen Vorträgen spannt der Autor einen weiten Bogen über sein zentrales Thema: die Begegnung mit dem Ätherischen bereits wirksam erscheinenden Christus.
Er umfasst die apokalyptischen Bedingungen des 20. und 21. Jahrhunderts, das konkrete Wirken und die Mission des Bösen und seiner Umwandlung in der Menschheitsgeschichte, den Kampf der Kulturen, den Dialog zwischen der Geisteswissenschaft und der Gegenwartsphilosophie bis zum ersten Aufleuchten einer neuen Geschwisterlichkeit in dem sich inkarnieren wollenden Zukunftsstrom und dem Verwandeln von Selbstliebe in Weltendenken.
SpracheDeutsch
HerausgeberEreignis Verlag
Erscheinungsdatum5. Juni 2024
ISBN9783949064166
Geisteswissenschaft im 21 Jahrhundert: Umwandlung des Bösen, Begegnung mit dem Anderen und Erwachen zur globalen Initiation der Menschheit

Mehr von Yeshayahu Ben Aharon lesen

Ähnlich wie Geisteswissenschaft im 21 Jahrhundert

Ähnliche E-Books

Persönliches Wachstum für Sie

Mehr anzeigen

Ähnliche Artikel

Rezensionen für Geisteswissenschaft im 21 Jahrhundert

Bewertung: 0 von 5 Sternen
0 Bewertungen

0 Bewertungen0 Rezensionen

Wie hat es Ihnen gefallen?

Zum Bewerten, tippen

Die Rezension muss mindestens 10 Wörter umfassen

    Buchvorschau

    Geisteswissenschaft im 21 Jahrhundert - Yeshayahu Ben-Aharon

    YESHAYAHU BEN-AHARON

    Geisteswissenschaft im 21. Jahrhundert

    Umwandlung des Bösen, Begegnung mit dem Anderen und Erwachen zur globalen Initiation der Menschheit

    Vorträge von Yeshayahu Ben-Aharon

    1997-2012

    Titel der Originalausgabe:

    SPIRITUAL SCIENCE IN THE 21 st CENTURY

    Veröffentlicht 2013, von Virtualbookworm.com Publishing Inc., P.O. Box 9949, College Station, TX, 77842, US.

    Herausgegeben von Scott E. Hicks.

    Verantwortlich für die Übertragung ins Deutsche: Ulrich Morgenthaler

    1. Auflage 2024

    © der deutschen Ausgabe by Yeshayahu Ben-Aharon 2024

    ISBN: 978-3-949064-16-6

    Ereignis Verlag

    Fürstenrieder Str. 97, 80686 München

    www.ereignisverlag.de

    Umschlaggestaltung: Sylvia Waiblinger

    Hinweise des Herausgebers der englischen Ausgabe

    Obwohl die Quellen für das gesamte Material in diesem Buch letztlich Vorträge von Yeshayahu Ben-Aharon waren, wurden alle Vorträge von Transkriptoren, Übersetzern und dem/den Herausgeber(n) in dem einen oder anderen Umfang überarbeitet, gekürzt und korrigiert. Sie können daher von den ursprünglichen Vorträgen, die von den Teilnehmern gehört wurden, ziemlich stark abweichen. Der Autor konnte auch einige der Vorträge überarbeiten und erweitern. Vielen Dank an Cathy Sims-O’ Neil, die den größten Teil des Typoskripts durchlesen und weitere Korrekturen und Anregungen geben konnte. (Scott E . Hicks)

    Hinweis zur deutschen Übersetzung

    Neun im Original nicht enthaltene Anmerkungen sind der Übersetzung hinzugefügt und gekennzeichnet. Die Änderungen der sich daraus ergebenden fortlaufenden Nummerierung der Anmerkungen sind berücksichtigt durch die originalen Nummern in [] am Ende der betroffenen Anmerkungen.

    Geisteswissenschaft und zeitgenössische Philosophie im Dialog

    Beobachtungen zur Spiritualisierung des Denkens

    Colmar 2007 (1)

    Zunächst möchte ich euch sagen, wie sehr es mich freut, dass ich heute mit euch zusammen sein kann. Dies ist mein erster Arbeitsbesuch in Frankreich. Doch merkwürdigerweise, obwohl ich weder Französisch spreche, noch lesen kann, habe ich immer die Entwicklung des geistig-kulturellen Lebens in Frankreich im 20. Jahrhundert und auch heute sehr genau verfolgt. Insbesondere beschäftige ich mich seit vielen Jahren mit französischem Denken und französischer Philosophie. In diesem Vortrag möchte ich euch darauf aufmerksam machen, welche Rolle französisches Denken in dem unsichtbaren spirituellen Drama unserer Zeit spielt.

    In meinen Büchern Das spirituelle Ereignis des 20. Jahrhunderts und Die neue Erfahrung des Übersinnlichen habe ich darauf hingewiesen, was im 20. Jahrhundert hinter den Kulissen der Weltereignisse stattfand. Beide Bücher wurden zu Beginn der 90 er-Jahre des letzten Jahrhunderts geschrieben. Ich habe darin meine geisteswissenschaftlichen Untersuchungen über die esoterischen über- und untersinnlichen Realitäten beschrieben, die nur durch moderne geisteswissenschaftliche Forschungsmethoden erfasst werden können. Bis in die 60 er-Jahre wurde nur wenig Licht auf der Erde erzeugt – und so viel Finsternis. Nicht, dass die Finsternis erzeugenden Kräfte und Ereignisse seither zurückgegangen wären, im Gegenteil, sie nehmen exponentiell zu. Doch die gute Nachricht ist, dass in allen Bereichen des Lebens, nämlich des Denkens, der Wissenschaft, der Kunst und des sozialen Lebens in den 60 er-Jahren neue Hoffnungskräfte zu strömen begonnen haben. In meinen Büchern habe ich die verborgenen Quellen beschrieben, aus denen diese geistigen Kräfte fließen. Und einige dieser seltenen und kostbaren Lichtstrahlen gingen von der französischen Kreativität der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts aus.

    Während der gesamten europäischen Katastrophe des 20. Jahrhunderts – vor, zwischen und nach den beiden Weltkriegen und während des Kalten Krieges – fand eher gerade hier in Frankreich eine sehr intensive und entscheidende intellektuelle, jedoch auch kulturelle und politische Debatte statt. Die im Denken tätigen Kräfte waren bei all ihrem Scharfsinn doch nicht stark genug, die soziale und politische Realität zu durchdringen; viele hielten sie für so »revolutionär« und radikal, doch sie konnten nie wirklich zu neuen sozialen Ideen und gesellschaftlichen Formen durchbrechen. Auf dem Gebiet der Philosophie war das anders; hier entfaltete sich einiges an echter Kreativität, das tatsächlich danach strebte, neue Wege zu beschreiten. Das vergangene Jahrhundert hatte eine gewaltige, im Guten wie im Schlechten, mit den schwerwiegendsten und schicksalhaftesten Auswirkungen verbundene Aufgabe.

    Diese Aufgabe kann auf verschiedene Weise beschrieben werden. Jedoch für unser Vorhaben heute Abend, da wir diese Aufgabe vom Gesichtspunkt der Entwicklung des Denkens aus betrachten, können wir sie verallgemeinernd nennen: die Spiritualisierung des Bewusstseins, oder genauer, die Spiritualisierung des Intellekts und des Denkens. Dies ist ein Ausdruck, den Rudolf Steiner häufig verwendete. Sein ganzer Impuls, die größten Anstrengungen seines Willens und seiner Liebe flossen ein in diese Tat. Und seine lebenslange Hoffnung war es, dass freie Menschen tun würden, was er selbst anstrebte: sich wahrhaft zu verwandeln! Er hatte gehofft, dass dies wenigstens von einer begrenzten Anzahl Menschen bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts erreicht werden würde, dass es dann von immer mehr Menschen im Laufe des Jahrhunderts aufgegriffen werden und am Ende des Jahrhunderts einen gewissen intensiven Höhepunkt erreichen würde. In umgewandelter Form würde es dann die Weltbühne des 21. Jahrhunderts kraftvoll als Welt verändernde schöpferische Kraft betreten.

    Neue Anfänger

    Es genügt heute nicht mehr, wenn eine Person etwas allein tut, selbst wenn es der größte Eingeweihte ist, denn andere dürfen nicht mehr länger einfach nur geführt oder in seine Fußstapfen gedrängt werden – es sei denn, wir sprechen von Impulsen des Bösen. Das Gute kann nur aus der Tiefe freier menschlicher Herzen und Häupter entspringen, die zusammenarbeiten in gegenseitigem Helfen und Verstehen. Und wenn man die heutige Weltsituation, auch die Anthroposophie, unter diesem Gesichtspunkt betrachtet, kann man sicherlich sagen: »Nun denn, wir sind eindeutig erst am allerersten Anfang!« Wir sind darum alle herzlich eingeladen, neu anzufangen, neu zu beginnen. Wenn wir das oben Gesagte richtig verstehen, sind wir aufgerufen, uns selbst als echte Anfänger zu sehen. Immer mehr Menschen sollten verstehen, dass der Zeitgeist heute neue Anfänger sucht und genug hat von den vielen »Wissenden«, die ständig Unheil in unserem sozialen, spirituellen und wirtschaftlichen Leben anrichten.

    Diese Vergeistigung des Intellekts ist der erste und unvermeidbare Schritt, der als Grundlage einer weiteren Umwandlung der menschlichen Natur und Gesellschaft erforderlich ist. Er ist die Voraussetzung für die Spiritualisierung unseres sozialen, kulturellen, politischen und ökonomischen Lebens. Dies ist unser Hauptansatzpunkt, einfach, weil wir in den letzten Jahrhunderten zu denkenden Wesen geworden sind. Alles, was wir tun, beginnt mit dem Denken, und falsches Denken wird unmittelbar zu einer Quelle moralisch-sozialer Zerstörungskräfte, während wahrheitsgemäßes Denken eine aufbauende und heilende Kraft ist. Daher bezeichnete Steiner sein sogenanntes »nicht-anthroposophisches« Buch, Die Philosophie der Freiheit, als seine wichtigste spirituelle Schöpfung. Durch dieses Buch, so sagte er, kann jeder Mensch, wenn er es richtig versteht und praktiziert, könne jede Person ohne irgendein spirituelles Vorwissen oder Glauben von ihrem alltäglichen Denkbewusstsein, Wahrnehmungsbewusstsein, von täglicher moralischer Tätigkeit und sozialen Erfahrungen ausgehend, beginnen. Jede/r kann da beginnen, wo er/sie im wirklichen Leben steht.

    Ich habe schon früh für mich selbst und mittlerweile auch mit Freunden und Schülern in der Welt die Erfahrung gemacht, dass Die Philosophie der Freiheit, wenn man sie in der richtigen Weise aufnimmt, uns tatsächlich kraftvolle Werkzeuge an die Hand gibt, um diese Spiritualisierung zu verwirklichen und ins Bewusstsein zu bringen. Dies war mein eigener spirituell-wissenschaftlicher Entwicklungsweg vom 21. zum 35. Lebensjahr. Nachdem ich zunächst mit Steiners allgemeinem anthroposophischen Werk begonnen hatte, konzentrierte ich mich dann insbesondere auf sein philosophisch-soziales Werk. Für den Aufbau der Harduf-Gemeinschaft einerseits und für meine geistige Forschung andererseits suchte ich nach dem verborgenen Werde-Strom der Anthroposophie, nach ihrer lebendigen übersinnlichen Fortsetzung.

    Wie kann Steiners Ausgangspunkt für das Denken kontinuierlich aktualisiert und in den Strom des sich entwickelnden Zeitgeistes gebracht werden? Das war die brennende Frage, mit der ich täglich lebte. Ebenso waren mir die hemmenden Kräfte, die auch innerhalb seines Erbes wirksam sind, bekannt. Daher war ich mir schon früh bewusst, dass ich meinen eigenen Weg selbst erschaffen musste, während ich ihn ging, allein, und er nicht einfach von außen gegeben da ist. Und wenn man auf diese Weise sucht, gilt es, Michaels Fußstapfen in der Geschichte und im heutigen geistigen, kulturellen und sozialen Leben zu finden. Deswegen verfolgte ich intensiv die neuen Entwicklungen in den Wissenschaften, der Kunst, dem sozialen Leben und auch im Denken und in der Philosophie im Verlauf des gesamten 20. Jahrhunderts. Dann habe ich durch das Leben selbst, durch meine Arbeit – und das gilt nur für meine eigene Erfahrung, man kann das nicht verallgemeinern, festgestellt, dass, wann immer und wo immer ich nach einem Weg suchte, um nach 1925, nach Steiners Tod weiterzumachen, dieser Weg zur Weiterentwicklung des Denkens und zur Vergeistigung des Intellekts zu dem Abgrund führte, der sich mit den beiden letzten deutschen Denkern – dem konvertierten Juden Edmund Husserl und seinem nationalsozialistischen Schüler Martin Heidegger – in den Trümmern der europäischen Kultur im 2. Weltkrieg und in den 50 er- und 60 er-Jahren aufgetan hatte. Und auf diese Weise kam ich, den tragischen Spuren von Husserl und Heidegger folgend, zur französischen Philosophie; denn die französischen Denker waren die begeistertsten und aufnahmebereitesten Schüler des deutschen Denkens. Um einige zentrale Gestalten der französischen Philosophie vorzustellen, muss ich daher die entscheidende Wende in der deutschen Geistesgeschichte kurz zusammenfassen

    Eine Exkursion nach Deutschland

    Der erste deutsche Denker, dem unmittelbar klar war, dass die Zeit Goethes und des deutschen Idealismus für immer vorbei war und sie nicht wiederbelebt werden konnte, war – natürlich – der große und tragische Nietzsche. Er verlor buchstäblich seinen Verstand in seinem Bemühen, neue ungeahnte Räume für die Spiritualisierung des Denkens zu finden. Und als historisches Symptom und Hinweis auf den aufziehenden Sturm, der zur deutschen Tragödie führte, ist es bezeichnend, dass genau in diesen Jahren, dem Ende der 80 er-Jahre des 19. Jahrhunderts, Steiner an seiner philosophischen Dissertation Wahrheit und Wissenschaft als Grundlage der Philosophie der Freiheit arbeitete. Als letztere 1894 veröffentlicht wurde, schrieb er seiner engen Freundin, Rosa Mayreder, wie sehr er die Tatsache bedauerte, dass Nietzsche sie nicht mehr lesen konnte, denn »er hätte sie wirklich als eine persönliche Erfahrung verstanden.«

    Edmund Husserl (1859–1938) hingegen war ein Zeitgenosse Steiners, er studierte ebenfalls Philosophie in Wien bei Franz Brentano, ein oder zwei Jahre nachdem Steiner dort studiert hatte, wahrscheinlich im Wintersemester 1881/1882. Sie wären sich sozusagen beinahe in Brentanos Vorlesungen begegnet. Das Karma hätte nicht deutlicher sprechen können, denn Husserl strebte danach, Brentanos Denken voranzubringen und entwickelte seine Phänomenologie in der Richtung von Steiners Philosophie der Freiheit. Doch Husserls Radikalität war nicht radikal genug, er hat die tiefergreifenden Beschränkungen der traditionellen Kantischen Philosophie nicht überwunden. Dies hinterließ im deutschen Denken vor, während und nach dem 1. Weltkrieg eine gähnende Lücke, einen Abgrund in der für die europäische und deutsche Geschichte entscheidendsten Zeit. Nun kam das Jahr, in dem Deutschlands Schicksal und damit das Schicksal Europas entschieden wurde: 1917. In diesem Jahr wurde Lenin von Ludendorff in einem versiegelten Waggon aus seinem Exil in Zürich nach Moskau geschmuggelt, um dort die bolschewistische Revolution im Osten zu organisieren, und die USA traten von Westen her in den Krieg ein. Mitteleuropas Schicksal lag in der Waagschale, die sich rasch zum Schlimmsten neigte und Steiner initiierte die soziale Dreigliederung als letzten Rettungsversuch. Nun starb Brentano 1917. Steiner veröffentlichte einen »Nachruf« auf Brentano in seinem Buch Von Seelenrätseln, in dem Philosophie, Anthropologie und Anthroposophie zum ersten Mal in einer vollständig modernen und wissenschaftlichen Weise zusammengebracht wurden, ohne irgendwelche theosophischen Rückstände, d. h. frei von traditionellen okkulten Begriffen und Formulierungen. Dieses Buch zeigt deutlich: Steiner ist nun bereit, seine wirkliche Lebensaufgabe als moderner Geisteswissenschaftler und gesellschaftlicher Erneuerer aufzunehmen. Doch seine Hoffnungen, eine weltweite sozial-spirituelle Bewegung zu schaffen, scheiterten schon vor seinem frühen Tod im März 1925.

    Nach Steiners Tod konvertiert Max Scheler, ein originärer und freier Schüler Husserls, der Steiner begegnet war und ihn schätzte, 1927 zum Katholizismus, im selben Jahr, in dem Martin Heideggers einflussreiches Werk Sein und Zeit erscheint. Heidegger verkörpert in seinem Schicksal als letzter deutscher Denker das Schicksal seines Volkes. Er konnte sich weder mit der Phänomenologie zufriedengeben, und das zu Recht, noch konnte er sich für den neuen Impuls öffnen, der in Richtung der Philosophie der Freiheit wirkte. Stattdessen transformierte er Husserls Phänomenologie rückwärts anstatt vorwärts, um eine mächtige und hochsuggestive Umstülpung der Philosophie der Freiheit im deutschen intellektuellen Leben zu erzeugen. Zwischen Husserl und Heidegger spielt sich die Tragödie des deutschen spirituellen Lebens in den späten 20 er- und frühen 30 er-Jahren ab, bis dann Heidegger 1933 seine berüchtigte Rektoratsrede als neu gewählter Rektor der Freiburger Universität hielt, mit der er sich als begeisterter Nazi präsentierte. Er unterstützte später auch die Exkommunizierung seines alternden Lehrers nach den Nürnberger Rassegesetzen von 1935; zu seinem eigenen Glück starb Husserl 1938. Die bereits 1917 gefallene Entscheidung wurde nun vollständig sichtbar gemacht und mit ihr das Verhängnis Deutschlands und ganz Europas.

    Seit Nietzsches und Steiners Zeit gibt es eine sehr deutliche Entweder-Oder-Situation: Das Denken kann entweder mit dem Zeitgeist gehen oder sich stark gegen ihn stellen. Und Heideggers unzweifelhafte Größe wurde massiv mobilisiert, um dem feindlichen Geist zu dienen, der Michael am stärksten entgegensteht. Doch nur ein abstrakt denkender Intellektueller oder ein religiöser Fanatiker würde heutzutage glauben, dass er im Voraus den Unterschied zwischen Wahrheit und Lüge kennt. Und Anthroposophie wird manchmal auch in dieser Weise aufgefasst.

    Aus praktischer Sicht zeigt gerade der Fall Heideggers die tatsächlichen Schwierigkeiten, die einem begegnen, wenn man danach strebt, durch reale Erfahrung den Unterschied zwischen Wahrheit und Lüge zu erkennen, insbesondere dort, wo sie von der Schwelle reflektiert und abgelenkt werden. Stellt man die Schwellenebene als Spiegelfläche vor, dann erscheint der eine Teil des Paares als der unter der Schwelle stehende polare Bruder, ja als Zwilling – aber auf den Kopf gestellt, um ein Gegenbild zu erzeugen, ein gespiegelter Gegensatz seines Originals oberhalb der Schwelle! An dieser Stelle möchte ich auf eine bedeutsame Tatsache hinweisen, die mir bei meiner Arbeit über die Jahre hinweg gute Dienste geleistet hat: Indem man mit dem heutigen Denken in verschiedenen Gebieten ringt, entdeckt man, dass man nicht nur dadurch reich belohnt wird, dass man echte michaelische Inspirationen findet, sondern auch durch die schmerzhafte Aufdeckung von Gegenströmungen; diese können uns – aus erster Hand – genau deshalb eine Menge über Michaels wirkliche Intentionen sagen, weil sie das exakte Gegenteil anstreben!

    Wenn wir die Dinge von dieser Warte aus betrachten, werden wir vielleicht ein großes Rätsel beginnen zu verstehen, nämlich warum Heidegger der eventuell einflussreichste Philosoph in der europäischen und insbesondere französischen Philosophie des 20. Jahrhunderts war und warum Levinas – und er war ein enger persönlicher Student Heideggers in Freiburg – sagte: »Wir müssen es zugeben, unglücklicherweise waren wir alle Heideggers Schüler.«

    Das französische philosophische Jahrhundert

    Seit den 1920 er- und 30 er-Jahren, zwischen den Kriegen, während des Kalten Krieges und später, finden wir eine Vielzahl von französischen Denkern, deren Ausgangspunkt war, sich zunächst die deutsche Philosophie zu eigen zu machen. Die jüngste philosophische Nahrung für französische Denker kommt von den großen Vieren des großen deutschen Götterdämmerung-Stroms: Hegel, Nietzsche, Husserl und Heidegger. Lasst uns nun einige von ihnen kurz einladen und einführen. Diese Einführung kann jedoch nur episodisch und fragmentarisch sein, eine augenblicklich vorbeihuschende Beschriftung auf einem schmalen und sich schnell verlierenden Pfad. Machen wir den Anfang mit einem weiteren Menschen jüdischer Herkunft, Henri Bergson, ein Zeitgenosse Steiners, von Gilles Deleuze der Vergessenheit zu neuem Leben erweckt, der besonders Bergsons erstes Buch Materie und Gedächtnis von 1896 (zwei Jahre nach der Philosophie der Freiheit) als einen seiner Hauptausgangspunkte benutzte. Und dann haben wir den großen Phänomenologen Merley Ponty, dessen Buch Die Phänomenologie der Wahrnehmung eine ausgezeichnete Studie der Sinneswahrnehmung und des wahrnehmenden Bewusstseins ist und der später die Grenzen der Wahrnehmung zunehmend in das Übersinnliche verschob, indem er sich bemühte, die Sinneswahrnehmung und die Körpererfahrung in spirituelle Erfahrung umzuwandeln. Eher am anderen Pol steht der »dunkle« Maurice Blanshot, dessen Schriften über Der Raum der Literatur (1955) eine starke Faszination auf das folgende Jahrhundert ausübte und dann sind wir bereits bei dem äußerst einflussreichen Jean-Paul Sartre (1905–1980) .

    Sartre verwandelte die grundlegende Ontologie Heideggers in den phänomenologischen Existenzialismus und schrieb sein Hauptwerk Das Sein und das Nichts (1943) während des Krieges als Antwort auf Heideggers Sein und Zeit von 1927. Lest nur einmal das Kapitel »Der Blick« in diesem Buch und ihr werdet eine sehr exakte und brillante phänomenologische Erforschung der Wahrnehmung und des Wesens des Anderen und der Beziehung zu ihm finden – etwas, das in der Geschichte der Philosophie oder der Wissenschaft ohne Beispiel ist. Nach dem Kriege sehen wir den Strom des französischen Strukturalismus auftauchen, unter anderen mit Levi-Strauss und seiner Schule. Sie hatten bis in unsere Zeit hinein einen ausgesprochen fruchtbaren Einfluss in der Anthropologie und der Soziologie, und im Studium der Mythen und alten Kulturen. Doch das war nur ein Prolog, der die Bühne bereitete für das, was die wirklich aufregenden dreißig Jahre – die 60 er-, 70 er-, 80 er-Jahre – werden sollten, in denen man nacheinander leuchtende, brillanteste Sterne über dem intellektuellen Horizont Frankreichs auftauchen sieht, die heute weltberühmt sind. Doch damals war alles am Anfang; ich bin sicher, ihr seid alle mit diesen bemerkenswerten Namen vertraut … Namen wie? … Namen wie …? (Keine Antwort und Gelächter im Saal.)

    Zuerst lasst uns einen weiteren Menschen jüdischer Herkunft nennen – ja, sie sind noch überall zu finden, trotz mancher Bemühungen … – Ich meine Jacques Derrida, einen in Algerien geborenen Franzosen. Er ist heute der ziemlich berühmte, doch nicht immer wirklich verstandene, Begründer einer philosophischen Strömung, die er »Dekonstruktivismus« nannte. Derrida hat im Vergleich zu Foucault einen entgegengesetzten (oder polaren) Weg eingeschlagen und wird oft als sein Gegner porträtiert, zu Deleuze jedoch stand er in freundschaftlichem Verhältnis, wenn auch eher aus der Ferne. Seine Bemühungen richteten sich auf die Dekonstruktion und Demontage der zentralistischen und zentralisierenden, monotheistischen Kräfte des Vater-Gottes, die in der vergangenen und gegenwärtigen Philosophie und Literatur wirkten; nicht als ein Ziel an sich, sondern als ein Mittel, die in der Sprache und im Geschriebenen wirkenden peripheren Kräfte aufzudecken. Derrida entdeckte und beschrieb einige der gestaltenden Strategien der dezentralisierten, peripheren Kräfte, die in der Geisteswissenschaft »ätherisch gestaltende Kräfte« genannt werden und enthüllte die Textur des Textes, das Weben des Textes durch Kette und Schuss des kunstvollen Wandteppichs der Sprache.

    Derrida war zunehmend von Levinas beeinflusst und richtete seine Aufmerksamkeit ethischen, politischen und religiösen Untersuchungen zu, indem er die Probleme der radikalen Andersartigkeit, des transzendenten Anderssein des Anderen als einen unüberbrückbaren Unterschied studierte. Er starb am 9. Oktober 2004 und hat einen sich stetig ausweitenden Einfluss, der hauptsächlich auf den amerikanischen Kontinenten stark spürbar ist. Derrida ist einer der wenigen Philosophen des 20. Jahrhunderts, der als kulturelle Persönlichkeit außerhalb des philosophischen Milieus bekannt wurde. Der Begriff »Postmoderne« wird zum ersten Mal als ein philosophisches Konzept in François Lyotards Das postmoderne Wissen: Ein Bericht von 1979 verwendet. Inspiriert durch Kants Idee der Erfahrung und Erkenntnis des Erhabenen (ein Teil von Kants Kritik der Urteilskraft), versuchte er ein nicht positivistisches, »Ereignis-reiches« Konzept der Erkenntnis und Kunst zu schaffen und es auf soziale und politische Gedanken/Ideen zu übertragen. Wir könnten hier auch andere Namen genannt haben, insbesondere den wirklich brillanten Paul Virilio, ein originärer Denker der modernen und postmodernen Technologie, des Militärs, des Urbanismus und der Architektur. Und wie könnte man den im März 2007 verstorbenen Jean Baudrillard nicht erwähnen, ein scharfsinniger Beobachter und Kritiker der elektronischen Kommunikation, der globalisierten Medien und des Fernsehens, der nach den Anschlägen auf das World Trade Center in New York auch den kurzen und bemerkenswerten Text Geist des Terrorismus schrieb.

    Und dann ist da noch der bereits im Kontext seines Lehrers Heidegger erwähnte Emmanuel Levinas, ein in Litauen geborener Jude, der nach dem Krieg zum orthodoxen Glauben übertrat und sein Leben lang die Gebote und die Thora einhielt. Er ist neben Derrida der bekannteste französische Philosoph unserer Zeit, und auch sein Einfluss wächst heute noch beständig. Er führt seinen bahnbrechenden und radikalen Begriff des »Anderen« nicht durch die Phänomenologie ein, wie sie von Husserl, Heidegger oder Sartre entwickelt wurde, sondern durch so bemerkenswerte Begriffe wie »das Gesicht des Anderen« und »die Sterblichkeit des Anderen« – des Anderen, für den ich vom Uranfang her verantwortlich bin. Dieser Weg, so glaubte Levinas, ist der einzige Weg, eine »Contra-Kain«-Kraft zu entwickeln, was er als die wahre Mission des Judentums ansah, die durch die westliche Philosophie, das Christentum und die mitteleuropäische Kultur unterdrückt wurde. Er war bestrebt, Abel auferstehen zu lassen und eine Antwort auf Kains uranfänglichen Brudermord zu finden, den er als im europäischen und im globalen Maßstab im 20. Jahrhundert sich wiederholend erlebte, insbesondere in der Vernichtung der Juden (als ursprüngliche Abel-Söhne) durch die Deutschen (als moderne Kain-Söhne), aber auch in jeder und jeglicher Verfolgung der Schwachen, wo immer sie auch seien. Dies macht die Essenz seines Gedankens aus: Ich bin meines Bruders Hüter! In dieser Weise versuchte Levinas einen neuen religiös-moralischen Impuls in den philosophischen und kulturell-politischen Diskurs und in das Bewusstsein der Welt nach dem Holocaust zu bringen.

    Als letzte dieser großen Persönlichkeiten sei jetzt, da unsere Zeit knapp ist, Alain Badiou genannt, der noch heute lebt und arbeitet, ein militanter Maoist-Leninist, der als Schüler Sartres und des französischen Philosophen der Psychoanalyse, Jacques-Marie-Émile Lacan anfing und der sich bereit machte, der lebenslange Herausforderer von Deleuze zu werden. Er ist der mehr oder weniger einsame und letzte Stern, der noch in der Abenddämmerung eines wahrhaft wunderbaren französischen philosophischen Jahrhunderts leuchtet. Badiou schrieb für Studierende eine ausgezeichnete Einführung in seine Gedankenwelt, mit dem Titel Ethik: Ein Essay über das Begreifen des Bösen, und er schrieb das beste Buch über Paulus, das ich in der neueren Literatur gelesen habe; ja, das gehört zu der seltsamen und kühnen Symptomatik unserer Zeit: Ein nicht bekehrbarer französischer Maoist-Leninist schreibt das beste Buch über Paulus! Das sind sichtbarere Vertreter von Dutzenden von kreativen und originellen Denkern, Künstlern und Wissenschaftlern im 20. Jahrhundert, die in Frankreich lebten. Das sind nur die deutlicher hervorgehobenen Namen, die deutlicher sichtbaren Planeten, die vor dem Hintergrund einer ganzen geistig-kulturellen europäischen und französischen Konstellation leuchten, die zustande kam durch die Zerstörung Europas im letzten Jahrhundert und durch das mit dem Verschwinden des deutschen Denkens entstandene Vakuum.

    Doch nun war da der eine, der so kühn und inspirierend in seiner Originalität war, dass er alle anderen in einer Weise überragte, sodass Deleuze sagte: »Der Autor, der Die Archäologie des Wissens schrieb, gibt uns die Möglichkeit zu hoffen, dass wahre Philosophie wieder möglich sein wird.« Und er meinte Michel Foucault. »Foucault ist Goethe näher als Newton« schreibt Deleuze in seinem ausgezeichneten Buch »Foucault«, denn so wie für Goethe »das Licht-Wesen ein streng unteilbarer Zustand ist, ein a priori, das einzigartig fähig ist, Sichtbarkeiten dem Auge und zugleich den anderen Sinnen zu öffnen«, so verhält es sich mit Foucaults neuem Begriff der Sprache und des Denkens: Ihr eigentliches Wesen ist die nicht wahrnehmbare Kraft, die überhaupt jeden Diskurs sichtbar und möglich macht. Und das ist der Grund, warum Foucault den Weg für den wahrlich bedeutendsten französischen Denker des 20. Jahrhunderts vorbereiten und öffnen konnte, nämlich für Gilles Deleuze selbst. Selbst der sonst so vorsichtige und eher zurückhaltende Derrida rief während seiner Ansprache bei Deleuzes Begräbnis aus: »Der Autor von Differenz und Wiederholung (eines von Deleuzes Hauptwerken) ist der großartige Philosoph des Ereignisses.« Wie eine Sonne, die all die intellektuellen französischen Sterne überstrahlt, sie jedoch auch in ihren Zusammenhang stellt, ihnen ihre historische Gestalt gibt und das Denken auf seinem Weg in die Flugbahn und Richtung seiner zukünftigen kosmischen Bestimmung und Konstellation hebt, verdient Deleuze uneingeschränkt die Aussage Foucaults: »Das ganze philosophische 20. Jahrhundert wird eines Tages das Deleuzianische Jahrhundert genannt werden.« Und an anderer Stelle: »… ein Gewittersturm wurde erzeugt, der den Namen Deleuze tragen wird: Neues Denken ist möglich; Denken ist wieder möglich!«

    Es war Deleuze – allein und gemeinsam mit seinem Mitstreiter und Mitautor Felix Guattari – der in all seinen Schriften die zukünftige Rolle und Aufgabe der Philosophie aufzeigte. Greifen wir aphoristisch eine Aussage heraus, die – aus der in diesem Vortrag dargestellten Sichtweise – als symptomatischer Wegweiser in die Entwicklungsgeschichte der Philosophie eingeschrieben werden kann. Wir finden sie in seinem letzten Buch Was ist Philosophie, das er zusammen mit Felix Guattari geschrieben hat. Da finden wir diese Aussage:

    Der alleinige Zweck der Philosophie ist es, sich des Ereignisses würdig zu erweisen. (2)

    Diese gewaltige Umwandlung der Rolle der Philosophie durch Deleuze ist ein Ergebnis eines allgemeinen Projektes, zu dem jeder der oben erwähnten Denker beigetragen hat – angefangen mit Heidegger, der als Erster das »Ereignis« als einen zentralen philosophischen Begriff thematisierte. Es genügt hier zu sagen, dass Deleuze mit diesem Begriff ein kompliziertes und vielschichtiges Geschehen ausdrückt, das er in seinen Werken über drei Jahrzehnte hinweg wiederholt beschrieb und variierte. Ein Stück weit in unsere Worte übersetzt kann dieses »Ereignis« verstanden werden als pulsierende Systole und Diastole, als ein Atmen immanenten Lebens, der sich fortwährend ereignende Inkarnations- und Exkarnationsprozess in jedem einzelnen Element von Materie, Raumzeit und Bewusstsein. Deleuze erfasste Leben und Sinnlichkeit als überall in Natur, Kultur und Kosmos existierend, mit und ohne organisch-körperliche oder materielle Grundlagen. Wenn wir seine Aussage in diesem Sinne neu formulieren, können wir sie also folgendermaßen ausdrücken:

    Der alleinige Zweck der Philosophie ist es, sich der ständig pulsierenden, atmenden, vibrierenden Bewegung des universellen, immanenten Lebens würdig zu erweisen.

    Rätsel und Probleme der Vergeistigung des Denkens

    Der revolutionären Neuformulierung von Sinn und Wesen der Philosophie durch Guattari und Deleuze wollen wir nun einige Aussagen Rudolf Steiners gegenüberstellen. Er sagt z. B., dass wir jetzt, da die Rolle der Philosophie erfüllt ist (d. h. am Ende des 19. Jahrhunderts), den Mut haben müssen, den Blitz des Willens durch das gänzlich singuläre Wesen der einzelnen Person direkt ins Denken einschlagen zu lassen. (3) Dieses Willenselement kann das Denken befeuern und aus seinen körperlichen Fesseln befreien, sodass es seine Flügel entfalten kann, um sich zu erheben und in das offene kosmisch-ätherische Universum aufzusteigen. Dann wird es nicht mehr dasselbe »Ich« sein, das denkt, sondern es wird der Strom des kosmischen Denkens sein, der durch mein verwandeltes Wesen fließt. »ES denkt in mir« wird eine wahrhaftige Erfahrung und ein wirkliches übersinnliches Ereignis werden. (4) Aber gerade diese bemerkenswerte geistige Errungenschaft – das »ES denkt« – wirft ernste Probleme der Erkenntnistheorie, der Identität und natürlich der Ethik auf, die mit den Mitteln der heutigen Philosophie und Wissenschaft nicht gelöst werden können.

    Das Hauptproblem hier ist Folgendes: Wenn »ES in mir denkt«, wer ist dies »Ich« in dem und durch das »ES denkt«? In der Nacht, wenn das ES wirklich nicht nur in mir denkt, sondern auch die Grundlage meiner gesamten Existenz bildet und formt, zieht sich mein gewöhnliches Selbstbewusstsein vollständig zurück und ist völlig abwesend. Ich werde unbewusst, um dem ES zu erlauben, meine Existenz zu übernehmen, weil mein gewöhnliches Selbst noch gar nicht in der Lage ist, im spirituellen Selbstbewusstsein die notwendige Aufrechterhaltung meines ganzen Seins zu erfüllen. Deshalb bin ich in der Nacht, und auch unbewusst während des Tages, hingegeben an SEINE kosmische Führung und an SEINE heilenden Kräfte und an SEIN Wesen. Ich hoffe, es ist mir gelungen, dieses Problem für euch etwas problematischer und konkreter zu machen: Wie kann dieser Depersonalisierungs- und Überpersonalisierungsprozess bewusst erlebt werden? Wie kommt das eine Selbst – das gewöhnliche – heraus und das andere – das Höhere Selbst – herein? Und wer ist das »eine« (das jetzt schon zwei ist und sich weiter vervielfältigen wird, je weiter der Vergeistigungsprozess voranschreitet!), das diese zwei – und die vielen – gegenseitig erkennt, organisiert und in eine harmonische Komposition bringt? Und in welcher Art von Selbst-Bewusstsein würde dieses »ES denkt« bewusst werden?

    Dasselbe Problem kann auch so zum Ausdruck gebracht werden. Steiner sagte, er betrachtete Descartes’ berühmte Aussage »Ich denke, also bin ich« als nichts Geringeres als »der größte Irrtum, der an die Spitze der neueren Weltanschauung gestellt worden ist; … denn genau dort, wo ich denke, bin ich nicht … denn das gewöhnliche Denken ist nur ein leeres Bild, ein Abbild, eine Vorstellung, und es ist jedes wirklichen, substanziellen Seins beraubt.« (5) Diese Aussage charakterisiert eine wesentliche wie auch existenzielle Erfahrung des zeitgenössischen philosophischen Denkens als Ganzes und insbesondere der oben genannten französischen Philosophen. Zu diesem ersten Aspekt gehört das, was zeitgenössisches philosophisches Denken in gewissem Umfang und auf verschiedene Weise und in unterschiedlichem Ausmaß erreichen konnte, nämlich die »Kosmisierung« des Denkens und die Verwirklichung des »Denkens des Außen« und des »ES denkt im Innern« (Foucault-Deleuze); jedoch war diesem Denken das Gefühl eigen, dass es die Realität des Subjekts, des Individuums, vollständig opfern musste, um dies zu erreichen. Diesem vollständigen Opfer können wir nicht zustimmen. Wir müssen jedoch auch zugeben, dass wir, wie oben erwähnt, von Steiners eigenem gelebten, initiatorischen Beispiel abgesehen, keine Beschreibungen aus erster Hand über eine erfolgreich durchgeführte erfahrungsmäßige Lösung dieses Dilemmas haben. Insgesamt können wir sagen: Die zeitgenössische Philosophie hat zwar auf originelle und neue Weise einige Aspekte im Kontext der Vergeistigung des Denkens entwickelt, blieb aber in Bezug auf die

    Gefällt Ihnen die Vorschau?
    Seite 1 von 1