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Konsequent 60 Prozent: Wie du mit weniger Arbeit mehr schaffst | LinkedIn Top Voice 2023
Konsequent 60 Prozent: Wie du mit weniger Arbeit mehr schaffst | LinkedIn Top Voice 2023
Konsequent 60 Prozent: Wie du mit weniger Arbeit mehr schaffst | LinkedIn Top Voice 2023
eBook254 Seiten3 Stunden

Konsequent 60 Prozent: Wie du mit weniger Arbeit mehr schaffst | LinkedIn Top Voice 2023

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Über dieses E-Book

Arbeiten bis der Arzt kommt – und darüber hinaus. Denn egal, wie sehr man sich anstrengt und ackert, es scheint nie genug. Mehr Calls und digitale Events, noch mehr zwischendrin und abends erledigen. Leistung ist alles, was zählt und die Freude am Job ist nur eine vage Erinnerung. Stattdessen versucht man, sich noch effektiver zu fokussieren und zu organisieren, aber der Dauerhustle nimmt einfach kein Ende

Martha Dudzinski hat selbst lange perfekt funktioniert, bis es irgendwann einfach nicht mehr ging. Die Energie war aufgebraucht, die Kraft war weg. Höchste Zeit für die Unternehmerin, sich ihre Art zu arbeiten genau anzuschauen.Wie priorisiere ich? Wie entscheide ich, was erledigt werden muss? Was macht mir Freude, was raubt mir zu viel Kraft? Und was bin ich überhaupt bereit, zu leisten?

In ihrem Buch erfahren wir, wie eine neue Art zu arbeiten funktionieren kann. Ein sinnvolles Energiemanagement und perfekt auf die neue Arbeitswelt zugeschnittene Tipps und Methoden zeigen, wie man auch mit 60 Prozent Leistung zu einem 100-Prozent-Ergebnis kommen kann. Denn Produktivität und Erfolg sind auch ohne Dauerstress möglich. Und statt Überforderung kehrt die Freude am Job zurück – und bleibt!

SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum23. Apr. 2024
ISBN9783745922424
Konsequent 60 Prozent: Wie du mit weniger Arbeit mehr schaffst | LinkedIn Top Voice 2023
Autor

Martha Dudzinski

<p>Martha Dudzinski ist Geschäftsführende Gesellschafterin der SWANS Initiative und hält Vorträge zu Privilegien, Diversity und Feminismus. Davor war sie Pressesprecherin bei Mercedes-Benz Deutschland und Referentin im Bundespresseamt. Sie hat einen M.Sc. in Politik von der University of Edinburgh und einen B.A. in Politik von der LMU München. Sie wohnt, wie es sich für eine Schwäbin gehört, in Berlin.</p>

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    Buchvorschau

    Konsequent 60 Prozent - Martha Dudzinski

    Marthas Matschbirne

    „Wenn Sie einen Herzinfarkt hätten und danach nur zwei Stunden die Woche arbeiten dürften: Was würden Sie tun?", fragt der US-amerikanische Buchautor Tim Ferriss in seinem New York Times-Bestseller „Die 4-Stunden-Woche". Was für ihn ein spielerisches Gedankenexperiment ist, ist für mich schmerzhafter Alltag. Nur dass ich keinen Herzinfarkt hatte, sondern seit über zwei Jahren an den Langzeitfolgen meiner Covid-Infektion leide und mir nicht meine Ärztin, sondern mein Körper verbietet, mehr als zwei Stunden zu arbeiten. Immerhin am Stück und nicht pro Woche.

    Was der Autor hier emotionslos-hypothetisch in den Raum wirft, muss ich jeden Tag aufs Neue mit mir selbst aushandeln. Wenn nicht, schlägt mein Körper zurück: mit Kopfschmerzen, Sehstörungen, Schwindel, Tinnitus, Erschöpfung und depressiven Episoden. Aus einer allgemeinen, normalen Verpeiltheit, die wir alle kennen, wurde eine Matschbirne. Seit zwei Jahren kann ich mich nicht mehr richtig konzentrieren. Ich vergesse Termine und Treffen (jeweils Plural). Verliere Koffer und Kalender (jeweils Singular). Der Koffer ist übrigens nicht in Berlin oder Frankfurt verschwunden, wo ich das am ehesten erwartet hätte. Sondern ausgerechnet im beschaulichen Marburg. Wo auch immer du gelandet bist, mein liebster kleiner knallroter gefälschter Rimowa-Koffer – ich denke an dich und vermisse dich!

    Es ist Ende Januar 2022. Zwei Jahre Pandemie habe ich überstanden, ohne mich anzustecken, zwei Covid-Impfungen mit wenig Nebenwirkungen hinter mir, die dritte steht gerade an. Doch ein positiver Test kommt dazwischen. Nach genau sieben Tagen eines – im Vergleich zu gewöhnlichen Erkältungen – wirklich harmlosen Verlaufs ist mein Schnelltest am 1. Februar 2022 wieder negativ.

    Es ist Dienstag. Ich freue mich über die wiedererlangte Freiheit und gehe erst einmal ausgiebig spazieren. Als ich mich danach an den Laptop setze, merke ich, dass etwas nicht stimmt. Irgendwie geht nichts mehr. Arbeiten, lesen, Netflix gucken – alles ist plötzlich zu anstrengend. Ich bin ständig ausgelaugt und kann mich nicht mehr konzentrieren. Wenn ich es doch versuche, begehe ich peinliche Flüchtigkeitsfehler. Und alles wird begleitet von einem dröhnenden, anhaltenden Kopfschmerz.

    Zunächst hoffe ich, dass es sich nach ein paar Tagen legen wird. Dann hoffe ich auf ein paar Monate. Anschließend, dass es nach einem Urlaub besser wird. Nach einem halben Jahr. Letzten Endes finde ich mich damit ab, dauerhaft mit angezogener Handbremse fahren zu müssen. Die immer wieder aufs Neue enttäuschte Hoffnung kostet mich so viel Kraft, dass ich sie gänzlich aufgeben muss, um meine Gesundheit zu schonen.

    Wie sehr mich dieses Täglich-ausgebremst-Werden belastet, kannst du dir am besten vorstellen, wenn du weißt, wie mein Leben vorher ausgesehen hat. Also versuche ich mal, dir einen Einblick zu verschaffen:

    Schon zu Jugendzeiten war ich bekannt als diejenige, die in der Schule immer überall mitmischte und regelmäßig in der Zeitung auftauchte. In der Abizeitung schrieben meine Klassenkamerad*innen Dinge wie „die springt rum und tanzt den ganzen Tag, als ob die Schule nicht anstrengend genug wär, „personifizierte Dynamik und „hat immer alles voll im Griff".

    Die Begriffe „übermotiviert, „hyperaktiv¹, „Organisationstalent und „Karriere(frau) fallen je zweimal. Das Wort „engagiert kommt vier Mal vor. Dazu Kommentare zu meiner guten Laune, meiner Partytauglichkeit und meinen außerschulischen Engagements: Ich war gewähltes Jugendratsmitglied meiner Heimatstadt Friedrichshafen, gewann einen bundesweiten Preis für die von mir geleitete Schüler*innenzeitung, koordinierte die Redaktion der Abi­zeitung und schrieb für die Jugendseite der „Schwäbischen Zeitung. Außerdem betreute ich polnische Waisenkinder, spielte Theater, tanzte im Verein, leitete externe Tanzteams und gab Workshops. Zusätzlich habe ich babygesittet, Zeitungen ausgetragen, Hotelzimmer geputzt. Dazwischen ein Auslandsjahr in den USA mit Teilstipendium für meine Ehrenämter und eine monatliche Kolumne im Lokalteil der „Schwäbischen Zeitung". Mit 19 baten mich die Freien Wähler, für sie für den Gemeinderat zu kandidieren – quasi mein erster Auftritt als Token (junge Quoten-Frau).

    Nach meinem Abitur (1,7) ging es im Politikstudium an der Ludwig-Maximilians-Universität so weiter: Ich arbeitete beim Aus- und Fortbildungsradio M94.5, war ehrenamtliche Tanztrainerin für Geflüchtete, machte ein Auslandssemester in Krakau. Es folgten Praktika in Hamburg, Unterföhring/München, Bayreuth, Warschau und in der jordanischen Hauptstadt Amman. Bei der „Harvard World Model United Nations"-Konferenz in Singapur gewann ich einen Diplomacy Award. Mit 22 erhielt ich mein erstes WDR-Honorar, als ich während der Fußball-EM 2012 im ARD-Studio Warschau als Producerin für das ARD-Morgenmagazin arbeitete. Dazu kam das straffe Seminarprogramm meines Stipendiums der Journalist*innen-Akademie der Konrad-Adenauer-Stiftung. Deren finanzielle Vollförderung (höchstmögliche Summe) ermöglichte mir vieles, was ich mir sonst niemals hätte leisten, oder gar erträumen können.

    Einmal habe ich in Berlin Wäsche gewaschen und sie in München aufgehängt, nur um dann zu meinen Eltern an den Bodensee zu fahren. Die Woche zwischen einem Praktikum in Bayreuth und einer Stelle als Projektassistentin in Jordanien habe ich auf einem Seminar in Berlin verbracht.

    Nachdem ich in Schottland meinen Master-Abschluss gemacht und ein Praktikum an der deutschen Botschaft in London absolviert hatte, trat ich einen Tag nach meinem 26. Geburtstag meinen Job als Referentin im Bundespresseamt an. Dort wertete ich im Schichtdienst Agenturmeldungen aus und schrieb SMS an Kanzlerin Merkel. Hauptberuflich.

    Ehrenamtlich stellte ich nebenher ein Team zusammen und baute die „SWANS Initiative auf: Wir sind eine Gruppe aus rund 20 im deutschsprachigen Raum aufgewachsenen Studentinnen und jungen Akademikerinnen mit Einwanderungsgeschichte, Schwarzen Frauen und Women of Color, die Frauen mit ähnlichen Biografien bei allen Themen rund um Beruf und Karriere unterstützt. Als gemeinnützige GmbH mit einem großteils ehrenamtlichen Team fördern wir inzwischen über 1000 „Schwäne mit u. a. Seminaren, Webinaren, systemischem Coaching und einer Austausch- und Netzwerkplattform.

    Nur ein Jahr nach unserer ersten Veranstaltung verlieh uns Bundeskanzlerin Merkel die Startsocial-Urkunde für die Bundesauswahl 2018. Wenige Monate später belegten wir den zweiten Platz beim Zivilgesellschaftspreis des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses (EWSA). Wir arbeiten seit Jahren mit Unternehmen wie McKinsey, Skadden, Procter & Gamble und SAP zusammen. Und setzen ein Projekt um im Rahmen des Programms Demokratie leben! der Bundesregierung. Aktuell werden wir als einzige europäische Organisation gefördert von der „United Nations Alliance of Civilizations" (UNAOC), BMW und Accenture. Nach einem zweijährigen hauptberuflichen Abstecher in die Privatwirtschaft, wo ich als Pressesprecherin für Mercedes-Benz Deutschland tätig war, leite ich SWANS inzwischen in Vollzeit.

    In den letzten zwei Jahren musste ich mir öfter anhören, dass ich ja gar nicht krank sein könne, weil ich immer noch so viel auf die Beine stelle. Doch das stimmt nicht, wenn man mich mit mir selbst vergleicht. Mit dem, wie ich vor der Infektion war. Im Vergleich dazu bin ich seit zwei Jahren bei konsequent 60 Prozent. Maximum.

    In diesem Buch werde ich bewusst nicht von Long Covid sprechen, da ich keine offizielle Diagnose erhalten habe – auch wenn Long Covid inzwischen von vielen als Dachbegriff für alle durch eine Covid-Infektion ausgelösten Krankheiten benutzt wird. Auch von mir.

    Ich habe verschiedene Untersuchungen, Lungenfunktionstests und Belastungs-EKGs hinter mir und haufenweise Medikamente durchprobiert, neben verschiedenen Schmerzmitteln auch Cortison, Antidepressiva und Betablocker. Während ich diese Zeilen schreibe, experimentiere ich mit Nikotinpflastern². Von der wenigen Kraft, die ich noch aufbringen kann, habe ich so viel für Aufenthalte in Praxen verbraucht, dass ich bei meiner Krankenkasse hochoffiziell als „Chronikerin vermerkt bin. Das ist mein ultimativer Ritterinnenschlag. Quasi wie ein „Senator Status der Lufthansa, nur dass ich meine Zeit in Wartezimmern verbringe statt in einer exklusiven VIP-Lounge.

    Mein Lungenarzt verzweifelte an mir, weil er keine objektiv messbaren Hinweise („Biomarker) auf meine Beschwerden finden konnte. Meine Neurologin meinte, ich solle nicht mehr als zehn Tage im Monat Schmerztabletten nehmen. Als ich das hörte, musste ich bitter auflachen. „Das würde bedeuten, dass ich nur noch an zehn Tagen im Monat arbeiten kann, erwiderte ich trocken. Im Kopfschmerz­tagebuch, das sie mir zum Ausfüllen mitgegeben hat, dokumentiere ich meine Symptome. Die sind am schlimmsten, wenn ich mich konzentrieren will, arbeite, am Rechner sitze.

    Auch wenn ich mich mit meiner „neuen Realität"³ in einer seltsamen Mischung aus Akzeptanz und Fatalismus abgefunden habe, bedeutet sie für mich einen täglich aufs Neue stattfindenden Kampf: Mein bewusstes Ich gegen meine Körperfunktionen. Wie viel kriege ich erledigt, bevor mein Körper kapituliert? Wie zähme ich meinen unbändigen Tatendrang? Es ist ein sich ständig wiederholendes Wettrennen gegen mich selbst.

    „Am Ende kommt noch ein Produktivitäts-Podcast raus", habe ich in den ersten Monaten nach meiner Covid-Erkrankung halb im Scherz gesagt. Was ich damit meinte: Die Krankheit zwingt mich dazu, effizienter zu arbeiten. Nicht, um als Digital Bromad⁴ um die Welt zu reisen, während ein E-Commerce-Unternehmen mir ein passives Einkommen⁵ verschafft, wie es uns US-Lifestyle-Guru⁶ Tim Ferriss in seinem Bestseller „Die 4-Stunden-Woche⁷ beibringt. Und auch nicht, um das Maximum aus meiner Zeit herauszuholen – das Ziel der meisten Produktivitäts- und Effizienz­ratgeber. Sondern, um das Allernotwendigste und Existenziellste erledigt zu bekommen. Weil mehr nicht geht. Weil ich mich dann hinlegen und schlafen muss. Nicht will. Muss. Meine einstige Liebe zum „Leischdungsnickerle⁸ hat buchstäblich pathologische Ausmaße angenommen.

    Dieses Buch beinhaltet nicht nur eine Reihe von Maßnahmen, mit denen ich und andere versuchen, ihr Arbeitspensum in den Griff zu kriegen. Sondern es hinterfragt auch, wie wir es tun: Auf wessen Rücken schaufeln wir unsere Kalender leer, und wie realistisch sind welche Tipps für welche Lebensrealitäten und Bevölkerungsgruppen?

    Ich bin immer wieder überrascht, welche der organisatorischen Maßnahmen, die ich für mich entdeckt habe, längst weltweit etabliert sind. Zum Beispiel das Batching (ähnliche Aufgaben wie Mails oder Anrufe zusammen abarbeiten) oder Inbox Zero (beantwortete Mails aus dem Posteingang löschen oder in andere Ordner verschieben). Da habe ich das Rad nicht neu erfunden. Ebenso wenig stammt die Erkenntnis von mir, dass nicht mangelnde Zeit unser Problem ist, sondern das Fehlen von Energie. Darauf sind auch schon andere vor mir gekommen. Ich kann nur bestätigen, dass diese Beobachtungen auch auf mich zutreffen und die Tricks für mich funktionieren.

    Apropos „funktionieren: Ich „funktioniere dank einer außerordentlich grenzwertigen Mischung aus Schmerz­medikamenten, Nickerchen und Verzicht auf alles, was Spaß macht. Ist das nicht inspirierend, erstrebens- und bewundernswert? Immer wieder frage ich mich, ob ich schneller ausgeheilt wäre oder meine Symptome schwächer wären, wenn ich mich konsequent krankgeschrieben und mir mehr Zeit für die Heilung erlaubt hätte. Wäre ich schon längst wieder gesund, hätte ich weniger gemacht? Ist das „Toll, was ich trotzdem alles geschafft kriege" es wert?

    In meinem Umfeld beenden Menschen Geschichten über persönliches Leid, Traumata und allgemeine Überlastung häufig mit der schulterzuckenden Bemerkung, dass sie nichtsdestotrotz „funktionieren. Was sie damit sagen: „Ich weiß, dass es der (Arbeits-)Welt vollkommen wurscht ist, wie schlecht es mir geht. Meine primäre Verpflichtung besteht darin, meiner bezahlten Arbeit weiterhin gewissenhaft und pflichtbewusst nachzugehen. Wir „funktionieren, weil wir zu „funktionieren haben. Ohne Rücksicht auf Verluste – und zwar unsere.

    „Es ist ein Privileg, produktiv sein zu dürfen", sagt Content-Creatorin und Unternehmerin Ella TheBee (@EllaTheBee) zu mir, die mit ihren über 200.000 YouTube-Abonnent*innen Tipps zu Produktivität und Zeitmanagement teilt. Doch wer entscheidet, wer und was als produktiv gilt? Ich denke, oft, wie dankbar ich dafür bin, dass ich gesund bin. Warum? Weil meine Krankheit nicht akut mein Leben bedroht, mich nicht zu sehr vom Arbeiten abhält? Und wenn ich mich jetzt für gesund halte: Was wäre denn krank?

    Wie schlecht muss es dir gehen, bis es schlimm genug ist?

    Man muss nicht wie ich erst erkrankt sein, um sich diese Frage täglich aufs Neue zu stellen. Wie krank, kaputt und nah am Zusammenbruch muss ich sein, bis es legitim ist, mich krankzumelden? Einen Gang runterzuschalten? Der Führungskraft zu sagen, dass ich nicht mehr kann?

    Im September 2023 machte eine repräsentative Studie die mediale Runde. Das Ergebnis: Mehr als die Hälfte der Deutschen fühlt sich erschöpft. Besonders betroffen sind Frauen und Angestellte; die Altersgruppe ab 65 am wenigsten. Hauptursachen sind gesundheitliche Beschwerden, die politische Lage und – vor allem bei den Menschen zwischen 30 und 49 – die Arbeitsbelastung.

    Aus der kapitalistischen Optimierung der eigenen Produktivität ist ein absurdes Konzept der Selbstfürsorge entstanden: Die sogenannte Peak Performance. Es geht darum, sich besser um sich selbst zu kümmern, damit man im Job Höchstleistung bringen kann. Verkürzt gesagt: Mach mehr Yoga, dann kannst du mehr arbeiten. Optimiere deine eigene Arbeitsleistung, indem du meditierst, ausreichend schläfst und dich gesund ernährst. Denn wo kämen wir denn hin, wenn wir diese Dinge einfach nur deswegen tun würden, weil sie uns gut tun und Freude bereiten?

    Wir alle sind Opfer dieser Denkweise, die unseren Wert primär über unsere Produktivität und Verwertbarkeit als Arbeitnehmer*innen definiert. „Ich will, dass diese blöde Matschbirne endlich weggeht, damit ich wieder in Ruhe arbeiten kann, habe ich mal zu meiner Freundin gesagt. „Nein, Martha. Du sollst gesund werden, damit du dich endlich wieder besser fühlst, korrigierte sie mich sofort. Erwischt!

    Kennst du die Faulheitslüge? Damit beschreibt der Psychologe Devon Price das Phänomen, dass wir uns kaputtarbeiten und am Ende des Tages trotzdem glauben, nicht genug geleistet zu haben. „Laziness Does Not Exist"¹⁰ heißt sein Buch, was so viel bedeutet wie: Faulheit existiert nicht. Viele von uns halten sich für faul, obwohl sie wissen, dass sie alles gegeben haben. Machen sich Vorwürfe, dass sie mehr hätten machen müssen, obwohl die Faktenlage beweist, dass „mehr" gar nicht gegangen wäre. Kommt dir das bekannt vor?

    Ich habe den Begriff „Faulheitslüge zum ersten Mal in Sara Webers Buch „Die Welt geht unter, und ich muss trotzdem arbeiten?¹¹ gelesen. Es stieg direkt in der ersten Woche auf Platz 15 der SPIEGEL-Bestsellerliste ein. Ihr Titel und ihre Recherchen dazu, dass wir uns alle überarbeitet, ausgebrannt und erschöpft fühlen, haben unzählige Menschen angesprochen.

    Wem das Buch weniger gut gefallen hat? Als ich sie für dieses Buch befrage, verrät Sara Weber die wenig überraschende Antwort: „Die größte Kritik kam vonseiten einiger Arbeitgeber*innen sowie Politiker*innen, die keine systemischen Veränderungen für nötig befinden und denken, Arbeitnehmer*innen sollten mehr und produktiver arbeiten – und dabei Arbeitsbedingungen und unbezahlte Sorgearbeit auszublenden scheinen." Und damit auch unsere verschiedenen Lebensrealitäten.

    Wir dürfen nicht mehr zulassen, dass Arbeitgeber*innen uns mangelndes Pflichtbewusstsein unterstellen.

    Gerade im Kontext der Pandemie waren viele Führungskräfte überrascht davon, dass ihre Beschäftigten im Homeoffice nicht nur weiterhin fleißig gearbeitet haben, sondern sogar wesentlich produktiver waren – zumindest, wenn sie nicht gerade damit beschäftigt waren, nebenher ihre Kinder zu betreuen.¹² Der Grund dafür: Keine Ablenkung durch Gespräche in der Kaffeeküche, weniger konsequente Mittagspausen und natürlich mehr Überstunden, da sich viele selbst nachts noch gerne „kurz" an den Rechner setzen. Allerdings war natürlich auch klar: Diejenigen, die schon im Büro nur ihre Zeit absitzen, werden auch im Homeoffice nicht auf magische Weise zu den Leistungsträgern des Jahres aufblühen.

    Noch vor wenigen Jahren wurde vielerorts beklagt, dass die Tech-Giganten im Silicon Valley (und die ihnen nacheifernden Start-ups weltweit) die Grenze zwischen Arbeit und Freizeit bewusst verwischen, indem sie am Arbeitsplatz Fitnessstudios, Freibier, Spielekonsolen und Tischkicker bereitstellen. Die Folge: Die Beschäftigten bleiben länger im Büro, arbeiten mehr und merken es nicht einmal. Erstaunlich wenigen Leute ist aufgefallen, dass im pandemiebedingten Homeoffice genau dasselbe passiert ist, nur umgekehrt: Die Grenze zwischen Arbeit und Freizeit verschwimmt, zuerst geografisch, dann auch zeitlich. Nur halt zu Hause statt im Büro.

    Wenig überraschend: Für Frauen in Deutschland fällt im Homeoffice knapp dreimal mehr unbezahlte Sorgearbeit (Haushalt, Kinderbetreuung, Pflege) an als für Männer.¹³ Bei dieser Thematik geht es dann nicht mehr nur um die Frage von Energie, sondern auch um eine nachweisbare Ungleichverteilung von (Frei-)Zeit.

    Bei dieser Gelegenheit ein wichtiger Hinweis dazu, wie ich mich ausdrücke: Meine Vorträge und Texte wurden schon als „erfrischend direkt und „herrlich unbequem bezeichnet. Dass ich mir struktureller Ungleichheit nicht nur bewusst bin, sondern diese auch anspreche, wird dir vielleicht schon in den vorherigen Absätzen aufgefallen sein – und nicht allen gefallen. Vor allem nicht denen, die von den vorherrschenden Machtstrukturen profitieren, aber damit nur ungern konfrontiert werden möchten. Denen schon der Begriff „Machtstruktur schmerzhaft quersitzt wie Darmgas nach einer saftigen Portion Schupfnudeln mit Sauerkraut. Die sich nicht einmal theoretisch vorstellen können, was mit dem Begriff „strukturelle Diskriminierung gemeint sein könnte. Und das auch gar nicht wollen. Diejenigen, die sich nicht eingestehen wollen, dass sie privilegiert sind. Und oft auf lächerliche und peinliche Art zu konstruieren versuchen, dass sie doch auch irgendwie arm, benachteiligt und diskriminiert sind. Die versuchen, Teilhabegerechtigkeit als abstraktes Elfenbeinturm-Thema abzutun, statt zuzugeben, dass eigentlich sie selbst diejenigen sind, die weltfremd und ignorant sind in Bezug auf die Lebensrealitäten

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