Der König nackt im Wald
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Über dieses E-Book
Anders Baumgartner
Der Autor erblickte in der Obersteiermark in Österreich das Licht der Welt und hat dort noch heute seinen Wohnsitz. Die Landschaft seiner Heimat ist auch eine große Inspirationsquelle für seine Geschichten.
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Buchvorschau
Der König nackt im Wald - Anders Baumgartner
Es war einmal ein König, der war über alle Maßen stolz. Er war aber nicht nur stolz, weil er König war. Nein, er besaß auch eine schöne Gestalt und war hochgewachsen. Respekt einflößend mutete seine Erscheinung an, wenn man vor ihm stand. Sein Königreich war wunderschön und voller Berge, auch seine Schlösser vermissten keinen Prunk.
Das Wesen des Königs war für seine Untertanen aber unerträglich. Sein Hochmut kannte keine Grenzen und seine Rachsucht war jedem Bewohner des Landes bekannt. Ihm durften nur die auserlesensten Mahlzeiten kredenzt werden und seine Kleider mussten aus den kostbarsten Stoffen hergestellt sein.
Allerdings war er nicht der Einzige, der im Land etwas zu sagen hatte. In der Stadt, in der sich sein Hauptschloss befand, lebte auch der Kardinal, der höchste kirchliche Würdenträger des Landes. Er sprach oft mit dem König und wollte bei vielem mitreden. Wer aber glaubt, dass der Kardinal zum Wohle der Menschen handelte, der irrt. Denn er war ebenso herrschsüchtig wie der König. Er versuchte seinen Einfluss auf diesen zu erweitern. Da der König sich aber kaum beeinflussen ließ, hatte der Kardinal damit wenig Erfolg. Anders sah es auf der Kanzel aus. Von dort aus predigte er während der Messen eifrig, um die Bürger zu erreichen. Er verurteilte jede vermeintliche Sünde, die schlimmsten Strafen malte er sich für die gefallenen Menschen aus.
Er predigte: »Niemand wage es, während der Fastenzeit vor Ostern auch nur ein Stück Fleisch zu essen!« Er ließ aber in der Küche in seinem Palast zur Fastenzeit ein paar Würste aufbewahren. Denn er sagte: »Es soll ja der Duft dieser Würste in die Nase aufsteigen, damit man eine Versuchung hat zur Fastenzeit, genau wie der Herr in der Wüste in Versuchung geführt worden war. Und so wie der Erlöser müsse man widerstehen können!«
Allerdings war er derjenige, der sich drei- oder viermal eine Wurst schnappte und sie dann heimlich in seiner Kammer aß. Wenn er darauf hinwies, dass eine Wurst in der Küche fehlte, so verdächtigte er seinen Koch, seinen Kammerdiener oder irgendeinen anderen Bediensteten. »Wenn ich herausfinde«, so sprach er, »wer die Wurst gestohlen hat, dem droht ein schreckliches Gericht!«
Dann wieder predigte er gegen Alkoholgenuss: »Der Wein wurde dazu geschaffen, um während der Messe getrunken zu werden! Nur zwei-, dreimal im Jahr darf man ihn auf einem Fest genießen, aber auch dann nicht so viel, dass man betrunken wird!«
Der König lebte im schönen Schloss,
in welchem er sein gutes Leben genoss.
Armut und Hunger kannte er nicht,
das Volk kannte er nicht vom Angesicht.
Er lebte dahin in Saus und Braus,
denn bitteres Leben gab’s nicht im Haus.
Wer täglich die besten Speisen isst,
sehr schnell auf die Armen vergisst.
Und sein Stolz tat ihm gar nicht gut,
vor ihm sei jeder auf der Hut.
Angehimmelt wollte er werden,
sonst bekam man Drohgebärden.
Nichts zählte für ihn als sein Ruhm,
dazu gehörte auch sein Reichtum!
Dabei trank er fast jeden Abend in seiner Kammer Wein, ohne sich damit aber zu sehr zu betrinken. Es sollte ja niemand in seinem Palast bemerken.
Er predigte auch viele Male: »Lebt fromm und ehrbar! Ihr sollt nicht einmal anzügliche und unanständige Bemerkungen machen! Das geziemt sich nicht.«
Dabei besuchte er nur zu gern die Nonnenklöster, um die jungen Novizinnen zu sehen. Es kam nicht selten vor, dass er anzügliche Bemerkungen machte, worauf die jungen Frauen erröteten.
Und wie man die Kassen füllte, das wusste der Kardinal ganz genau. Denn niemand konnte jemandem so gut ins Gewissen reden wie er. Nur beim König versagte sein Talent. Dieser hatte seinen eigenen Kopf. Er sagte sich: »Wieso sollte ich mir von diesem rotgekleideten Vogel etwas sagen lassen? Ich bin doch der König dieses Landes. Der soll sich um seine Kirchen kümmern und auf seinen Heiligen Vater hören, der weit fern thront. Warum geht er nicht gleich dorthin? Da kann er machen, was er will, das ist mir egal. Aber hier in meinem schönen Land soll er mich allein walten lassen. Ich sage ihm ja auch nicht, was er mit seinen Kirchen und Klöstern machen soll.«
Der König hatte aber einen Vetter, der sechs Jahre jünger war als er. Dieser war der Sohn seines Onkels, des Vaters Bruder. Der Vetter war fromm und glaubte alles, was der Kardinal ihm einredete. Daher sagte sich der Geistliche: »Ach, warum ist nicht er der König des Landes? Er wäre niemals so widerspenstig und würde mir stets gehorchen. Mein Einfluss wäre dann weitaus größer.«
Zurück zum wahren Herrscher. Der König hatte von sich eine Statue meißeln und sie im Schlosshof aufstellen lassen. Es freute ihn jedes Mal, wenn er an ihr vorbeiging und sein Abbild in Stein