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Schlüsselerfahrungen: Supervision im therapeutischen Strafvollzug
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Schlüsselerfahrungen: Supervision im therapeutischen Strafvollzug
eBook118 Seiten1 Stunde

Schlüsselerfahrungen: Supervision im therapeutischen Strafvollzug

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Über dieses E-Book

Es gibt keinen Ort, an dem der Schlüssel so klar den Umgang mit Macht symbolisiert wie das Gefängnis. Unter welchen Bedingungen kann an diesem Ort ein Zusammenspiel von Strafe und Therapie, von Anpassung und Selbstverantwortung gelingen, um die Insassen in einem straffreien Leben zu unterstützen?


In Einrichtungen der Justiz, die neben dem Vollzug von Strafe, auch Therapie realisieren sollen, arbeiten therapeutische Teams in einem Spannungsfeld, dem unter anderem Jurisprudenz, Psychologie und Pädagogik angehören. Sie werden nicht nur mit schwierigen Insassen, sondern auch mit Bedingungen konfrontiert, die sich aus strukturellen Widersprüchen der Institution ergeben. Soll das Projekt der Resozialisierung greifen, muss das Zusammenspiel von Therapie und Strafe gewährleistet, müssen die jeweiligen Perspektiven aufeinander bezogen und miteinander in Einklang gebracht werden. Erfolgreiche Supervision in sozialtherapeutischen Abteilungen des Strafvollzugs bedeutet, so Franziska Lamott, die gesellschaftliche Funktion der Institution zu kennen, ihre strukturellen Widersprüche wahrzunehmen, heftige Emotionen und psychosoziale Abwehrstrategien zu erfassen sowie die Energie und Ausdauer aufzubringen, gemeinsam Wege zu finden, auf denen sich die komplexen Aufgaben des Teams in Balance halten lassen.
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum17. Juni 2019
ISBN9783647998961
Schlüsselerfahrungen: Supervision im therapeutischen Strafvollzug

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    Buchvorschau

    Schlüsselerfahrungen - Franziska Lamott

    1 Einleitung

    An den Orten, um die es im Folgenden gehen wird, spielt der Schlüssel eine wesentliche Rolle, nicht nur als Instrument, um Türen zu verschließen oder zu öffnen, nicht nur als Mittel, um Bewegungsfreiheit zu gewähren oder zu beschränken. Der Schlüssel ist auch Symbol der Macht, die ihn zum Einsatz bringt.

    Die historische Entwicklung des Strafvollzugs führte in den vergangenen Jahrzehnten zu einer Humanisierung. Konzepte der Resozialisierung wurden nach und nach berücksichtigt. Und dennoch bleiben Gewaltverhältnisse der Matrix der Institution eingeschrieben. In Einrichtungen der Justiz, die neben dem Vollzug von Strafe nun auch Therapie realisieren sollen, arbeiten multidisziplinäre Teams in einem Spannungsfeld von Strafrecht, Strafvollzugsrecht, Psychiatrie, Psychologie und Sozialpädagogik. Sie werden nicht nur mit schwierigen Insassen, sondern auch mit Arbeitsbedingungen konfrontiert, in denen sich die Widersprüche der Institution wiederfinden. Soll das Projekt der Resozialisierung greifen, ist für das Zusammenspiel von Therapie und Strafe Sorge zu tragen, müssen die jeweiligen Perspektiven aufeinander bezogen und miteinander in Einklang gebracht werden. Um der Komplexität des Feldes gerecht zu werden, ist es daher notwendig, die verschiedenen Ebenen der Institution und Organisation sowie die sich gegenseitig bedingenden Dynamiken zwischen Insassen¹ und Soziotherapeuten, zwischen der Welt draußen und der Welt drinnen in den Blick zu nehmen. Andernfalls läuft man Gefahr, Möglichkeiten und Grenzen der therapeutischen Arbeit aus den Augen zu verlieren.

    Supervision in sozialtherapeutischen Abteilungen des Strafvollzugs verlangt,

    –die gesellschaftliche Funktion der Institution vor dem Hintergrund historischer Veränderungen einschließlich ihrer psychosozialen Konzepte zu kennen,

    –die damit verbundenen strukturellen Widersprüche wahrzunehmen,

    –interpersonelle Abwehr- und Bewältigungsstrategien der Insassen und Mitarbeiter zu erfassen

    –sowie gemeinsam Wege zu finden, auf denen sich die komplexen Aufgaben bewältigen lassen.

    Eine lohnende und spannende Aufgabe für alle Beteiligten.

    1Um den Textfluss zu wahren, verwende ich das generische Maskulinum. Sofern Personen eines bestimmten Geschlechts gemeint sind, werde ich es explizit zum Ausdruck bringen.

    2 Verschlossene Orte

    Nähert man sich den massiven, häufig wehrhaft anmutenden Mauern eines Gefängnisses, den Gebäuden mit vergitterten Fenstern und den nach außen wie nach innen gerichteten Kameras, dann stellt sich nicht selten ein unbehagliches Gefühl ein. Wem gilt eine solche martialisch wirkende Wehrhaftigkeit? Die Kontrollschleusen, die man als Besucher zu durchschreiten hat, verstärken den Eindruck, dass die Gefahr nicht nur von den Insassen ausgeht, sondern auch Besucher unter Verdacht genommen werden, die innere Ordnung dieser Institution zu unterlaufen bzw. zu stören.

    Viele dieser Anstalten entstammen dem 19. und beginnenden 20. Jahrhundert. Sie weisen eine zeittypische Architektur auf, in der sich die jeweiligen historischen Vorstellungen von Sicherheit und Kontrolle ausdrücken. Obwohl solch festungsähnliche Anlagen anachronistisch sind, werden die Gebäude oft weiterhin genutzt und wirken auch heute noch abschreckend. Nach außen signalisieren sie eine der Gefährlichkeit der Insassen entsprechende Sicherung und erfüllen gleichzeitig kontrollierende wie stigmatisierende Funktionen.

    Die Architektur von Gebäuden hat einen wesentlichen Einfluss auf die Befindlichkeit der sie beherbergenden Menschen. Das gilt für Wohnhäuser ebenso wie für »totale Institutionen« (Goffman, 1973). Auch hier wirkt die Architektur wie eine »dritte Haut« (Funke, 2006), die, neben den Schutzhüllen des Körpers und der Kleidung, durch Begrenzungen des Raums in Form von Wänden und Mauern vor Gefahren von außen nach innen, ebenso wie von innen nach außen abschirmen sollen. Vorstellungen von einer »dritten Haut« legen ein schützendes, körpernahes Verständnis nahe. Sah Sigmund Freud darin einen »Ersatz für den Mutterleib, die erste, wahrscheinlich noch immer ersehnte Behausung, in der man sicher war und sich wohlfühlte« (Freud, 1930, S. 450), so betonte Melanie Klein (1995/1996) zu Recht, dass dieses wunschbestimmte Bild vom mütterlichen Innenraum allerdings höchst ambivalent ist. Dieter Funke (2006) formuliert den Zusammenhang so: »Das Innere des Körpers der Mutter ist einerseits ein Bild höchster Befriedigung und absoluten Wohlbehagens, andererseits aber auch ein Ort, der Ängste von Eingeschlossensein und Zerstörtwerden mobilisiert. Im frühen Bild vom mütterlichen Körper wurzeln sowohl die spätere Liebesfähigkeit des Erwachsenen als auch das Verfolgungsgefühl und der Hass« (S. 113). Letzteres dürfte vielen Insassen von Strafvollzugsanstalten vertraut sein.

    Versteht man das Gefängnis als einen architektonisch erweiterten Leib, so bedeutet das auch, sich mit diesem zu identifizieren: »Der Raum ist das Ganze, von dem wir Teil sind, und der Raum ist Teil von uns als Ganzes« (Funke, 2006, S. 69). Folglich kann die Wirkung eines nach außen abgeschotteten Gebäudes zwar die innere Trostlosigkeit und Isolation der dort eingesperrten Menschen verstärken, ihnen aber auch einen haltgebenden Schutz- und Schonraum zur Verfügung stellen, um sich in ihm selbst zu finden (Lamott, 2010).

    Annäherungen

    Über dem großen schweren Eingangstor des massiven Gebäudes befindet sich ein Kameraauge, auf dem Monitor im Innenraum der Pforte sehen die Beamten die Besucherin. Nachdem man seinen Ausweis vorgelegt und den Grund seines Besuches angegeben hat, erreicht man in Begleitung eines uniformierten Beamten nach Durchqueren mehrerer Stahltüren die Zentrale. Schwere Gittertüren werden aufund zugeschlossen. Hier im Inneren des Gebäudes ist man umgeben von den dem Haus eigenen Gerüchen, Mischungen aus einfachen Speisen, Putzmitteln und Bohnerwachs. Man hört Geräusche klappernden Geschirrs, den kurzen metallisch harten Klang der Schlüssel beim Aufschließen der Türen, Geraune aus offenen Zellen, Flüstern oder lautstarkes Ausdrucksgebaren. Den Blicken jener auf den Gängen wandelnden Männer kann man sich nicht entziehen. So folgt man entschiedenen Schrittes dem uniformierten Beamten und durchschreitet zielgerichtet die Gänge bis hin zur sozialtherapeutischen Abteilung.

    Die Mitte der alten Gebäude ist oft das nach dem Bentham’schen Panopticon konstruierte Herzstück des Komplexes. Als einer der wichtigsten englischen Sozialreformer des 19. Jahrhunderts entwickelte Jeremy Bentham mit dem Panopticon ein Modellgefängnis, in dessen Zentrum sich die Zentrale befindet: ein Beobachtungsturm, von dem man Einblick auf alle Stockwerke und in die sternförmig verlaufenden Gänge des Gebäudes nehmen kann (Bentham, 1843). Mit diesen architektonisch realisierten Prinzipien der Überwachung, Disziplinierung und Kontrolle hat Michel Foucault (1977) die »Geburt des Gefängnisses« verbunden. Ursprünglich sollten die Wärter von der Zentrale aus, ohne selbst gesehen zu werden, in alle Zellen, die lediglich mit Gittern versehen waren, schauen können. Die Gefangenen konnten davon ausgehen, immer kontrolliert und überwacht zu werden. Verinnerlichung der Überwachung war

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