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DER VERBOTENE KONTINENT: Ein dystopischer Science-Fiction-Roman
DER VERBOTENE KONTINENT: Ein dystopischer Science-Fiction-Roman
DER VERBOTENE KONTINENT: Ein dystopischer Science-Fiction-Roman
eBook280 Seiten3 Stunden

DER VERBOTENE KONTINENT: Ein dystopischer Science-Fiction-Roman

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Über dieses E-Book

Ein Weltkrieg hat Europa entvölkert und das Klima der Erde verändert. Die Pol-Kappen sind abgeschmolzen; der Meeresspiegel ist um dreißig Meter gestiegen; der Rhein mündet in der Nähe von Köln in die Nordsee.

Lange Zeit war Europa ein toter, radioaktiv verstrahlter Kontinent. Eine Expedition stieß rheinaufwärts vor, ist aber verschollen. Die Afrikaner unternehmen von Bologna aus, das am Rande eines gewaltigen Meerbusens liegt - der ehemaligen Po-Ebene - Erkundungsflüge mit kleinen sonnenbatteriebetriebenen Flugzeugen über die Alpen, um den Grad der Verstrahlung zu messen und das Wiedererstehen von Tier- und Pflanzenwelt zu beobachten. Durch eine Panne muss eines der Flugzeuge am Ufer des Lech notlanden. Die beiden Piloten stellen zu ihrer Überraschung fest, dass es doch Menschen auf dem verbotenen Kontinent gibt: Nachkommen der einstigen weißhäutigen Bevölkerung, deren Vorfahren wie durch ein Wunder den Krieg und die Spätfolgen der Radioaktivität überlebten und es lernten, ein Dasein auf einer primitiven Kulturstufe zu fristen...

Der verbotene Kontinent, der zweite Roman des Kurd-Laßwitz-Preisträgers Georg Zauner (* 17. April 1920; † 04. Oktober 1997), erschien erstmals im Jahr 1983 und gilt als modernes Meisterwerk der dystopischen SF-Literatur und hat bis heute nichts von seiner thematischen Brisanz und Aktualität verloren.

Der Roman erscheint als durchgesehene Neuausgabe in der Reihe APEX SCIENCE-FICTION-KLASSIKER.

SpracheDeutsch
HerausgeberBookRix
Erscheinungsdatum25. Juni 2020
ISBN9783748747291
DER VERBOTENE KONTINENT: Ein dystopischer Science-Fiction-Roman

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    Buchvorschau

    DER VERBOTENE KONTINENT - Georg Zauner

    Das Buch

    Ein Weltkrieg hat Europa entvölkert und das Klima der Erde verändert. Die Pol-Kappen sind abgeschmolzen; der Meeresspiegel ist um dreißig Meter gestiegen; der Rhein mündet in der Nähe von Köln in die Nordsee.

    Lange Zeit war Europa ein toter, radioaktiv verstrahlter Kontinent. Eine Expedition stieß rheinaufwärts vor, ist aber verschollen. Die Afrikaner unternehmen von Bologna aus, das am Rande eines gewaltigen Meerbusens liegt - der ehemaligen Po-Ebene - Erkundungsflüge mit kleinen sonnenbatteriebetriebenen Flugzeugen über die Alpen, um den Grad der Verstrahlung zu messen und das Wiedererstehen von Tier- und Pflanzenwelt zu beobachten. Durch eine Panne muss eines der Flugzeuge am Ufer des Lech notlanden. Die beiden Piloten stellen zu ihrer Überraschung fest, dass es doch Menschen auf dem verbotenen Kontinent gibt: Nachkommen der einstigen weißhäutigen Bevölkerung, deren Vorfahren wie durch ein Wunder den Krieg und die Spätfolgen der Radioaktivität überlebten und es lernten, ein Dasein auf einer primitiven Kulturstufe zu fristen...

    Der verbotene Kontinent, der zweite Roman des Kurd-Laßwitz-Preisträgers Georg Zauner (* 17. April 1920; † 04. Oktober 1997), erschien erstmals im Jahr 1983 und gilt als modernes Meisterwerk der dystopischen SF-Literatur und hat bis heute nichts von seiner thematischen Brisanz und Aktualität verloren.

    Der Roman erscheint als durchgesehene Neuausgabe in der Reihe APEX SCIENCE-FICTION-KLASSIKER.

    DER VERBOTENE KONTINENT

    »Doctor Livingstone, I presume...«

    Stanley bei der Wiederauffindung des verschollenen Livingstone

    im Jahre 1871 in Udjidji am Tanganjikasee

      VOR-GESCHICHTE

    Im Sommer des Jahres 1980 geschah es, dass das elfjährige Töchterchen Nannie des Ehepaares Bichler ein Erlebnis hatte, das leider tragisch endete. Ob dieses Erlebnis tatsächlich stattgefunden hatte oder nur eingebildet war oder gar den Charakter einer Vision hatte, konnte - wie so oft in solchen Fällen - nicht ermittelt werden. Die Öffentlichkeit wurde kaum berührt, und der Vorfall geriet alsbald in Vergessenheit.

    Die Familie war in der Stadt AUGSBURG ansässig. Diese Stadt liegt in EUROPA und dort wiederum etwa 80 bis 100 Kilometer nördlich des ALPEN-Gebirges.

    Man war mit dem Automobil etliche Kilometer in südlicher Richtung gefahren, um den schönen Juni-Sonnentag am Rande eines Waldes zu genießen. Die Eltern hatten klappbare Liegebetten aufgeschlagen und waren - obgleich sie eigentlich wach bleiben und etwas lesen wollten - sehr schnell in einen dämmrigen Halbschlaf gefallen. So bemerkten sie nicht, dass das Töchterchen seinem Dackelhund folgte, als dieser - eine Spur aufnehmend - in das Gesträuch des Waldrandes eindrang.

    Erst nach einer Stunde etwa entdeckten die Eltern die Abwesenheit von Tochter und Hund. Es wurde gerufen. Als keine Antwort kam, ging der Vater in den Wald, weil nach menschlichem Ermessen die Tochter nur dort versteckt sein konnte, denn das übrige Gelände war weithin einzusehen.

    Es dauerte nicht lange, da fand er beide - es war ein reiner Zufall. Tochter und Hund waren gleichermaßen verstört. Während der Hund leise vor sich hin wimmerte, zeigte das Mädchen immer wieder in die vor ihnen liegende Lichtung und behauptete flüsternd, dort seien sie noch vor kurzer Zeit zu sehen gewesen. Der Vater ahnte Böses und wollte wissen, ob man ihr etwas angetan habe und wer sie gewesen wären.

    Man hatte ihr nichts angetan und sie wollte bitte schnell von hier fort. Der Vater sagte ihr, sie brauche jetzt keine Angst mehr zu haben und führte sie an der Hand aus dem Wald.

    Zur wartenden Mutter zurückgekehrt, mochte das Kind auch hier nicht bleiben und drängte zum Aufbruch. Nun aber wollten die Eltern wissen, was eigentlich vorgefallen wäre.

    Zögernd erzählte das Kind, es seien Leute vorbeigekommen, die ganz leise in einer Reihe hintereinander gegangen wären. Statt richtiger Kleider hätten sie Felle und kaputte Lederröcke getragen, zwei von ihnen hätten Speere in der Hand getragen. Als sie vorübergezogen waren, sei an derselben Stelle eine alte Frau zu sehen gewesen, die wie eine Hexe aussah. Vor ihr lag ein Neger am Boden, und den hätte die Hexe mit einem spitzen Stock totgestochen.

    Vielleicht waren das Spiele eines Indianerclubs, vermutete der Vater. Das Kind aber behauptete mit Bestimmtheit, dass es gar keine richtigen Menschen gewesen seien, denn sie hätten sich vollkommen lautlos verhalten. Noch niemals habe sie so etwas Unheimliches gesehen, auch der Hund habe es wahrgenommen, sich verkrochen und keinen Laut von sich gegeben.

    »Sie sahen aus wie wilde Menschen mit langen Haaren«, beteuerte das Kind.

    Die Eltern tauschten besorgte Blicke. Sicherlich hatte das Kind Fieber. - Der Hund auch...?

    Um der Tochter die Angst zu nehmen, verstaute man wieder alles im Auto und fuhr nach Hause. Dort stellte sich heraus, dass das Kind tatsächlich fieberte. Noch am Abend wurde ein Arzt herbeigerufen, der etwas Beruhigendes verordnete und eine schnelle Besserung in Aussicht stellte.

    Am nächsten Morgen jedoch war das Kind verschwunden. Man verständigte die Polizei, und es wurde eine große Suchaktion mit Hunden und schließlich sogar einem Hubschrauber veranstaltet. Die Aktion blieb aber erfolglos.

    Wie schon gesagt: Das Ereignis - so tragisch es für die unmittelbar Betroffenen auch war - wurde bald vergessen. Am allerwenigsten schenkte man dem phantastischen Bericht des Kindes Beachtung, zumal man weiß, wie sehr Kinder im vorpubertären Alter an Einbildungen leiden und Dinge zu sehen glauben, die niemals tatsächlich existieren.

    Wollte man jedes Gesicht eines phantasiebegabten Kindes ernstnehmen, würde die Welt alsbald einem Irrenhaus gleichen.

    Anders vielleicht, wenn es sich um eine fromme Vision handelt, die sich in den vorherrschenden religiösen Kult einordnen lässt. - Dann können kindliche Einbildungen sehr wohl eine ernstzunehmende Bedeutung haben. - In diesem Fall jedoch konnte das Geschaute in keine Verbindung mit den landesüblichen Glaubensbildern gebracht werden.

      HAUPT-GESCHICHTE

    1

    Der Flugapparat war mit zwei Männern besetzt.

    Seit dem Start von der am äußersten Rande der Zivilisation liegenden Beobachtungs- und Forschungsstation Omaburu war etwas mehr als eine Stunde vergangen. Es war noch früh am Morgen, aber die Strahlungskraft der Sonne reichte schon aus, die beiden Motoren mit Hilfe der Stromwandlerzellen, welche sich auf den breiten Tragflächen befanden, anzutreiben. Allmählich wurde die Kraft auch stärker, das zeigten nicht nur die Instrumente, auch das Ohr konnte die immer schneller werdenden Umdrehungen der Propeller deutlich registrieren.

    Es war geplant, das Nordgebirge unterhalb der Gipfelhöhe zu überqueren und bei Sonnenhöchststand weit jenseits der Berge hoch über dem Waldrand zu fliegen. Es bestand kein Zweifel, dass bei dem günstigen Wetter Hin- und Rückflug ohne Probleme zu bewältigen waren.

    Der Startpunkt - die Station Omaburu - lag am Südufer der Meeresbucht und besaß neben einer Start- und Landebahn für Flugapparate auch einen Anlegeplatz, an dem die Versorgungsschiffe ankerten, wenn Nachschub für die etwa 40 Menschen der Station geliefert wurde. Ihren Namen - Omaburu - trug die Station zu Ehren des vor zwei Jahrhunderten verstorbenen gleichnamigen Ozeanologen, der vor allem wegen seiner exakten Vorausberechnung der großen Transgression, des Meeresspiegelanstiegs, bekannt geworden war.

    Die weite Meeresbucht, die früher einmal Land, ja, sogar Ackerland gewesen war, und damals von dem Fluss PO durchflossen wurde, war längst überflogen, die ausgedehnte Ruinenstätte MILANO, die man aus der Höhe deutlich erkennen konnte, desgleichen. Wenn auch Bäume und Sträucher den größten Teil der Ruinen überwuchert hatten, so lagen doch die höheren Gebäudereste frei, und insgesamt ergab sich das Bild einer außerordentlich großen Siedlung, wie man sie in unseren Tagen nirgendwo mehr antrifft.

    Die beiden Männer in dem Flugapparat, der Pilot Wakaale und der ihn begleitende Wissenschaftler Ossaman, kannten - soweit das überhaupt möglich war - die Geschichte des unter und vor ihnen liegenden Landes. Sie wussten, warum in diesen weiten Gebieten seit 2000 Jahren keine Menschen mehr wohnten oder auch nicht wohnen konnten. Genau genommen kannten sie aber nur die überlieferten Geschichten, die im Laufe der Zeit allerlei Wandlungen erfahren hatten und schließlich - nicht zuletzt durch den Einfluss religiöser Autoritäten - zu einem starren, kanonisierten Text geronnen waren. Da war viel von göttlichem Strafgericht die Rede und vom gotteslästerlichen Übermut der Gerichteten. So waren auch zahlreiche Tabus entstanden, zu denen vor allem auch das Betretungsverbot gehörte: Alles Land, das jenseits des afrikanischen Nordmeeres lag - die Meeresbucht des ehemaligen PO-Flusses war dessen äußerstes Ende - und vor allem die Gebiete hinter dem Gebirge galten als verbotenes Land. Es war nicht auszuschließen, dass monströse, wie auch immer geartete tierische und pflanzliche Lebewesen in den Weiten der undurchdringlichen Wälder entstanden waren und eine Bedrohung der zivilisierten Welt darstellten, so wie hier schon einmal die Keimzelle weltzerstörender Kräfte gewesen war.

    Es wäre also äußerst gefährlich gewesen, diese Gebiete zu betreten. Darüber hinaus aber war es frevelhaft und daher gleichsam undenkbar. Und so verbot der vorherrschende Glaube nicht nur das Betreten, sondern auch das Erwähnen des verbotenen Kontinents in allgemein zugänglichen Schriften, und dazu jede Art von Abbildung. Ja, sogar der Anblick des Landes galt als gefährlich. Seeleute, die gelegentlich in die Nähe jener Küsten gerieten, entzündeten auf dem Deck ein stark rauchendes Feuer, zum einen, um die Sicht auf das Verbotene zu verdunkeln - was freilich nicht immer gelingen konnte zum anderen aber auch, um ein Sühnezeichen zu setzen.

    Der alte Name EUROPA wurde nur mit größtem abergläubischem Unbehagen erwähnt, lieber sprach man von Da-und-Dort oder von Weiß-nicht-Wo.

    Wenn allerdings vorher gesagt wurde, dass selbst der Anblick des Nordlandes als sündhaft galt, so wurden doch Ausnahmen geduldet. Dazu gehörten eben jene gelegentlichen Beobachtungsflüge, die eine gewisse Sicherheit geben sollten - Sicherheit vor unberechenbaren Übergriffen, wenngleich die Wahrscheinlichkeit einer solchen Gefährdung - welcher Art diese auch immer sein mochte - nur sehr gering war. Diese Flüge geschahen etwa in jährlichem Turnus, und die Beobachtungsstation Omaburu, das alte PIACENZA, war einer der Ausgangspunkte solcher kühnen Unternehmungen.

    Wie gesagt: Die Männer in dem Flugapparat wussten einiges, oder besser gesagt, glaubten einiges über die Geschichte und den Zustand dieses Landes zu wissen. Bei ihnen und all denjenigen, die sich mit solchen Aufgaben zu befassen hatten, war im Laufe der Zeit eine etwas nüchternere Einschätzung der vorgeschriebenen und vorgefassten Lehrmeinungen entstanden. Wissenschaftler müssen die Furcht überwinden, wenn sie erfolgreich forschen wollen, und sie gehören damit zu den Eingeweihten, die sich über die Tabus stillschweigend hinwegzusetzen pflegen. So hatte zum Beispiel Ossaman, während sich der Flugapparat allmählich dem Nordgebirge näherte, keine Skrupel, den Namen ALPEN zu benutzen.

    Die Steigfähigkeit des Apparates hatte noch nicht seinen maximalen Wert erreicht, und während er auf das Gebirge zuflog, befand man sich noch unterhalb der meisten Gipfel, aber doch hoch genug, um das langgestreckte Tal, das in seiner Gänze durch einen See ausgefüllt war, gefahrlos zu durchfliegen. Bis zum Pass war es noch weit genug, bis dahin würde man die gewünschte Flughöhe ohne Zweifel erreicht haben, und das Wetter versprach, klar zu bleiben.

    Hier und bei allen anderen Flügen schenkte man verständlicherweise dem Wetter die größte Aufmerksamkeit, vor allem dort, wo das Klima eine Tendenz zum raschen Wechsel hat und ausreichende Vorhersagen nicht gegeben werden können. Weiter im Süden, auf dem afrikanischen Heimatkontinent, war die Fliegerei weitaus problemloser, weil ein dichtes Netz von Landebahnen bestand, die bei Wetterwechsel angeflogen werden konnten, das Wetter selber aber auch in weiten Teilen des Kontinentes beständiger war. Hier jedoch, jenseits des Randes der bewohnten Welt, war eine Luftreise stets voller Überraschungen und Gefahren, nicht zuletzt wegen der Unmöglichkeit einer Zwischenlandung. Man versuchte daher, immer eine Flughöhe zu erreichen, die zur zurückgelegten Strecke in einem solchen Verhältnis stand, dass man auch ohne elektrischen Antriebsmotor zurückgelangen könnte, und zwar im Segelflug. Die sehr großen Tragflügel machten das möglich.

    Während Wakaale gerade von seinen Flugerlebnissen unter den verschiedensten Wetterlagen erzählte, hing Ossaman seinen eigenen Gedanken nach, und sie kehrten immer wieder zurück zur vergangenen Nacht, zu Sahal, und wie sie ihn leidenschaftlich beschworen hatte, diesen Flug doch nicht zu riskieren. Es sei doch völlig ausreichend, so hatte sie ihm einzureden versucht, wenn Wakaale allein fliegen würde. Schließlich habe der doch zwei Augen im Kopf, und einen Fotoapparat könne er bestimmt nebenbei bedienen, dazu bedürfe es keines Begleiters.

    Ossaman war immer wieder gerührt, wenn sich seine Assistentin seinetwegen Sorgen machte, und so hatte er sich schon in manche riskante Unternehmung eingelassen, nur um ihre großen dunklen Augen zu erleben, wenn sie angstvoll auf ihn gerichtet waren, und dann das Glück und den Jubel des Wiedersehensfestes, wenn er unversehrt zurückgekommen war.

    Zu ihrem Trost hatte er ihr gesagt, dass es diesmal ja schon der dritte Flug sei, den er über das Gebirge hinweg unternehme - eine Routineangelegenheit sozusagen, die sicherlich in zwölf Stunden erledigt sei.

    Inzwischen war das nördliche Ende des langen Sees erreicht. Die beiden Männer hoch oben in der Luft ahnten nicht, in welcher unmittelbaren Gefahr sich die Zurückgebliebenen befanden, und dass auch sie selbst indirekt davon betroffen sein würden.

    2

    In Omaburu hatte man nach dem Start des Flugapparates mit den Vorbereitungen zum alljährlichen Sommerfest begonnen. Die Männer und Frauen der Station waren alle auf den Beinen. So weit von der Heimat entfernt, war es ihnen ein Bedürfnis, dieses traditionelle Fest besonders prächtig und fröhlich zu begehen. Die großen und kleinen Trommeln wurden nachgespannt, Zupf- und Streichinstrumente gestimmt, und viele Frauen halfen in der Küche mit, um an diesem Tage das dort beschäftigte Personal zu unterstützen. Wie immer bei den Festen sollte es Hammelbraten und vielerlei Gemüse und Salate aus den eigenen Gärten geben, Mana wurde zerkrümelt und zum Trocknen in die Sonne gelegt, damit es besser zu rauchen wäre, die Männer befestigten lange, bunte Bänder an den Zweigen, bis schließlich der zukünftige Tanzplatz auf der Terrasse wie mit einem bunten Dach überspannt war.

    Omaburu war ehedem in weitem Abstand von der Küste aufgebaut worden, so dass es von dem damals noch immer steigenden Meeresspiegel nicht erreicht werden konnte. Inzwischen hatten die Gebäude - teils aus Stein, teils aus Holz errichtet - schon ein ehrwürdiges Alter erreicht. Die Vorliebe für Treppenaufgänge außerhalb des Hauses, die damals üblich waren, gab dem zentralen Bau seinen besonderen Charme. In ihm waren die Verwaltung untergebracht, ferner Gemeinschaftsküche, Essraum, Clubraum, Bücherei, Arztraum mit Krankenzimmer und im Obergeschoss, das wie ein Turm über dem Eingang thronte, die Funkstation, die die Verbindung zur Außenwelt aufrecht erhielt.

    Hinter dem Haus - an der Nordseite und dem Meer zugewandt - war eine große Terrasse mit Tischen, leichten Stühlen und Sonnenschirmen, auf der man vor allem im Sommer die warmen Abende gemeinsam verbrachte. Dorthin holte man sich prickelnde Fruchtgetränke und rauchte Mana, in dessen Rausch man sich wohlig entspannte oder zum Singen und Tanzen animieren ließ.

    Wohn- und Gästehaus lagen rechtwinklig vom Hauptgebäude. Sie waren einstöckig. Für jeden Stationsbewohner gab es einen gesonderten Raum mit dem üblichen Wohnzubehör und für alle gemeinsam die Badestube, die ein beliebter Treffpunkt war, vor allem in der kälteren Jahreszeit, wenn dort warmes Wasser zur Verfügung stand.

    Gegenüber dem Wohntrakt - ebenfalls im rechten Winkel zum Wohngebäude - war das Arbeitshaus errichtet. Dort waren die Experimentierräume, die Laboratorien, der Aquarienraum, der Zeichenraum der Kartografen, das Fotolabor und alle die anderen Arbeitsräume untergebracht.

    Um das umbaute Viereck voll zu machen, gab es das Werkstattgebäude und das Vorratshaus. Das Werkstattgebäude enthielt auch die kapazitätsstarke Batteriestation und wurde von einem Gerüst überragt, an dem sich ein großes Windrad drehte. Den größten Teil der elektrischen Energie lieferten allerdings Sonnenzellen, die außerhalb der Station den Südhang eines Hügels bedeckten. Gleichfalls außerhalb der eigentlichen Station gab es ein Bootshaus am Strand, in dem neben einem kleinen Ruderboot ein größeres, segelfähiges Holzboot lag, das die Taucher benutzten, wenn sie ihre wissenschaftlichen Erkundungs-Ausflüge unter der Meeresoberfläche machten. Mit diesem Boot wurde auch die Verbindung hergestellt, wenn ein vor dem Strand ankerndes Schiff be- oder entladen werden musste.

    Bezeichnenderweise gab es nur ein kleines und bescheidenes Tempelchen, in dem nicht mehr als zehn Personen Platz für ihre Andacht finden konnten, denn es gab hier - wie auch sonst unter den höher gebildeten Menschen - nur noch wenige, die den Glauben an das Götter-Dreigestirn MUTTER-VATER-SOHN bewahrt hatten. Immerhin fanden sich stets frische Opfergaben, die jedoch von den Handwerkern, dem Küchenpersonal und den Hilfskräften gespendet waren.

    Es gab viele Katzen und etliche Schafe, die - wenn sie nicht auf den Hängen grasten - in einem Holzstall Unterschlupf fanden. Nur Kinder gab es in Omaburu nicht. Diese sollten nach der allgemeinen Sitte in der Heimat geboren werden und dort auch aufwachsen. Wurde also eine der Frauen schwanger, so reiste sie noch vor ihrer Niederkunft zu ihren Verwandten zurück, und ihre Stelle wurde durch eine Nachfolgerin ersetzt.

    Sahal half in der Küche mit, die man des schönen Wetters wegen zum Teil nach draußen verlegt hatte. Es gab sogar zwei improvisierte Feuerstellen, und auf langen Tischen wurden die Zutaten zurechtgelegt. Doch während Sahal scheinbar fröhlich zwischen drinnen und draußen hin und her eilte, kreisten ihre Gedanken grübelnd und traurig immer wieder um den einen Punkt: Warum, so fragte sie sich, musste er gerade heute fliegen, wo es doch sicherlich nicht der einzige Flugtag des Jahres war. Warum konnte er nicht mittun im fröhlichen Kreis, da doch keiner der Männer an diesem Tag arbeitete. Sie war fast ein wenig ärgerlich darüber. Dann aber dachte sie: Was aber, wenn er selbst Angst gehabt hatte vor diesem Flug und ihn deshalb schnell hinter sich bringen wollte, um am Abend des Festes ganz frei und sorglos zu sein - für sie?

    Dieser Gedanke rührte sie so, dass sie - um die auf steigenden Tränen zu verbergen - schnell zu den Gärten hinüberlief, um noch Kräuter und Früchte zu holen.

    Mitten in den allgemeinen Vorbereitungen geschah es, dass die Katzen, von denen es in Omaburu mehr als genug gab, laut miauend aus den Häusern hervorkamen.

    »Die merken alle, dass es heute etwas Gutes zum Essen gibt«, rief fröhlich einer der Männer, und die Frauen lachten dazu. Hätten sie - wie die früheren Bewohner dieser Gegend - gewusst, was das Geschrei dieser ahnungsvollen Tiere und ihre Flucht aus den Häusern zu bedeuten hatte, wären sie nicht auf den Gedanken gekommen, darüber zu lachen. - Aber das Wissen um das Gebaren der Tiere bei drohender Gefahr war mit diesen früheren Bewohnern verlorengegangen.

    Der erste Erdstoß kam in dem Augenblick, als der Funker ein kurzes Gespräch mit den Insassen des Flugapparates beendet hatte. Die Verständigung war schlecht gewesen, weil der Apparat noch zwischen den Bergen flog, und man hatte sich deshalb verabredet, den nächsten Funkkontakt erst dann wieder aufzunehmen, wenn die Gipfelhöhe des Gebirges erreicht war.

    Zwanzig Sekunden genügten, um aus den Gebäuden der kleinen Siedlung einen Trümmerhaufen zu machen. Die Verwirrung war unbeschreiblich und die fröhliche Vorfreude auf das Fest von einem Augenblick zum nächsten in Entsetzen und Panik umgeschlagen. Schreiend waren die meisten zu Boden gestürzt, während um sie herum die Welt unterzugehen schien. Steinmauern barsten, Holz splitterte, im Boden bildeten sich breite Spalten, als wollten sie alles verschlingen.

    Es dauerte eine ganze Weile, bis die verstörten Frauen und Männer begriffen, was soeben geschehen war, bis die Schreie aus den Trümmern ihre Betäubung durchdrangen und sie sich weinend daranmachten, Steine und Balken beiseite zu räumen.

    Dass auch die Funkstation zerstört war und unter Trümmern begraben lag, war für sie zunächst nicht wichtig, wichtig war nur die Rettung der noch in den ganz oder halb zerfallenen Gebäuden verschütteten Opfer.

    3

    Der Flugapparat näherte sich allmählich der Passhöhe. Die beiden Männer waren guter Dinge, nicht nur des Wetters wegen, sondern vor allem auch in der Vorfreude auf das abendliche Fest, zu dem sie rechtzeitig zurück sein wollten.

    Ossaman blickte nachdenklich in das lange, breite Tal hinab, dem sie immer noch entlangflogen.

    Dieses Tal hatte einstmals einen Namen gehabt, dachte er, aber niemand kennt ihn mehr. Namen entstehen nur dort, wo Menschen leben, und wenn sie nicht mehr existieren, heißt der Berg nur noch Berg und der Fluss Fluss. Was für Namen mögen wohl einmal diese Seen, Flüsse und Berge gehabt haben und vor allem die großen und kleinen Siedlungen, deren Bewohner schon vor langer Zeit dahingegangen sind!

    Nach der Überlieferung sollte eine Art von Seuche all diejenigen dahingerafft haben, die den Vernichtungswaffen, den Marodeuren und dem Hungertod entkommen waren. Und diese Seuche hatte rätselhafterweise nur die weißhäutigen Völker betroffen. Kein Wunder also, dass daraufhin die Legende vom Gottesgericht entstehen musste. Unwillkürlich runzelte

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